Protokoll der Sitzung vom 09.03.2017

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der bisherigen Debatte stellt man schon ein sehr hohes Maß an Einigkeit bei der Be urteilung des Wirtschaftszweiges des Handwerks, so bunt und vielfältig er ist, fest. Herr Kastendiek, vielleicht kommt gleich noch ein Beitrag von Ihnen, damit eine kleine Kontroverse sichtbar wird.

Es ist wichtig, dass wir dem Handwerk sehr deutlich signalisieren, dass es wichtig ist, dass es in seinen unterschiedlichen Teilen und in seinen unterschiedli chen Bedürfnissen wertgeschätzt wird und das auch hier im Parlament seinen Ausdruck findet. Insofern sind die Fragen und die Antworten auf die Große Anfrage sicherlich sehr hilfreich, um auch einmal den Blick zu schärfen.

Ich will vorweg eine Bemerkung machen: Mir ist besonders – und das muss man auch noch einmal wirklich würdigen – die Bedeutung der Nachfrage für das Handwerk, insbesondere im privaten Bereich, deutlich geworden, wenn man eine etwas globalere Betrachtung anstellt. Das Handwerk lebt zu einem nicht geringen Teil von öffentlichen Aufträgen, von Industrieaufträgen, von Gewerbeaufträgen, aber es hat eben auch eine sehr starke Stütze im privaten Bereich. Den privaten Bereich kann sich das Hand werk nur leisten, wenn wir eine Verteilung haben, die es möglich macht, eine Handwerkerrechnung bezahlen zu können. Das muss man auch einmal ganz deutlich sagen.

(Beifall SPD, DIE LINKE)

Die Nachfrage im privaten Bereich – wir haben im Rahmen einer Aktuellen Stunde am Beispiel Trump und Weltpolitik ganz global diskutiert –, die Nach frage im Binnenmarkt ist gerade für den Bereich des Handwerks ungeheuer wichtig. Das muss gewürdigt werden, und das muss aber auch gesamtgesellschaft lich geschützt werden, meine Damen und Herren.

Zweite Bemerkung! Wir nehmen zumindest für uns in Anspruch, dass wir in den letzten Jahren das Hand werk politisch nicht vernachlässigt, sondern eine ganze Reihe von Initiativen auf den Weg gebracht haben, die die Bedeutung des Handwerks heraus stellen, aber auch Erleichterungen für die Arbeit des Handwerks mit sich gebracht haben. Ich will einmal als ein Beispiel die zentrale Servicestelle für die Ver gaben nennen, die wir installiert haben, nachdem wir mit dem Handwerk – Ralph Saxe und Andreas Kottisch haben das damals auf den Weg gebracht –, eine parlamentarische Anhörung durchgeführt haben.

Wir haben die Initiative Fit für Vergabe auf den Weg gebracht. Wir haben uns mit dem Thema Wertgrenzen beschäftigt, und wir haben die Wertgrenzen natürlich mit dem Ziel herabgesetzt, auch hier Erleichterungen für das Handwerk zu schaffen. Das sind Dinge, die auf dem Weg sind. Man kann noch nicht hundertpro zentig zufrieden sein, aber es läppert sich allmählich zusammen. Es ist ein Evaluationszeitraum bis 2021

vereinbart worden, und wir werden dann darauf schauen. Wir sind ganz positiv gestimmt, dass eine positive Entwicklung im Handwerk stattfindet.

Robert Bücking hat eben zu Recht die Gewerbe flächen angesprochen. Ich glaube, hierin liegt eine große Herausforderung. Wir haben das Thema in den letzten Wochen und Monaten im Rahmen verschie dener Debatten diskutiert, und hier liegt in der Tat eine große Herausforderung, denn Gewerbeflächen unter 2 000 Quadratmetern sind nur noch schwierig zu bekommen.

Wir haben uns kürzlich die guten existierenden Mo delle der Handwerkerhöfe, der Gründer- und Gewer bezentren angeschaut, die unter der Verwaltung der WFB gut laufen und auch gut wirtschaften, und zwar nicht zum Nachteil der Stadt, nicht zum Nachteil der WFB. Wir glauben, dass man diesen Weg in der Frage um künftige Gewerbeflächen weitergehen und darüber weiter diskutieren muss.

(Glocke)

Herr Reinken, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Steiner?

Bitte, Frau Steiner!

Meine Frage hat die Erleich terungen für das Handwerk zum Gegenstand, und ich teile Ihre Einschätzung zu den durchgeführten Veränderungen. In der Antwort auf Frage 28 steht, dass die Genehmigungsverfahren für kleinere und mittlere Unternehmen beschleunigt werden sollen. Könnten Sie ein bisschen erläutern, wie das genau umgesetzt werden soll?

Die Erläuterungen müsste Ihnen gleich der Senat geben.

(Abg. Fecker [Bündnis 90/GRÜNE]: Das ist noch nicht eins!)

Wir sind noch nicht eins, das ist richtig!

Das werden wir zu verhindern wissen!

Ihre Frage wird sicherlich gleich der Senat beantworten.

Mein Debattenbeitrag bezog sich insbesondere auf das Thema Wertgrenzen und die zentrale Beratungs stelle für die Vergaben. Dort haben wir nach einer Vielzahl kritischer Anmerkungen, gerade aus dem Handwerk, als Koalition gehandelt. Wir sind hier nach wie vor der Auffassung, dass Verbesserungen im Arbeitsablauf und der Praxis erfolgen müssen.

Ich glaube, eine ganz große Herausforderung – das ist zumindest angesprochen worden – ist das The ma Ausbildung. Mein Eindruck aus Gesprächen mit Handwerkern und Ausbildern ist nicht, dass es sich um ein statistisches Problem handelt, dass man sozusagen die eine oder andere Bevölkerungsgrup pe nicht ausreichend berücksichtigt, sondern mein Eindruck ist, dass die Attraktivität der Anwahl eines handwerklichen Berufes gegenwärtig ausgesprochen schwierig ist, und zwar völlig unabhängig davon, ob es Männer oder Frauen sind. Es ist ein Problem der Attraktivität. Dieser Frage müssen wir uns stellen.

Ich will das einmal etwas flapsig darstellen: Solange die Sprachregelung „Darfst du studieren, oder musst du eine Ausbildung machen?“ lautet, ist sie falsch! Wir müssen die Wertigkeit der dualen Berufsausbildung auch als Alternative, und zwar nicht als schlechtere Alternative, zu einer akademischen Ausbildung in der Gesellschaft forcieren.

(Beifall SPD, FDP)

Es ist ein Irrtum im Denken vieler Eltern – das ist ja keine politische Frage, die man hier lösen kann –, dass das Beste für ihre Sprösslinge das Erreichen der möglichst höchsten Schulausbildung mit einer anschließenden Akademisierung ist,

(Abg. Kastendiek [CDU]: Woher kommt das wohl?)

sondern oftmals ist eine solide berufliche Ausbildung der Einstieg in ein selbstbestimmtes Leben. Diese berufliche Ausbildung kann und darf auch sehr gut im Handwerk angesiedelt sein, und sie ist es. Ich glaube, wir können hier mehr tun, und wir müssen hier mehr tun.

Wir als Koalition haben die verbesserte Berufsorien tierung auf den Weg gebracht. Wir haben auch eine Umsteuerung im Bereich der Übergangssysteme mit einer stärkeren Orientierung auf den Beruf auf den Weg gebracht. Ich glaube, diesen Weg müssen wir weitergehen. Er muss forciert werden, und er muss evaluiert werden. Die Unterstützung der beruflichen Bildung muss weiterhin sehr stark verbessert werden.

Der Rückgang der Meisterausbildung macht in der Tat Sorgen. Das habe ich auch gelesen, ich glaube auch, das ist schädlich. Ich will an der Stelle sagen: Ich halte nichts davon – auch nicht von den Plänen der EU –, den Meisterzwang weiter zu reduzieren. Ich glaube, dass das Institut des Meisters etwas ist, das eben eine hohe Qualität in den Gewerken, aber auch hohe Qualität beruflicher Wege mit sich bringt, sodass wir die Besonderheit der deutschen Meister ausbildung und des deutschen Meisters im Handwerk stärken müssen.

(Beifall SPD)

Das waren ein paar Anmerkungen zu dem Thema.

Also, wir sind insgesamt zufrieden. Es gibt eine Menge Dinge, die verbessert werden können. An den Dingen, die besser werden können, müssen wir arbeiten. Ich glaube, das kann und muss man dem Handwerk sehr deutlich signalisieren. – Herzlichen Dank!

(Beifall SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Kastendiek.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Befürchtung über den Verlauf der Debatte hat sich leider ein wenig bewahrheitet, denn vor dem Hintergrund der Fragestellung und der Art und Weise, wie zu dem Thema Handwerk gefragt worden ist, konnte man ja den Eindruck nicht ganz von sich weisen, dass man hier eine Sonntagsrede nach der anderen zur Kenntnis nehmen durfte. Das ist aber, liebe Kolle ginnen und Kollegen der FDP, auch ein bisschen den Fragestellungen geschuldet, denn wenn man wirklich Themen und Problembereiche des Hand werks kritisch hinterfragen will, dann darf man hier nicht unendliche Zahlenkolonnen abfragen, deren Wert für die weitere Bearbeitung dieses Themas sich dann am Ende – –. Wenn man wirklich für das Handwerk bei einem solchen Thema etwas gewin nen will, dann darf man solche Zahlenkolonnen nicht abfragen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor diesem Hintergrund lassen Sie mich für die CDU-Fraktion – –.

(Zuruf Abg. Professor Dr. Hilz [FDP])

Na ja, Herr Professor, das ist natürlich im akademi schen Sinne noch etwas ganz anderes, die Dimension erschließt sich mir nicht, aber ich vermute, dass Sie sie uns auch vielleicht noch einmal allen erklären. Ich glaube, wir können alle nur davon lernen, wenn Sie etwas erklären, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Heiterkeit, Beifall CDU)

Lassen Sie mich für die CDU-Fraktion mit zwei, drei generellen Bemerkungen beginnen! Für die CDUFraktion spielt das Handwerk, spielen die hand werklichen Betriebe in Bremen, was das Thema Wirtschaft angeht, was aber auch die gesellschaftliche Verantwortung angeht, eine sehr große Rolle. Es sind die großen Themen angesprochen worden, die Handwerksbetriebe stellen einen wichtigen Arbeit geber dar, stellen wichtige Institutionen hinsichtlich der Ausbildung dar, haben auch eine besondere Verantwortung, weil dort eben nicht das Prinzip Hire and Fire gilt, sondern aufgrund der Wohnortnähe in aller Regel auch ein großer sozialer Bezug zu einem Stadtteil, zu einem Quartier existiert und gerade

vor diesem Hintergrund auch eine entsprechende Verantwortung wahrgenommen wird.

(Beifall CDU)

Deswegen haben wir uns als CDU-Fraktion in der Vergangenheit immer sehr intensiv mit dieser The matik auseinandergesetzt, ob es nun im Parlament war oder im außerparlamentarischen Bereich, und deswegen hat es mich ein wenig verwundert – und das ist dann auch das Problem, wenn solche Reden den Charakter von Sonntagsreden bekommen –, dass man sich hier hinstellt und sagt, man sei im Gro ßen und Ganzen zufrieden, habe alles toll gemacht, und die Welt könne sich eigentlich so weiterdrehen, Hauptsache, die Erde bleibt rund!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist zu kurz gesprungen! Wir müssen uns genau ansehen, was die generellen und großen Probleme sind, die das Handwerk hat. Da ist zum einen das Thema Bü rokratie, zum zweiten gibt es das Thema Ausbildung und Nachwuchs, und das dritte Thema ist das Thema der Rahmenbedingungen, die die öffentliche Hand, eine Kommune oder eine Gebietskörperschaft den Unternehmen bieten kann.

Es sind Stichworte gefallen, das Thema Gewerbe gebiete, das Thema verkehrliche Erreichbarkeit von Unternehmensstandorten, aber auch verkehrliche Erreichbarkeit der Kunden. Ich habe sehr wohlwol lend zur Kenntnis genommen, dass Sie da einen großen Handlungsbedarf sehen. Ich frage mich nur, ob das am Ende auch mit Ihrer Fraktion und Ihrem Senator, der da zumindest dann handelt, im Einklang ist, denn all das, was in der verkehrlichen Infrastruk tur im Augenblick aufgebessert wird, betrifft das Thema Fahrrad, aber Straße und Individual- oder Wirtschaftsverkehre: Eher Fehlanzeige! Das sind die wesentlichen Themen, die das Handwerk betreffen.

Bei der Frage der zentralen Vergabestelle müssen Sie, Herr Kollege Reinken, doch einmal ehrlicherweise sagen, dass das, was der Senat – nicht Sie, Sie haben einen guten Ansatz gehabt – hier abgeliefert hat, ein Trauerspiel war. Er hat zwei Jahre gebraucht, um einen relativ einfachen Bürgerschaftsbeschluss umzusetzen, und immer noch hört man, dass es nicht läuft, dass man sich eher in Ressortegoismen verliert, anstatt wirklich etwas im Sinne der Kunden, der Handwerksbetriebe, der Unternehmen in Bremen und Bremerhaven voranzubringen. Äußern Sie Ihre Kritik dort, wo sie angebracht ist! Der Senat versagt an dieser Stelle, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall CDU)

Das Thema der gesellschaftlichen Akzeptanz ist hier angesprochen worden, und das betrifft ja nicht nur das Thema Handwerk, sondern das Thema ist

generell: Wie steht die duale Berufsausbildung zur akademischen Berufsausbildung? Es geht um die Gleichwertigkeit an dieser Stelle, da haben Sie recht, darum geht es auch, und es fängt in der Familie schon an, wie wir über gewisse Berufsausbildungen reden oder nicht reden. Richtig ist auch, dass ein guter Handwerker – vom Meister einmal ganz abgesehen! – zwischenzeitlich erheblich mehr verdienen kann als in anderen, vor allem in geisteswissenschaftli chen Berufsfeldern. Es gilt auch unabhängig von der gesellschaftlichen Akzeptanz hervorzuheben, dass dort die persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten viel besser gegeben sind.

(Vizepräsidentin Dogan übernimmt den Vorsitz.)

Ein Punkt, der uns in den Gesprächen mit der Kreis handwerkerschaft oder der Handwerkskammer immer wieder begegnet, ist das Thema Berufsausbildung, wie die jungen Menschen in die Betriebe kommen, wie das Allgemeinwissen ist, wie die Sekundärtugenden sind, Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, Aufmerksamkeit, gerade von jungen Menschen, die aus den Schulen kommen.

Ich will das hier einmal so deutlich ansprechen, es gibt natürlich auch eine Verantwortung in den Schulen. Die Klagen, die es darüber gibt, sind nicht von der Hand zu weisen. Nun sagt der eine oder andere, das Thema ist so alt, vor 20 Jahren haben wir das auch schon gehört, dass die Kinder und Jugendlichen von der Schule nicht so auf die Ausbildung vorbereitet werden, wie sich der Ausbildungsbetrieb das viel leicht wünscht. Ich finde aber, dieses Thema darf man nicht einfach deswegen beiseiteschieben. Das ist ein sicherlich wichtiger Bereich, weil natürlich auch davon mittelbar und unmittelbar die Nach wuchsfrage abhängt.