Protokoll der Sitzung vom 09.03.2017

Ich will das hier einmal so deutlich ansprechen, es gibt natürlich auch eine Verantwortung in den Schulen. Die Klagen, die es darüber gibt, sind nicht von der Hand zu weisen. Nun sagt der eine oder andere, das Thema ist so alt, vor 20 Jahren haben wir das auch schon gehört, dass die Kinder und Jugendlichen von der Schule nicht so auf die Ausbildung vorbereitet werden, wie sich der Ausbildungsbetrieb das viel leicht wünscht. Ich finde aber, dieses Thema darf man nicht einfach deswegen beiseiteschieben. Das ist ein sicherlich wichtiger Bereich, weil natürlich auch davon mittelbar und unmittelbar die Nach wuchsfrage abhängt.

Gerade im Lebensmittelbereich ist mein Eindruck, dass das Fleischerhandwerk eigentlich kein Problem hat. Am Wochenende oder unter der Woche braucht man mitunter eine halbe Stunde, um an die Theke heranzukommen. Also, das Thema Qualität und Akzeptanz in der Bevölkerung – –.

(Abg. Bücking [Bündnis 90/Die Grünen]) : Karl Safft läuft!)

Der Laden läuft, ja, aber das Problem ist zwischenzeit lich an der Stelle eher andersherum, dass sich einfach zu wenige junge Menschen für solche handwerklichen Berufe in der Lebensmittelbranche interessieren.

(Glocke)

Ich bemerke schon den kritischen Blick da hinten, es gibt noch keinen veganen Schlachter.

(Heiterkeit CDU – Abg. Frau Dr. Müller [Bündnis 90/ Die Grünen]: Huhu, wie lustig!)

Deswegen, Herr Saxe, verzeihen Sie mir meinen Ansatz, auf das Fleischerhandwerk hinzuweisen, aber auch das ist ein ganz wichtiger Punkt, an dem wir ansetzen müssen!

Es gibt also viel zu tun. Es gibt keinen Grund, sich zurückzulehnen und zu sagen, es läuft alles, es ist alles zufriedenstellend. Es gibt viel zu tun, und deswegen sollten wir gerade das als das Ergebnis aus dieser Debatte mitnehmen. – Herzlichen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat der Abgeordnete Herr Bücking das Wort.

Frau Prä sidentin, meine Damen und Herren! Es ist so eine Sache mit den Sonntagsreden, der eine nörgelt am Sonntag, und der andere freut sich, dass die Sonne scheint.

Es macht schon einen gewissen Sinn, sich darüber zu freuen, dass das Handwerk nach den zusammen gefassten Zahlen stabil ist, aber wenn Sie genau aufgepasst haben: Ich hatte gesagt, wenn man sich die einzelnen Branchen anschaut, dann findet man die Probleme, um die man sich in der Tat kümmern muss, und zwar spätestens am Montag.

Ich fände es hilfreich, wenn wir gewissermaßen zwi schen dem Handwerk und Tätigkeiten unterschei den, die ähnlich wie der Einzelhandel an den hoch frequentierten Straßen aufgereiht sind, und zwar vom Friseurhandwerk über die Fleischer bis zum – ich weiß gar nicht, ob das Nagelstudio dazugehört – Nagelstudio. Das ist eine Welt, bei der ich auf den ersten Blick nicht erkennen kann, wo die öffentlichen Aufgaben der Stadtorganisation liegen. Man kann sicher versuchen, eine allgemeine Imageveränderung zu organisieren, und man kann sicher etwas in Bezug auf die Ausbildung tun.

Dann sind die Branchen rund um das Bauhauptge werbe herum vorhanden. Herr Kastendiek wird das mit Sicherheit detaillierter darstellen können als ich, aber ein bisschen kann ich zu dem Thema aufgrund meiner früheren Rolle beitragen. Die Bauschlosser, die Treppen bauen, Brüstungen bauen, Stützelemente bauen, brauchen Raum, das ist völlig klar. Es ist eine Betriebsstätte notwendig. Diese Betriebsstätte muss erreichbar sein, sie muss beliefert werden können. Das liegt auf der Hand.

Der Stadtzusammenhang ist als Wettbewerbsraum, als Kundenraum, aber auch als Kooperationsraum notwendig. Wir waren immer glücklich, wenn eine Großschlosserei in einer angemessenen Zeit erreichbar gewesen ist, die uns geholfen hat, das Blech vorzu richten, zu kanten, zu schneiden, Geländer zu biegen, also zu allem, was dazugehört. Die Verzinkerei ist für Bauschlosser ein wichtiger Aspekt. Insofern bildet die Stadt einen Gesamtzusammenhang ab.

Die Zimmerleute, die die Dachstühle bauen, sind auf ein Abbundzentrum angewiesen, weil heute keine Zimmerei den Dachstuhl selbst auf der Baustelle zuschneidet. Es ist ein System aus Arbeitsteilung und Kooperation. Hier muss genau geschaut werden, was die Stadt dazu beitragen kann, um – wenn man das klug macht – dem Handwerk Geschäftsfelder zu eröffnen.

Der Kollege Reinken hatte schon das Stichwort Hand werkerhöfe aufgerufen. Es geht im Grunde genommen immer um Einheiten von 100, 150, 200 Quadratme tern plus Sozialräume und Büroräume. Die Frage ist – davon haben wir etwa ein Dutzend in der Stadt –, ob ein weiterer Bedarf vorhanden ist. Würden wir nicht einen vernünftigen Beitrag leisten können, wenn wir diese tüchtigen Unternehmer in der Stadt halten? Denn sie müssen durchaus eine Abwägung vornehmen, ob sie in der Stadt bleiben oder nicht lieber die Scheune eines ehemaligen Bauernhofs irgendwo in der Nähe von Wilstedt nutzen.

Um sie in der Stadt halten zu können, braucht man passgenaue Räumlichkeiten, passgenaue Stand orte, und da können wir mehr leisten. Interessant ist, dass es andere Städte gibt, die auf dem Gebiet schon eine ganze Reihe von weitergehenden Über legungen angestellt haben. Sie haben sich überlegt, Handwerkerhöfe nicht nur als Hüllen anzubieten, in denen man sich ansiedeln kann, sondern auch als Kooperationszusammenhang.

Ist es nicht klug, eine Adresse zu bilden? Ist es nicht sinnvoll, dass sich Computer- und Werbefachleute in der Nachbarschaft ansiedeln? Kann das nicht für einen Handwerksbetrieb hilfreich sein? Diese Kombination wird in Hamburg betrieben. Es gibt Wissenschaftler, die sich mit dem Thema der lokalen Ökonomie beschäftigt haben, die dann auch noch Ausbildungselemente in Kooperation zwischen den einzelnen Betrieben ersonnen haben, die ebenfalls helfen, das Problem zu bearbeiten.

Ich glaube, dass wir das Thema Frauenarbeit im Handwerk, Führung der Handwerksbetriebe durch Frauen nicht nur unter der Überschrift der Geschlech tergerechtigkeit behandeln sollten, sondern wir sollten es auch unter der Überschrift der Modernisierung des Handwerks diskutieren. Das Handwerk hat nämlich keine Zukunft, wenn es sich nicht die Begabungen und die Fähigkeiten der Frauen erschließt. Anders kann es gar nicht funktionieren!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Bei allem Respekt vor den knorrigen Handwerks meistern, es täte ihnen oft gut, wenn noch andere Qualifikationen in ihrem Betrieb repräsentiert wären, und die finden sie unter den Frauen.

Meine Damen und Herren, ich glaube, dass im Hand werk in der Tat ein Modernisierungsdefizit besteht. Diese Modernisierung ist schmerzhaft und schwierig,

sie hat etwas mit Inhaberwechseln zu tun, und sie hat etwas mit dem Erschließen neuer Geschäftsfelder zu tun. Die Gewinnung der Frauen für das Handwerk dürfte ein wesentlicher Aspekt dafür sein, ob diese Zukunft zu erreichen ist. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ehrlich gesagt, mir ist das Label, unter dem etwas passiert, eigentlich vollkommen egal, die Hauptsache ist, dass etwas passiert. Es ist eine typische Debatte, in der deutlich wird, dass jede Fraktion ein Stück weit ihren Lieblingsschwerpunkt darstellt.

Ich würde ganz gern auf ein paar Punkte eingehen. Das eine sind die Anwahlzahlen: Die Attraktivität? Richtig, aber sie erklärt nicht die Abbruchquote bei den Frauen! Sie ist gestiegen und relativ hoch, obwohl sich die jungen Frauen für den entsprechenden Beruf entschlossen haben. Sie haben diese Entscheidung selbst gefällt, und trotzdem fällt es ihnen sehr schwer.

Die Stichworte der großen Herausforderungen sind genannt worden, einerseits die Nachwuchsgewin nung, andererseits die Nachfolgeregelung. Gerade die kleinen und mittleren Betriebe haben damit wirk lich schwer zu kämpfen. Es wird auch um andere Arbeitszeitmodelle im Handwerksbetrieb gehen, und deswegen sind Kooperationen an der Stelle richtig und wichtig. In der Praxis funktioniert leider die betriebliche Förderung der Ausbildung und der Ausbildungsverbünde nicht richtig. Die bisherige Flankierung reicht nicht aus.

Ich möchte auf das Beispiel der schulischen Bildung eingehen. Es heißt immer, unsere Jugendlichen seien zu schlecht, die Schulen sollten sie besser ausbilden, damit sie sich letztendlich mit einer anderen Qualität um einen Ausbildungsplatz bewerben können. Ich finde, einer schiebt dem anderen den Schwarzen Peter zu, und das ist nicht in Ordnung.

Es werden flankierende Maßnahmen angeboten, und dann sagen mir aber die Betriebe, daran sollen die Jugendliche gefälligst in den Abendstunden oder am Wochenende teilnehmen. Das ist, finde ich, schwierig, denn die Jugendlichen haben zehn oder elf Stunden gearbeitet, und sie sollen dann noch abends von 18 bis 21 Uhr an einer Fortbildungsmaßnahme teilnehmen.

Wir haben gestern über die Schulen gesprochen. Im Rahmen der Berufsausbildung stehen die Auszubil denden den Betrieben natürlich relativ wenig zur Verfügung, weil das mit dem Besuch der Berufsschu len nicht anders funktioniert. Es ist, ehrlich gesagt, dringender Bedarf vorhanden, dass sich beide Seiten ein Stück weit annähern.

Im Hinblick auf die Frauen und die Geschlechterquote möchte ich Folgendes sagen, und das ist mir wichtig: Wir müssen uns darum kümmern. Ich wiederhole noch einmal, dass in anderen Städten und anderen Ländern andere Programme aufgelegt worden sind. Das ist genauso wie mit den Gewerbegebieten, dass nämlich Möglichkeiten geschaffen werden, um Ko operationen bilden zu können.

Ehrlich gesagt, ich bin nicht zufrieden, und ich halte hier auch keine Sonntagsreden, um festzustellen, dass das ja alles super läuft. Das ist nicht der Fall. Ich hoffe, dass wir auf der Ebene ein Stück weit vorankommen, und zwar kooperativ und nicht, dass wir sagen, ihr seid schuld oder die sind schuld. Wir können uns das nämlich dann bis zum Sankt Nimmerleinstag vorhalten. Das wird uns nicht viel bringen. – Danke!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Steiner.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Ich finde, dass diese Große Anfrage mit viel Aufschluss für uns verbunden ist. Natürlich kann man sehr detailliert nachher noch einmal die einzelnen Bereiche, die Herr Bücking angesprochen hat, betrachten, allerdings müssen wir erst einmal über einen Gesamtüberblick verfügen, um daraus andere, tiefer gehende Fragen abzuleiten und genauer hinzuschauen. Deswegen stehe ich zu unserer Großen Anfrage und finde es auch gut, dass wir sie in der Dimension tatsächlich gestellt haben.

Mir ist aufgefallen – und das finde ich sehr bemerkens wert –, wie volatil die Zahlen sind und vor allem, wie sich die Anzahl der Betriebe entwickelt hat, wenn ich mir die Zahlen von Bremen-Stadt und Bremerhaven anschaue. Herr Staatsrat, wenn Sie vielleicht gleich etwas dazu sagen könnten, dann würde mich inter essieren, ob Sie für diese unglaubliche Schwankung zwischen 2009 und heute eine Erklärung haben. Es ist ein Auf und Ab, das zwar im Durchschnitt gefühlt nur einen leichten Rückgang oder einen leichten Zuwachs abbildet, aber wir verzeichnen im Prinzip innerhalb dieser Zahlen ein starkes Auf und Ab.

Weiterhin ist mir aufgefallen, dass das niedersächsische Umland Bremen beim Umsatz einiges voraus hat. Ich glaube, hier könnte wirklich ein Ansatzpunkt liegen. Es müsste die Frage beantwortet werden, mit welchen Maßnahmen wir es schaffen können, die Betriebe besser zu unterstützen. Es wäre sehr schön, wenn wir mindestens das Niveau unseres Nachbarlandes erreichen würden.

Die Ausbildereignungsprüfung! Die Ausbildereig nungsprüfung ist ausgesetzt, aber nicht abgeschafft worden. Das lag daran, dass die Anzahl der Betriebe, die ausgebildet haben, zurückgegangen ist. Man hat dann – das weiß ich aber nicht mehr ganz genau,

ich müsste es nachlesen – den Betrieben, die über mehrere Jahre aktiv am Markt und erfolgreich am Markt ausgebildet haben, den Nachweis der Aus bildereignungsprüfung erlassen. Sie konnten sich vorübergehend ein Zertifikat ausstellen lassen, um weiterhin ausbilden zu können. Mich würde Ihre Einschätzung interessieren, ob das eine Möglichkeit ist, vielleicht auch dem einen oder anderen kleineren Handwerksbetrieb die Möglichkeit zu geben, junge Menschen wieder ausbilden zu können.

Letztlich bewegt mich noch der Fachkräftebereich. Gerade in Bremerhaven herrscht eine hohe Arbeitslo sigkeit vor, aber auch in Bremen, und dann wundere ich mich, wenn ich lese, dass für 30 beziehungsweise 32 Prozent der kleinen Betriebe und Kleinstbetriebe eine Stellennichtbesetzung ausgewiesen wird. Ich glaube, in diesem Bereich können sicherlich Initia tiven gestartet werden, um diese Stellen dann auch zu besetzen. Ich finde, 32 Prozent ist eine sehr, sehr erschütternde Zahl. Sie ist richtig hoch. – Vielen Dank!

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Reinken.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Um den Reigen der Debattenbeiträge am Sonntag abzurunden, noch einmal einige Be merkungen: Herr Kastendiek, Sie haben auf das Problem der Vergabe, der zentralen Beratungsstelle für Service und Vergabe hingewiesen. Richtig ist, das hat lange gedauert, unbestritten. Richtig ist, wir haben noch etliche Prozesse dort zu verbessern, aber wir haben es auf den Weg gebracht. Wir haben es auf den Weg gebracht, und an der Stelle von einem Totalversagen zu sprechen, ist nicht gerechtfertigt, denn ein Totalversagen wäre gewesen, ein Problem zu erkennen und nichts auf den Weg zu bringen. Gehen Sie einmal davon aus, dass wir – –.

(Abg. Kastendiek [CDU]: Der Senat, nicht Sie! Ich habe nicht Sie gemeint! Der Senat hat zwei Jahre gebraucht!)

Sie meinen immer die Koalition, wenn Sie von Ver sagen reden.

(Abg. Kastendiek [CDU]: Nein, nein, nein, Sie habe ich ehrlich nicht gemeint! Den Senat!)

Dann gehen Sie einmal davon aus, dass wir der Frage, wie das evaluiert wird und wie man da weiter vorgeht, weiterhin nachgehen werden!

Zweite Bemerkung: Sie hatten zu Recht das Thema Attraktivität von Berufen angesprochen. Da müssen wir auch einmal feststellen, dass es hier regionale Unterschiede gibt. Das Schöne an Süddeutschland ist ja, dass es dort noch in jedem Dorf ein bis zwei