Protokoll der Sitzung vom 25.01.2017

Wobei Frau Grotheer einen besonders schönen Ge burtstag hat!

(Abg. Güngör [SPD]: Wie alt ist sie denn? – Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: 27! – Abg. Frau Dr. Müller [Bündnis 90/Die Grünen]: Schöne 30!)

Daraus kann man nur schließen, dass Altwerden auch Spaß macht.

(Heiterkeit – Abg. Frau Grotheer [SPD]: So was von!)

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Aktuelle Stunde

Für die Aktuelle Stunde ist von dem Abgeordneten Thomas Röwekamp und der CDU-Fraktion folgendes Thema beantragt worden:

Nach Urteil: Verfassungsfeindliche NPD weiterhin bekämpfen!

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Mäurer.

Bevor wir die Beratung eröffnen, möchte ich Ihnen mitteilen, dass in diese Aussprache auch die Aus sprache über Tagesordnungspunkt 73, Nach Urteil: Verfassungsfeindliche Parteien von staatlicher Par teienfinanzierung ausschließen, Drucksache 19/919, einfließen soll.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rö wekamp. – Bitte, Herr Kollege, Sie haben das Wort!

Sehr geehrter Herr Präsi dent, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie sicherlich viele von Ihnen war auch ich enttäuscht, als ich am Vormittag des Dienstags vor einer Woche das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in dem vom Bundesrat beantragten Verbotsverfahren gegen die NPD hörte. Ich hatte wie viele andere erwartet, dass die – zugegebenermaßen hohen – Hürden an ein Parteiverbot, die das Grundgesetz aus gutem Grund, auch vor dem Hintergrund der Geschichte des Nationalsozialismus, gesetzt hat, dieses Mal erfüllt sein würden. Wir, die CDU-Bürgerschaftsfraktion, haben wie fast alle Fraktionen in diesem Hause den Antrag des Bundesrats unterstützt. Wer sich die zusammengetragenen Fakten ange schaut hatte, konnte zu keinem anderen Ergebnis kommen. Wofür steht die NPD? In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird aus einer vom Parteivorstand der NPD herausgegebenen Broschüre zitiert. Demnach ist darin unter der Überschrift „Für welches Staatsbürgerschaftsrecht tritt die NPD ein?“ zu lesen – Zitat –: „Deutscher ist, wer deutscher Herkunft ist und damit in die ethnischkulturelle Gemeinschaft des deutschen Volkes hineingeboren wurde. [...] Ein Afrikaner, Asiate oder Orientale wird nie Deutscher werden können, weil die Verleihung bedruckten Papiers (des BRD- Passes) ja nicht die biologischen Erbanlagen verän dert, die für die Ausprägung körperlicher, geistiger und seelischer Merkmale von Einzelmenschen und Völkern verantwortlich sind. [...] Angehörige ande rer Rassen bleiben deshalb körperlich, geistig und seelisch immer Fremdkörper, egal, wie lange sie in Deutschland leben. Sie mutieren durch die Verleihung eines Passes ja nicht zu Deutschen...“ Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hätte nie geglaubt, dass solche Sätze im Programm einer zugelassenen politischen Partei in Deutschland stehen dürfen und sie nicht verboten werden darf.

(Beifall)

Die NPD trifft Aussagen zum Verhältnis zu den Ju den – ich zitiere –:

„Ständig bemühen sich bestimmte Kreise mit ganz bestimmten Absichten, uns etwas vom ‚christlichjüdischen Abendland‘ weiszumachen. Aber das ist eine historische Lüge: Juden gab es im Abendland mindestens 1 500 Jahre lang nur als Händler, Wu cherer, Christusmörder und im Ghetto. 1 500 Jahre lang hatten Juden im Abendland so gut wie nichts zu sagen. Kurz und gut: MEIN Abendland ist christlich und zu mindestens gleichen Teilen germanisch. Das ‚jüdisch‘ brauche ich nicht in meinem Abendland, und – ich bin so frei – ich lege auch keinen Wert darauf.“

Wer vor dem Hintergrund des Holocaust solche Aus sagen tätigt, versündigt sich nicht nur an den Opfern des Nationalsozialismus, sondern ist auch ein Feind unserer Demokratie.

(Beifall)

Auch über uns, unsere demokratische Verfasstheit, macht sich die NPD Gedanken. Da heißt es – ich zitiere –:

„Ein krankes System zittert in seinen morschen Kno chen! Die Symptome der Fäulnis haben das Gefüge der Kriegsgewinnler von 1945 und ihrer deutschen Handlanger erfasst. [...] Ehrlose, korrupte Politiker und ihre Speichellecker in den Medien haben sich zusammengeschlossen mit antideutschen, volksfeind lichen Kräften. Sie üben gegenüber uns und unserem Volk eine ‚Diktatur der Unfreien‘ aus. Sie sind nichts weiter als Handlanger der Besatzungsmächte von 1945. Sie tun alles, um die Besatzung und Fremd herrschaft weiterhin als Befreiung zu kaschieren und bis heute zu sichern.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer so über unsere freiheitliche demokratische Grundord nung denkt, stellt sich in Widerspruch zu unserer Demokratie.

(Beifall)

Schließlich ein letztes Zitat aus der Propaganda der NPD, zum Verhältnis zum Nationalsozialismus. Dazu heißt es – ich zitiere aus einer Veröffentlichung vom 20. April 2013 –:

„Möge dieser Parteitag am Wochenende des 20. April dem einen oder anderen Delegierten blitzartig ins Gedächtnis rufen, wozu der größte Sohn unseres Vol kes … in der Lage war. Es gelang ihm, weil er, unter Einsatz seiner ganzen Person, vollkommen selbstlos handelnd, unbestechlich und zu jedem persönlichen Opfer bereit, die Verkörperung der Hoffnung von Millionen selbst wurde! – und diese nie verraten hat.“

Ich hätte nie gedacht, dass eine politische Bewegung, die den Nationalsozialismus in einer solchen Weise verherrlicht, in unserer Demokratie als Partei einen Platz haben dürfte.

(Beifall)

Deswegen war ich wie viele andere enttäuscht, als ich den Urteilsspruch des Bundesverfassungsgerichts hörte. Wer aber das Urteil liest, kommt zu dem Ergeb nis, dass Enttäuschung eigentlich nicht die richtige Reaktion ist. Das Bundesverfassungsgericht hat das getan, was seine Aufgabe ist. Es hat sehr genau analysiert und untersucht, ob die hohen Hürden für ein Parteiverbot in diesem konkreten Fall erfüllt wa ren. Es kommt zu dem bemerkenswerten Ergebnis, dass sämtliche Anforderungen, die das Bundesver fassungsgericht in den bisherigen Verbotsverfah ren gegen die DKP und die SRP – vor Jahrzehnten zugegebenermaßen – gestellt hatte, in diesem Fall erfüllt waren. Ich zitiere aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts:

„Das politische Konzept der Antragsgegnerin“ – NPD – „ist mit der Garantie der Menschenwürde im Sinne von Art. 1 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Sie akzeptiert die Würde des Menschen als obersten und zentralen Wert der Verfassung nicht, sondern bekennt sich zum Vorrang einer ethnisch definierten ‚Volksgemeinschaft‘. Der von ihr vertretene Volks begriff negiert den sich aus der Menschenwürde ergebenden Achtungsanspruch der Person und führt zur Verweigerung elementarer Rechtsgleichheit für alle, die nicht der ethnischen ‚Volksgemeinschaft‘ angehören. Ihr Politikkonzept ist auf die Ausgrenzung, Verächtlichmachung und weitgehende Rechtlosstel lung von Ausländern, Migranten, Muslimen, Juden und weiteren gesellschaftlichen Gruppen gerichtet.“

Das Bundesverfassungsgericht hat die Programmatik der NPD richtig bewertet. Sie ist mit unseren Werten, mit unserem Grundgesetz, mit unserem Rechtsstaat unvereinbar. Das ist die richtige, zutreffende Fest stellung des Bundesverfassungsgerichts.

(Beifall)

Das Verbotsverfahren hat nur deswegen am Ende kei nen Erfolg gehabt, weil das Bundesverfassungsgericht einen neuen Maßstab festgesetzt hat. Demnach muss die verfassungswidrige Partei auch in der Lage sein, ihre politischen Ideen Wirklichkeit werden zu lassen. Das Bundesverfassungsgericht kommt zu dem für die NPD nicht gerade schmeichelhaften Ergebnis, dass sie, in den letzten Jahren auf Abstieg programmiert, in ihrer derzeitigen Verfasstheit gerade nicht in der Lage ist, tatsächlich unsere Demokratie zu gefährden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, kann uns das beruhigen? Ich denke, nein. Eigentlich ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine Mahnung.

Wir wissen sehr genau, dass die NPD in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer wieder Phasen der Stärke und der Schwäche gehabt hat. Sie war manch mal in Landtagen vertreten und dann wieder nicht. Wer glaubt, dass das Urteil des Bundesverfassungs gerichts eine Feststellung der Wirkungslosigkeit der NPD sei, der täuscht sich. Deswegen folgt für die CDU-Fraktion – ich denke, für viele andere auch – aus dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts als allererste Mahnung: Lassen Sie uns gemeinsam wachsam bleiben, wenn es um das Treiben dieser Partei in Deutschland geht!

(Beifall)

Ich sage das auch deswegen, weil der Rückgang der Bedeutung der NPD mit der Zunahme der Bedeu tung anderer rechtspopulistischer Vereinigungen in Deutschland einhergeht. Ja, die AfD ist zurzeit noch nirgendwo ein Beobachtungsobjekt des Verfassungs schutzes. Was sich aber in den letzten Tagen bei der AfD ereignet hat, gibt nicht nur Anlass zur Sorge. Daraus leitet sich vielmehr der Auftrag aus der Ent scheidung des Bundesverfassungsgerichts ab: Lassen Sie uns nicht nur die NPD beobachten bei dem, was sich programmatisch inhaltlich tut und was vielleicht eine Gefahr für unsere Demokratie sein kann; lassen Sie uns auch bei allen anderen rechtspopulistischen Bewegungen sehr genau hinschauen, was passiert, und wachsam bleiben, ob nicht auch dort die Voraus setzungen für ein Verbot nach den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts gegeben sind!

(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP, LKR)

Wenn ein führender Politiker einer Partei von einem ‚lebensbejahenden afrikanischen Ausbreitungstyp‘, von ‚tausendjähriger Vergangenheit‘ und ‚tausend jähriger Zukunft‘ spricht; wenn er populistisch die Be hauptung aufstellt, dass der Syrer, der zu uns komme, ja noch sein Syrien habe, wohingegen wir, wenn wir in Deutschland verloren hätten, hier keine Heimat mehr hätten; wenn er der Auffassung ist, dass das Mahnmal für die Opfer des Holocaust in Berlin ein „Denkmal der Schande“ sei, dann ist er von der inhaltlichen Programmatik der NPD nicht weit entfernt.

(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP, LKR)

Eine Partei, die nicht die Kraft hat, sich von solchen Äußerungen zu distanzieren, die es zulässt, dass jemand solche Äußerungen ungestraft verbreitet, ist eigentlich eine Schande für unsere Demokratie.

(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP, LKR)

Ja, es stimmt, ich hätte mir gewünscht, die NPD wäre verboten worden. Die Welt wäre am nächsten Tag keine andere gewesen; das war uns doch allen klar. Mit dem Verbot einer Partei vernichtet man kein nationalsozialistisches Gedankengut. Es hätte uns aber in der politischen Auseinandersetzung mit solchen Kräften geholfen. Es hätte uns geholfen, zu vertreten, warum wir mit aller Vehemenz gegen Rechtspopulismus und Rechtsradikale in Deutschland vorgehen. Es hat – mit dieser neuen Hürde – am Ende eben nicht gereicht.

Wir können trotzdem etwas tun. Wir haben als Aller erstes den Auftrag, über die politischen Inhalte, die Zielvorstellungen und die abstrusen Hirngespinste von Rechtspopulisten und Rechtsradikalen weiterhin auf allen Ebenen aufzuklären. Wir müssen weiter darüber reden, dass diese Menschen eigentlich ein anderes Deutschland wollen; dass sie von einer an deren Verfassung träumen; dass sie an einen anderen Rechtsstaat denken; dass sie das, was wir uns in den Jahrzehnten seit Beendigung des Zweiten Weltkriegs an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit erarbeitet ha ben, bekämpfen und beseitigen wollen. Wir haben den Auftrag, über die Demokratie zu reden, meine sehr verehrten Damen und Herren, und das ist unser gemeinsamer Auftrag, der aus dem Urteil des Bun desverfassungsgerichts folgt.

(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP, LKR)

Die zweite Botschaft ist: Wir müssen wachsam blei ben gegenüber all dem, was sich an extremistischen Bedrohungen in Deutschland auftut. Ja, ich bin dafür, dass wir noch einmal genau prüfen, ob in Anbetracht der Äußerungen von Herrn Höcke nicht doch die Voraussetzungen dafür gegeben sind, dass diese Partei genauer überwacht werden kann. Die rechts staatlichen Instrumente stehen dem Bundesamt für Verfassungsschutz und den Landesämtern für Ver fassungsschutz zur Verfügung. Lassen Sie uns auch gegenüber solchen Parteien wachsam bleiben, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP, LKR)

Das Bundesverfassungsgericht hat uns einen Fin gerzeig gegeben. Das Parteiverbot ist immer nur die Ultima Ratio. Wenn nichts mehr geht, wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, dann sollte man ein solches Verfahren auch in Zukunft nicht ausschließen.

Wir als diejenigen, die nicht nur im Land, sondern auch im Bund an der Gesetzgebung mitwirken, haben aber einen weiteren Auftrag. Ich bin sehr froh, dass wir uns als erster Landtag in Deutschland gemeinsam hinter der politischen Forderung versammeln können, dass es nicht zu weiteren staatlichen Zuwendungen an eine Partei kommt, deren Verfassungsfeindlichkeit festgestellt worden ist.

(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LIN KE, FDP, LKR)

Für mich ist es schlicht unerträglich, dass eine Partei, deren Verfassungsfeindlichkeit durch das Bundesver fassungsgericht festgestellt worden ist, im Jahr 2015 1,3 Millionen Euro an staatlichen Zuschüssen verein nahmen konnte. Ich möchte, dass wir gemeinsam alles unternehmen, damit eine verfassungsfeindliche Partei in Zukunft nicht mehr vom Staat teilfinanziert wird.

(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP, LKR)

Ich finde es unerträglich, dass eine Spende an eine solche Partei einkommensteuerlich absetzbar ist. Was ist das eigentlich für ein Rechtsstaat, der es noch belohnt, dass man an eine Partei spendet, die sich im Widerspruch zu unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung befindet? Deswegen ist es richtig, dass wir die Initiative unterstützen, das Grundgesetz so zu ändern, dass die Finanzierung verfassungsfeindlicher Parteien in Zukunft ausgeschlossen ist.