Protokoll der Sitzung vom 20.09.2017

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn meiner Ausführung vorwegschicken: Ich glaube, dass das Thema sicherlich wahlkampftauglich ist - und deswegen reden wir heute wahrscheinlich auch über dieses Thema -, aber das Thema ist vielschichtiger und wichtiger, als dass Sie es nur im Wahlkampf behandeln sollten.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich eine Sympathie für die Wiedereinführung der Vermögensteuer habe, denn ich glaube, dass die sehr starken Schultern in dieser Gesellschaft tatsächlich mehr tragen und mehr dazu beitragen können, den Zusammenhalt der Gesellschaft weiter zu festigen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Wir erleben, dass wir einen Bedarf in diese Richtung haben, und zwar in jeder Debatte, die wir hier führen. Wir wissen, dass wir Mittel brauchen, um den sozialen Zusammenhalt in allen Bereichen unserer Gesellschaft weiter zu stärken. Das sind keine Bedarfe, die man sich aussucht, sondern es sind Bedarfe, die gestiegen sind. Es sind auch Bedarfe und Anforderungen, die erst durch die Änderung gesetzlicher Regelungen geschaffen worden sind. Insofern ist zum Beispiel die Aussage zum Eigentum - und das sei die bessere Alterssicherung - für diejenigen, die Hartz IV empfan

gen, nicht unbedingt eine geglückte Aussage. Das sollten Sie eigentlich wissen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich finde, wir sollten uns im Haushalts- und Finanzausschuss noch einmal um die einzelnen Dinge bemühen. Wir sollten uns um die einzelnen Dinge wirklich bemühen, um bestimmte Dinge zu klären. Natürlich stellen sich die Fragen: Welche Auswirkungen hat die Vermögensteuer auf Unternehmen? Welche Regelungen müssen vielleicht geschaffen werden? Deswegen ist es mir auch unmöglich, dem Antrag der LINKEN heute zuzustimmen, denn ich kann bei dem konkreten Rechenbeispiel, das mit dem Antrag vorgelegt worden ist, zunächst nicht verifizieren, dass dies ein taugliches Instrument wäre. Ich bin also sehr dafür, den Antrag einzeln zu prüfen.

(Beifall SPD)

Im Übrigen sage ich auch zu den Fragen, die Herr Hilz gestellt hat: Ja, es sind Fragen, die man beantworten muss, und man muss über sie reden. Ich würde mir wünschen, wenn wir ein bisschen vorurteilsfreier, aber nicht zu Ideologie beladen über diese Fragen reden würden, wie das bei der Vermögensteuer offensichtlich immer der Fall ist. Mir geht es darum, dass wir uns in der Tat Finanzquellen von denen erschließen, die zum gesellschaftlichen Zusammenhalt noch mehr beitragen können und die das Leben für die Gesamtheit der Bevölkerung gerechter machen können.

Ihre Äußerung, Herr Leidreiter, hat mich irritiert. Sie macht mich auch ein Stück weit fassungslos, wenn Sie die Einkommensentwicklung in Deutschland am Zuzug nach Deutschland festmachen wollen. Sie haben gesagt, dass die Flüchtlinge dazu beitragen, dass die Einkommensschere weiter auseinanderklafft. Ich muss Ihnen dazu sagen, Sie haben keine Ahnung von der Einkommensentwicklung in Deutschland.

Schauen Sie sich die Einkommensentwicklung an, denn auch das gehört zum Führen einer anständigen Debatte, wenn man hier nicht nur Vorurteile befeuern will. - Danke!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen - Zuruf Abg. Leidreiter [BIW])

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Eckhoff.

Herr Präsident, meine sehr verehrte Damen und Herren! Ich bin dem Kollegen Liess zunächst einmal sehr dankbar

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dafür, dass er diese Debatte, die natürlich nur wahlkampfbezogen hier platziert worden ist,

(Abg. Tschöpe [SPD]: Anders als eure Sicher- heitsdebatte! - Zurufe SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

aber sozusagen nicht sachlich getrieben wurde, ein bisschen versachlicht hat.

(Zurufe SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Bleibt doch erst einmal ganz ruhig! Sie schreien schon los, bevor die Debatte überhaupt richtig begonnen hat!

Ich bin Herrn Liess sehr dankbar, denn ich glaube tatsächlich, dass man sich an der einen oder anderen Stelle dem Antragsinhalt sachlich nähern kann. Ich möchte aber trotzdem drei oder vier Bemerkungen machen, die man, wie ich finde, vor dem Hintergrund der Diskussion, die wir führen, nicht vergessen darf.

Erstens: Wir haben zahlreiche europäische Länder, in denen eine Vermögensteuer vorhanden ist. Das Beispiel Frankreich ist angesprochen worden. Wir wissen, heutzutage sind die Regeln, nach denen man von einem in das andere europäische Land umziehen kann, relativ einfach und leicht. In Frankreich hat die Vermögensteuer genau dazu geführt - dort gelten im Übrigen, Herr Rupp, niedrigere Sätze als die, die in Ihrem Antrag stehen -, dass viele in die Schweiz und nach Belgien umgezogen sind.

Wenn man in der heutigen Zeit über Steuerveränderungen nachdenkt, dann muss man in erster Linie über europäische Ansätze reden, aber nicht über nationale Ansätze. Ich glaube, dass man mit nationalen Vorschlägen zu kurz springt. Schaut man sich in Europa um, in welchen Ländern eine Vermögensteuer existiert und in welchen Ländern - wie in Deutschland - die Vermögensteuer abgeschafft worden ist, dann sind es Irland, Österreich, Italien, Dänemark, Niederlande, Finnland, Island, Schweden, Spanien und Luxemburg, in denen die Vermögenssteuer für natürliche Personen abgeschafft worden ist. Wenn Sie das sehen, dann sehen Sie gleichzeitig, wie real es eigentlich ist, über eine Vermögensteuer auf europäischer Ebene zu sprechen.

Meine Damen und Herren, nationale Alleingänge, Herr Rupp, würden nur zu einer Steuerflucht führen. Ihre Einnahmevorstellung, die Sie damit verbinden, ist als rein theoretisch anzusehen. Ich glaube, dass dies nicht Sinn und Zweck einer Debatte sein kann, die Sie hier führen.

(Beifall CDU)

Zweitens, die Steuersätze, die in dem Antrag der LINKEN stehen! Zu Frau Kappert-Gonther möchte ich Folgendes sagen, weil ich sie am Ende so verstanden habe, dass sie sich doch irgendwie für eine Vermögensteuer ausgesprochen hat: Im Wahlprogramm der Grünen habe ich eine entsprechende Aussage auch nur etwas indirekt gefunden, man spricht dort von Superreichen. Liebe Frau KappertGonther, die Steuersätze, die Herr Rupp in seinem Antrag genannt hat, gelten auch schon für ein Haus im Viertel, das schuldenfrei ist.

Dort würde die Vermögensteuer nach den Formulierungen DER LINKEN schon anfangen.

Das eine sind für mich die Privatpersonen, und das andere sind die Unternehmen. Diejenigen, die die Strukturen in Deutschland kennen, wissen, dass der Vorteil der deutschen Wirtschaft ist, dass in Deutschland relativ wenig internationale Konzerne agieren und dass ein hoher Stand von eigentümergeführten Firmen des Mittelstands besteht. Sie wissen, dass unter den Begriff Mittelstand Firmen mit bis zu 5 000 Beschäftigten fallen. Darüber hinaus haben wir Gott sei Dank eine ganze Reihe von Firmen, die noch von den Eigentümern geführt werden und die mittlerweile auch mehr Mitarbeiter haben.

Wenn Sie auf diese Unternehmen die Kriterien anwenden, die Sie in Ihrem Antrag formuliert haben, Herr Rupp, und ihnen pro Jahr fünf Prozent entziehen, dann haben Sie in wenigen Jahren die in diesen Firmen vorhandenen Kapitalrücklagen - wenn Sie von einer Eigenkapitalquote ausgehen, die zwischen 20 bis 30 Prozent liegt - aufgebraucht. Sie verspielen mit solchen Vorschlägen, meine Damen und Herren von den LINKEN, den großen Vorteil, den wir in Deutschland in unserer industriellen Landschaft haben, nämlich den Mittelstand.

Wir werden uns vehement gegen solche Forderungen wehren. Das ist mit uns auch in den Beratungen des Haushaltes- und Finanzausschusses nicht zu machen.

(Beifall CDU)

Ich möchte einen dritten Punkt ansprechen. Ich finde es immer ein bisschen scheinheilig, wenn Rot-Grün hier im Landesparlament darüber debattiert, denn ich glaube, dass eine der größten Steuerbefreiungsmaßnahmen, die es in der letzten Generation in Deutschland gegeben hat, die Steuerreform im Jahr 2000 gewesen ist. Rot-Grün hat sie in Berlin verab

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schiedet. Wir wurden damals mit unzulässigen Zusagen in dem Brief des damaligen Bundeskanzlers im Parlament dazu genötigt, zuzustimmen. Bremen wartet im Übrigen immer noch auf die Einlösung der Zusagen. Selbst bei Wikipedia ist dazu ein Eintrag nachlesbar, der das noch einmal hervorhebt.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Wer wird ihn wohl hineingesetzt haben!)

Es beschlossen worden, dass Kapitalgesellschaften für den Fall, dass sie Kapitalgesellschaften verkaufen, den Gewinn im Endeffekt steuerfrei behalten können. Es existieren komplizierte Anrechnungsverfahren, aber die Finanzsenatorin wird sicherlich bestätigen, dass der maximale Steuersatz bei fünf Prozent liegt. Das hat in weiten Teilen zu einem Monopoly geführt.

Vor der gesetzlichen Änderung mussten die Gewinne, genauso wie es beispielsweise bei Aktien ist, versteuert werden, und zwar mit einem normalen Satz und später mit der Abgeltungssteuer. Heute dürfen juristische Personen die Gewinne eins zu eins behalten.

(Glocke)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer mit solchen Beschlüssen gerade für die Finanzwirtschaft, die ja von Herrn Gottschalk und Co. immer intensiv kritisiert wird, Tür und Tor geöffnet hat, der sollte sich, finde ich, an der einen oder anderen Stelle bei Debatten, wie wir sie hier heute geführt haben, einfach einmal ein Stück weit zurücknehmen.

In diesem Sinne: Wir werden der Überweisung des Antrags zustimmen. Wir freuen uns - naja, die Freude hält sich in Grenzen -, schauen nach vorn und sehen der Beratung im Haushalts- und Finanzausschuss gespannt entgegen. - Vielen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Erstens, ich finde es richtig, dass wir das Thema im Haushalts- und Finanzausschuss diskutieren. Zweitens, ich bin gern bereit, die konkreten Bedingungen zu debattieren, um zu prüfen, welche Regelungen gegebenenfalls an unserem Vorschlag falsch oder übertrieben sind.

Man kann dann schauen, ob der Untergang des Mittelstands bevorsteht, wenn wir eine

Vermögensteuer einführen. Ich erinnere mich, dass wir auch in Zeiten, in denen es die Vermögensteuer noch gegeben hat, einen Mittelstand hatten. Es war auch nicht so, dass es seinerzeit zu einem Niedergang gekommen ist.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Da haben wir auch nicht im Sozialismus gelebt!)

Mein Gefühl ist, dass der Mittelstand mittlerweile in vielen Bereichen aus ganz anderen Gründen Probleme hat. Das können wir aber in einem anderen Zusammenhang diskutieren.

(Abg. Eckhoff [CDU]: Da packt man noch ein paar oben drauf, oder wie?)