Herr Präsident, meine sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich erst einmal ganz herzlich für den Antrag bedanken. Ich finde es sehr gut, dass wir dieses Thema auch in einem Landtagsparlament wie dem unseren diskutieren, denn ich finde, es geht uns alle etwas an, was in Europa und was um Europa herum passiert.
Er spricht mir auch etwas aus der Seele, weil ich selbst Anfang des Jahres in einem Flüchtlingscamp in Griechenland gewesen bin und mit eigenen Augen gesehen habe, welche Lebensbedingungen dort herrschen. Die Kinder sind nicht angemessen bekleidet, und zwar bei Temperaturen die damals nahe am Gefrierpunkt gelegen haben. Es gibt kaum Kindertagesbetreuung. Es gibt kaum Beschulung. Es gibt keine angemessenen Wohnbedingungen und so weiter und so fort.
Dazu kommt auch noch eine weitgehende Isolation, denn die meisten Camps befinden sich auf verlassenen Militärgeländen und in verlassenen Fabriken. Die Flüchtlinge leben auf dem Betonboden. Die Camps sind teilweise umzäunt und damit quasi Open-AirGefängnisse. Das alles ist eine Situation, die nicht tragbar ist. Am Tag nach meiner Abreise kam es zu einem extremen Kälteeinbruch. Es folgte auf dem Balkan und in Griechenland auf den Inseln der härteste Winter seit Jahrzehnten. Die Temperaturen fielen auf bis zu minus 17 Grad.
Dann haben uns die entsprechenden Bilder wieder erreicht, denn es gibt ja immer wieder eine Konjunktur bei der Berichterstattung. Ich sage es einmal, die Bilder waren es wieder einmal wert, im Rahmen einer Berichterstattung gesendet zu werden. Wir haben Fernsehberichte gesehen, auch Fotoreportagen von Zelten, die unter den Schneemassen zusammengebrochen sind. Wir haben gesehen, dass Menschen überhaupt nicht mehr wussten, wohin sie vor den Schneemassen gehen sollten. Wir haben gesehen, dass sie irgendwo Holz zusammensammeln mussten, um sich den Schnee zu schmelzen. Es ist eine Schande, dass das in Europa vor unseren Augen passieren kann.
Frau Dr. Müller hat es eben schon gesagt, über 15 000 Menschen sitzen auf den von der EU geförderten Hotspots auf Samos, Kos, Chios und Leros fest. Dort ist die Situation am Schlimmsten, weil keine Versorgungsstrukturen vorhanden sind und weil die Hotspots geschlossen sind.
Wenn man Ursachenforschung betreibt, dann zeigt man in der Regel mit dem Finger aufeinander. Die EU sagt, Griechenland bearbeite die Asylverfahren schleppend, und die griechische Regierung beschwert sich über die mangelnde Solidarität Europas. Ich
glaube, die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte. Viel wichtiger ist aber, dass das den Menschen vor Ort herzlich wenig hilft.
Ich finde, dass man die allgemeine humanitäre Situation in Griechenland bei der Bewertung der Lage berücksichtigen muss. Wir haben in Griechenland die größte Wirtschaftskrise in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg mit 25 Prozent Rezession. Jeder vierte Grieche, jede vierte Griechin ist arbeitslos. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei fast 60 Prozent. Viele junge Menschen sind ausgewandert, weil sie keine Perspektive haben. Über drei Millionen Menschen sind nicht einmal mehr krankenversichert, und für die, die es sich noch leisten können, gibt es keine Pflegekräfte in den Krankenhäusern.
Ich erwarte in dieser Situation einer umfassenden humanitären Krise in Griechenland, dass man nicht mit dem Finger aufeinander zeigt, sondern dass man handelt.
Europa hat an dieser Stelle eine Gesamtverantwortung, denn es gibt natürlich auch rechtliche Standards. Seit dem ersten Dublin-Übereinkommen von 1990 waren Griechenland, Italien und Spanien diejenigen, die in der Hauptverantwortung für die Durchführung der Asylverfahren standen. Jetzt sind Solidarität und gemeinsames Handeln gefragt, aber daran mangelt es wirklich erheblich.
Die Beschlüsse wurden schon genannt. 160 000 Asylsuchende sollten, das war ein Beschluss von 2015, innerhalb von zwei Jahren umverteilt werden. Auf die BRD entfallen davon 27 500, jetzt sind eineinhalb Jahre vergangen, und der Stand liegt bei rund 2 000 Menschen, die aus Griechenland und Italien aufgenommen worden sind. Das ist aus meiner Sicht wirklich ein Armutszeugnis, und da muss man wirklich schneller werden.
Man ist in der Lage, in der EU Milliarden für die Grenzabschottung auszugeben. Man ist in der Lage, dem Menschenrechtsverletzer Erdogan sechs Milliarden Euro für den Schutz von Menschenrechten zu bezahlen, aber man will ernsthaft nicht in der Lage sein, in einem Raum mit einer 500-MillionenBevölkerung 160 000 Menschen Schutz zu bieten. Ich finde, das ist für diese EU wirklich ein Armutszeugnis sondergleichen, und es muss mehr passieren.
Ich finde Ihren Antrag gut, denn er bedeutet eben nicht, mit dem Finger auf andere zu zeigen, sondern er nimmt die eigene Verantwortung an. Das finde ich auch wichtig. In Bremen werden ja mittlerweile sogar
Flüchtlingscamps geschlossen. Das haben wir auch in der Zeitung gelesen. Das Personal wird entlassen, und die Betten werden eingelagert. Insofern glaube ich, dass Ihr Antrag einen guten Aufschlag bietet und vielleicht noch etwas konkretisiert werden könnte.
Marburg und Osnabrück haben konkrete Beschlüsse gefasst, dass sie in ihren Kommunen, in ihren Städten Menschen aufnehmen wollen. Ich hätte mir gewünscht, dass dieses Signal auch von Bremen ausgegangen wäre, denn das Relocation-Programm, das läuft natürlich über den Bund, das ist klar, Bremen kann das nicht autonom entscheiden. Aber je mehr Städte, je mehr Kommunen sagen, wir können und wir wollen Leute aufnehmen, desto eher ist die Wahrscheinlichkeit da, dass auch der Bund mitspielt.
Wir haben schon gesagt – und diese Debatte werden wir noch führen –, dass es ist überhaupt nicht in Ordnung, wenn der Bundesinnenminister ab März über Dublin Flüchtlinge nach Griechenland abschieben möchte. Aber darüber werden wir dann noch beraten.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die wesentlichen Zahlen sind ja schon genannt worden. Von den beabsichtigten 160 000 Flüchtlingen, die umverteilt werden sollten, sind nach dem Stand, der mir vorliegt, und der ist von letzter Woche aus einer Mitteilung der Kommission zu diesem Thema, bisher 12 000 Flüchtlinge umverteilt worden. 12 000 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland von 160 000, über deren Umverteilung man sich europaweit verständigt hatte, und das innerhalb von, sagen wir einmal, gut einem Jahr, nein, eigentlich müssen wir schon fast eineinhalb Jahren sagen. Das ist doch unerträglich.
Das ist doch nicht hinzunehmen. Wenn es diese Einigkeit jenseits aller Unterschiede in der Frage der Flüchtlingspolitik gibt, die dieses Parlament auszeichnet, die die Diskussionen in der Bundesrepublik und auch innerhalb Europas auszeichnet, dann ist doch überhaupt nicht nachvollziehbar, warum man dieser Umverteilung nicht nachkommen kann.
Ich habe keine Antworten auf meine Nachfragen erhalten. Offenbar befindet sich alles etwas im Nebel. Man könnte jetzt spekulieren, dass auch die griechischen Behörden so was wie „extreme Vetting“veranstalten.
Diesen Begriff benutzt ein anderer, uns bekannter Präsident, über den wir vorgestern gesprochen haben. Er sagt, es muss ganz genau hingeschaut werden, wen wir in unser Land lassen. Es stellt hier gar keiner in Abrede, dass man sich das genau anschauen muss. Dass es aber seit Februar 2015, respektive seit dem Beschluss des Europäischen Rates seit September 2015 dauert, um für 160 000 Personen zu entscheiden, das vermag ich einfach nicht zu glauben.
Im Bund- und Europaausschuss haben wir dazu im November einen Bericht erhalten, der uns schwer bewegt hat. Aus dem Bericht ist dieser Antrag hervorgegangen, den wir gemeinsam mit den Grünen vorgelegt haben und den wir jetzt diskutieren. Der Antrag zielt darauf, eine möglichst hilfreiche und möglichst rasche Lösung zu finden. Unser Antrag enthält deswegen vier Forderungen, von denen eine am Ende eine Berichtsforderung ist. Deswegen will ich darauf nicht weiter eingehen.
Die erste Forderung verlangt gemeinsame Anstrengungen auf europäischer Ebene zur Umsetzung der bereits beschlossenen Umverteilung. Man muss einmal schauen, woran es liegt. Ist es die Frage der Sicherheitsüberprüfung? Ist es die Frage der Einteilung? Sagen die Leute nicht, wer zu ihrer Familie gehört, sodass man nicht entscheiden kann, wer gehört denn zu denen, die auf die Reise geschickt werden? Man muss also eine Aufklärung betreiben, um die Anstrengungen erhöhen zu können.
Die zweite Forderung: Wir erwarten die deutliche Anstrengung der Bundesrepublik Deutschland, in diese Richtung Druck zu entfalten und zu sagen, wir haben uns bereit erklärt, 27 500 Personen aufzunehmen, und wir würden sie jetzt gern aufnehmen.
Es gibt durchaus Fortschrittsberichte, in denen steht, dass andere Länder in bestimmten Bereichen ihren Verpflichtungen nachkommen. Hier funktioniert das ganz schlecht. Deswegen sind wir dafür, dass man möglichst auf deutscher Ebene klärt, welche Hindernisse hier bestehen, um sie dann aus dem Weg räumen zu können.
Die dritte Forderung, von der ich weiß, dass sie nicht im ganzen Hause geteilt wird, ist die Forderung nach dem Einsatz deutscher Hilfskräfte in diesen Gebieten. Ich sage es einmal vorsichtig: Wir Deutsche gelten nach wie vor als relativ gut organisiert, strukturiert, unsere Hilfstruppen gelten als schnell einsatzfähig und gut ausgestattet. Warum es angesichts dieser humanitären Katastrophe nicht möglich sein soll, die Bundesregierung aufzufordern, tatsächlich Hilfskräfte in das betroffene Gebiet zu entsenden und dort vor Ort Unterstützung zu leisten, erschließt sich mir nicht. Wir halten gemeinsam an dieser Forderung fest.
Der letzte Fortschrittsbericht der Kommission spricht davon, dass es einen positiven Trend bei der Umverteilung und der Neuansiedlung von Flüchtlingen gibt und stellt mit Datum vom 8. Februar 2017 fest, ich habe das zu Anfang schon einmal gesagt, dass von den 160 000 vereinbarten Personen knapp 12 000 mittlerweile umverteilt wurden.
Sie sehen also, Deutschland und die anderen EUStaaten haben bei der Erfüllung der von ihnen im Europäischen Rat übernommenen Aufgaben noch viel Luft nach oben, und wir fordern Sie deswegen auf, unserem Antrag zuzustimmen. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Kolleginnen und Kollegen vor mir haben die Situation deutlich gemacht und gesagt, dass von 160 000 Menschen, denen geholfen werden sollte – dazu gibt es die Beschlüsse –, nur 12 000 geholfen wurde. Ein unerträglicher Zustand, der abgestellt gehört, wenn man entsprechende Beschlüsse gefasst hat.
Wenn man sieht, wie die Situation vor Ort ist, kann man auch nur sagen, man muss helfen und muss die Möglichkeiten nutzen, die dafür zur Verfügung stehen. Insofern unterstützen wir als Freie Demokraten diesen Antrag, weil es einfach notwendig ist, zu helfen, wo Not herrscht, und wir können helfen und sollten es dann auch entsprechend tun.
Es ist nicht hinnehmbar zu erklären, wir haben eine Flüchtlingskrise, und was geht uns das an? Nein, es geht uns sehr viel an! Es sagt sehr viel darüber aus, wie wir mit anderen Menschen umgehen und dazu beitragen wollen, Lösungen in dieser Situation zu schaffen. Da muss es einerseits darum gehen, die Not in den Flüchtlingslagern zu lindern, andererseits muss es aber natürlich auch darum gehen, langfristig Perspektiven zu ermöglichen, damit die Fluchtursachen bekämpft werden. Wenn dann Diskussionen anstehen, die besagen, wir müssen mehr im Bundeshaushalt für das eine oder das andere ausgeben, sage ich, wir müssen auch der Forderung nachkommen, dass wir den Entwicklungshilfehaushalt auf die notwendige und vereinbarte Höhe bringen, nämlich 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts,
Ich höre ja auch andere Forderungen, andere Prozentanteile des Bundeshaushalts einzusetzen. Nur ich finde das hier sehr viel besser angebracht, als bei Frau von der Leyen im Haushalt.
Ansonsten haben wir noch über andere Aspekte zu reden, es geht darum, dass wir auch noch andere Dinge tun müssen, wir müssen dafür sorgen, dass es ein modernes Einwanderungsrecht und eine gesteuerte Zuwanderung gibt. Zur Bekämpfung der Fluchtursachen habe ich etwas gesagt. Wir müssen auch aus der Abhängigkeit von der Türkei herauskommen, denn das ist ja auch noch ein Teil, der hier nicht ganz benannt worden ist, der aber gesehen werden muss. Wir müssen uns davon befreien, uns hier erpressbar zu machen, damit wir wirklich vernünftig damit umgehen können. Wir müssen des Weiteren Rückführungsabkommen haben mit den nordafrikanischen Staaten, damit auch diese Fragen der Flüchtlingssituation gelöst werden können. Wir müssen uns auch fragen, wie wir schnell und pragmatisch handeln, aber ein, ja, Festhalten von Menschen in solch einer Situation über Tage, Monate und Jahre ist nicht erträglich und gehört nicht auf den europäischen Kontinent und schon gar nicht in unser europäisches Wertesystem.