Herr Abgeordneter Hinners, wir haben, glaube ich, hier im Haus auch schon einmal zu Beginn des Jahres 2016 darüber geredet, weil wir ja unmittelbar auch im Zusammenhang mit den Ereignissen in Köln, seinerzeit in der Silvesternacht, festgestellt haben, dass wir zu Jahresbeginn, als das Ganze auch in seiner Dimension öffentlich wurde, einen ganz erheblichen Run auf die verschiedenen Formen von Selbstverteidigungsbewaffnung hatten, insbesondere im Bereich des kleinen Waffenscheins. Aber es gab auch Drogerieketten, die Kaugummis in der Auslage hatten und dann KO-Sprays anboten.
Insofern haben wir in dem Gesamtbereich eine Zunahme von Bewaffnung, Selbstbewaffnung Anfang des letzten Jahres wahrgenommen. Das hat sich über das Jahr so fortgesetzt, und wir haben ja auch zum
Es ist schade, dass Sie meine dritte Frage hinsichtlich der Strafanzeigen nicht beantworten konnten, denn daraus könnte man ableiten, dass viele von denen – jetzt kommt auch gleich meine Frage –, die im letzten Jahr vermehrt den kleinen Waffenschein beantragt haben, möglicherweise die Waffen, die sie dort erworben haben, auch für Straftaten nutzen. Jetzt meine Frage: Beabsichtigen Sie nicht, um das Ganze besser aufzuklären, welchen Hintergrund diese Waffen bei vielen Menschen haben, zu verifizieren, wer sich welche Waffen über den kleinen Waffenschein besorgt hat, und parallel dazu, wer deswegen oder aus anderen Gründen Strafanzeigen bekommen hat? Ist das keine interessante Information für Sie?
Doch. Es wäre natürlich eine ganze Reihe von Informationen hier unter verschiedenen Gesichtspunkten interessant. Aber Sie wissen natürlich auch, dass der Verwaltungsaufwand zum Erheben solcher Informationen sehr erheblich ist. Die Kolleginnen und Kollegen von der Polizei werden Ihnen sicherlich erzählt haben, dass man bei Artus schon heute ganz schön viele Informationen eingeben muss. Das Zweite ist aber, dass die Informationen neben dem Verwaltungsaufwand natürlich im Augenblick der Anzeigenaufgabe zugänglich sein müssten, und das sind sie ja regelmäßig nicht. Deshalb haben wir ein anderes Verfahren, nämlich das Verfahren, dass die Waffenbehörde im Rahmen der Zuverlässigkeitsüberprüfung feststellt, ob gegen denjenigen, der Inhaber einer solchen Waffenberechtigung ist, strafrechtliche Erkenntnisse vorliegen, es dann gegebenenfalls zum Widerruf dieser Erlaubnis kommt oder sie bei der Frage der Überprüfung die Erteilung ablehnt. Die Tatsache, dass wir zumindest im Moment noch keinen signifikanten Anstieg haben, was die Widerrufe beziehungsweise die Ablehnungen anbelangt, spricht dafür, dass es hier jedenfalls keine gezielte Bewaffnung zur Begehung von Straftaten gegeben hat. Ich muss auch ganz deutlich sagen: Das ist dabei gar nicht meine erste Sorge. Da wir ja nach den Ereignissen von Köln vor allen Dingen die Bewaffnung durch Reizstoff- oder Schreckschusswaffen festgestellt haben, spricht vieles dafür, dass es in der Bevölkerung Verunsicherung gibt und dass die Bevölkerung versucht, dieser Verunsicherung durch die private Aufrüstung zu begegnen.
Das halte ich deshalb für gefährlich, weil alle Erfahrungen zeigen, dass das eine ganz trügerische Sicher
heit ist, die man sich da erwirbt, und die Polizei warnt ausdrücklich davor, sich mit solchen Reizstoff- oder Schreckschusswaffen selbst verteidigen zu wollen. Das trägt in der Regel nur zur Eskalation der Auseinandersetzung bei und damit in Wirklichkeit zu einer höheren Gefährdung. Deshalb muss man hier aufpassen.
Hat der Senat Erkenntnisse zu den Käufern darüber, was entweder die Geschlechter oder die Altersstruktur angeht?
Zur Altersstruktur nicht. Ich vermute, dass wir auch die Geschlechterzugehörigkeit nicht erheben können. Das will ich aber gern nachfragen.
Herr Staatsrat, es gibt bezüglich des kleinen Waffenscheins diverse Ordnungswidrigkeiten. Gibt es denn da wenigstens eine Statistik?
Wenn Sie das gefragt hätten – also jetzt nicht mich, sondern sozusagen in der Frage –, hätte ich es Ihnen beantworten können. Aber ich bitte nachzusehen, dass ich nicht alle Statistiken, die in meinem Geschäftsbereich geführt werden, auswendig gelernt habe. Aber ich schaue das gern nach und teile Ihnen mit, wenn wir etwas dazu haben.
Die siebte Anfrage bezieht sich auf die „Ermittlungen gegen Flüchtlinge wegen Sozialbetrugs in Braunschweig“. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Hinners, Dr. vom Bruch, Röwekamp und Fraktion der CDU.
Erstens: Wie viele Flüchtlinge wurden in den Jahren 2015 und 2016 in Bremen und Bremerhaven aufgenommen, und wie viele davon wurden erkennungsdienstlich behandelt?
Drittens: Wie oft kam es infolge der Mehrfachidentitäten in den Jahren 2015 und 2016 zum Mehrfachbezug von Sozialhilfe, und in wie vielen Fällen wurde Strafanzeige erstattet?
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Hinners! Für den Senat beantworte ich die Fragen wie folgt:
Zu Frage eins: Dem Land Bremen wurden über das EASY-Programm im Jahr 2015 10 274 Asylsuchende zugewiesen und im Jahr 2016 3 185. Zudem hat die Stadtgemeinde Bremen im Jahr 2015 2 710 unbegleitete minderjährige Ausländerinnen und Ausländer aufgenommen, die Stadtgemeinde Bremerhaven 57. 2016 waren es in Bremen 1 144 und in Bremerhaven 17.
Alle Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie Flüchtlinge werden erkennungsdienstlich behandelt. Seit April 2016 verfügt die zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber und ausländische Flüchtlinge über die technischen Voraussetzungen, die erkennungsdienstliche Behandlung bereits im Rahmen der Erstregistrierung durchzuführen. Bis April 2016 erfolgte die erkennungsdienstliche Behandlung zum Zeitpunkt der Asylantragstellung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die erkennungsdienstliche Behandlung von unbegleiteten minderjährigen Ausländerinnen und Ausländern erfolgt in Bremen durch die Polizei.
Seit dem 1. November 2015 hat die Polizei Bremen insgesamt 1 335 unbegleitete minderjährige Ausländerinnen und Ausländer erkennungsdienstlich behandelt. In der Stadtgemeinde Bremerhaven wurden 2015 und 2016 insgesamt vier unbegleitete Ausländerinnen und Ausländer erkennungsdienstlich behandelt oder per Direktabfrage im FingerabdruckSchnell-Abgleichsystem, kurz Fast, überprüft. Alle anderen Minderjährigen waren bei ihrer Aufnahme in die Jugendhilfe bereits andernorts überprüft worden.
Zu Frage zwei: Die zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber und ausländische Flüchtlinge führt keine Statistik über durchgeführte erkennungsdienstliche Behandlungen und festgestellten Mehrfachidentitäten. Sind zu einer Person bereits Daten erfasst, übernimmt die ZASt diese Personendaten. Damit ist eine Mehrfacherfassung ausgeschlossen. Ergibt sich aus dem Ergebnis des Fingerabdruck-Schnell-Abgleichs, dass eine Person bereits andernorts als asylsuchend registriert ist, wird sie dorthin verwiesen. Die Anzahl der festgestellten Mehrfachidentitäten im Rahmen von polizeilich durchgeführten erkennungsdienstlichen Behandlungen wird statistisch nicht erfasst. Sofern im Rahmen einer erkennungsdienstlichen Behandlung festgestellt wird, dass eine Person bereits unter Angabe anderer Personalien erkennungsdienstlich behandelt worden ist, wird nach Prüfung des Einzelfalls ein ordnungs- oder strafrechtliches Verfahren eingeleitet.
Eine Auswertung der konkreten Ermittlungsverfahren müsste manuell anhand der Gesamtzahl aller Ermittlungsverfahren erfolgen. Dies ist mit einem vertretbaren Aufwand in der Kürze der Zeit nicht zu leisten.
Zu Frage drei: Der Stadtgemeinde Bremen ist ein Mehrfachbezug von Sozialhilfe durch Mehrfachidentitäten in den Jahren 2015 und 2016 in drei Fällen bekannt geworden. In allen drei Fällen wurde Strafanzeige erstattet. Dem Sozialamt Bremerhaven liegt derzeit ein Fall vor, in dem eine Mehrfachidentität festgestellt wurde. Unter Angabe unterschiedlicher Personendaten hat danach ein Asylsuchender im Land Bremen und in einem anderen Bundesland Asylanträge gestellt. Aufgrund der Aktualität des Falls kann der Magistrat Bremerhaven noch keine abschließende Auskunft geben, ob auch ein Mehrfachbezug von Sozialleistungen vorliegt.
Unter unbegleiteten minderjährigen Ausländerinnen und Ausländern ist im Land Bremen im nachgefragten Zeitraum kein Fall bekannt geworden, in dem Mehrfachidentitäten zum Mehrfachbezug von Sozialhilfeleistungen geführt hätten. – Soweit die Antwort des Senats!
Frau Senatorin, ist Ihnen bekannt, dass in Braunschweig – das geht ja auch aus der Überschrift hier hervor – eine Sonderkommission der Polizei gegenwärtig an 300 Fällen des Mehrfachbezugs von Sozialhilfe aufgrund von Mehrfachidentitäten von Flüchtlingen, Asylantragstellern arbeitet? Wie kommt es, dass in Braunschweig eine so große Anzahl von mindestens 300 vorhanden ist und in Bremen nur drei? Können Sie das erklären?
Ja, ich werde das erklären: Niedersachsen ist allein zuständig für die Länder Südsudan und für den Sudan, und diese Betrugsfälle beziehen sich auf Menschen aus diesem Kulturkreis. Es gibt Hinweise für einen längerfristigen Mehrfachbezug von Asylbewerberleistungen unter verschiedenen Identitäten bei jeweils EASY-Zuweisung für Niedersachsen. Die Herkunftsländer Südsudan und Sudan werden aktuell bundesweit ausschließlich von den Aufnahmeeinrichtungen Bramsche und Bad Fallingbostel in Niedersachsen bearbeitet.
Zuvor lag die alleinige Zuständigkeit bei der Erstaufnahmestelle in Braunschweig, und daraus erklärt sich, dass Mehrfachanmeldungen südsudanesischer Asylsuchender stets eine Zuweisung zur Erstaufnahmeeinrichtung Braunschweig zur Folge hatten, mithin die Asylsuchenden dort verblieben und am dortigen Standort beziehungsweise in den anschließenden Zuweisungskommunen die Asylbewerberleistung zur Auszahlung kam.
Jetzt erkläre ich einmal, warum das in Bremen nicht sein kann. Wir sind allein zuständig für Asylsuchende aus Island, Schweden und Angola. Aus diesen Ländern könnte uns ein ähnliches Problemfeld erwachsen. Da aber keine Asylsuchenden aus diesen Ländern hier in Bremen waren – auch aus Angola ist
kein Asylsuchender gekommen, der Mehrfachidentitäten hier versucht hat –, funktioniert das nicht. Wegen der geringen Aufnahmequote Bremens wird regelhaft in andere Bundesländer verteilt. Es kommen Asylsuchende nach Bremen, aber durch die Zuweisung – wir tippen ja dann die Daten in den Computer ein – werden andere Bundesländer gewählt als Bremen, weil wir sozusagen durch unsere geringe Aufnahmequote schon immer unser Soll erfüllt haben. Deswegen können wir gar nicht in diese Situation kommen.
Seit April 2016 erfolgt bei allen Asylsuchenden in Bremen regelhaft eine erkennungsdienstliche Behandlung. Sofern zu den erhobenen Fingerabdrücken dann auch die Personendaten vorliegen, erfolgt eine Rückmeldung über das eben erwähnte Schnell-Abgleichverfahren, und Mehrfachanmeldungen sind dadurch auch in Bremen ausgeschlossen. Wir sind früher gestartet als die anderen Bundesländer, was die erkennungsdienstliche Behandlung und das SchnellAnmeldeverfahren betrifft. Wir sind im April gestartet, die anderen Länder im Sommer, und wir waren dadurch auch Vorbild für andere Bundesländer. Aber auf Niedersachsen treffen die Schilderungen zu, und ich glaube, da gibt es noch ein bisschen Aufklärungsarbeit für die Polizei.
Einmal losgelöst von den Informationen, die Sie aus Niedersachsen haben: Haben Sie Erkenntnisse, in wie vielen Fällen Mehrfachidentitäten mit der Folge des Mehrfachbezugs von Sozialhilfe bundesweit – Sie als Sozialsenatorin sind ja sicherlich vernetzt – vorhanden sind?
Ich glaube, aufgrund der Vorkommnisse in Niedersachsen wird dieses Thema jetzt sehr genau angeschaut. Ich habe jetzt noch keine Gesamtstatistik vorliegen, aber ich denke, dass die Kollegen auch aus dem Innenressort über das Bundesamt für Migration informiert werden und das natürlich auch noch einmal Regelungen nach sich ziehen wird. Aber wie gesagt: Was in Braunschweig passiert ist, kann bei uns nicht passieren.
Die achte Anfrage trägt die Überschrift „Keine Arbeitsgelegenheiten für Flüchtlinge in Bremen?“. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Frau Grönert, Dr. vom Bruch, Röwekamp und Fraktion der CDU.
Erstens. Bis wann plant der Senat wie viele Arbeitsgelegenheiten in Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen zu schaffen?
Zweitens. Wie viele solcher Arbeitsgelegenheiten stehen aktuell zur Verfügung, und wie werden Flüchtlinge auf sie verteilt?
Drittens. Aus welchem Grund ist der Senat bisher so zögerlich bei der Integration von Flüchtlingen in Arbeit vorgegangen?
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Grönert! Für den Senat beantworte ich die Fragen wie folgt:
Zu Frage eins: Der Bund finanziert die Arbeitsgelegenheiten in Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen entsprechend dem Königsteiner Schlüssel. Im Land Bremen werden innerhalb der Flüchtlingsunterkünfte 215 Plätze finanziert und außerhalb der Unterkünfte 645 Plätze. Der Senat will die Gesamtkapazität voll ausschöpfen. Er ist darauf angewiesen, dass Träger diese Plätze bei der Bundesagentur für Arbeit beantragen und genehmigen lassen. Für bereits beantragte Maßnahmeplätze wird die Zuweisung des Personals spätestens im Februar einsetzen.