Protokoll der Sitzung vom 16.02.2017

Die Bürgerschaft Landtag nimmt von der Antwort des Senats mir der Drucksachen-Nummer 19/891 auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE Kenntnis.

Wir treten nunmehr in die Mittagspause ein, und ich unterbreche die Sitzung bis um 14.55 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung 13.24 Uhr)

Vizepräsidentin Dogan eröffnet die Sitzung wieder um 14.55 Uhr.

Die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) ist wieder eröffnet.

Steuerspielräume nutzen – Familien entlasten Antrag der Fraktion der FDP vom 25. November 2016 (Drucksache 19/848)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Bürgermeisterin Linnert.

Die Beratung ist eröffnet.

Als Erste hat das Wort die Abgeordnete Frau Steiner.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben ja gestern auch schon sehr intensiv über die innere Sicherheit diskutiert, und dabei ist mir aufgefallen, dass wir eigentlich sehr viel über Sicherheitsthemen sprechen, aber kaum über die soziale und finanzielle Sicherheit der ganz normalen Bürger und Familien. Ich habe gestern einmal in der Parlamentsdatenbank nachgeschaut: Wenn es einmal um Familien ging, dann vor allen Dingen darum, dass Kita-Plätze fehlen oder wir versuchen, sozial schwachen Familien zu helfen, aber sehr oft wird bei diesen Härtefällen die ganz normale Mittelschicht schlicht und einfach vergessen.

Wir beschäftigen uns hier viel mit Härtefällen und Randgruppen, aber unseres Erachtens eben viel zu selten mit der breiten Masse der Menschen, eben den ganz normalen Bürgern von nebenan.

(Beifall FDP)

Dabei braucht es uns nicht zu wundern, dass sie uns zum Teil gar nicht mehr ernst nehmen oder sich eben auch alleingelassen fühlen, wie man es ja doch leider immer wieder hört. Die Rechnung dafür hat es ja jetzt auch schon gegeben, denn man sieht ja, wie sich die Wahlergebnisse und die vorausschauenden Wahlergebnisse – leider vor allem auch stark zulasten der demokratischen Parteien – auch verändert haben.

Wir glauben, im Endeffekt sollten wir einmal wieder daran denken, dass es auch Menschen in diesem Land gibt, die zu der ganz normalen Mittelschicht gehören, und das sind vor allem die Familien. Sie werden in diesem Land oft gegängelt, und wenn der Staat seine Wohltaten verteilt, dann geschieht dies immer zulasten der Steuerzahler und der Mitte der Gesellschaft, und wir glauben, dass wir hier einmal etwas voranbringen und mit diesem Antrag debattieren können, was wirklich viele Menschen betrifft und nicht nur Einzelpersonen.

(Beifall FDP)

Damit Sie das hier nicht nur alles von mir hören, sondern auch einmal klar vor Augen haben: Wenn wir einmal überlegen, dass jeder Arbeitnehmer von jedem hart verdienten Euro am Ende des Monats im Durchschnitt nur knapp 47 Cent übrig behält – also weniger als die Hälfte – und der Rest munter in die Staatskasse fließt, ist es kein Wunder, dass sich einige die Frage stellen, ob es sich überhaupt noch lohnt, arbeiten zu gehen, wenn direkt so viel abfließt.

Damit ist es ja noch lange nicht genug: Welche Konsumsteuern gibt es nicht noch alle, die uns jeden Tag heimlich aus der Tasche gezogen werden? Im Endeffekt versuchen wir hier immer wieder, Geld einzusparen, und der Staat profitiert von den sprudelnden Steuereinnahmen. Damit wird der Haushalt einfach immer wieder konsolidiert, und wir versuchen, hier das Ganze zu finanzieren, und dann werden von der Großen Koalition lieber teure Rentengeschenke finanziert, als eben an die Entlastung der eigenen Mitte zu denken.

(Beifall FDP)

An die Rentner von morgen – die jungen Leute von heute – denkt in unseren Augen eben leider keiner, denn schon heute zahlen die oberen 50 Prozent der Steuerzahler ganze 95 Prozent des Einkommensteueraufkommens. Liebe Kollegen, wenn wir von den oberen 50 Prozent der Steuerzahler reden, dann reden wir hier von einem Jahreseinkommen ab 28 000 Euro, und damit wohnen sie noch nicht in großen Villen mit fetten Autos vor der Tür, wie das hier so gern von Rot-Grün und der LINKEN immer übertrieben dargestellt wird,

(Zurufe SPD: Oh!)

das sind eben die ganz normalen Leute.

(Beifall FDP)

Wenn wir ehrlich sind, ist es eigentlich noch nicht einmal das, denn wenn wir das mit Kindern rechnen, wird es sogar richtig knapp. Es ist endlich an der Zeit, auch einmal etwas an die Familien in unserem Land zurückzugeben, denn das sind unsere Leistungsträger.

(Beifall FDP)

Gerade die jungen Leute wollen doch heute auch eine Familie gründen und vielleicht ein kleines Häuschen kaufen, aber wenn am Ende des Monats nicht einmal mehr die Hälfte des Gehalts im Portemonnaie bleibt, dann wird es eben schwer. Sie kennen sicher noch diese tolle Werbung der Bausparversicherung von vor einigen Jahren: Der eine Rocker, tätowiert mit Lederjacke, schafft es, sich sein Traumhaus zu ermöglichen. Seine Tochter himmelt den Papa an und sagt: Wenn ich groß bin, möchte ich auch ein

mal Spießer werden. Damals war das niedlich, eine grandiose Werbung, die so vielen aus dem Herzen spricht, sich nämlich heute eine Lebensgrundlage für die eigene Familie zu schaffen.

(Beifall FDP)

Und heute? Heute ist es eben doch nur für viele ein ganz weit entfernter Traum, denn zusätzlich zu den horrenden Steuern und Abgaben treibt die Niedrigzinsphase die Preise in die Höhe. Ich habe einmal geschaut, was man so in Bremen für ein kleines Einfamilienhaus bezahlen muss: Für 450 000 Euro gibt es ein kleines Einfamilienhaus in Osterholz – dass das nicht die beste Lage ist, muss ich Ihnen hier ja wohl nicht erzählen –, und zum Kaufpreis kommen noch Maklergebühren, Notarkosten, Kosten für den Grundbucheintrag und natürlich die Grunderwerbsteuer. Das sind satte 13 Prozent des Kaufpreises, die man eben noch einmal oben daraufschlagen muss. Allein in dem Fall sind es satte 58 000 Euro für nichts, das finde ich ehrlich gesagt krass, und das wollen wir ändern.

(Beifall FDP)

Wir schlagen Ihnen vor, dass bis zu einem Kaufpreis von 500 000 Euro keine Grunderwerbsteuer gezahlt werden muss, denn wir dürfen eben auch nicht vergessen, dass das Eigenheim für die Mehrheit der Menschen noch immer die beste Altersvorsorge ist. Gerade in Zeiten niedriger Zinsen lohnt es sich, ein Haus zu finanzieren, um eben auch der Rentenfalle frühzeitig zu entgehen.

(Beifall FDP)

Im Gegensatz zu den Ideen von Finanzminister Schäuble oder der Bauministerin Hendricks, die irgendwelche komplizierten Modelle von Baukindergeld oder Familienbaugeld wollen, ist unser Konzept einfach und unbürokratisch. Das kommt direkt den jungen Familien zugute, die unserer Meinung nach wirklich Unterstützung brauchen, denn wenn wir uns auch einmal die Wohnungseigentumsquote hier anschauen, dann sieht man ganz schnell, dass die Grunderwerbsteuer eine Eigenheimbremse besonders für Familien mit kleinen und mittleren Einkommen ist.

(Beifall FDP)

Zwar hat die Wohneigentumsquote seit 1990 bundesweit um 8,5 Prozentpunkte zugelegt, aber gerade bei den unteren Einkommensschichten gab es im gleichen Zeitraum einen Rückgang um fast acht Prozent. Immer nur Miete zu zahlen und am Ende dann ohne Eigentum dastehen zu müssen, ist nicht nur nicht fair, sondern das ist sozial ungerecht.

Liebe Kollegen, wenn Sie wirklich etwas für die soziale Gerechtigkeit tun wollen, dann brauchen wir einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer, und die Erhöhung der Grunderwerbsteuer, die Sie für das nächste Jahr geplant haben, zeigt, dass Sie eben nicht nur über soziale Gerechtigkeit sprechen, denn Sie setzen sie damit offensichtlich nicht um. Wenn Ihre soziale Gerechtigkeit dann wieder nur Minderheiten zugutekommt, ist das in unseren Augen falsch. Wir wollen hier etwas für alle tun.

(Beifall FDP)

Ich komme gleich zu meinem zweiten Beitrag, in dem ich noch einmal erkläre, was wir vorhaben in dem Bereich der Beitragsfreibeträge.

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Gottschalk.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte eigentlich zuerst gedacht, im ersten Teil die Freibeträge anzusprechen, aber ich nehme das gern auf, was Sie zu den Problemen mit der Grunderwerbsteuer gesagt haben, das Hindernis, die starke Belastung, die Eigenheimbremse, darauf haben Sie es zugespitzt! Frau Steiner, ich habe in meinem beruflichen Leben ungefähr 3 000 bis 4 000 Baufinanzierungen begleitet, und ich habe noch mehr Schadensersatzforderungen von Banken überprüft, bei denen Baufinanzierungen gescheitert sind.

Ich glaube, dass ich in diesem Bereich tatsächlich eine profunde Einschätzung geben kann, und eines der ersten Märchen, von denen wir uns verabschieden sollten, ist, dass gewissermaßen das eigene Heim der goldene Weg für die Altersvorsorge ist. Bei Scheidungsquoten von fast 50 Prozent und einer Dauer von Ehen in diesem Bereich von fast zehn Jahren ist das zumindest für diejenigen, die dieses Pech haben, eher ein vermögensvernichtendes als ein vermögensaufbauendes Moment.

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Und für die anderen, Herr Gottschalk?)

Für die anderen kann es passieren, und deshalb wollen wir uns das einmal näher ansehen, inwieweit sie das auch können.

Sie haben ja hier einiges in Ihrem Antrag geschrieben. Die erste These, die Sie haben: Wenn Bremen jetzt die Grunderwerbsteuer im Jahr 2018 von 5 Prozent auf 5,5 Prozent erhöhen würde, dann würden vor allem junge Familien hart getroffen. Ich weiß nicht, Frau Steiner, ob Sie wenigstens einmal einen Taschenrechner herausgeholt und bei einem Immobilienkauf in der Größenordnung von 200 000 bis 300 000 Euro, vielleicht auch bis 400 000 Euro, einmal ausgerechnet haben, wie viel ein halbes Prozent ist,

(Abg. Imhoff [CDU]: Oder ein Hektar!)

das sind 1 250 bis 2 000 Euro. Wenn das bei einer Eigenheimfinanzierung eine harte Belastung wäre, die eine Eigenheimbremse ist, dann würde ich sagen, dann geht es um die Finanzierungswünsche von Menschen, die sich eigentlich gar nichts leisten können.

Zweiter Punkt, den Sie herausgestellt haben, ist, dass die Grunderwerbsteuer mit den 5 oder 5,5 Prozent insgesamt ja tatsächlich so gravierend sei, dass dabei ein Bremseffekt herauskäme. Auch da, Frau Steiner – ich weiß nicht, ob Sie sich schon mal eine Baufinanzierung angesehen haben: Wenn Sie diese 5,5 Prozent zum Beispiel auf 200 000 oder 300 000 Euro rechnen, dann haben Sie eine Größenordnung von 11 000 bis 16 000 Euro, die zusätzlich finanziert werden müssen. Wenn diese in den Kredit hineinfließen, dann liegen Sie bei der jetzigen Belastung von zwei Prozent Zinsen und zwei bis drei Prozent Tilgung in einer Größenordnung einer zusätzlichen Belastung von 30 bis 50 Euro. Daraus zu folgern, das sei eine Eigenheimbremse, ist völlig an den Haaren herbeigezogen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Tatsächlich bewegt sich das in einer Größenordnung noch nicht einmal zwischen einer guten und einer schlechten Baufinanzierung, sondern zwischen einer guten und einer befriedigenden Baufinanzierung.

Dritter Punkt: Sie haben ja vor allen Dingen Bremen hier im Blick, sodass mir noch einmal wichtig ist zu betonen, dass der Grunderwerbsteuersatz hier in Bremen auf jeden Fall nicht außerordentlich hoch ist. Bremen hat zusammen mit vier anderen Ländern eigentlich die drittniedrigsten Sätze hier in Deutschland, darunter liegen Bayern und Sachsen – sehr niedrig – und auch Hamburg. Der Rest liegt auf gleicher Höhe oder höher, und selbst, wenn wir auf 5,5 Prozent erhöhen würden, gäbe es immer noch sieben Bundesländer, die deutlich vor uns liegen würden. Deshalb können Sie Bremen jetzt auch in diesem Bereich keine besondere Bremswirkung andichten.

Kurios ist natürlich jetzt Ihre Idee, dass Sie in der Gesamtentfaltung Ihres Antrags auf der einen Seite sagen – junge Familien oder überhaupt der Mittelstand – wären steuerlich zu hoch belastet, nämlich durch Steuern, die der Bund und die Länder gemeinsam erheben. Ihre Idee ist nun, diese Belastung, die Ihrer Meinung nach zu hoch ist, allein dadurch zu kompensieren und zu mildern, dass die Länder ihre stärkste reine Ländersteuer praktisch weitgehend aufgeben.