Zu den beiden Anträgen allgemein: Weite Teile Ihrer Begründungen teile ich nicht. Ich teile einige Punkte, nicht alle. Da ich weiß, dass Sie mir dann üblicherweise immer vorhalten, dass die Begründungen ja nicht beschlossen werden, möchte ich mich jetzt zunächst auf den Antrag der LINKEN und der FDP beziehen.
Die Ziffer 1 Ihres Beschlussvorschlages halten wir bereits durch Ziffer 2 des Beschlusses vom August 2016 durch die Bürgerschaft für beschlossen, in dem es heißt, und jetzt zitiere ich: „ Die Bürgerschaft teilt die Sorge um die Zukunft des türkischen Staates und seiner Zivilgesellschaft und fordert entschieden die Rückkehr zur Respektierung der elementaren Menschenrechte sowie die uneingeschränkte Anwendung der Grundsätze von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.“
Ebenfalls aus August 2016 stammt die Formulierung, in der sich meines Erachtens die Ziffern 1 und 2 Ihres Antrags wiederfinden: „Die Bür
gerschaft fordert den türkischen Staat auf, willkürliche Verhaftungen, Entlassungen oder Einschränkungen anderer basaler Freiheitsrechte zu unterlassen. Sie erklärt, dass auch die Beschränkung von institutionellen Rechten und die unabhängigen Wirkungsmöglichkeiten, zum Beispiel von Medien, aber auch von Einrichtungen in den Bereichen der Justiz, der Wissenschaft und der Bildung, mit den Grundsätzen von Recht, Freiheit und Demokratie unvereinbar sind.“ Deutlicher geht es, glaube ich, kaum!
In unserem Beschluss aus dem Jahr 2016 heißt es: „Massenentlassungen, Verhaftungen oder Einschränkungen der Freizügigkeit, insbesondere von öffentlichen Bediensteten, Diskussionen um die Wiedereinführung der Todesstrafe, Schließungen von Medien, Schulen und Hochschulen sowie eine damit verbundene denunzierende und propagandistisch gefärbte Sprache beobachten wir mit großer Sorge und erwarten, dass kein Weg in ein totalitäres System eingeschlagen wird.“ Mit diesen Formulierungen haben wir bereits die Intention Ihres Antrags aus Ziffer 3 des Beschlussvorschlags vor Monaten formuliert.
Mit Beschluss aus November 2016 haben wir auch die Inhalte Ihrer Nummern 1 und 2 des Antrags bereits beschlossen: „Die Bürgerschaft hält die Verhaftung von Oppositionsabgeordneten des türkischen Parlaments für rechtsstaatlich äußerst bedenklich und sieht darin eine fundamentale Aushöhlung parlamentarischer Rechte der Opposition. Die Bürgerschaft erwartet eine rasche und rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechende Überprüfung der Verhaftungen und des Vorliegens von Haftgründen. Die Bürgerschaft fordert die sofortige Freilassung der inhaftierten Journalistinnen und Journalisten in der Türkei.“
Die Einschränkungen habe ich vorhin in dem ersten Teil meiner Rede bereits zitiert. Herr Tuncel, wenn Sie es nachlesen, das hat nämlich unser Beschluss von August 2016 schon vorgesehen.
Die Einschränkungen der Wissenschaft, Frau Vogt, haben wir bereits mehrfach kritisiert, und zwar umfänglich. Eine Textstelle habe ich dazu bereits zitiert. Sie geht sogar über die Nummer 2 Ihres Antrags hinaus. Da wir alles dies schon vor Monaten, zuletzt im November 2016, beschlossen haben, brauchen wir meines Erachtens dies nicht erneut zu beschließen.
Ebenso wenig müssen wir den Senat auffordern, sich dafür einzusetzen, dass eine Agententätigkeit türkischer Geheimdienste in Deutschland beendet wird. Sie tun ja gerade so, als habe Deutschland bislang irgendeine Agententätigkeit türkischer Geheimdienste akzeptiert. Im Gegenteil, unser Strafgesetzbuch stellt sogar die Tätigkeit für ausländische Geheimdienste unter Strafe. Soweit mir bekannt ist, wird in etlichen Fällen gegen Personen oder Gruppen ermittelt, die solche Tätigkeiten ausgeübt haben sollen. Auch diese Forderung brauchen wir also nicht zu beschließen, weil sie bereits geregelt ist.
Ich möchte meine Redezeit jetzt nicht überziehen, sondern komme für eine zweite Runde wieder. Ich werde mich dann mit dem Antrag der CDU auseinandersetzen. -Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich frage mich, wenn etwas vor Monaten richtig gewesen ist und heute nicht falsch ist, warum Sie es heute ablehnen wollen. Ich verstehe es nicht!
Frau Grotheer, Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass dieses Referendum stattgefunden hat. Wir wollten, ehrlich gesagt, vor dem Referendum noch eine Resolution hier beschließen, die die Menschen auffordert, ihr Stimmverhalten so zu wählen, wie Sie es getan hätten, nämlich mit Nein zu stimmen, und das wäre richtig gewesen.
Das war in der letzten Plenumssitzung nicht möglich, sodass wir jetzt den Weg gewählt haben, hier noch einmal deutlich zu machen, welche Positionen im Umgang mit der Türkei richtig und sachgerecht sind. Es gibt viele Beziehungen. Viele Menschen aus der Türkei, die hier
wohnen, viele, die in die Türkei reisen, viele, die aus der Türkei nach Deutschland reisen, viele Kontakte. Es ist notwendig, hier Stellung zu nehmen, weil es darum geht, auch zu klären, wie sich der Fortgang der Beziehungen gestalten soll, weil es darum geht zu klären, wie der Umgang miteinander sein soll und wie es darum bestellt ist, wie wir demokratische Kräfte in der Türkei stützen.
Darum geht es uns. Das wollen wir deutlich machen, und deswegen wiederholen wir Forderungen, weil sie nicht falsch geworden sind. (Beifall FDP, DIE LINKE)
Das, was wir im August formuliert haben, trifft nach wie vor zu. Es ist leider eingetreten. Präsident Erdogan hat in der Türkei in den vergangenen Monaten, insbesondere nach dem Putschversuch, den Rechtsstaat nahezu vollständig außer Kraft gesetzt.
Die Volksabstimmung, die wir erlebt haben, war eben eine Abstimmung über die Zukunft, über den Weg der Türkei. Sie hat einen Weg gewählt, den wir nicht gewählt hätten, den wir nicht empfohlen hätten, der in die falsche Richtung geht. Die Türkei hat sich eben mehrheitlich entschieden, nicht länger einen demokratischen Weg zu gehen, wie wir ihn verstehen würden. Sie hat sich von Europa, wie wir es als Gemeinschaft von Demokratien verstehen, verabschiedet.
Das müssen wir respektieren im Sinne von zur Kenntnis nehmen. Aus unserer Sicht bedeutet das auch etwas für die Beitrittsverhandlungen. Es bedeutet nämlich, dass man sie mit dieser Türkei nicht fortsetzen kann, sondern auf unbestimmte Zeit aussetzen muss, weil diese Türkei nicht den Weg in die Europäische Gemeinschaft, in eine Gemeinschaft von Demokratien finden kann.
Das Referendum hat ein Präsidialsystem etabliert, gegen das kein Widerspruch möglich ist. Es ist kein Wahlprüfungsgericht vorhanden. Wir Freie Demokraten empfinden das als einen eklatanten Missstand in einem staatlichen System. (Beifall FDP, DIE LINKE)
Mit dem neuen Recht kann Erdogan über Verordnungen regieren. Er hat ein volles Durchgriffsrecht. Er kann selbst nicht mehr kritisiert werden. Er kann das Parlament auflösen, und
er muss sich nicht einmal mehr Fragen des Parlaments stellen. Ist das noch ein Rechtsstaat? Ist das eine Kontrolle? Ist das noch ein System von Checks and Balances? Das geht nicht! Insofern müssen wir feststellen, dass dort die Zentralisierung der Macht stattgefunden hat, und dass die Gegenspieler marginalisiert worden sind.
Diejenigen, die verhindern wollten, dass Erdogan schalten und walten kann, wie er will, sind zur Seite gedrängt worden. Sie sind vorher verhaftet worden. Die Pressefreiheit ist eingeschränkt worden. All das ist doch passiert, und das können wir doch nicht so einfach hinnehmen. Darauf haben wir vor dem Referendum hingewiesen, und wir machen es auch nach dem Referendum.
Kritiker sind systematisch eingesperrt worden, und Pressevertreter muss man wieder freilassen. Deniz Yücel ist ja leider nur ein Beispiel der dort Inhaftierten. Es geht um viel mehr, und man muss dort dafür sorgen, dass die freie Presse wieder eine Chance hat, und dass inhaftierte Pressevertreter freigelassen werden.
Natürlich muss man auch das thematisieren, was im Umfeld des Referendums passiert ist. Mehr als 20 Verfahren laufen gegen mutmaßliche türkische Spione. Etliche sind im Umfeld von DITIB vermutet worden. Man muss sehen, wie die Verfahren ausgehen. Nicht aus Bremen, aber von anderen Orten ist darüber berichtet worden, dass Konsularlehrer Druck auf Familien, auf Kinder ausgeübt haben, damit sie Informationen herausgeben. Alles Dinge, die wir nicht gut finden. Wir haben deswegen eine kritische Position zu Konsularlehrern eingenommen und haben gesagt, diejenigen, die in Deutschland Türkisch unterrichten, sind eigentlich im deutschen Schuldienst anzustellen.
Es kommt hinzu, dass die Wahl offenkundig manipuliert wurde. Cindi Tuncel hat bereits auf drei Millionen ungestempelte Stimmzettel hingewiesen. Vielleicht haben Sie auch das Video gesehen, in dem ein Mann vier Stimmzettel in eine Wahlurne eingeworfen hat. Wenn das passiert, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass man das eine richtige Wahl nennen kann. Es ist nicht viel Fantasie erforderlich, um von Wahlbetrug zu sprechen oder wahrscheinlich erscheinen zu lassen, dass Wahlbetrug stattgefunden hat. Das muss dann doch einmal zur Sprache kommen, und das muss auch überprüft werden.
Wir fordern die Türkei auf, zu demokratischen Grundrechten, zur Meinungsfreiheit, zur Garantie der Menschenwürde, zur Pressefreiheit, zur körperlichen Unversehrtheit, zum Recht auf einen fairen Prozess, zur Wissenschaftsfreiheit, zur Kunstfreiheit, zur Reisefreiheit, dem Recht auf Eigentum und dem Recht der freien Berufswahl zurückzukehren! Wir fordern sie auf, dazu zurückzukehren, dass man die Immunität von Parlamentariern wahrt und Parlamentarier nicht inhaftiert! - Herzlichen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Damen und Herren! Ich will am Anfang sagen, ich finde, es ist genau richtig, die Situation in der Türkei nach dem Referendum noch einmal zu diskutieren,
wobei ich mir gewünscht hätte, dass wir die letzten Monate vor dem Referendum dazu genutzt hätten, um eine gemeinsame Haltung des Hauses zu entwickeln.