Henrike Müller
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Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir feiern heute den Europatag, heute Nachmittag auch ganz real hier draußen auf dem Marktplatz mit sehr verschiedenen und vielen Organisationen, die in Bremen dafür bekannt sind, eine starke europäische Öffentlichkeit darzustellen und Europa
in Bremen erlebbar zu machen. Deswegen, weil wir das auch in diesem Haus in den vergangenen vier Jahren jedes Jahr wieder in der Europawoche und nahe am Europatag gemacht haben, möchte ich mich einmal bei allen Kolleginnen und Kollegen bedanken, dass es auch heute wieder gelungen ist, dass wir zentral am Europatag miteinander eine europapolitische Debatte in Zeiten der Bürgerschaftswahl führen.
Das ist nicht selbstverständlich und ich nehme das in den vergangenen Wochen auch wahr – und das freut mich sehr –, dass die Europawahl neben der bedeutenden Wahl zur Bremischen Bürgerschaft nicht untergeht. Die Termindichte ist hoch und Europa interessiert die Bremerinnen und Bremer genau so stark wie die Wahl zur Bremischen Bürgerschaft. Das ist, glaube ich, auch kein Wunder, weil sehr vielen Menschen klar geworden ist, dass wir in diesem Jahr bei den Wahlen zum Europäischen Parlament vor einer Richtungsentscheidung stehen: Die Wahlen im Jahr 2019 werden darüber entscheiden, in welche Richtung die europäischen Gemeinschaften, also die noch 28 Staaten, gemeinsam gehen werden. Werden wir weitergehen und die europäische Integration, wie wir sie bisher gestaltet haben, als einen freiheitlichen Raum – –? Werden wir diesen Schritt weitergehen oder – wenn wir Pech haben und nicht genügend Menschen überzeugen können – werden wir auf ein Europa der Vaterländer zusteuern? Das ist die Entscheidung, die wir dieses Jahr treffen müssen. Deswegen bin ich sehr froh, dass wir alle gemeinschaftlich – und ich habe in Bremen schon viele tolle Veranstaltungen gehabt – für das freiheitliche und demokratische Europa kämpfen.
Wir haben jetzt verschiedene Vorlagen miteinander verbunden. Die Tatsache, dass wir über den Bericht des Senats über die letzten vier Jahre Europapolitik in Bremen debattieren, dass wir heute wieder eine sehr ausführliche Debatte führen, ist nicht selbstverständlich für ein Landesparlament. Die Bremische Bürgerschaft hat das immer wieder sehr schön gemacht, und wie wichtig europapolitisches Engagement für Bremen ist, zeigt sich in dem Bericht, den der Senat vorgelegt hat. Im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, internationale Kontakte und Entwicklungszusammenarbeit haben wir den sehr intensiv besprochen, alle Fraktionen haben ihre Stellungnahme dazu abgegeben und ich glaube, wir können sagen, dass wir bei allen unterschiedlichen Auffassungen einheitlich an einem Strang ziehen.
Nicht nur in Bremen, sondern allgemein in Deutschland und europaweit sind die Zustimmungswerte weiterhin hoch, aber das Wissen um die Errungenschaften der europäischen Integration, um die Aufs und Abs der europäischen Integration, dieses Wissen nimmt zunehmend ab. Das merkt man auch daran, dass autoritäre, rechtspopulistische Haltungen wieder zunehmen. Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir uns auf mehr europäische Bildung konzentrieren. Auch das diskutieren wir heute nicht zum ersten Mal und bisher habe ich da immer große Einigkeit vernommen bezogen auf das Ziel, etwas zu mehr europäischer Bildung und damit zu mehr europäischem Wissen und zu mehr demokratischen Haltungen beitragen zu können.
Wir haben Ihnen deshalb einen Antrag vorgelegt, der ganz konkrete Erfahrungen von Lehrerinnen und Lehrern in Bremen aufnimmt, die sich darum bemühen, europäisches Wissen, europäische Bildung voranzutreiben. Bisher ist es so, dass es vor allen Dingen auf das persönliche Engagement von Lehrerinnen und Lehrern ankommt, ob sich zum Beispiel Schulen am Erasmus-Programm beteiligen beziehungsweise beteiligen können. Wir haben sehr viele engagierte Lehrerinnen und Lehrer, wir wollen aber, dass auch Lehrkräfte, die nicht ausgesprochen glühende europäische Vertreterinnen und Vertreter sind, sich mehr auf europäische Themen konzentrieren können. Uns ist immer wieder in verschiedenen Anhörungen, die auch von Frau Hiller durchgeführt wurden, gesagt worden: Der bürokratische Aufwand, dass wissen wir alle, ist extrem hoch. Deswegen wollen wir die Lehrkräfte und die Schulen darin unterstützen, diesen Aufwand reduzieren zu können, um sich erfolgreich am Erasmus-Programm beteiligen zu können.
Wir schlagen vor, dafür eine Koordinierungsstelle einzurichten, in der Wissen zusammengefasst wird, auf das Lehrkräfte zurückgreifen können, und wir schlagen vor, die Lehrerinnen und Lehrer über Entlastungsstunden zu befähigen, sich an europäische Antragsschreibungen zu setzen. Das ist – das weiß ich zur Genüge – tatsächlich oft eine langwierige Arbeit. In dem Sinne, also zur Verbreitung von europäischem Wissen und von europäischer Bildung und damit sich vielmehr Schulen daran beteiligen können, bitten wir um die Unterstützung dieses Antrags.
Dann liegt Ihnen die Große Anfrage zur Europäischen Universität vor und ich bin wirklich froh und
glücklich, dass die Universität Bremen sich an der Ausschreibung, eine europäische Universität zu werden, beteiligt. Ich drücke ihr da sehr fest die Daumen
und bin hoffnungsfroh, dass ihr das gelingen wird, denn über europäische Bildung und Wissen hinaus brauchen wir vor allem europäische Forschung, auch geisteswissenschaftliche Forschung, um die Werte und die Errungenschaften der Europäischen Union weitertragen zu können und die aktuellen Entwicklungen auch durch wissenschaftliche Begleitforschungen lösungsorientiert bearbeiten zu können. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gestehe, ich hatte gehofft, der Tagesordnungspunkt ginge ohne Debatte durch. Jetzt muss ich mich dazu verhalten, das mache ich auch gern. Wir werden dem Antrag der Fraktion DIE LINKE zustimmen, ich betone aber, unaufgeregt, ganz besonders nüchtern, stimmen wir dem Antrag zu, weil er eben verlangt, dass es – und das hat sich ja heute gezeigt, dass es offensichtlich dringend notwendig ist – eine historische Einordnung der Novemberrevolution geben soll und der folgenden Räterepublik in Bremen und dass es eine wissenschaftliche Aufarbeitung geben soll, die dann in ein wie auch immer geartetes Erinnerungskonzept mündet. Also, dass es einen objektiven Blick auf die Ereignisse gibt, kann ich nur unterstützen. Unter Ausschluss der Vorwegnahme, dass
die Novemberrevolution nun die Wiege der Demokratie in Deutschland ist, das ist mir ganz besonders wichtig.
Unbestritten ist natürlich, die Novemberrevolution markiert eine wichtige Zäsur in Deutschland, unter dem Eindruck, und das ist nun einmal Grundbedingung, der kriegerischen Zustände in Europa. Es ist eben auch ein europäisches Phänomen und kein deutsches Phänomen.
Unter dem Eindruck des unmenschlichen Ersten Weltkriegs formierte sich Widerstand, vor allem gegen den damals noch gängigen unbedingten Gehorsam. Es formierte sich der Wille zur Autonomie und zur politischen Mit- und Selbstbestimmung. In diesem Sinne markieren die Ereignisse rund um die Novemberrevolution einen demokratischen Ansatz, einen demokratischen Aufbruch, vor allem aber einen sozialen Aufbruch, der dann am Ende zu Errungenschaften führte wie der Einführung des Achtstundentages, der Betriebsräte und der Arbeitsvermittlung. Ganz besondere Errungenschaften, die keiner in Frage stellen will. Das ist hier verortet, aber da hört es nicht auf.
Was hier auch verortet ist – ich hoffe, dazu wird es historische Aufarbeitungen und vor allem Forschungen geben, weil es da bisher jedenfalls wenig gibt –, inwieweit die Novemberrevolution selbst, Auslöser für die Einführung des Frauenwahlrechtes ist. Daran mag ich jetzt, ich bin keine Historikerin, noch einmal ein Fragezeichen setzen, aber dass immer, wenn der Novemberrevolution gedacht wird, das Frauenwahlrecht gern unterschlagen wird, ist kein Zufall. Deswegen bin ich der Fraktion DIE LINKE hier dankbar, dass das nicht unterschlagen, sondern zumindest in einen zeitlichen Kontext gestellt wurde. Denn, und das ist doch ganz offensichtlich, auch vor allem den kriegsmüden Frauen ist das zu verdanken gewesen. In einer gleichen zeitlichen Spanne ist auch, dass das Frauenwahlrecht, das aktive und passive Wahlrecht für Frauen, eingeführt wurde, und das ist zu dieser Zeit die wohl zentralste demokratische Leistung.
Ebenso oft wie das Frauenwahlrecht unterschlagen wird, wird aber bei Erinnerungsfeierlichkeiten, auch wie wir sie letztes Jahr erwogen haben, die Kehrseite dieser Revolution unterschlagen. Nämlich die politische Verrohung, die durch die Revolution mit Einzug hielt, die politische Gewalt, die sehr viele Opfer forderte. Zur Romantisierung eines
demokratischen Aufbruchs taugt die Novemberrevolution eben nicht, sondern man braucht beide Sichtweisen auf diese Zeit.
Wir unterstützen einen differenzierten Antrag, wie er jetzt vorliegt, und wir unterstützen auch ein Erinnerungskonzept. Wir erwarten aber, dass bei der Konzeptionierung und auch bei zukünftigen Erinnerungsveranstaltungen, Podiumsdiskussionsreihen ein kritischer und differenzierter Blick, insbesondere auch auf die Radikalisierungsprozesse, die sich dann im Anschluss an die Novemberrevolution in Deutschland ausbreiteten, gelegt wird. Das wäre unser Anspruch an ein solches Konzept, und in dem Sinne unterstützen wir den Antrag. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich war sehr froh, als wir uns im Gleichstellungsausschuss interfraktionell darauf einigen konnten, das passiert nämlich nicht allzu häufig, all diese Berichte und Einzelinitiativen zu verbinden, um heute Nachmittag sehr viel Raum für eine Frauendebatte gewährleisten zu können. Mich freut das sehr, weil ansonsten die Gefahr relativ groß ist, dass Berichte am Ende einer Legislaturperiode, in denen man Bilanz darüber zieht, was ist geschlechterpolitisch den letzten Jahren auf den Weg gebracht worden und wo stehen wir jetzt, ohne Debatte behandelt werden. Die Chance zu vergeben, wäre sehr schade gewesen.
Die fünf miteinander verbundenen Initiativen und drei Berichte zeigen, dass die Gleichstellungspolitik, also die Politik, die zur Geschlechtergerechtigkeit führen soll, in Bremen auf zwei Säulen aufgebaut ist. Das eine ist die klassische Frauenförderung, die schon sehr lange existiert und eingespielt ist, das andere ist die Anwendung des Prinzips von Gender-Mainstreaming. Das ist noch nicht ganz so alt wie die klassische Frauenförderung und auch noch nicht so eingespielt, das muss man, glaube ich, einmal sagen.
Beide Säulen und die Berichte sowohl der ZGF als auch zur Umsetzung von Gender-Mainstreaming zeigen, wie viele wichtige unterschiedliche spezifische Maßnahmen und Programme in Bremen existieren, um die Diskriminierung von Frauen und Männern abzubauen oder von vornherein zu vermeiden. Das ist sehr gut und richtig so, denn schließlich haben Bemühungen um die Gleichstellung der Geschlechter Verfassungsrang. Das wird von der einen oder anderen Entscheidungsträgerin beziehungsweise dem einen oder anderen Entscheidungsträger manchmal vergessen. Es ist nicht etwas, was man mitbedenkt, sondern das Prinzip hat Verfassungsrang und verpflichtet jeden und jede von uns, diesen Grundsatz zu beherzigen und zu befördern.
Wir sind deshalb, jeder Einzelne und jede Einzelne, verpflichtet und haben das auch als Gleichstel
lungsziele definiert, den Abbau und die Verringerung von geschlechtsbezogener Diskriminierung voranzutreiben, die gleiche Teilhabe von Frauen und Männern in ihrer ganzen Vielfalt – also nicht wieder geschlechterstereotyp als Frauen und Männer gedacht, sondern in ihrer ganzen Vielfalt und in ihren gesellschaftlichen Positionen, mit ihrem Einfluss und ihren Ressourcen – zu gewährleisten und echte Wahlfreiheit in der Gestaltung individueller Lebensweisen durch die Befreiung von stereotypen Bildern und geschlechtsspezifischen Rollenzwängen zu garantieren.
Das ist eine schwierige Aufgabe, vor allem in Zeiten, in denen es den sogenannten Rollback gibt. Wer sich im Netz bewegt oder auch auf der Straße, ist so sehr mit den Fünfzigerjahren konfrontiert, die inzwischen wieder so aktuell geworden sind, dass man Sorge haben muss, wohin das mit den, nicht Rollenzwängen, sondern mit den Rollenvorstellungen bei den jungen Leuten eigentlich geht.
Das Land Bremen war früher, und ich meine mit früher, als ich noch jung war, in den Neunzigerjahren, ein echtes Vorbild für andere Bundesländer, für andere Städte, sofern es die Gleichstellungspolitik, die klassische Frauenförderpolitik angeht, und hat mit den vielen Maßnahmen damals sehr gute und unterstützende Rahmenbedingungen und Infrastrukturen geschaffen, um Frauenförderung und Frauenpolitik voranzutreiben.
Mit der Einrichtung der ZGF im Jahr 1980, da war ich kaum auf der Welt, sie feiert bald ein Jubiläum, hat Bremen sehr früh eine Institution geschaffen, die im Bundesvergleich bis heute in ihrem Auftrag einzigartig ist. Ihre Bedeutung in den Bemühungen, Diskriminierungen abzubauen und Sensibilisierung für Diskriminierung aufzubauen, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Mit dem Landesgleichstellungsgesetz, das derzeit evaluiert wird, hat der Bremer Senat bereits 1990 ein wichtiges Instrument geschaffen, den Verfassungsauftrag zur Geschlechtergleichstellung und zur Frauenförderung im bremischen öffentlichen Dienst zu erfüllen.
Demnach ist Frauenförderung ein zentrales Anliegen und integraler Bestandteil der Verwaltung und des gesamten bremischen öffentlichen Dienstes. Sie ist als Querschnittsaufgabe zu begreifen, die alle Funktionsbereiche gleichermaßen betrifft. Schließlich wurde im Jahr 2002 mit dem Beschluss zur Umsetzung von Gender-Mainstreaming und anfangs diversen und sehr ambitionierten Pilotprojekten versucht, die Politik zur Gleichstellung der
Geschlechter aus der „Frauenförderecke“ herauszuholen und grundsätzlich zum Maßstab jeglichen politischen Handelns zu erheben.
In diesem Zeitraum war Bremen Vorreiterin in Sachen Gleichstellungspolitik, das, was Frau Bergmann sich heute wünscht. Heute, 39 Jahre nach Einrichtung der ZGF, 29 Jahre nach Inkrafttreten des Landesgleichstellungsgesetzes und 17 Jahre, nachdem wir uns zu Gender-Mainstreaming verpflichtet haben, sieht die geschlechterpolitische Realität in Bremen, im Land Bremen also wie aus? Wir haben im Vergleich mit den Achtzigerjahren sehr viel erreicht. Die Frauenanteile in den öffentlichen Verwaltungen sind gestiegen.
Mädchen und Jungen, Unsinn, Mädchen und junge Frauen – Jungen auch, aber über die – – erreichen beste Schul- und Ausbildungsabschlüsse. Wir haben gut funktionierende und breit aufgestellte Unterstützungssysteme für Frauen in Notsituationen. Auch unsere Frauenquoten in Aufsichtsräten können sich im Vergleich zu anderen Bundesländern durchaus sehen lassen. Trotzdem sind wir, finde ich, an einem Punkt angekommen, an dem wir uns fragen müssen: Wieso gibt es in so vielen Bereichen keine erkennbaren Fortschritte, nicht nur quantitativ, auch qualitativ nicht, oder gar Rückschritte?
Was wir aktuell auch sehen, ist eine mangelnde gesundheitliche Versorgung für Frauen, insbesondere was die Geburtshilfe angeht, also die fundamentale gesundheitliche Versorgung von Frauen und ihres Nachwuchses, oder die geringe Anzahl von Professorinnen an den Hochschulen trotz exorbitant vieler Frauenförderprogramme. Es geht nicht wirklich voran. Oder die geringe, im Vergleich geringste Erwerbsquote von Frauen in Bremen. Es ist fast nicht vorstellbar, wie wenig Frauen in Bremen einer Erwerbstätigkeit nachgehen, mich schockt das immer wieder. Damit verbunden ist die hohe Gefährdung von Frauen, in die Armutsfalle zu rutschen, die viel zu hohe Quote, die Kollegin Dertwinkel hat es schon angesprochen, der Gewalterfahrungen, die Frauen in Bremen, vor allem in ihrem eigenen zu Hause erfahren müssen und die mangelnde Infrastruktur.
Das beste Beispiel, wenn man sich bewusst machen will, wie es mit der Geschlechtergerechtigkeit aussieht, ist, dass die fehlende Infrastruktur es Alleinerziehenden nicht ermöglicht, ein ausreichendes Einkommen für sich und ihre Familie zu erwirtschaften. Solange es nicht gelingt, dass eine Alleinerziehende in Eigenverantwortung für sich und
ihre Familie ein Auskommen erwirtschaften kann, und zwar auf Dauer, solange kann man von einem Erreichen von Geschlechtergerechtigkeit leider nicht sprechen.
Ich will deutlich sagen, dass politisch verschriftlichte Zielbeschreibungen und gute Vorsätze allein nicht mehr ausreichen. Sie haben uns von den Achtzigerjahren bis hierher getragen. Das ist sehr gut, wir haben wirklich etwas erreicht. Wenn wir aber echte Teilhabe gewährleisten wollen, dann müssen wir einen Schritt weitergehen, und der heißt, die Nichtachtung der Geschlechtergleichstellung, anders ausgedrückt die Diskriminierung von Frauen und Mädchen muss zukünftig Konsequenzen haben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Womit wir aktuell konfrontiert sind, ist eine Einstellung, die sagt, ach, die Quoten, die sind schon einigermaßen in Ordnung, die Zahlen stimmen ungefähr, das ist noch nicht so richtig gut, das wird sich noch bessern und braucht noch ein bisschen Zeit. Solange ich politisch aktiv bin, das ist jetzt schon eine Weile, höre ich: Wir brauchen noch etwas Zeit. Ich möchte das der nächsten Generation von Jungen und Mädchen, die heute am Zukunftstag teilgenommen haben, nicht auch noch mitgeben: Geduldet euch, ihr braucht nur noch ein bisschen Zeit. Wir müssen schneller vorankommen, und wir müssen das Bewusstsein für die eigene Zuständigkeit und die Verantwortung für die Umsetzung des gesetzlichen Auftrags mit Verfassungsrang in den Köpfen verankern.
Derzeit ist es so, und jetzt muss ich noch einen Absatz zur Eiswette loswerden, auch, um Sie zu überzeugen, unseren Antrag mitzumachen: Es ist derzeit im Gegenteil an vielen Stellen wieder oder immer noch gesellschaftsfähig, sich über dieses Verfassungsgebot der Geschlechtergleichstellung hinwegzusetzen. Wie gesellschaftsfähig Frauendiskriminierung für hohe, elegante Gesellschaften ist,
hat die Berichterstattung über die Eiswette gezeigt. Da klopft man sich in Altherrenmanier – wie toll, jetzt haben wir es den nervenden Emanzen endlich einmal gezeigt – gegenseitig auf die Schultern.
Letzter Satz: Diese bodenlose Ignoranz muss Konsequenzen haben. Deswegen bitten wir um Unterstützung unseres Antrages, der nicht vorsieht, solche Veranstaltungen zu verbieten, da verstehen Sie uns falsch, Männer können so viele Veranstaltungen durchführen, wie sie wollen – privat. Zu einer privaten Veranstaltung gehören jedoch keine staatlichen Repräsentanten, um sich selbst mit ihnen zu adeln. – Vielen Dank, ich komme in der zweiten Runde noch einmal wieder!
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe in der ersten Runde angekündigt, dass ich finde, wenn wir in der Gleichstellungspolitik vorankommen wollen, dass es mit politischen Absichtserklärungen und nett gemeinten Maßnahmen und Überredungskünsten und Diplomatie wahrscheinlich nicht mehr getan ist, sondern dass es Konsequenzen haben muss, wenn nicht maßgeblich gegen Diskriminierung vorgegangen wird.
Deswegen möchte ich jetzt gern über Konsequenzen reden, die es haben könnte, über die wir diskutieren müssen, auch wenn viele davon, da bin ich sicher, hoch kontrovers diskutiert werden. Ich würde gern die Debatte darüber eröffnen, weil wir uns darüber verständigen müssen, ob wir etwa dem Beispiel Wiens folgen, bei dem es sehr wohl Konsequenzen hat, wenn man geschlechterpolitische Ziele nicht umsetzt, das macht sich dann im Budget eines Projektes bemerkbar. So einfach kann die Sache sein. Darüber müssen wir auch nachdenken.
Wir haben, das zeigt vor allem der Bericht der ZGF, in den Lücken, also in den Themen, die nicht vorkommen, als auch der Bericht zu GenderMainstreaming in den Lücken, den nicht entdeckten analytischen Ergebnissen, die in den Ressorts nicht vorkommen, dass wir in vielen, vielen Politikfeldern noch immens hohen Handlungsbedarf haben.
Ich habe vorhin erwähnt, dass in der Startphase von Gender-Mainstreaming sehr ambitionierte Pilotprojekte gestartet wurden, zum Beispiel in der Städtebauförderung, in der Relevanz von Frauen in der Klimapolitik und so etwas. Davon sind wir heute weit entfernt, sowohl was den Arbeitsmarkt betrifft, die Wissenschaftspolitik, die Wirtschaftsförderung, im Städtebau, im Verkehr. Die Liste ist lang, in jedem einzelnen Politikfeld könnte sehr viel mehr geschlechterpolitisch gearbeitet werden. Deswegen will ich es auch noch einmal deutlich sagen, ich schätze die Arbeit der ZGF, das wissen die Kolleginnen auch, aber die ZGF ist nicht zuständig für die Frauenpolitik des Senats.
Die ZGF ist zuständig für Sensibilisierung, Information und Kontrolle, aber sie ist nicht zuständig dafür, dass in den einzelnen Ressorts des Bremer Senats Frauenpolitik stattfindet. Dafür sind die Ressorts selbst zuständig. Frauenpolitik auf der einen Seite und die Umsetzung von GenderMainstreaming auf der anderen Seite.
Was ich mir wirklich wünschen würde für die nächsten vier Jahre, insbesondere wenn junge, neue Feministinnen ins Parlament kommen, dass diese jungen Frauen mit dem Satz, Frauen sind mit betroffen, Frauen sind auch gemeint, nicht belästigt werden, liebe Kolleginnen und Kollegen. In den Senatsvorlagen muss es endlich darum gehen, wirklich aufzuzeigen inwieweit sind bestimmte Männer und bestimmte Frauen in ganz bestimmten Lebenslagen von politischen Maßnahmen betroffen. Alles andere ist Unsinn und Standardsätze sowieso.
Das gilt insbesondere, das meine ich auch ganz persönlich, für den Bereich der Zuwendungen. Jede einzelne Zuwendungsempfängerin oder jeder einzelne Zuwendungsempfänger muss doch in der Lage sein, deutlich aufzuschreiben, wer in den einzelnen Projekten eigentlich von den Maßnahmen profitiert. Das ist bisher mitnichten und nicht immer der Fall. Jetzt komme ich zum Wiener Beispiel: In den Fällen, wo notorisch das nicht dargestellt wird,
müssen wir darüber nachdenken, ob die Zuwendungen dann überhaupt noch erteilt werden und ob sich der Bremer Senat oder wir uns dann nicht überlegen, ob wir auf solche Projekte nicht auch verzichten können.
Dann, die Evaluation des Landesgleichstellungsgesetzes: Ich habe vorhin gesagt, fast 30 Jahre alt. Viele Kolleginnen und Kollegen haben den Brief bekommen, es gab einen sehr eindrücklichen Brief der Frauenbeauftragten in Bremen. Sie fordern uns auf, die Instrumente des LGG zu überprüfen und zu schärfen. Ich mache mir die Forderungen sehr gern zu Eigen. Ich finde, wir müssen uns darauf verständigen, dass wir Maßnahmen und Sanktionen bei Nichteinhaltung des LGG entwickeln und umsetzen, sie gemeinsam diskutieren und dann auch in Anwendung bringen. Vor allem, dass wir die Frauenbeauftragten stärken, die bisher ziemlich wirkungslos ihre doch herausfordernde Arbeit betreiben müssen. Wir müssen hier nachdenken über ein echtes Vetorecht, das wir den Frauenbeauftragten dann zur Verfügung stellen.
Ein letzter Gedanke zum Bericht über die häusliche Gewalt. Ich will mich nicht so lang dazu ausführen, weil wir sehr, sehr viele, sehr gute Debatten zu dem Thema hier schon geführt haben und weil wir deswegen alle im Saal die exorbitanten Zahlen kennen, die im Vergleich zu vielen anderen Städten viel, viel zu hoch und höher sind als anderswo. Wir kennen Betroffene, ich glaube, ziemlich viele hier im Saal kennen Betroffene und den schweren Weg heraus aus der Gewalt. Wir wissen eigentlich alle, was zu tun ist. Das müssen wir jetzt nicht uns gegenseitig immer beteuern. Ein guter Schritt in die richtige Richtung, deswegen Danke an die Fraktion der FDP, dafür ist die konsequente Umsetzung der Istanbul-Konvention. Wir haben den Antrag gern mitgezeichnet. Ich will an einem Beispiel darlegen, warum Arbeitsmarktpolitik Gewaltschutzpolitik sein kann, wenn man sie richtig macht. Die eigenständige Existenzsicherung einer Frau ist die einzige Maßnahme, die dazu führt, dass man schnell aus einer Gewaltspirale herauskommt und sich nicht lange überlegen muss, wohin komme ich eigentlich, in die Obdachlosigkeit,
in die Armut, in das Hartz-IV-System, wenn ich meinen Mann verlasse und kann ich meine Kinder noch unterbringen. Deswegen, eine gute Arbeitsmarktpolitik, die ein gutes Auskommen der Frauen sichert, eine gute Wohnungsbaupolitik, die für
günstigen Wohnraum sorgt, all das ist beste Gewaltschutzpolitik. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass sehr viel mehr Frauen frühzeitig in die Lage versetzt werden, Beziehungen zu beenden, spätestens wenn sie gewalttätig geworden sind. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte nicht erwartet, dass dies so eine ideologiegetriebene Debatte wird. Ich bin darüber doch ein wenig erstaunt. Denn die Fakten sagen, sie sind jetzt auch schon vielfach dargestellt worden, ob nun bereinigt oder unbereinigt: Es gibt eine nicht zu erklärende ungerechte Lücke zwischen Löhnen von Frauen und Männern. Das ist Fakt und das hat mit Ideologien erst einmal nichts zu tun.
Frauen müssen auch in diesem Jahr wieder zweieinhalb Monate länger arbeiten, also einer Erwerbstätigkeit nachgehen, um auf das durchschnittliche Gehalt eines Mannes zu kommen. Und
da sind alle Tätigkeiten noch gar nicht mitgezählt, die nicht dem Broterwerb unterliegen. Wenn man das mitzählen würde, dann wären wir vermutlich bei einem Dreivierteljahr unbezahlter Arbeit im Vergleich zu vielen Männern in diesem Land.
Der Lohnrückstand beträgt derzeit etwa 21 bis 22 Prozent. Es ist ein wenig zurückgegangen, aber im europäischen Vergleich sind wir ein richtiges Schlusslicht. Also nicht nur Bremen verglichen mit den Bundesländern, sondern Deutschland insgesamt, im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern. Das wiederum ist ein Indiz, dass, obwohl man in anderen Ländern Wahlfreiheit sehr wohl gewährt und nicht in sozialistischen Planwirtschaften lebt, diese Länder aber durchaus in der Lage sind, eine Lohngleichheit herzustellen. Auch da, wie immer, lohnt ein Blick zu den europäischen Nachbarn.
Man muss dennoch unterscheiden: Im öffentlichen Dienst ist die Lohnlücke am geringsten, dort ist es am besten geregelt, damit diese Ungerechtigkeit nicht durchgreift. Auch hier liegt sie aber immer noch bei circa fünf Prozent, also selbst im öffentlichen Dienst. Im Einzelhandel zum Beispiel, das kann man sich aber auch relativ leicht erklären, liegt die Lohnlücke sogar bei 24,3 Prozent. Das lässt sich allerdings nur mit der unbereinigten Version erklären, dazu kommen wir gleich noch.
In Bremen ist der Gender Pay Gap im Vergleich zu den anderen Bundeländern besonders hoch und das diskutieren wir auch immer wieder in der Deputation für Wirtschaft, Arbeit und Häfen. Im Ausschuss für die Gleichstellung der Frau haben wir in der letzten Sitzung auch noch einmal ausführlich diskutiert, wie eigentlich der Bremer Arbeitsmarkt aufgebaut ist, dass er in letzter Konsequenz zu so einer riesigen Lohnlücke führt. Das ist auch kein Geheimnis und keine neue Erkenntnis, dass der Bremer Arbeitsmarkt sehr gut aufgestellte sogenannte Männerdomänen hat, in denen man als Arbeitnehmer unglaublich gutes Geld verdient. Das ist die gute Nachricht für den Bremer Arbeitsmarkt und dann gibt es einen Sektor in dem sogenannte typische Frauentätigkeiten angeboten werden, wie den Einzelhandel, den Gesundheitssektor oder die Gastronomie und da wird unglaublich schlecht bezahlt.
Das sind alles keine neuen Erkenntnisse, aber welche Konsequenz ziehen wir denn eigentlich daraus? Sie muss lauten, so ist es im Ausschuss für die Gleichstellung der Frau sehr schön diskutiert wor
den und wird morgen auch hier noch einmal Gegenstand der Debatte sein: Wie müsste eigentlich der Bremer Arbeitsmarkt umgebaut werden, damit Frauen sich ein auskömmliches eigenes Einkommen erwirtschaften können, um damit auch näher an die Löhne der Männer heranzukommen.
Jetzt ist gerade bei der letzten Rednerin und dem letzten Redner zwischen den Zeilen, bei dem letzten Redner sogar auf den Zeilen gesagt worden: Naja, die Frauen sind selbst schuld, dann sollen sie doch keine Kinder bekommen, dann sollen sie dieses nicht, sollen sie jenes nicht und sie treffen falsche private Entscheidungen. Jetzt gibt es auch unverheiratete, kinderlose Frauen, die weniger verdienen als Männer.
Das kann ich Ihnen erklären. Ich mag, zum Beispiel den, von Ihnen diverse Male benutzten, Begriff der Wahlfreiheit nicht. Wahlfreiheit ist ein schöner Begriff, nur muss die Frau oder der Mann natürlich auch die Wahl haben.
Wenn die Infrastruktur nicht so ist, dass ich mich wirklich, ohne Nachteile in Kauf nehmen zu müssen, frei entscheiden kann, ob ich einer Teilzeittätigkeit nachgehe, dann ist die Wahlfreiheit faktisch nicht gegeben. Ich habe es jetzt ein wenig überspitzt dargestellt, dass die Frauen selbst schuld seien, sie mehr in Vollzeit arbeiten sollten, als in Teilzeit, aber wenn es Vollzeittätigkeiten in bestimmten Berufen nicht gibt, sondern nur Teilzeittätigkeiten, dann müssen sie am Ende mit einer Lohnlücke leben. Deswegen halte ich das Märchen von der Wahlfreiheit wirklich für ein Märchen.
Das nehme ich zur Kenntnis.
Was sind also die Gründe für die Verdienstunterschiede? Man kann es nämlich anders ausdrücken, faktisch stimmte ja vieles. Es sind die wenigen Vollzeitstellen und die überbordenden Angebote an Teilzeitstellen für Berufe in den sogenannten typischen Frauensektoren. Es ist eine Tatsache, dass immer noch viele Frauen gezwungen sind und sich oft nicht freiwillig dafür entscheiden, in zu lange Pausen der Erwerbstätigkeit zu gehen, für Sorgetätigkeiten entweder für die ganz Kleinen oder für die ganz Alten, also Unterbrechungen für die Familienzeit. Wie freiwillig ist die Entscheidung aber, dass möchte ich wirklich infrage stellen.
Wir haben zu viele Frauen in zu vielen schlecht bezahlten Berufen und Branchen und wir haben viel zu viele Frauen, die wirklich nur unterhalb der Teilzeitstundenzahl, also in Minijobs und dergleichen arbeiten.
Das alles, obwohl wir alle sehr genau wissen, dass diese Art von Berufsbiographien am Ende in die Frauenarmut führen und damit das Leben der Frauen bis in die Rentengrenze hinein, von wenig Geld und Armut geprägt sein lässt. Was brauchen wir also? Es ist schon erwähnt worden: Wir Grünen erwarten eine Reform des Entgelttransparenzgesetzes hin zu einem echten Entgeltgleichheitsgesetz. Ein Entgelttransparenzgesetz ist eine gute Idee gewesen, es war ein guter erster Schritt, leider ist es auf Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten eingegrenzt worden, das würden wir gern ausweiten.
Wir wollen auch, dass für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten das Transparenzgebot nicht freiwillig bleibt, sondern ein Gebot wird, dem man auch folgen muss. In dieser Frage muss mit der Freiwilligkeit wirklich Schluss sein, genauso wie mit der Freiwilligkeit von Quoten bei Führungspositionen. Wir müssen dahin kommen, dass wir feste Quoten für Frauen in Führungspositionen einführen und ich meine da deutlich nicht nur die 30 Prozent, die sich mir noch nie erklärt haben, sondern die 50 Prozent, wie sich das gehört – die Hälfte von allem!
Was brauchen wir noch? Wir brauchen vor allem, das gilt insbesondere auch für Bremen, wir haben hier ja schon den ersten Schritt getan, die Aufwertung von sogenannten Frauenberufen, so wie wir es jetzt mit den Gehältern der Grundschullehrerinnen umgesetzt haben. Diese Debatte müssen wir auf viele, viele andere Berufe ausweiten, denn auch wenn ich der Meinung bin, dass wir viel mehr Frauen in MINT-Berufen brauchen, ist es aber nicht die Lösung, zu sagen: Auch wenn du eine Neigung hin zu sozialen, erzieherischen oder ähnlichen Berufen hast, wir zwingen dich jetzt in MINT-Berufe, weil du dort mehr verdienst. Nein! Ein Schräubchen drehen oder eine Taste am Fließband drücken ist nicht mehr wert, als die alte Frau oder den alten Mann zu pflegen, ihnen vorzulesen und im Altersheim auf der letzten Wegstrecke zu versorgen.
Ich glaube es sind alle Argumente genannt. Es kommen noch zwei Aktuelle Stunden und ich möchte den Nachfolgern nicht die Zeit stehlen. – Vielen Dank!
Wir fragen den Senat:
Erstens: Wie beurteilt der Senat die Regelung in der Jubiläumsverordnung, dass bei der Berechnung der vollendeten Dienstzeit ermäßigte Arbeitszeiten mit mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit genauso wie regelmäßige Arbeitszeiten zu behandeln sind?
Zweitens: Wie beurteilt der Senat die Regelung, dass ermäßigte Arbeitszeiten mit einer geringeren Arbeitszeit als der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit lediglich entsprechend ihrem Verhältnis zu einer Arbeitszeit mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit zu berücksichtigen sind, sieht er darin eine mittelbare Diskriminierung von Frauen, weil diese weit überwiegend in Arbeitsverhältnissen dieses Umfangs tätig sind?
Drittens: Falls der Senat dies als eine mittelbare Diskriminierung von Frauen sieht, wann könnte diese Regelung frühestens geändert werden?
Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren!
Dies ist eine abwechslungsreiche Debatte, interessanterweise aufgrund der unterschiedlichen Wahrnehmungen aus der Anhörung fast noch hitziger, als in der ersten Runde im vergangenen Jahr.
Deswegen freue ich mich, dass ich meine Sicht der Dinge und meine Wahrnehmung darstellen kann, die ich gar nicht richtiger oder falscher als andere finde, sie ist nun einmal so, wie sie ist.
Ich will die, ich glaube zwei bis drei Punkte vorwegstellen, bei denen wir einen Konsens haben. Der Ausgangspunkt der Debatte war, dass wir festgestellt haben, wir haben einen Ärztinnen- und Ärztemangel in Bremen. Den möchten wir gern beheben. Eine Möglichkeit ist, in welcher Form auch immer, eine medizinische Ausbildung in Bremen anzubieten. Soweit sind wir, ich glaube fraktionsübergreifend, d’accord. Jedenfalls war das in der letzten Debatte so.
D’accord sind wir auch darüber, dass wir einen begrenzten finanziellen Rahmen haben, um so etwas in Bremen anzusiedeln. Diese beiden konsensualen Punkte waren die Fragestellungen für die Anhörung, die ich ausgesprochen wohltuend, spannend, interessant und auch von hoher Expertise gekennzeichnet fand. Leider haben nicht alle Fraktionen die Anhörung dazu genutzt, die Expertinnen und Experten, die da waren, auch einmal direkt dazu zu befragen, –
was sie denn von einer Vollversion oder einer Teilversion halten. Viele haben auch nicht konkret nachgefragt: Was glauben Sie denn, was in Bremen intelligenter anzusiedeln ist und wie viel es kosten wird. Meine Fraktion hat sehr deutlich nachgefragt, und zwar sowohl aus gesundheitspolitischer Sicht, mein Kollege Nima Pirooznia hat es gerade noch einmal dargestellt, als auch aus wissenschaftspolitischer Sicht.
Weil wir die ganze Zeit mit neuen innovativen Feldern, die wir für den Wissenschaftsstandort in Bremen für dringend notwendig halten, parallel am Wissenschaftsplan gearbeitet haben, ist für uns ganz klar, dass eine medizinische Ausbildung – wie auch immer sie aussieht, Herr Buhlert, da sind wir uns einig – nicht zulasten des Wissenschaftsplans gehen darf.
Wie war es bei der Anhörung? Ich habe mir ehrlich gesagt die Augen gerieben, als ich den Artikel im „Weser-Kurier“ geschrieben habe. Ui ui ui, –
nein, soweit geht es noch nicht, gelesen habe, Entschuldigung. Dann hätte ich mir die Augen aber auch gerieben, wenn das jetzt mein Job wäre, oh Gott, nein, als ich ihn gelesen habe. In der Tat: Für Menschen, die das erste Mal an einer Anhörung teilnehmen, mag dass ein ungewöhnlicher Vorgang gewesen sein. Für Abgeordnete der Bremischen Bürgerschaft ist es nicht unerwartet, dass eine Anhörung dafür da ist, sich eine Meinung zu bilden und am Ende der Anhörung aufzuzeigen und zu sagen: Entschuldigung, ich habe einen Änderungsvorschlag.
So war das in dieser Anhörung. Die große Verwunderung darüber, dass wir beantragt haben, es darauf zu begrenzen, die klinische Phase zu prüfen, versetzt mich in Erstaunen, weil ich in der letzten Runde der Debatte gesagt habe: Wir präferieren die klinische Phase. Wir halten ein Vollstudium nicht für umsetzbar.
Deswegen kann jetzt die Überraschung nicht so groß gewesen sein.
Ja, es gibt Vorlagen, und ich habe das Recht, –
Änderungsanträge zu stellen. Das ist ein ganz normaler Vorgang, Frau Kollegin Strunge. Das ist vielleicht nicht schön für die Opposition, trotzdem bleibt es ein ganz normaler Vorgang, über den man sich nicht lange aufregen muss. Der wichtigste Punkt der mich stört, ist, dass man bei der Frage eines Vollstudiums an einer medizinischen Fakultät, das hat man heute gemerkt, im Grunde nur noch über die Kosten diskutiert.
Ehrlich gesagt finde ich das sehr reduziert, ich erinnere an unseren Ausgangspunkt: Wir wollten mit dem Medizinstudium den Ärztemangel bekämpfen, und dafür müssen wir über medizinische Konzepte reden, über Ausbildungskonzepte und nicht darüber, was uns das in den die nächsten Jahren kosten wird und wie wir das finanzieren. Bei der klinischen Phase konzentrieren wir uns auf die Konzeptionalisierung: Wie soll eine medizinische
Ausbildung in Bremen aussehen, damit sie sich für die Bremerinnen und Bremer im besten Falle gleich als ärztliche Hilfestellung und Hilfeleistung herauskristallisieren kann?
Was ich darüber hinaus bemerkenswert finde, hat etwas mit den Wahrnehmungsstörungen zu tun. Was in der Anhörung auffällig war, und so haben wir es auch in der ersten Runde im letzten Jahr diskutiert: Alle, die aus dem Gesundheitsbereich kommen, also die Krankenhausvertreter und so weiter, haben mit aller Verve mit sehr vielen guten Argumenten für eine medizinische Ausbildung geworben. Diese haben mein Kollege Pirooznia und Frau Strunge vorhin erläutert.
Aber alle Hochschulvertreter sind in der Anhörung zurückhaltend gewesen. Das muss man doch wahrgenommen haben.
Der Rektor der Universität Bremen hat uns ohne schriftliche Stellungnahme mündlich wissen lassen, dass er die Idee unsinnig findet und nicht an seiner Universität verwirklicht sehen möchte! An den mussten wir herantragen, dass das etwas Hervorragendes für die Universität ist.
Das muss man doch berücksichtigen. In dem Sinne finde ich es ein herausragend gutes Ergebnis, dass wir uns nicht auf die quantitative Finanzprüfung, sondern auf die qualitative Prüfung eingelassen und die auch beschlossen haben: Inwieweit wir konzeptionell eine medizinische Ausbildung in Bremen institutionalisieren können, die alle, da hat Herr Röwekamp recht, vorhandenen Expertisen, Institute und Studiengänge nutzt, um schnell, – wenn wir sie denn ansiedeln wollen brauchen wir nicht erst 2030 eine Ausbildung, – relativ kostengünstig und vor allem effektiv die Bedarfe in Bremen ergänzend realisieren zu können. – Vielen Dank!
Liebe Kollegin Strunge, verstehe ich Sie richtig, dass Sie, wenn Sie eine Vorlage des Senats bekom
men, in der in Aussicht gestellt wird, dass irgendetwas so gemacht wird, wie Sie sich das denken und dass eine Anhörung mit Expertinnen und Experten eines Feldes vorgenommen wird, Sie dann selbstständig davon absehen, die Expertinnen und Experten dazu zu befragen, wie sie denn zu einer oder einer anderen Variante stehen? Diese Anhörung ist doch aber genau dafür da.
Wozu war die Anhörung aus Ihrer Sichtweise sonst angesetzt? Ich verstehe es wirklich nicht.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Eine ungewohnt emotionale Debatte bei einem europäischen Thema. Mich freut das, aber ich habe an dieser Stelle nicht so richtig damit gerechnet.
Frau Grotheer hat schon darauf hingewiesen, der Binnenmarkt ist unbenommen eine der hervorragendsten Errungenschaften, die wir im Laufe der europäischen Integration in Europa erleben durften und, das muss man einfach immer wieder betonen, selbst im Rahmen der jetzigen Regelungen des Binnenmarktes profitieren wir in dem Nationalstaat von unglaublich vielen Arbeitsschutzbestimmungen, Gesundheitsschutzbestimmungen, die auf europäischer Ebene verhandelt wurden und natürlich im nationalen Kontext zum Tragen kommen.
Wir haben bereits sehr viele, mit Unterstützung der europäischen Ebene, sozialpolitische Errungenschaften errungen. Trotzdem lassen die Binnenmarktregeln, unter denen derzeit Freizügigkeitsrechte gewährt werden, immer noch große Lücken, die zumeist zulasten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gehen. Es ist so ähnlich wie in der Verteidigungspolitik oder in der Außen- und Sicherheitspolitik: Sozialpolitik gehört vom Verständnis her ausgesprochen in einen nationalen Bezugsrahmen. Kein Mitgliedstaat der Europäischen Union gibt ohne große Diskussion sozialpolitische Kompetenzen auf eine supranationale Ebene ab, weil das etwas mit nationalen Verständnissen von Wohlfahrtsstaatspolitik zu tun hat.
Das ist eine sehr schwierige Debatte. Deswegen zieht sie sich so lange, wie wir die europäische Integration begleiten. Es ist kein leichter Weg. Umso wichtiger ist es, das muss man betonen: Man muss nicht wahnsinnig viel Überredungskünste auf der europäischen Ebene anwenden, sondern in den einzelnen nationalen Kontexten, auch in der Bundesrepublik Deutschland. In diesem Sinne verstehen wir unseren Antrag, –
die eigene Bundesregierung stärker zu motivieren und darin zu unterstützen, sich auf europäischer Ebene für die Stärkung der sozialen Säule auszusprechen. Die Europäische Kommission kann noch ein bisschen Motivation gebrauchen, denn die Proklamation, die Vorschläge, die sie mit den 20 Schlüsselprinzipien und Rechten zur Stärkung der sozialen Säule vorgelegt hat, sind gut und richtig, vor allem in den Bereichen Chancengleichheit und Arbeitsmarktzugang, bei den fairen Arbeitsbedin
gungen und auch beim sozialen Schutz und sozialer Inklusion. Trotzdem bleiben doch viele Lücken übrig.
Aus grüner Sicht sehr misslich ist, dass diese Regelungen nur für die Eurozone gelten, für alle anderen Mitgliedstaaten aber nicht. Das ist eine zu große Lücke. Die Freizügigkeit gilt für alle Mitgliedstaaten und nicht nur für die Eurozone. Ganz besonders misslich, das hat aber etwas mit den nationalen Kontexten zu tun: Die in der Proklamation aufgezählten Schlüsselprinzipien haben den Charakter einer unverbindlichen Empfehlung. Das ist uns zu wenig, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir wollen, dass die Europäische Union ihr Versprechen wahrmacht, neben Friedenssicherung und Freizügigkeitsregelung ein Garant für Gerechtigkeit und Wohlstand zu werden, mehr zu werden, als wir es schon sind, für bessere Arbeitsbedingungen zu sorgen und zum Beispiel über eine europäische Arbeitslosenversicherung nachzudenken.
Ich will hier einen Vergleich – manche werden gleich vielleicht sagen, der hinkt – aber ich will ihn trotzdem ziehen: Wir haben auch einmal über eine große nationale, nein, andersherum: Es war auch bei der Währungspolitik so, dass man immer gesagt hat: Oh, das gehört aber in den nationalen Rahmen. Keiner entscheidet über die D-Mark. Heute haben wir den Euro, weil wir begriffen haben: Wollen wir eine Wirtschafts- und Währungsunion, die funktioniert, geht es nur mit einer Währung, dem Euro.
Dass Sie da jetzt – na ja, ich will da gar nicht darauf reagieren. Wenn wir also einen funktionierenden europäischen Arbeitsmarkt haben wollen, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern volle Freizügigkeit gewährt, dann müssen wir auch darüber nachdenken, wie wir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer europaweit sozial absichern.
Unsere Vorschläge dazu finden Sie im Antrag unter Beschlusspunkt III. Die sind sehr weitgehend, das stimmt. Sie befördern eine Debatte, die wir gern führen wollen um in diesem Sinne die sozialen
Rechte anzugleichen an alle anderen Freizügigkeitsrechte, die wir im Binnenmarkt schon haben. In dem Sinne bitte ich um Unterstützung des Antrags. – Dankeschön!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Rupp, wir sind alles andere als für Planwirtschaft.
Ich war jetzt auch ein bisschen verwirrt über die Betonung des Plans. Liebe Kolleginnen und Kollegen!
hat Herr Buhlert ja Recht mit dem Plan, wo wir es für besonders notwendig halten, in Absprache auch mit den Vertreterinnen und Vertretern der jeweiligen Hochschulen.
Ich habe, solange ich dabei bin, in Reaktion auf den Entwurf des Wissenschaftsplans in den vielen Stellungnahmen der Rektorate, aber auch der Gewerkschaften, der Statusgruppen, nie so wenig Kritik gelesen. Es war schon sehr auffällig, wie wenig Kritik, außer von der studentischen Interessensvertretung, an diesem Wissenschaftsplan artikuliert wurde. Das zeigt, dass wir an den richtigen Punkten, in den richtigen Bereichen erkannt haben, hier müssen wir nachsteuern. Die sind auch Ergebnis vieler Debatten hier im Haus, der Debatten, bei denen wir alle gemeinsam bedauert haben, dass zum Beispiel der Grundhaushalt der Universität zu gering ist und wir das auch wissen, wir aber keine Handlungsmöglichkeiten gesehen haben. Da sind wir jetzt an einer anderen Stelle. Wir freuen uns also und wir finden, dass das wirklich ein richtig guter Zukunftsplan für die Hochschulen im Land Bremen ist. Wir wollen die Grundausstattung deutlich erhöhen. Der Kollege Gottschalk hat die fiskalischen Auswirkungen schon benannt. Wir wissen, dass sie schon lange darauf warten und das jetzt auch erwarten können, dass es dort eine Verbesserung gibt.
Wir wollen die Personalstärke insgesamt um sage und schreibe 346 Stellen erhöhen, das ist keine Kleinigkeit, darunter 74 Professuren.
Gleichzeitig wollen wir auch die Anzahl der Studienplätze erhöhen. Langfristig gedacht soll es bis 2035 40 000 Studierende im Land Bremen geben. Wir haben einen Fokus auf Bremerhaven gelegt, weil wir sehen, Bremerhaven wächst und ist wirklich ein interessanter Forschungsstandort. Wir werden nicht darum herumkommen und deswegen ist es uns auch so wichtig, die beiden Städte zu verjüngen und mit einer höheren Innovationskraft und Kreativität zu versehen und deswegen wollen wir uns sehr bemühen, die Anzahl der Studierenden zu erhöhen.
Wir schaffen neue innovative Studiengänge. Von vielen verstehe ich bisher noch nichts. Da muss man sich vielleicht einmal als Gast in eine Vorlesung setzen. Die Schwerpunkte sind aber außerordentlich interessant, das reicht von Nachhaltigkeitsforschung, über Raumfahrtforschung bis zu den vielen neuen Gesundheitsberufen, die wir
auch in Bremen mit Hilfe der Ausbildung an den Bremer Hochschulen ansiedeln und verankern wollen. Diese neu geplanten Studiengänge und so manche ehemals abgeschaffte und vielleicht reaktivierte, werden die Attraktivität der Hochschulen in Bremen, nicht nur der Universität, sondern aller Hochschulen, deutlich erhöhen.
Für mich ein ganz besonders wichtiger Punkt: Wir wollen die Frauenförderung effektivieren, nicht nur verbessern, denn wir sind bei der Frauenförderung an den Hochschulen eigentlich sehr gut. Die Effektivität lässt aber doch ein bisschen zu wünschen übrig. Wir wollen endlich an die 35 Prozent Frauenanteil bei den Professuren kommen. Wir wollen, dass die Stellen, die im Professorinnenprogramm erfolgreich eingeworben werden, verstetigt werden, damit auch nachhaltige Frauenförderung an den Hochschulen gelingen kann. – Das sind auch ein Auftrag und auch eine Erwartung an die Hochschulen im Land Bremen.
Nicht zuletzt, Herr Buhlert hat es erwähnt, ist eine der größten Herausforderungen die Digitalisierung der Hochschulen. Meiner Fraktion ist immer besonders wichtig, dass man den Service-Charakter durch die Maßnahmen, die Digitalisierung bietet, erhöht. Natürlich wird dadurch auch ein Studium während einer Berufstätigkeit ermöglicht, also ein Teilzeitstudium oder ein Parallelstudium. Da bieten Digitalisierungsmaßnahmen natürlich ganz große Chancen.
Zusätzlich werden neue Gebäude und Studentenwohnheime entstehen. Ein Segen kommt mit diesem Wissenschaftsplan über die Hochschulen im Land Bremen, sofern sich nach der Wahl auch darauf verständigt werden kann. Wir finden, dass mit dem jetzt vorgelegten Plan die richtigen Weichen gestellt würden für einen zukunftsfesten, und, auch wenn einem das vielleicht nicht gefällt, weil man ein romantisches Bild von Wissenschaft hat, auch einen konkurrenzfähigen Wissenschaftsstandort. Die Hochschulen sind massiv unter Druck, unter nationalem Druck, im europäischem und auch im internationalen Vergleich. Wir wollen alles dafür tun, dass sie so gut ausgestattet sind, dass sie diesem Druck auch standhalten können.
Ganz besonders, letzter Punkt, nicht letzter Satz, aber letzter Punkt: Was ich an dem Wissenschaftsplan besonders bemerkenswert finde, – das ist auch eher als Auftrag und Angebot an die Hochschulen zu verstehen – ist der ganze Transferbereich, der auch schon angesprochen wurde. Ich glaube, dass das ganze Land Bremen und beide Städte in ihren
jeweiligen Diskursen um die Zukunftsfähigkeit der Städte sehr davon profitieren werden, dass wir mehr Transferleistungen von Forschungsleistungen in den gesellschaftlichen Diskurs wollen und eine damit natürlich auch engere Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft in Bremen und Bremerhaven und den Forschenden und Lernenden an den Bremer Hochschulen. Das bietet Innovationskraft und auch die Freisetzung von Kreativität,
um das Land zukunftsfähig aufzustellen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich glaube, in der Bestandsaufnahme haben wir gar keinen Dissens. Wir haben viel zu wenige Ausbildungsplätze, wir haben viel zu viele junge Menschen ohne berufliche Perspektive, weil ohne Ausbildungsplatz, aber wir haben gleichzeitig auch viel zu viele unbesetzte Ausbildungsstellen.
Vor diesem Dilemma stehen wir, und egal wie wir es nennen, Ausbildungsplatzabgabe, Ausbildungsumlage oder Ausbildungsfonds, meine Fraktion ist der Überzeugung, dass eine Zwangsumlage in dieser Gemengelage nicht helfen wird. Wenn wir uns branchenspezifisch ansehen, wie es freiwillig im Gaststätten- oder im Baugewerbe erfolgreich durchgeführt wird, da, finde ich, kann man sich noch einmal über bestimmte Branchen unterhalten. Das jedoch über alle Bremer Betriebe zu legen, würden wir gerade im Vergleich zu unserem niedersächsischen Umland, als fatalen Standortnachteil empfinden. Deswegen werden wir auch die Einrichtung einer Kommission, zur Prüfung eines allgemeinen Ausbildungsfonds, ablehnen.
Die Gemengelage in Bremen zeigt doch viel mehr, dass wir in der Tat über Qualität von Ausbildung nachdenken müssen, das zeigen auch die unbesetzten Ausbildungsplätze. Viele der tausend Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz haben, hätten ja vielleicht Interesse an einigen Ausbildungsplätzen, die noch frei sind, wäre die Qualität der Ausbildung besser.
Es gehört auch zur Debatte, dass sich immer noch manche Arbeitgeber in einer Ausbildungskultur der Fünfziger- und Sechzigerjahre befinden. Da sagen Jugendliche, junge Menschen heute: So lasse ich mich nicht ausbilden, denn da lerne ich nicht genug, oder das ist dann eben auch nicht der Beruf, in dieser Branche will ich einen Beruf nicht erlernen. Ich glaube, dass wir dort, das tun wir im Rahmen der Vereinbarung ja auch, mit Unternehmen über Ausbildungskultur, über moderne Ausbildungsqualitäten sprechen müssen und sprechen werden, sodass da auch wieder mehr zueinanderfinden und dass Ausbildungsplätze auch in Branchen, die ein bisschen verschrien sind, wieder an Qualität gewinnen. Das wäre unser Fokus Nummer eins.
Der zweite Aspekt, den hat Herr Röwekamp schon angesprochen, und in der Tat ist es so, dass unglaublich viele Schülerinnen und Schüler überhaupt keine Vorstellung von Berufsbildern haben. Nun haben sich Berufsbilder in den letzten Jahren auch massiv geändert, und viele Lehrerinnen und Lehrer haben damit nicht so richtig Schritt gehalten. Wenn man über Berufe berät, die in den Achtzigerjahren hip waren, die heute nicht mehr existieren, dann haben wir natürlich ein eklatantes Informationsdefizit an den Schulen.
Deswegen müssen sehr viel mehr Berufsberater in die Unternehmen und in die Schulen und für ihre neuen Berufe, für ihre Ausbildungsplätze werben und die jungen Menschen auch darüber informieren, wie es in der Praxis aussieht, wie die Beschäftigungsperspektiven sind, wie die Verdienstmöglichkeiten sind. Denn auch da gibt es sehr viele Fehlinformationen darüber, dass man im Vergleich zur akademischen Ausbildung schlechter verdienen würde, was ja in den meisten Fällen wirklich nicht der Fall ist. Des Weiteren müssen wir dann natürlich auch schon in der Schule über Karrierechancen in einem Berufsfeld informieren, sodass die jungen Menschen auch wissen, wenn sie dort eine Ausbildung gemacht haben, dann erlangen sie zum Beispiel gleichzeitig eine Hochschulreife oder welche Perspektiven sich dann, nach dem Abschluss dieser Ausbildung, ergeben.
All das kommt in den Schulen zu wenig vor, und da wünschen wir uns einfach mehr Engagement, auch mit Hilfe der Jugendberufsagentur, der Agentur für Arbeit und all der Multiplikatoren, die wir kennen.
Schließlich, glaube ich, müssen wir auch jenseits des Auszubildenden- und Freiwilligentickets, worüber wir auch schon gesprochen haben, noch einmal darüber nachdenken, wie wir duale Ausbildung für junge Menschen attraktiver machen. Ich kann mir zusätzliche Urlaubstage vorstellen, ich kann mir Freiwilligentickets für Auszubildende vorstellen oder unbedingt auch andere, höhere Ausbildungsvergütungen. Da sind noch sehr, sehr viele Maßnahmen und Hebel jenseits einer Ausbildungsumlage im Raum.
Frau Bergmann hat zu Recht darauf hingewiesen, der Film ist übrigens sehr zu empfehlen, wir haben doch die Erfahrungen einer verpflichtenden Abgabe durch Unternehmen gemacht, die keine Menschen mit Handicap einstellen. Die Erfahrungen, die wir da sehen, zeigen doch, Betriebe leisten sehr viel mehr und lieber teure Abgaben, als Menschen mit Handicap einzustellen. Genau dasselbe Phänomen, da bin ich sicher, würden wir bei solch einem Ausbildungsfonds auch sehen. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Noch zwei Anmerkungen! Liebe Frau Strunge, ich glaube, wie wir unseren Wählern unser Wahlprogramm erklären, das können Sie getrost uns überlassen. Ich habe vorhin sehr deutlich gesagt, dass wir eine freiwillige und branchenspezifische Ausbildungsumlage nicht ablehnen. Von daher würde ich darum bitten, in Ihren Beurteilungen anderer Redebeiträge zu differenzieren.
Der zweite Punkt, ich habe Ihnen jetzt zwei Redebeiträge lang intensiv zugehört, weil Sie gestern angekündigt haben, heute einen umfassenden
Plan vorzulegen, den wir gestern diskutiert haben, nämlich die Verbindung von Innovations- und Fachkräftestrategie. Sie erinnern sich, das haben wir gestern diskutiert. Sie haben beide Anträge, sowohl den koalitionären als auch den von der CDU abgelehnt. Beide sind sehr detailliert gewesen mit Hunderttausenden von Maßnahmen, aufgelistet zur Fachkräfteverbesserung. Sie haben gesagt, das ist alles nicht genug, und morgen werde ich Ihnen erläutern, wie meine Vorstellungen aussehen. Liebe Frau Strunge, ich habe heute außer einer einzigen Maßnahme, gestern haben wir Dutzende diskutiert, heute habe ich außer einer einzigen Maßnahme, die sich Ausbildungsumlage nennt, nichts gehört. Das finde ich sehr, sehr schade. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch einmal an den Kollegen Janßen und an die Kollegin Böschen anknüpfen. Ich will für meine Fraktion noch einmal deutlich machen: Die Stereotype von den typischen Hartz-IV-Empfängern, die auch heute wieder erneut in der Debatte vorgekommen sind, will ich nicht benutzen, weil ich sie mir überhaupt nicht zu eigen mache; diejenigen Menschen, die angeblich nicht arbeiten, weil sie sich so großartig und sicher fühlen im sozialen Netz. Dieses Weltbild und dieses Stereotyp von Hartz-IV-Empfängern teilen wir ausdrücklich nicht.
Nelson Janßen hat gerade noch einmal darauf hingewiesen, wie viele Menschen im Hartz-IV-System sind, obwohl und trotzdem sie arbeiten, obwohl und trotzdem sie arbeiten könnten, aber mit sogenannten Vermittlungshemmnissen stigmatisiert sind. Da fällt immer wieder der Begriff der Alleinerziehenden. Kinder zu haben ist ein Vermittlungshemmnis, das muss man sich einmal verdeutlichen. Über diese Menschen sprechen wir hier, und ich lehne das wirklich ab. Es gibt vereinzelte Fälle, da sind wir auch d’accord, aber so zu tun, als ob diese Zielgruppe nicht vermittelbar wäre, weil sie nicht über den Willen zur Arbeit verfügt, das muss ich für meine Fraktion wirklich weit von mir weisen.
Wenn man sich die grünen Argumente oder die linken Argumente nicht zu eigen machen will, dann
hört man doch vielleicht oder liest intensiv ein Interview mit derjenigen Dame, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Jobcenter und auch ihren Kundenstamm besser kennt als wir. Man kann es doch gar nicht falsch verstehen, denn sie hat es auf eine sehr kurze Formel gebracht: Sanktionen schaden mehr als sie nützen.
Ich meine, noch deutlicher kann man es nicht sagen als die Leiterin vom Jobcenter.
Auch hier hat Nelson Janßen noch einmal darauf hingewiesen, dass die Sozialstruktur des Jobcenters für alle Beteiligten wirklich ein riesiger Konstruktionsfehler ist, sowohl für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in eine Doppelrolle gezwängt werden, nämlich zu motivieren und zu bestrafen – ich weiß nicht, wer das gern macht, also solch eine Rolle zu übernehmen –, als auch für die Kundinnen und Kunden, die in der Tat, selbst wenn sie nicht unter Sanktionen leiden, tatsächlich aber immer unter dem Damoklesschwert hängen und sich sehr genau überlegen müssen, ob sie eine Maßnahme, die sie eigentlich für ihre eigenen Perspektiven nicht für zielführend halten, ablehnen, weil sie dann eventuell oder ganz sicher mit Sanktionen zu rechnen haben.
Das ganze Konstrukt an sich – ursprünglich als Idee, als aktivierende Arbeitsmarktpolitik – fanden wir als Grüne gut, das wissen auch alle. Es hat sich aber nun einmal so nicht bewährt, das muss man heute einfach konstatieren. Deswegen sind wir schon sehr, sehr deutlich dahin unterwegs, zu sagen: Im Grunde müssen wir es wieder trennen. Auch das konnte man heute im Interview mit Frau Ahlers lesen: Wir brauchen sehr viel mehr sozialpädagogische Kompetenz auch in der Betreuung vieler Kunden und Kundinnen.
Darauf möchte ich noch einmal genauer eingehen. Wer sich die Lebenslagen von Hartz-IV-Empfängern, die nicht arbeiten, die nicht aufstocken, anschaut, der wird sehen, dass wir es dort vor allem bei den Langzeitarbeitslosen mit Menschen zu tun haben, die chronische Erkrankungen haben, die wirklich langzeiterkrankt sind und lange psychische Erkrankungen haben. Die psychischen Erkrankungen nehmen massiv zu.
Wir haben es hier mit Menschen zu tun, da können wir noch so sehr auf unsere Norm bestehen, dass wir alle 40 Stunden die Woche mindestens arbeitsfähig sein müssen, diese Menschen werden unsere
Norm nicht erfüllen können. Wir brauchen eine Idee für genau diese Menschen, zu sagen, wir kleben nicht weiter das Stigma Hartz IV an dich, und wir versuchen dich auch nicht in einer Richtung zu erziehen, die uns genehm ist, sondern wir überlegen uns gemeinsam mit dieser Zielgruppe: Welche Beschäftigungsmöglichkeiten können wir finden, die dir einen Sinn und Struktur in deinem Leben geben, die aber nicht immer auf lange Sicht das Ziel formuliert, und das tut dieses System bisher, Integration in den ersten Arbeitsmarkt?
Davon müssen wir hinwegkommen, davon sind wir überzeugt. Deswegen sind wir natürlich sehr froh über das neue Teilhabechancengesetz, glauben aber, dass es noch Lücken hat und dass eine Maßnahme oder eine Struktur, die darin verankert ist, nämlich, du kannst zwei, drei, vier Jahre einer Beschäftigung nachgehen, und dann gibt es aber keine Anschlussmöglichkeiten, dass dort immer noch ein Defizit ist, das viele, viele Menschen dann wieder in die gewohnte Weise zurückfallen lässt.
Dann fängst du in diesem System wieder von vorn an und hangelst dich von einer Maßnahme zur anderen. Das kann nicht im Sinne der Kundinnen und Kunden des Jobcenters sein, davon sind wir überzeugt. Wir glauben, dass es andere Möglichkeiten der Beschäftigung geben muss, und wir meinen auch, dass die Sanktionen genau das Gegenteil in Menschen bewirken und, das ist von Frau Grönert erstaunlicherweise vorhin angesprochen worden, –
dass es deswegen vielmehr positive Bestärkung von Tätigkeit geben muss. Wir gehen daher davon aus, dass der Selbstbehalt bei Tätigkeiten, auch bei geringfügigen Beschäftigungen, viel höher ausfallen muss, sodass Menschen sich auch bestätigt fühlen, wenn sie nur zwei Stunden, drei Stunden, fünf Stunden pro Woche arbeiten und dann aber den Lohn auch wirklich behalten dürfen und nicht auch noch zusammengekürzt wird, sodass man wieder am Ende bei einem geringen Existenzminimum verbleibt.
In dem Sinne, das hat meine Kollegin auch schon deutlich gemacht, sind wir inzwischen soweit zu sagen, Sanktionen nützen niemandem, sondern lasst uns lieber über Anreizsysteme und über neue Formen, angemessene Formen von Beschäftigungen im Arbeitsmarkt reden. – Vielen Dank!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Strunge, mir ist jetzt gerade eingefallen: Also, unser Antrag ist nicht genug. Daran haben wir uns gewöhnt, dass die koalitionären Anträge nicht genug sind. Der CDU-Antrag ist auch nicht genug.
Der war schon besser, aber nicht genug. Dann wäre es doch jetzt schön gewesen, in dieser Debatte einen Antrag der Fraktion DIE LINKE, der alles umfasst, debattieren zu können und dem zustimmen zu können.
Der liegt leider – –.
Morgen haben wir eine Debatte zu Ausbildungszahlen, nicht zur Fachkräftegewinnung und schon gar nicht zu einer Innovationsstrategie für den Bremer Wirtschaftsstandort. Schade! Ich bin gespannt.
Das erfahren wir morgen. Ich glaube nicht. Ich glaube nicht, dass wir das morgen erfahren.
Die Koalition hat Ihnen einen Antrag vorgelegt, der – dazu ist ja auch schon viel gesagt worden – in der Tat den Senat auffordert, eine Strategie zur Fachkräftegewinnung und zum Halten von Fachkräften in Bremen, aber eben auch eine Innovationsstrategie vorzulegen, also beides zusammenzubringen. In der Tat haben wir dazu sehr viele Beschlusspunkte aufgeschrieben, die wir für unabdingbar halten, wenn man sich denn als schon jetzt attraktiver Bremer Standort auch zukünftig attraktiv aufstellen will.
Ich glaube, einig sind wir uns doch alle – das haben wir versucht, in unserem Antrag sehr deutlich zu machen –, dass es nun einmal eine ressortübergreifende Strategie sein muss, dass das nicht nur mit dem Ressort für Wirtschaft und Arbeit abgetan ist – und die anderen befassen sich mit Bildung und die übernächsten mit Wissenschaft –, sondern dass hier Fachbereiche sehr viel enger zusammenarbeiten müssen, um diesen Standort zukünftig so aufstellen zu können, dass sowohl die duale Ausbildung, also der klassische Fachkräftebereich, als auch der akademische und neuerdings wissensintensive dienstleistungsbasierte Bereich besser zusammenkommen. Herr Röwekamp hat ja darauf hingewiesen, welche Wirtschaftsbereiche schon jetzt unter hohem Fachkräftemangel leiden, und die Arbeitnehmerkammer hat, finde ich, eine sehr gute Studie zu diesen wissensintensiven Dienstleistungen dargelegt, die ein Zukunftsmarkt der Bremer Wirtschaftskraft sein werden.
Hierfür brauchen wir wirklich neue Ideen. Ich bin da ganz hoffnungsfroh und gar nicht skeptisch, dass der Senat hier eine hervorragende Strategie vorlegen wird. Was aber wichtig ist, das möchte ich an drei Punkten deutlich machen, denn da hapert es bisher in der Tat an der ressortübergreifenden Herangehensweise und an der – mein Kollege Bücking hat das, wie ich finde, in seiner unnachahmlichen Art vorhin deutlich gemacht – Tatsache, dass man in Bremen endlich verstehen muss, dass dieser Wirtschaftsstandort ohne Frauen nicht funktionieren wird.
Das heißt, dass man sich als Wirtschaftsstandort, als Lebensstandort in Bremen und Bremerhaven in einer Art und Weise aufstellen muss, die Frauen wirbt, als Fachkräfte hierherzukommen, als Mitbürgerinnen in diesem Land. Verschrecken und beleidigen sollte man sie nicht.
An drei Bereichen will ich einmal deutlich machen, wie wichtig die ressortübergreifende Arbeit ist. Dann machen wir einmal den MINT-Bereich auf: Da bekommen wir alles zusammen, die Konzentration auf Frauen- und Mädchenförderung und die ressortübergreifende Arbeit. Der MINT-Bereich ist einer, in dem uns viele Fachkräfte fehlen, aber der MINT-Bereich ist nun einmal auch der, in dem an den Schulen zu wenig passiert. Deshalb sind wir uns da gar nicht uneinig, wenn wir sagen, dass die Schulen besser auf Berufe vorbereiten müssen, und zwar alle, auch die Mädchen. Hier haben wir noch großen Nachholbedarf und da erwarten wir auch, dass für die MINT-Bereiche beide Geschlechter von den Schulen bis in die Hochschulen hinein gut ausgebildet werden. Die Hochschulen haben sehr gute Förderprogramme aufgelegt. Allein der Erfolg bleibt noch aus, hinsichtlich der Absolventinnen- und Absolventenquoten.
Der zweite Bereich, Robert Bücking hat darauf hingewiesen, dass ich dazu noch etwas sagen werde: Auch wir haben uns vor Jahren die Bologna-Idee zu eigen gemacht und haben dort viel Hoffnung hineingesteckt, dass die Bachelor-Ausbildung im akademischen Bereich – nicht in der dualen Ausbildung, sondern im akademischen Bereich – dazu führen wird, dass wir sehr viele grundständig ausgebildete Studierende in den Arbeitsmarkt integrieren können, und zwar mit einem Bachelorabschluss. Das hat nicht funktioniert. Die Vermittlungsquoten von Bachelor-Absolventen und -absolventinnen sind marginal, leider.
Sehr viele Studierende wollen einen Masterabschluss, sehr viele Unternehmen, leider auch der öffentliche Dienst, erwarten oft einen Masterabschluss für die Einstiegsberufe. Das ist schade, das heißt aber auch, dass unsere Hochschulen nachziehen und sagen müssen: Wenn wir junge Absolventen, junge Menschen in Bremen und Bremerhaven halten wollen, müssen wir nun einmal die Masterausbildungen und die Abschlüsse anbieten, die sie dann hier auch verwenden können.
Jetzt muss man ganz strategisch überlegen, wenn wir junge Menschen über die Familiengründungsphase hinweg in Bremen halten, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie dann auch wirklich
hier als Fachkräfte verbleiben. Denn das wissen wir – Bildungsföderalismus –, mit kleinen Kindern zieht man nicht so gern in andere Bundesländer. Deswegen müssen wir dafür sorgen, dass diese jungen Menschen hier einen Master machen, hier Kinder bekommen und dann bleiben sie im besten Falle auch hier. Also man muss die Familiengründungsphase mithalten.
Letzter Punkt, ich komme zum Schluss:
Die ressortübergreifende Arbeitsweise beinhaltet dann auch, dass man sehr viel stärker über familienpolitische Maßnahmen innerhalb einer Innovationsstrategie nachdenken muss. Attraktiv wird dieser Arbeitsmarkt hier auf Dauer nur sein, wenn die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für beide Elternteile möglich ist und Unternehmen nicht davon ausgehen, dass einer oder eine vielmehr schon zuhause bleiben wird. So wird es zukünftig hoffentlich bitte nicht mehr ablaufen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Wir bleiben beim Thema, beim Thema soziale Gerechtigkeit. Ein Thema, das dieses Haus jetzt zwei Tage intensiv umgetrieben hat und uns absehbar auch im kommenden Jahr noch intensiver beschäf
tigen wird, denn dass wir viele offene Fragen haben, wie wir Menschen ein existenzsicherndes Arbeitsleben gewähren können, das hat sich gezeigt. Dass wir relativ unterschiedliche Vorstellungen von den Instrumenten und Maßnahmen haben, wie wir das gewähren können, ist ebenfalls deutlich geworden.
Wir legen Ihnen heute einen Antrag vor, der ein Instrument wieder mit neuem Leben erfüllen will, das bisher, oder sehr lange Zeit jedenfalls, für einen sehr guten Interessenausgleich zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern gesorgt hat. Allerdings ist dieses Instrument seit sehr vielen Jahren in Vergessenheit geraten beziehungsweise nicht mehr ordentlich angewandt worden.
Das geht zulasten all derer, über die wir in den letzten zwei Tagen noch nicht gesprochen haben. Wir haben gestern über die Beschäftigten im öffentlichen Sektor geredet. Wir haben heute Mittag über diejenigen gesprochen, die im öffentlichen Sektor weniger als den Mindestlohn verdienen, und wir sprechen jetzt über all diejenigen, und das sind eine ganze Menge Bremerinnen und Bremer und Bremerhavenerinnen und Bremerhavener, die in Branchen arbeiten, die über keine Tarifbindung verfügen. Als ich die Zahl das erste Mal Anfang des Jahres tatsächlich realisiert habe, dass nur noch 24 Prozent der bremischen Betriebe überhaupt über eine Tarifbindung verfügen, hat mich das schon wirklich ganz schön schockiert zurückgelassen. 24 Prozent, mehr sind es nicht. Wir müssen deswegen intensiv darüber, Herr Kastendiek – –.
Nein, das habe ich gar nicht behauptet. Legen Sie mir das nicht in den Mund.
Nein, ich tu auch nicht so. Aber es bleiben trotzdem, wenn Sie sich die einzelnen Branchen anschauen, viele Arbeitsverhältnisse übrig, die ohne Tarifbindung arbeiten. Das gilt für den öffentlichen Sektor genauso wie für die nicht öffentlichen Sektoren. Zum sehr großen Teil sind davon nun einmal Frauen und so genannte Frauenberufe betroffen.
Wenn Sie sich die Allgemeinverbindlichkeitserklärungen anschauen, die es noch gibt, so sind diese im Baubereich, im metallverarbeitenden Bereich, also in den ganz klassischen so genannten Männer
berufen, und alles, was wir so genannt als Frauenberufe bezeichnen, da arbeiten eben sehr, sehr viele Frauen unter dem Mindestlohn und damit nicht existenzsichernd. Ich kann Ihnen auch sagen, warum das so ist, weil immer noch allgemein davon ausgegangen wird, dass Frauen dazuverdienen zum Familieneinkommen ihrer Ehemänner. Jetzt sage ich Ihnen etwas: Es soll auch Frauen geben, die keine Ehemänner haben und die in der Tat für ihre eigene Existenz sorgen wollen und womöglich auch noch für die ihrer Kinder. Denn wir haben es hier mit einer Problemgruppe zu tun, die selbst gar kein Problem haben, sondern sie haben ein Problem mit unserem Arbeitsmarkt.
Über diese Zielgruppe haben wir hier auch schon oft gesprochen, das sind Alleinerziehende. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mein Ziel ist, dass die Alleinerziehenden hier in Bremen für sich und ihre Familien ein existenzsicherndes Einkommen erwirtschaften können.
Ich habe heute Nachmittag Herrn Prof. Dr. Hilz sehr genau zugehört, ich teile nämlich Ihre Einschätzung, dass die Aushandlungsprozesse der Sozialpartner, also von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, ein sehr bewährtes System sind. Ich bin ein sehr großer Fan dieses Wohlfahrtsstaatsystems, das auf einen Interessenausgleich zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern setzt. Im letzten Jahr habe ich mit vielen Arbeitgebern gesprochen, und immer noch hänge ich der Frage an, wieso eigentlich entziehen sich so viele Arbeitgeber der Allgemeinverbindlichkeitserklärung und wenn sie denn überhaupt in Verhandlungen eintreten, legen am Ende dann ihr Veto ein, und damit ist der ganze Verhandlungsprozess gestorben? Vielleicht haben Sie auf diese Frage noch eine Antwort, das würde mich sehr interessieren. So geht das nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch Arbeitgeber müssen hier ihrer Pflicht nachkommen und wirklich angemessen an den Verhandlungen auch teilnehmen.
Wir fordern deshalb den Senat auf und wünschen ihm auch viel Erfolg bei den Bemühungen, um die wir ihn bitten, denn eine einfache Sache wird das natürlich nicht. Wir fordern ihn auf, sich dafür einzusetzen, dass es möglich wird, in den Tarifausschüssen Allgemeinverbindlichkeitserklärungen nur noch durch Mehrheit abzulehnen, also damit
dann zukünftig nicht nur das eine Votum der Arbeitgeber ausreicht. Wir fordern den Senat des Weiteren auf, zu prüfen, ob und wie es ermöglicht werden kann, die Antragstellung für eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung, wie das mit beiden Tarifpartnern dann vonstattengehen kann. Es hört sich relativ übersichtlich an, ist es aber nicht. Das werden wahrscheinlich sehr intensive Gespräche werden, und wir hoffen, dass wir dabei vorankommen. Wir hoffen auch, dass die Unterstützung hier im Haus über die Koalition hinausgeht. In diesem Sinne bitte ich um Ihre Unterstützung des Antrags. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Dass das hitzig würde, habe ich mir fast gedacht, aber dass man sich so Umarmungsversuchen verweigern muss, damit hatte ich jetzt doch nicht gerechnet. In der Tat, ich trete da einmal ein bisschen auf die Bremse, lieber Herr Kollege Kastendiek, denn in der Frage passen noch viele Blätter Papier zwischen uns.
Ganz ehrlich habe ich Lösungsvorschläge für die Tatsache, dass sehr, sehr viele Menschen hier im Land Bremen für Löhne arbeiten, die alles andere als Existenz sichernd sind, von Ihnen nicht gehört. Frau Steiner ist jetzt schon gar nicht mehr da, – doch. Sie haben gesagt, es ist keine Ursachenbekämpfung, sondern nur Symptombekämpfung, aber über die Ursachen habe ich auch von Ihnen nichts gehört. Das fand ich für so eine Debatte sehr schade, muss ich sagen.
Deswegen sind wir als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gern bereit, die Debatte intensiv fortzuführen, um tatsächlich alle Belange jenseits der Höhe eines Mindestlohns noch einmal miteinander besprechen zu können. Um es für alle, die immer wieder Märchen in der Weltgeschichte verbreiten, noch einmal ganz deutlich zu sagen: Wir sind für einen Mindestlohn, eindeutig, das steht sogar im Wahlprogramm. Ja, da steht ein bisschen interpretierbar armutsfester Mindestlohn, aber das ist auch tatsächlich gerade unsere Situation: Wir haben uns noch nicht auf eine Berechnungsgrundlage geeinigt. Das sehe ich, ehrlich gesagt, auch auf der lin
ken Seite des Hauses noch gar nicht so richtig, sondern es wird relativ, wie soll ich sagen, spontan immer wieder einmal irgendeine Zahl in den Raum geworfen. Also allein heute in der Debatte: Wir haben angefangen zu erwähnen, dass der Bund sich auf 9,19 Euro festlegt, übrigens mit nicht ganz von der Hand zuweisenden Argumenten. Dann waren die Zahlen 10,80 Euro, 10,93 Euro, 12,00 Euro, 12,63 Euro im Raum. Was denn nun? Wieso nicht 11,78 Euro?
Ich sage jetzt 11,78 Euro, vielleicht reicht das ja auch aus. Mir sind die Datengrundlagen überhaupt noch nicht einleuchtend, weder von der HansBöckler- noch von allen anderen Stiftungen. Ich möchte das intensiv beraten und besprochen haben, und ich möchte, dass, wenn wir im politischen Raum, was ich richtig finde, was meine Fraktion richtig findet und auch die Partei, wieder als politische Entscheidung einen Landesmindestlohn festlegen, dass wir uns dann auch wirklich gründlich mit den Berechnungsgrundlagen auseinander gesetzt haben und nicht einmal ungefähr sagen, nehmen wir einmal 10,63 Euro oder 10,93 Euro.
Das ist mir nicht genug.
Ich möchte auch – –. Es ist allen bewusst, dass, nehmen wir an, wir führen jetzt diesen Landesmindestlohn von zehn bis elf Euro ein, der Großteil der Menschen in Bremen, der unter nicht Existenz sichernden Verhältnissen arbeitet, davon erst einmal überhaupt nichts hat. Ich lehne es ab, dass wir jetzt so tun, als sei das der große Segenswurf für die meisten Menschen im Land, die von ihrem Lohn nicht leben können. Das zu suggerieren finde ich wirklich fahrlässig.
Das eine ist eine politische Entscheidung, der Landesmindestlohn das andere. Natürlich müssen wir darüber hinaus viel mehr über andere Begleit-, wenn nicht sogar wichtigere Maßnahmen sprechen wie die Allgemeinverbindlichkeitserklärung, wie die Tatsache – das geht jetzt eher an den rechten Teil des Raums – wieso halten sich so wenige an Tarifvereinbarungen, wieso steigen immer mehr aus? Dafür hätte ich von dieser Seite heute gern
einmal irgendein Argument gehört oder irgendeine Idee, wie man den Arbeitgeberteil der Tarifpartner dazu bekommt, wieder ordentliche Tarife zu vereinbaren.
Letzter Punkt: In dem letzten Landesmindestlohngesetz haben wir vereinbart, dass über die jeweilige Höhe eine Landesmindestlohnkommission befindet, in der Experten vertreten sind und eine paritätische Besetzung stattfindet. Warum das jetzt keine gute Idee mehr sein soll, obwohl es in § 8 festgeschrieben ist, hat sich mir noch nicht erschlossen. Wir wünschen uns in der Tat, dass, wenn wir uns für einen Landesmindestlohn entscheiden, wir das auf Grundlage einer intensiven Beratung auch in einer Landesmindestlohnkommission tun. Um die Debatte im parlamentarischen Raum noch einmal zu intensivieren, beantragen wir daher, die Aussetzung der ersten Lesung und die Überweisung in unsere Deputation für Wirtschaft, Arbeit und Häfen, in der die Federführung liegen soll, und in den Haushalts- und Finanzausschuss. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit einer aktuellen Kommentierung der Nachrichten von heute anfangen. Als der Brexit beschlossen wurde, habe ich gedacht, das ist ein gravierender Fehler, den die Briten machen. Damit war ich nicht allein. Aber dass sie die Premierministerin heute auch noch mit einem Misstrauensvotum belegen, obwohl sie morgen in Brüssel versucht, den Vertrag nachzuverhandeln – es macht mich einfach sprachlos, wie die Briten da agieren.
Ja, vielleicht ist es britischer Humor, aber irgendwann muss man auch einmal die Grenzen erkennen, vor allem wenn die Zukunft des eigenen Landes so auf dem Spiel steht, wie es gerade im Verei
nigten Königreich der Fall ist. Ich bin sehr gespannt, ich hätte die Debatte gern auf morgen verlegt, denn dann hätten wir vielleicht wirklich darüber sprechen können, was auf uns zukommt. Wahrscheinlich wird die Frage aber noch weiter offen bleiben. Die Frage an den Senat war als Überschrift mit der Frage versehen „Ist Bremen für den Brexit ausreichend gewappnet?“.
Der Senat hat, wie ich finde, sehr, sehr eindrucksvoll dargelegt, was wir alles versuchen. Man muss aber sagen, wir können gar nicht gewappnet sein, denn wir wissen nicht, was auf uns zukommt. Deswegen, glaube ich, ist es ratsam, sich wie so oft im Leben einfach auf das Schlimmste vorzubereiten und sich dann zu freuen, wenn es gar nicht so schlimm kommt.
Das ist so dramatisch, weil es in der Tat so ist. Wir haben uns das in einer sehr ausführlichen Debatte im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, internationale Kontakte und Entwicklungszusammenarbeit dieses Hauses erläutern lassen, dass sehr, sehr viele Menschen in Bremen aus den Unternehmen, von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bis hin zum Wissenschaftsbereich auf Antworten warten, weil sie Planungssicherheit für ihre Berufstätigkeit, und, wenn es binationale Familien sind, für ihre Familienplanung brauchen. Es gibt sehr, sehr viele Menschen, die wirklich dringend endlich Antworten brauchen, um ihr zukünftiges Leben, ihr Berufsleben und auch die Familienplanung fortführen zu können. Das ist wirklich das Schlimmste, finde ich, zu merken, dass man auch als Politikerin da sitzt und sagen muss, ich weiß es einfach nicht. Wir können jetzt über drei Szenarien sprechen, den geordneten, den ungeordneten und die Übergangslösung, aber am Ende nützt es den Menschen da draußen überhaupt nichts, weil bisher alles, wie man im Norden so schön sagt, Spökenkiekerei ist.
Wenn wir uns auf das Schlimmste vorbereiten, dann heißt das in der Tat, das ist von der Kollegin Grobien schon angesprochen worden, im Ausschuss besprochen und in der Senatsantwort dargelegt worden, dass es vor allem für die Luft- und Raumfahrt-, für die Automobilbranche, aber auch für die Fischverarbeitung in Bremerhaven massive Auswirkungen haben wird. Können wir noch vor den Küsten Großbritanniens fischen? Wir wissen es nicht. Wahrscheinlich nicht. Wie hoch werden die Einfuhrzölle? Es gibt wahnsinnig viele Fragen, die beantwortet werden müssen. Ich war beruhigt, in der Ausschussdiskussion zu sehen, dass die Vertre
terinnen und Vertreter, die dort waren, eine relative Zuversicht verbreitet haben. Insbesondere diejenigen, die aus der Logistik oder dem Handel kommen, sagen: Wir kennen uns aus mit Drittstaaten, bürokratisch bekommen wir das hin. Aber es wird einfach teuer. Es wird für alle Beteiligten teurer.
Eine große Aufgeregtheit, auch bei dem „buten un binnen“-Bericht, der gestern kam. Eine große Aufgeregtheit habe ich dort nicht mitbekommen. Es ist am Ende tatsächlich eine Frage der Abwicklung und der Finanzen. Das ist nun einmal, darüber werden wir morgen auch noch einmal sprechen, für den Binnenmarkt eine der Errungenschaften gewesen, dass wir Erleichterungen schaffen. Dass Großbritannien sich aufgrund einer Fake Kampagne dazu entschlossen hat auszutreten, das bedaure ich sehr. Deswegen habe auch ich das Urteil des Europäischen Gerichtshofs sehr erleichtert zur Kenntnis genommen. Sollten sich die Britinnen und Briten dazu entscheiden, vom Brexit zurückzutreten und doch bei uns bleiben zu wollen, sollten wir sie, finde ich, mit offenen Armen zurück in der Europäischen Gemeinschaft empfangen. Ich bin jetzt nicht besonders zuversichtlich, aber sollte es so sein, dann sollten wir ihnen einen warmen Empfang bereiten. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Wir führen die Debatte heute einen Tag vor dem 9. November,
weil wir morgen nicht tagen, uns aber an der Dechanatstraße wie immer zu unserer Gedenkveranstaltung treffen, und ich möchte der Fraktion DIE LINKE – Ihr seid dieses Mal an der Reihe, oder? – vorab schon einmal für die Ausrichtung der diesjährigen Gedenkveranstaltung danken.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der jüngste Anschlag auf die Synagoge in Pittsburgh – viele werden sich noch daran erinnern – ist noch nicht lange her. Er hat uns wieder einmal erschreckend vor Augen geführt, wie tödlich Antisemitismus sein kann. Dieser Anschlag war ein scheußliches Verbrechen, das allerdings im Anschluss in sozialen Netzwerken scheußlich gefeiert wurde. Hier haben wir schon ganz offensichtlich das erste Problem, mit dem wir aktuell intensiv zu tun haben, denn all diejenigen, die solch einen Anschlag oder andere offen antisemitische Handlungen im Netz feiern, gehören strafrechtlich verfolgt, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der zunehmende Antisemitismus im Netz ist inzwischen leider genauso Alltag wie der zunehmende Antisemitismus auf der Straße. Wir alle kennen die Filme, die in den letzten Monaten auf YouTube online gegangen sind. Antisemitismus ist auch in Deutschland wieder alltäglich, er kommt täglich vor. Davon können all diejenigen ein Lied singen, die mit Kippa oder Davidstern um den Hals zum Beispiel Straßenbahn fahren.
Seit gestern wissen wir durch die Studie aus Leipzig, wie grassierend neuer Antisemitismus, alter und neuer Antisemitismus inzwischen wieder sind. Der Satz in einer Umfrage, Juden sind eigentümlich und passen nicht zu uns, wird in Westdeutschland von 26 Prozent der Menschen unterstützt und in Ostdeutschland gar von 39 Prozent. Das ist nicht hinnehmbar, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Dass wir dies nicht hinnehmen wollen, haben wir hier in unserer Debatte im Januar schon sehr deutlich gemacht. Wir haben dem Senat damals in einem Antrag einige Aufgaben mitgegeben. Heute debattieren wir den Bericht des Senats, der uns seit dem Sommer vorliegt. Ich möchte mich an dieser Stelle wirklich ausdrücklich und von Herzen für diesen wirklich gehaltvollen Bericht bedanken.