Protokoll der Sitzung vom 25.01.2017

Dann wissen Sie, wie es in unserer Gesellschaft ausschaut. Sie hat eine Aussage – auch das ist un gewöhnlich – von Albert Einstein veröffentlicht – ich zitiere –: „Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu belassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.“ Wir wollen, dass sich etwas ändert, und darum gehört die Abgeltungssteuer abgeschafft, meine Damen und Herren. – Vielen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Fecker.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Der wird nie im Leben Sahra Wagenknecht zitieren! – Heiterkeit)

Ich kann Sie beruhigen, Frau Kollegin Vogt, in einem positiven Zusammenhang kann ich mir auch nicht vorstellen, Frau Wagenknecht zu zitieren. – Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Abgeltungssteuer gilt seit 2009 allein auf Kapi taleinkommen. Wer Kapitalerträge von Sparbüchern, auf Dividenden oder GmbH-Anteile bekommt, muss darauf Steuern zahlen.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Wer hat’s eigentlich er funden?)

Die unter Finanzminister Steinbrück

(Abg. Eckhoff [CDU]: Danke, Herr Fecker! – Abg. Röwekamp [CDU]: In welcher Koalition?)

eingeführte Abgeltungssteuer sollte ursprünglich als Steuerbegünstigung für Kapitaleinkommen ein Anreiz gegen Steuerflucht sein. Die Abgeltungssteu er ist daher damals auch einheitlich auf 25 Prozent festgelegt worden und liegt damit weit unter dem Spitzensteuersatz.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Ach, das war eine SPD- Steuer!)

Der Spatz in der Hand wurde damals höher bewertet als die Taube auf dem Dach. Besser die Leute zahlen weniger Steuern, als dass sie das Geld ins Ausland schaffen und gar nichts zahlen. Das war der damalige Hintergrund.

Aber die Abgeltungssteuer bevorzugt nun einmal Kapital gegenüber Arbeitseinkommen und bevorteilt damit vermögende Kapitalanleger auf Kosten aller Steuerzahlerrinnen und Steuerzahler. Kapitalerträge erzielt in der großen Mehrheit der wohlhabende Teil der Bevölkerung. Eine niedrigere Besteuerung von Kapitalerträgen entlastet deshalb überproportional Personen mit sehr hohem Einkommen. Mit anderen Worten: Wer selbst arbeitet, zahlt mehr Steuern als jene, die ihr Geld als Kredit arbeiten lassen. Wer sein Geld in einen Betrieb investiert und unternehmeri sches Risiko trägt, zahlt mehr als jene, die ihr Geld zu vereinbarten Zinsen anlegen. Das ist ungerecht und auch wirtschaftspolitisch ein Fehlanreiz.

Die Abgeltungssteuer verstößt aus unserer Sicht gegen die verfassungsrechtlich gebotene Gleichbehand lung aller Einkunftsarten, denn Kapitaleinkommen werden niedriger besteuert als Löhne und Gehälter. Die Abgeltungssteuer verstößt auch gegen das in Deutschland geltende Leistungsfähigkeitsprinzip. Eine Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit er fordert, dass finanziell starke Einkommensgruppen einen höheren Beitrag zur Finanzierung des Staates leisten. Wer mehr leisten kann, kann auch mehr Steuern zahlen. Davon sind wir bei der Abgeltungs steuer meilenweit entfernt. Wir wollen, dass die Abgeltungssteuer abgeschafft und die Besteuerung anhand der individuellen Leistungsfähigkeit berech net wird. Starke Schultern müssen aus grüner Sicht mehr tragen, meine Damen und Herren!

Wir wollen einen Freibetrag von 850 Euro pro Jahr, damit Kleinstanleger nicht weiter belastet werden. Uns ist bewusst, dass es im Bundesrat bereits einen entsprechenden Antrag gibt, der in die Ausschüsse verwiesen worden ist,

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Aber der kommt von einer rot-roten Regierung! Das ist natürlich schwierig, dem beizutreten!)

der im Grundsatz auch von uns in weiten Teilen als richtig erachtet wird. So sehen wir das heute auch als Hinweis für unseren Senat, dass die Bestrebun gen im Bundesrat, die es bereits gibt, unterstützt werden sollten. Lassen Sie uns gemeinsam für eine gerechtere Steuerverteilung in diesem Land kämp fen! – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! DIE LINKE begrüßt diesen Antrag uneingeschränkt. Die Argumente, die gegen die Abgeltungssteuer sprechen, sind bereits genannt worden. Wir haben uns auch tatsächlich immer gegen die pauschale Abgeltungssteuer ausgesprochen, und zwar nicht nur, weil sie Kapitalvermögen, wie der Kollege Ravens zu Recht bemerkt hat, gegenüber den Arbeitseinkommen begünstigt, sondern auch, weil es selbst bei den Kapitalvermögen durch die Abgeltungssteuer zu einer Ungewichtung gekom men ist, da Kleinsparer oder Kleinvermögende jetzt erheblich mehr bezahlen als vor Einführung der Abgeltungssteuer. Früher haben sie nämlich deutlich weniger als die 25 Prozent bezahlt.

Ich könnte noch erwähnen – der Kollege Fecker hat es gesagt –, dass sich die damalige Bundesregierung unter Finanzminister Steinbrück mit dem legendären Satz: „Besser 25 Prozent von X als nix!“ Hoffnung gemacht hat, durch diese Steuersenkung für Ver mögende die Steuereinnahmen auf Zinsgewinne deutlich zu erhöhen. Allerdings – auch das ist von meinen beiden Vorrednern schon erwähnt worden – ist der Plan nicht aufgegangen. Erfolge gab es erst mit der Aufdeckung der Schwarzgeldkonten und den abgeschlossenen internationalen Verträgen zum Datenaustausch mit den ehemaligen Steueroasen. Das waren die beiden Fakten, die dazu geführt haben, dass wir etwas mehr Steuerehrlichkeit der Vermögenden in Deutschland haben.

Ich finde, dieser Antrag ist richtig. Ich kann allerdings auch noch einmal die Frage an die Koalition stellen, warum Sie unserem eigenen Antrag, den wir am 19. April 2016 gestellt haben und der die Abschaffung der pauschalen Abgeltungssteuer gefordert hat, nicht beigetreten sind. Sei‘s drum! Ich wollte das hier nur einmal erwähnen, dass Sie auch schon früher die Gelegenheit gehabt hätten, und ich finde es natürlich auch richtig, den Senat aufzufordern, eine entspre chende Initiative im Bundesrat zu starten.

Ich möchte allerdings doch den kleinen Hinweis geben – auch wenn wir dem Antrag zustimmen –, dass Sie dem bestehenden Antrag – der Bundesra tsinitiative einer rot-roten Regierung, nämlich der Landesregierung in Brandenburg – vom November

letzten Jahres durchaus hätten beitreten können. Das wäre jetzt auch nicht so schlimm gewesen, Herr Fecker. Aber sei‘s drum! Wir werden dem Antrag zu stimmen. Wir finden ihn richtig und hoffen, dass die Abgeltungssteuer abgeschafft wird und wir wieder zu einer gerechten Besteuerung kommen. Da sind wir uns ja einig. – Vielen Dank!

(Beifall DIE LINKE – Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Nein! Zu den Details und kleinen Fehlern dann später mehr!)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Leidreiter.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kollegen! Ich sage einmal: Die Abgeltungssteu er abschaffen würde ich nicht, aber ich würde den Steuersatz erhöhen – zum Beispiel auf 40 Prozent. Dann könnte man immer noch in der Veranlagung als Wahlrecht mit dem persönlichen Steuersatz diese Quellensteuer, die an der Quelle erhoben wird, ähnlich wie die Lohnsteuer in der Veranlagung entsprechend herabsetzen, sofern es nötig sein sollte.

Als zweiten Punkt müssen wir in dieser Diskussion unbedingt beachten, dass wir momentan eine höhere Inflationsrate haben, als wir Zinsen bekommen. Das heißt, wir versteuern jetzt eigentlich negative Zinsen, und das kann eigentlich so nicht sein. Deshalb, Herr Ravens, kommt die Diskussion Jahre acht oder neun Jahre zu spät. Momentan haben wir kaum positive, inflationsbereinigte Zinsen. Wir müssen also dringend darangehen und auch wirklich die tatsächliche Verzin sung versteuern und nicht irgendwelche Luftzinsen, die es nicht gibt. – Das war‘s. – Danke!

Als nächster Redner hat das Wort Herr Professor Dr. Hilz.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben jetzt, meine Damen und Herren aus dem rot-rot-grünen Lager, eindrucksvoll dargestellt, was Sie sich von Ihrem aus der Koalition kommenden Antrag versprechen, und ich kann Ihnen sagen: In einem Punkt, dem Kernpunkt dieses Antrags, sind wir uns einig.

(Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Nein!)

Ja, Herr Fecker. – Erträge aus Kapital sollten genauso besteuert werden wie Erträge aus Arbeit.

(Beifall FDP)

Aber –

(Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Lassen Sie das Aber doch stecken!)

Sie wissen, was kommt – aus unserer Sicht müssen wir natürlich bei der Lohnsteuer ansetzen. Die Lohn steuer ist ein Konstrukt aus verschiedenen Steuersät zen, einer Unzahl von unübersichtlichen Freibeträgen, die insbesondere die Mitte unserer Gesellschaft stark belastet. Diejenigen, die sich das leisten können und sich einen findigen Steuerberater einkaufen, können durch legale Steuertricks – auch darüber haben wir mehrfach in diesem Haus diskutiert –, über legale Steuervermeidung deutlich weniger zahlen, auch deutlich weniger Einkommensteuer. Das ist doch der Punkt, an dem wir ansetzen müssen.

(Beifall FDP)

Was hat denn die breite Mitte der Gesellschaft davon, wenn die Abgeltungssteuer erhöht wird? Wird sie entlastet? Nein! Im Gegenteil, Sie belasten auch mit der Erhöhung der Abgeltungssteuer die breite Mitte der Gesellschaft, die Familien, die Leistungsträger unserer Gesellschaft, die morgens aufstehen und zur Arbeit gehen. Diese Gruppe müssen wir doch entlasten. Die Belastung ist gerade hier viel zu hoch. Deshalb plädieren wir für ein einfaches und niedriges Steuersystem. Damit wird es auch gerechter, indem Ausnahmetatbestände gestrichen und insgesamt die Steuerlast vermindert wird. Davon profitiert die Mitte der Gesellschaft.

(Beifall FDP)

Darüber müssen wir endlich einmal sprechen, und nicht immer nur über die ganz, ganz Reichen.

(Glocke)

Entschuldigung, Herr Professor, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Leidreiter?

Ja, gern!

Bitte, Herr Leidreiter!

Herr Kollege Hilz, bitte beach ten Sie dabei, dass man heute schon das Wahlrecht zur Veranlagung hat. Das heißt, wenn Ihr persönlicher Steuersatz niedriger ist als die Abgeltungssteuer, können Sie veranlagen lassen. Deshalb mein Vor schlag, die Abgeltungssteuer vielleicht auf 40 Prozent hochzusetzen, und falls der persönliche Steuersatz niedriger ist, durch die Veranlagung einen niedri geren Steuersatz zu bekommen. – Danke!

(Zurufe)

Eine Frage war das jetzt nicht.

Sie haben recht, eine Frage war das jetzt nicht. Sie brauchen auch nicht zu antworten.

(Abg. Röwekamp [CDU]: In der Sache ist es nicht falsch! – Zuruf CDU: Die Frage war: Was halten Sie davon? – Heiterkeit)

Das Ziel ist: Weg von der Neiddebatte, hin zur Entlastung der Menschen, die in diesem Staat Leistungen erbringen – für sich, für ihre Familien, für ihre Angehörigen!

(Beifall FDP)

Daran geht Ihr Antrag vorbei. Lassen Sie uns auf der Lohnsteuerseite die Gerechtigkeit schaffen und nicht auf der Abgeltungssteuerseite! – Danke!