Protokoll der Sitzung vom 25.01.2017

Ich finde es unerträglich, dass eine Spende an eine solche Partei einkommensteuerlich absetzbar ist. Was ist das eigentlich für ein Rechtsstaat, der es noch belohnt, dass man an eine Partei spendet, die sich im Widerspruch zu unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung befindet? Deswegen ist es richtig, dass wir die Initiative unterstützen, das Grundgesetz so zu ändern, dass die Finanzierung verfassungsfeindlicher Parteien in Zukunft ausgeschlossen ist.

Ich möchte meinen Kindern gegenüber sagen können, dass wir alles unternommen haben, was geeignet ist, gegen die Ideen, die wirren Gedanken, die ver fassungsfeindlichen Ansichten dieser und anderer rechtsradikaler und rechtspopulistischer Tendenzen in Deutschland vorzugehen. Lassen Sie uns gemein sam weiterhin gegen diese Feinde der Demokratie kämpfen! – Vielen Dank!

(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP, LKR)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Professor Dr. Hilz.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die NPD spielt – zum Glück! – im Land Bremen keine Rolle. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass sie auch in anderen Bundesländern und in der Bundesrepublik insgesamt viel zu unbedeutend ist, um überhaupt verboten zu werden. Deswegen wun dert es mich ein bisschen, dass Sie, meine Damen und Herren von der CDU, über dieses Thema breit im Plenum debattieren und dem noch eine weitere Öffentlichkeit geben. Herr Röwekamp, insbesondere Ihre langen Zitate aus dem NPD-Parteiprogramm haben an diesem Rednerpult meiner Meinung nach nichts verloren.

(Beifall FDP, Abg. Tassis [AfD] – Abg. Frau Dr. Scha efer [Bündnis 90/Die Grünen]: Das sehe ich aber anders!)

Es geht doch darum, Rechte mit ihrem Gedankengut zu stellen, Argumente gegen rechtes Gedankengut zu sammeln und entschlossen dagegen vorzugehen.

(Abg. Güngör [SPD]: Und darum, die Gefahr nicht zu verharmlosen!)

Es geht doch nicht darum, ein Symbol zu schaffen, diese Partei zu verbieten.

(Abg. Frau Ahrens [CDU]: Wie bitte?)

Bereits im ersten Verbotsverfahren gab es grobe Hin weise, warum ein Verbot so nicht durchsetzbar sein werde. Wir Freie Demokraten hatten bereits 2013 die Befürchtung, dass wir ein erfolgloses Verbotsverfah ren erleben werden, das am Ende nur einem nützt, nämlich der NPD. Wir alle haben mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts verloren. Wir hätten uns gewünscht, dass die Innenminister der Länder, insbe sondere die sozialdemokratischen Innenminister, die dieses Verbotsverfahren massiv befürwortet hatten, entsprechend gut vorbereitet gewesen wären, um es erfolgreich zu gestalten.

Wir haben schon 2013 gesagt, dass es mit der Finanzie rung verfassungsfeindlicher Parteien ein Ende haben muss. Entsprechende Anträge haben wir vorgelegt. Wir halten diese Finanzierung nicht für vertretbar.

Wir als demokratische Parteien müssen zukunftsfähige Politik machen. Wir müssen den Menschen vermitteln, dass wir es sind, die Lösungen präsentieren, nicht aber diejenigen, die am lautesten schreien und am schlimmsten hetzen. Wenn wir Lösungen anbieten und mit Argumenten auftreten, dann werden wir die rechtspopulistischen Parteien abschaffen – an den Wahlurnen, nicht vor dem Bundesverfassungsgericht. – Danke schön!

(Beifall FDP – Abg. Senkal [SPD]: Das war ja ein Auftritt!)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Fecker.

Sehr geehr ter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Professor Hilz, ist nicht die Auseinandersetzung in einem Parlament darüber, was die NPD und andere betreiben, genau das, was Sie einfordern? Wenn hier erörtert wird, welches Gedankengut in der NPD vorherrscht und welche Positionen sie in der Gesellschaft vertritt, dann ist das ein Diskurs, der auch in dieses Parlament gehört. Darin sind wir uns hoffentlich einig.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, CDU, DIE LINKE, LKR)

Wir sind uns in der Bremischen Bürgerschaft wahr scheinlich auch über Folgendes weitestgehend ei nig: Die NPD ist eine rechtsextreme, menschenver achtende, verfassungsfeindliche Partei, deren Ziel

die Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unseres Landes – oder, wie es der NPD-Sprachgebrauch wäre, des „Systems BRD“ – ist. Die NPD ist rassistisch, antisemitisch, islam- und menschenfeindlich. Sie können sicher sein, alle Mit glieder unserer Fraktion würden das Verschwinden dieser Partei lieber heute als morgen sehen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Bundesweit unterhält die NPD Verbindungen zu Freien Kameradschaften, zu rechtsextremistischen Straftätern oder obskuren Wehrsportgruppen. Es gibt keinen Zweifel: Diese Partei steht nicht auf dem Boden des Grundgesetzes. Diese Partei ist ein Feind unserer Demokratie.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, CDU, DIE LINKE)

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist in erster Linie eine Blamage für diese verfassungsfeindliche Kleinstpartei. Die NPD bemüht sich zwar; aber sie ist laut Bundesverfassungsgericht eben keine Bedro hung unserer Demokratie: in keinem Landtag mehr vertreten, in keiner öffentlichen Diskussion mehr präsent und auch personell am Ende.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Möglichkeit angedeutet, einer verfassungsfeindlichen Partei wie der NPD die staatliche Finanzierung zu entziehen. Wir Grünen finden das richtig. Der Staat muss nicht auch noch diejenigen finanzieren, die ihn abschaffen wollen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, CDU)

Das Bundesverfassungsgericht hat seine Rechtspre chung zu Parteiverboten weiterentwickelt und sich damit auch an das angelehnt, was der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte für Parteiverbote gefordert hat. Dieses Urteil ist aber auch ein Hinweis an all diejenigen, die meinen, dass sich die Probleme ausschließlich mit Parteiverboten lösen ließen. Der Kampf gegen Rechtsextremismus entscheidet sich nicht allein vor Gericht, sondern vor allem in den Köpfen. Kein Gericht kann rechtsextremistisches Gedankengut allein durch ein Verbot abschaffen.

Eine dahinsiechende und nun auch für bedeutungslos erklärte NPD ist aber kein Grund zum Innehalten; denn all das, wofür die NPD stand, hat in Deutschland wieder Konjunktur: Menschenfeindlichkeit, Rassis mus, Fremdenhass. Die Anzahl der rechts motivierten Straftaten steigt. Flüchtlingsheime brennen. Menschen werden auf offener Straße beschimpft, bespuckt und angegriffen.

Das Erstarken des Rechtspopulismus ist längst kein deutsches Phänomen mehr. Deswegen sorgen wir uns nicht nur um unser Land, sondern auch um die Einheit Europas.

Die Meinungsfreiheit gilt nur noch für die eigene Meinung, die Ausübung der Religionsfreiheit nur noch für die eigene Religion. Mühsam erkämpfte Rechte für Minderheiten werden infrage gestellt, und Politiker werden zu „Volksverrätern“. Heute mögen es nicht mehr die glatzköpfigen, Springerstiefel tragenden, intellektuell tieffliegenden Nazis sein, die unsere Ge sellschaft bedrohen; heute sind es Rechtspopulisten, die Hass gegen Minderheiten und Fremde säen und sich als geistige Brandstifter betätigen.

Der Stil der Rechtspopulisten ist dabei einfach. Sie wollen „Sprachrohr des Volkes“ oder „Stimme des Volkes“ sein. Sie grenzen sich, wie sie es nennen, von „denen da oben“ ab, von „den Politikern“, oder aber nach außen, gegen alles Fremde, gegen Zuwanderer, gegen Minderheiten. Für komplexe Sachverhalte bieten sie einfache Lösungen an wie: „Raus aus dem Euro!“ Sie sagen: „Wir sind anders!“, „Wir sind wie ihr, die Bevölkerung!“, „Wir sind nicht das Establishment!“

Nein, sie werfen selbst keine Molotowcocktails auf Flüchtlingsheime. Nein, sie greifen selbst keine Schwarzafrikaner, Syrer oder andere Menschen in unseren Innenstädten an. Aber sie sind diejenigen, die den gesellschaftlichen Boden für diese Straftaten in unserem Land legen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, CDU, DIE LINKE)

Uns ist es gemeinsam, parteiübergreifend, bisher nicht gelungen, dem aufkommenden Populismus von rechts Einhalt zu gebieten. Das ist aber unsere gemeinsame Herausforderung. Lassen Sie uns, auch in Wahlkampfzeiten, gemeinsam deutlich machen: Wer die Demokratie und ihre Werte infrage stellt, trifft weiterhin auf unseren gemeinsamen Wider stand! Alles andere ist eben keine Alternative für Deutschland. – Vielen Dank!

Als Nächste hat das Wort die Ab geordnete Frau Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen hier heute, weil das Bundesverfassungsgericht in der vergangenen Woche festgestellt hat, dass die NPD zwar eine ver fassungswidrige, aber für ein Verbot zu unbedeutende Partei ist. Das Parteiverbotsverfahren scheiterte unter anderem an der jetzigen organisationspolitischen Schwäche dieser Partei. Herr Kollege Fecker hat es schon gesagt, sie ist inzwischen aus allen Land tagen geflogen. Diese Partei ist auch überschuldet, sie ist öffentlich zerstritten. Sie hat, außer in einigen Gegenden Ostdeutschlands und dort, wo sie gezielt provoziert, kaum noch öffentliche Relevanz.

Sie hat auch Konkurrenz auf der rechten Seite be kommen. Zwei sehr militante Parteien haben sich gegründet, Der Dritte Weg und Die Rechte. Es gibt

auch den nationalsozialistischen beziehungsweise faschistischen Flügel der AfD; das hat Herr Kollege Röwekamp zu Recht erwähnt. Auch der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag hat Björn Höcke in der vergangenen Woche zu Recht als Neonazi bezeichnet.

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich möchte an dieser Stelle ergänzen, dass dieser Neonazi Geschichtslehrer in Hessen ist und von ei nem Professor Meuthen aus Baden-Württemberg öffentlich unterstützt wird. Das finde ich mindestens genauso schlimm wie eine verfassungswidrige Partei, die Steuergelder erhält.

(Beifall DIE LINKE, SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grü nen)

Wie auch immer jeder von uns persönlich zu dem Urteil aus der vergangenen Woche stehen mag – zumindest die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts, was die derzeitige Bedeutungslosigkeit der NPD angeht, kann man nicht von der Hand weisen. An dererseits, auch das hat Herr Kollege Fecker schon gesagt, geht von NPD-Leuten an vielen Stellen dieser Republik immer noch konkrete Gefahr für Leib und Leben von Andersdenkenden oder Migrantinnen und Migranten aus, und der Übergang von der NPD zu militanten Neonazis ist in einigen Regionen Deutsch lands immer noch fließend. Ich gehe auch davon aus, dass nach dem Urteil viele NPD-Mitglieder die wegen des Verbotsverfahrens zwischenzeitlich an den Tag gelegte Zurückhaltung jetzt wieder aufgeben werden.

Herr Kollege Röwekamp hat zu Recht gesagt, dass die Gefahr für Leib und Leben, die von Neonazis ausgeht, durch ein Verbot der Partei nicht kleiner geworden wäre. Auch das ist wahr: Die Angriffe und Anschläge durch Neonazis haben in den vergange nen beiden Jahren einen traurigen neuen Rekord erzielt, in einer Zeit also, in der die NPD selbst sich vergleichsweise bedeckt gehalten hat und nicht in Erscheinung getreten ist.

Außerdem ist es möglich, dass die heutige geringe Bedeutung der NPD im parlamentarischen und im öffentlichen Raum nicht in Stein gemeißelt ist. Herr Kollege Röwekamp hat darauf verwiesen, dass die Bedeutung der NPD in der Bundesrepublik immer Schwankungen unterlegen hat. Ich kann mich an meine Kindheit und Jugend in den Sechziger- und Anfang der Siebzigerjahre erinnern, als die NPD in Niedersachsen noch Bürgermeister stellte. Das ist gar nicht so lange her. Auch die Erfolge der NPD bei Landtags- und bei Kommunalwahlen sind nicht so lange her.

Natürlich gibt es bei solchen Parteien auch Schwan kungen, die dem Zeitgeist folgen. Anders formuliert, deren Erfolg hängt auch davon ab, wie offen völki sches, faschistisches, rassistisches, rechtsextremes

Gedankengut propagiert werden kann. Insofern bin ich durchaus vorsichtig; denn wir erleben in Deutschland, Europa und der Welt eine rechtspopu listische Entwicklung, und wir wissen, dass solche Entwicklungen – der Durchmarsch von Rechtspopu listen – immer wieder dazu führen können, dass das Parteienspektrum sich radikalisiert und Rechtsextre misten deutlichen Zulauf bekommen. Das heißt, wir müssen nach wie vor aufmerksam sein, auch wenn das, was die NPD heute darstellt, für ein Verbot nicht gereicht hat. Ich möchte dazu noch einen kleinen geschichtlichen Hinweis geben: Die NSDAP hatte bei den Reichstagswahlen 1928 nur 2,6 Prozent der Stimmen erreicht, und fünf Jahre später stellte sie mit Hitler den Reichskanzler.

Dieses Parteiverbotsverfahren ist in Deutschland zwar nicht umstritten gewesen – „umstritten“ wäre das fal sche Wort –, aber es ist kontrovers diskutiert worden. Herr Kollege Professor Hilz hat in einem Punkt leider Recht: Auch dieses Verbotsverfahren war von den Ländern beziehungsweise dem Bundesrat nicht richtig gut vorbereitet worden. Das Bundesverfassungsgericht hat sehr früh einen Hinweis darauf gegeben, dass es das Verfahren zwar für rechtlich begründet halte, dass es ihm aber an Substantiierungen mangele. Ich hätte mir in Bezug darauf sehr gewünscht, dass die Bundesländer noch einmal nachlegen; das ist leider nicht der Fall gewesen.

Trotz aller kontroversen Diskussion war das Verbots verfahren richtig. Nach einem Verbot hätte sie nicht mehr das Parteienprivileg genossen. Nach Ausschluss von allen Zuwendungen aus Steuermitteln wäre sie wahrscheinlich übermorgen pleite. Es gab also durchaus Argumente für das Verbotsverfahren.

Es gibt auch Argumente gegen ein Verbotsverfahren; das muss man ehrlicherweise sagen. In den Beiträgen meiner Vorredner ist schon angeklungen, dass man den Kampf gegen Rassismus, Nationalismus und An tisemitismus nicht durch staatliche Verbote gewinnen kann. Faschismus ist und bleibt ein Verbrechen, das von Verbotsverfahren völlig unberührt ist; man muss ihn anders bekämpfen. Die Naziwähler verschwinden nicht dadurch, dass ihre Partei nicht mehr auf dem Wahlzettel steht. Das wissen wir alle.

Wir wissen natürlich auch, dass man zivilgesellschaft liches Engagement und antifaschistische Initiativen nicht einfach an den Staat delegieren kann. Wir sind auch nicht davon ausgegangen, dass durch ein Verbot sämtliche menschenverachtenden Ideologien dieser Welt aus dem Weg geräumt worden wären; ich glaube, so naiv war niemand von uns.

Das heißt nicht, das staatliche Zwangsmittel im Kampf gegen solche Ideologien überhaupt keine Option sein könnten. Ich bin – anders als Sie, Herr Professor Hilz – der Meinung, dass der Kampf gegen alte und neue Nazis sehr vielschichtig und anlassbezogen geführt werden muss. Dazu gehört auch die Auseinander setzung im parlamentarischen Raum.

(Beifall DIE LINKE, SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grü nen, LKR)