Dafür muss man sich nicht entschuldigen. Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass ich gar keine sichtbare Oppositionspolitik gemacht habe. Das diskutieren wir einmal bei einem Bier.
Wir haben jetzt den Haushalt 2018/2019 in der ersten Lesung zu debattieren. Selbstverständlich gibt es zwei bis drei Fragen, mit denen man sich auseinandersetzen muss:
Erstens geht es um die Frage: Ist eigentlich das erfolgreiche Abschneiden im sogenannten Sanierungspfad ein Erfolg, und wie ist er zustande gekommen?
Zweitens muss man die Frage beantworten: Was passiert in den nächsten zwei Jahren, und ist 2020 ein Punkt erreicht, an dem wir einer lichten Zukunft entgegengehen, oder gehen weiterhin mehr und mehr Lichter aus?
Das sind Fragen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Ich versuche dies im Gegensatz zu Vorrednerinnen und Vorrednern - zumindest der Opposition - so sachlich, wie ich das vermag.
War der Sanierungspfad eigentlich ein Erfolg? Wenn man den Haushalt ansieht, dann ja. Im Jahr 2020 könnten wir nicht nur ohne Neuverschuldung auskommen, sondern wir steuern auch auf ein Niveau von Einnahmen und Ausgaben zu, das deutlich höher ist, als wir jemals vermutet haben.
Seit wir diesen Sanierungspfad gehen, habe ich ihn oft und intensiv kritisiert. Das tue ich weiterhin. Ich habe schon 2010 gesagt, dass
es zwei Möglichkeiten gibt: Entweder scheitert dieser Sanierungspfad, weil wir entsprechende Einsparungen oder Kürzungen nicht leisten können, oder er ist ein Erfolg. Ich war mir schon damals nicht ganz sicher, was eigentlich die schlimmere Situation ist. Ich habe damals gesagt, möglicherweise ist die Tatsache, dass wir uns von einem Sparhaushaushalt zum nächsten Sparhaushalt und wieder zu einem Sparhaushalt hangeln, das größere Problem, weil wir dann wie ein Esel hinter der Möhre herlaufen, die vor uns hergetragen wird. Ich komme noch dazu, warum ich der Meinung bin, dass dies tatsächlich das größere Problem ist.
Dass überhaupt ein solches Niveau insbesondere von Einnahmen erreicht wird, ist auf eine im Jahr 2010 überhaupt nicht absehbare Form von Einnahmensteigerungen durch Steuern zurückzuführen. Mit dieser Größenordnung hätte wirklich niemand gerechnet. Selbst angesichts der durchschnittlichen Steuereinnahmen früherer prosperierender Jahre hätte niemand damit gerechnet. Die Einnahmen sind deutlich gestiegen, und es ist gut, dass das so ist.
Ich muss den Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich Finanzen, die sich um Kredite, um die Vereinbarungen über künftige Zinsbindungen und so weiter kümmern, ein ausgesprochen großes Kompliment machen. Wenn es individuelle Leistungen gibt, die unmittelbar zur Verbesserung des Haushalts beigetragen haben, dann sind es jene dieser Kolleginnen und Kollegen, die in sehr nachvollziehbarer und transparenter Weise, aber auch ausgesprochen gelungen für Minderausgaben in dreistelliger Millionenhöhe gesorgt haben.
Wir haben in den letzten Jahren meines Erachtens innerhalb des Rahmens der Sanierungspolitik mehrere strategische Fehler gemacht. Der erste strategische Fehler war, dass wir die Neuverschuldungsgrenze nicht ausgenutzt haben. Das fällt uns nach wie vor auf die Füße. Das war immer ein großer Teil dessen, womit man vor dem sogenannten Stabilisierungsrat
gut Wetter gemacht hat. Wir hätten über eine Milliarde Euro an Krediten aufnehmen können, ohne den Sanierungspfad zu verlassen.
Warum sage ich, dass dies ein strategischer Fehler war? Wir kommen in den nächsten Jahren in eine Situation, in der wir qua Grund
gesetz und qua Landesverfassung keine neuen Schulden aufnehmen können. - Nicht, dass ich damit einverstanden bin! - Wir hätten einen Teil der Kredite, die wir in der Vergangenheit hätten aufnehmen können, aufnehmen sollen, um sie in einer Zeit, in der wir keine Kredite mehr aufnehmen können, sinnvoll einzusetzen.
Wir haben vorgeschlagen, relativ zeitnah kreditfinanzierte Wohnungen zu bauen. Diese Vorschläge sind abgelehnt worden. Es geht um die Frage, ob wir, wenn wir investive Mittel haben, diese im Land und in der Stadt umsetzen können. Auf unsere Anfragen wurde uns geantwortet, eigentlich hätten wir diese Kompetenz nicht mehr, und wir hätten dafür zu wenige Leute. Nicht, dass die vorhandenen Leute das nicht könnten, aber es seien zu wenige.
Hierin hätte man investieren können, man hätte investive Mittel einsetzen beziehungsweise verplanen können. Andere Bundesländer haben das gemacht. Als es noch Lehrerinnen und Lehrer auf dem Markt gab, hätten wir prüfen können, den einen oder die andere schon einmal einzustellen, auch wenn das die konsumtiven Kosten beziehungsweise die Personalkosten erhöht hätte.
Im letzten Jahr haben wir darüber diskutiert, ob die Anzahl der geflüchteten Menschen und die damit verbundenen Kosten eine haushalterische Notlage im Sinne des Grundgesetzes und der Landesverfassung sind. Ich war sehr dafür, dass wir dies so beurteilen, weil die damit verbundenen Kosten hoch sind. Die in diesem Bereich eingesetzten Mittel sind gut angelegtes Geld für die Zukunft dieses Bundeslandes. Sie sind gut angelegtes Geld für die ganze Bundesrepublik. Sie sind ein enormer wirtschaftspolitischer Impuls. Deswegen ist es gut, dass wir dieses Geld ausgegeben haben. Es aber in den normalen Haushalt hineinzurechnen und zu versuchen, unter diesen Umständen den Sanierungspfad einzuhalten, halte ich nach wie vor nicht für richtig.
Last, but not least haben wir keine Altschuldenregelung erreicht. Das ist meines Erachtens auch schlecht.
Nach wie vor ist zu fragen, ob es ein Erfolg ist, dass wir 2020 ohne Neuverschuldung auskommen und trotzdem einigermaßen gute finanzielle Möglichkeiten haben. Ich sage, haushalterisch ist es ein Erfolg. Man muss sich
aber ansehen, welche Folgen die Sanierungspolitik hat. Diese sind schon oft aufgezählt worden. Ich nenne nur drei Stichworte:
Einen Sanierungsstau haben wir nicht nur investiv, sondern auch personell und sozial. Wenn wir alle bekannten - nur die bekannten - Zahlen für den Sanierungsstau und den Investitionsstau zusammenzählen, liegen wir bei etwa 1,2 bis 1,3 Milliarden Euro. Das betrifft Straßen, das betrifft Brücken. Das betrifft Kitas mit 100 Millionen Euro. Das betrifft Schulen mit 675 Millionen Euro. Die Tatsache, dass an diesen Stellen kein Geld ausgegeben wurde, was eigentlich notwendig gewesen wäre, um den Status quo zu erhalten, ist meines Erachtens eine sehr ernst zu nehmende Folge dieser Sanierungspolitik, die man nicht einfach durch schöne Zahlen wegdiskutieren kann.
Frau Dr. Schaefer hat es angesprochen: Die PEP-Quote muss selbstverständlich fallen. Ich finde es richtig, dass es jetzt endlich so weit ist. Wir haben aber Probleme. Selbst wenn wir Stellen besetzen wollten, bekommen wir die Fachkräfte nicht. Die Leute, die neu kommen und die wir ausbilden, haben einen großen Altersabstand zu den Älteren, die demnächst gehen. In vielen Fällen entsteht eine Generationenlücke, durch die ein Verlust von Knowhow programmiert ist. Diesen können wir kaum ausgleichen. Deswegen ist es zwar richtig, die PEP-Quote zu streichen, aber wir haben schon bis an die Grenze der Handlungsfähigkeit zusammengekürzt. Das ist ein weiteres großes Problem, mit dem wir es in der Zukunft zu tun haben werden.
Es wird viel über Schulen und Kitas diskutiert und gesprochen. Dabei geht es nicht nur um den investiven Sanierungsstau, durch den es immer noch zu wenige Schulen und Kitas gibt. Nach wie vor gibt es auch unterbesetzte Schulen und Kitas. Die Verantwortung und die Herausforderungen, vor denen die Lehrerinnen und Lehrer und die Kolleginnen und Kollegen in den Kitas stehen, sind deutlich höher als noch vor fünf oder sechs Jahren.
Wir haben die Aufgabe, Menschen aus anderen Ländern bei uns zu integrieren. Das ist vor allen Dingen deswegen ein Kraftakt, weil Menschen aufgrund ihrer Herkunft Sprachschwierigkeiten haben. Es gibt aber auch zunehmend Kinder und junge Leute, die in ärmlichen Verhältnissen aufwachsen und ebenfalls einen besonderen Betreuungsbedarf haben. Beides zusammen addiert sich nicht, es potenziert
sich. Das sind Herausforderungen, die wir uns heute meines Erachtens noch gar nicht genug klarmachen.
Investiver Sanierungsstau, personeller Sanierungsstau und sozialer Sanierungsstau bedeuten in meinen Augen keine Generationengerechtigkeit. Das sind Probleme, die wir unbedingt lösen müssen.
Wir wissen, Bremen ist das Bundesland mit den meisten „roten Laternen“. Das ist schon gesagt worden. In ganz vielen Bereichen sind wir Schlusslicht in den Statistiken, zum Beispiel in Bildung, Arbeitslosigkeit und Armutsgefährdung und in vielen anderen Bereichen. Das ist richtig. Das muss sich ändern, ist aber meines Erachtens auch eine Folge der Sanierungspolitik. Wir geben zum Beispiel deutlich weniger Geld pro Schülerin und Schüler aus als andere Bundesländer.
Wir bekommen regelmäßig Lebenslagenberichte. Die Arbeitnehmerkammer stellt darin fest, wie es den Menschen hier in Bremen geht. Es ist wahr, dass es relativ vielen Menschen immer noch sehr gut geht und dass sie hier gut leben können. Aber die Anzahl derer, die Schwierigkeiten haben, in Armut leben oder armutsgefährdet sind, ist in den letzten acht Jahren eben nicht signifikant gesunken, sondern hat eher zugenommen. Das kann man doch nicht als Erfolg von Sanierungspolitik begreifen, sondern man muss endlich sagen, dass das auch eine Folge dieser Politik war.
Man kann nicht einfach sagen: Es gibt ein paar, die möglicherweise nicht so gut dabei abgeschnitten haben, das wissen wir. Wenn 60 Prozent der Kinder von alleinerziehenden Frauen mit zwei Kindern arm sind, dann leiden nicht nur ein paar und dann ist das ein Indiz für eine Gesellschaft, die auseinanderdriftet, dann ist das die Folge von Sanierungspolitik.
Meines Erachtens hat sich Bremen auch ein paar Fallen gestellt. Im Grundgesetz steht, dass die Haushalte der Länder ab 2020 im Wesentlichen ohne neue Kredite auskommen müssen. In unserer Landesverfassung steht: Ab 2020 muss der Landeshaushalt Bremen ohne Neuverschuldung auskommen, die Kommune Bremerhaven muss ohne Neuver
schuldung auskommen, und die Stadt Bremen muss ohne Neuverschuldung auskommen. Außerdem haben Sie hineingeschrieben, auch von Eigenbetrieben oder landeseigenen Gesellschaften dürften keine Kredite aufgenommen werden, für die wir Zins und Tilgung bezahlen.
Das machen andere nicht. Warum haben Sie Bremen ohne Not schlechter gestellt als alle anderen Bundesländer? Das ist meines Erachtens ein strategischer Fehler. Ich werbe dafür, noch einmal genau hinzusehen und Möglichkeiten zu suchen, um diesen Fehler zu korrigieren.