Protokoll der Sitzung vom 20.09.2017

hinterlegt, ob es Flussrenaturierungen, Gewässerschutz- oder Bodenschutzmaßnahmen sind.

Meine Damen und Herren von der CDU und der FDP, als Replik auf die gestrige Debatte sage ich: In der Aktuellen Stunde haben Sie Senator Lohse geradezu vorgeworfen, er lege seinen Schwerpunkt auf den Klimaschutz. Das habe System, hat Herr Buhlert gesagt. Ich sage Ihnen, der Klimawandel ist das größte globale Problem, das wir haben. Wir sind die letzte Generation, die noch etwas dagegen tun kann. Alle Generationen danach können nur noch Anpassungsmaßnahmen vornehmen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Herr Röwekamp, wenn man Klimaschutz ernst nimmt, dann ist das in die Zukunft investiertes Geld.

Ich erzähle Ihnen etwas aus meinem privaten Bereich. Ich habe gestern mit meiner Freundin telefoniert. Sie ist gestern erst in Holland angekommen. Zehn Jahre lang hat sie auf der Insel St. Martin gelebt. Sie ist mit einem Militärflugzeug von der Insel evakuiert worden. Ihr Haus ist nur zum Teil zerstört. Viele haben ihre kompletten Häuser und ihre Existenz verloren. Fragen Sie sie einmal, was sie vom Klimaschutz hält. Sie wird Ihnen sagen, wie wichtig er ist, weil wir immer mehr Starkregenereignisse, Windereignisse und Sturmereignisse - Hurrikan-Ereignisse - zu verzeichnen haben. Die Folgekosten gehen in die Milliarden. Deswegen ist jeder Cent, der in Klimaschutz investiert ist, ein richtig angelegter Cent.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Für uns Grünen ist der Bereich Klimaschutz eng mit umweltfreundlichem Verkehr verbunden. Daher sind wir für den Ausbau von Fahrradpremiumrouten und für das „Fahrradmodellquartier Alte Neustadt“. Wir orientieren uns dabei an Städten, die uns deutlich voraus sind. Dazu gehört zum Beispiel Kopenhagen.

Noch ein Rückblick auf die gestrige Debatte: Natürlich steht das Geld für die Linien 1 und 8 im Haushalt - es ist mit einem Sperrvermerk versehen -, damit diese Straßenbahnlinien weitergebaut werden können, wenn das Baurecht vorliegt. Wir wollen, dass gerade die Pendler aus dem Umland bequem auf die Linie 8 der Straßenbahn umsteigen können, damit sie ihre Autos zu Hause lassen.

Ich spreche das Umland an. Herr Röwekamp, Sie haben gesagt, in der Baupolitik tue sich wenig, und damit vertreibe man die Leute aus

Bremen. Wir haben doch Flächen über Flächen identifiziert, große Flächen, ob es das Brinkmann-Gelände, ob es Könecke, CocaCola, die Rennbahn, Grohner Fliesen, die Gartenstadt oder Hulsberg sind. Es sind auch vollendete Projekte dabei: die Aumunder Wiesen. Ich gehe durch meinen Stadtteil und sehe Aumunder Wiesen 1.0, Tauwerk, Schönebecker Straße und Arsten. Tun Sie doch nicht so, als ob hier nichts passieren würde!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Ich möchte noch auf einen anderen Bereich, nämlich den Sozialbereich, zu sprechen kommen. Die Ausgaben für Sozialleistungen machen in Bremen den größten Posten aus. Ja, das ist so. Im Stadtstaat betragen sie 2018 und 2019 jeweils rund 1,1 Milliarden Euro. Im Haushaltsentwurf ist zum Beispiel die Fortführung der Projekte abgebildet, die bisher über das Integrationsbudget finanziert wurden. Das finden wir wichtig. Dafür sind rund 3,3 Millionen Euro im Haushalt veranschlagt. Dadurch stellen wir sicher, dass Geflüchtete nicht nur ein Dach über dem Kopf erhalten, sondern auch Integrationschancen bekommen, die die Lebenslagen der Menschen vor Ort in den Quartieren verbessern. Dazu gehören ganz viele Beispiele. Ich will nicht im Detail darauf eingehen, aber es geht zum Beispiel um die kommunalen Deutschsprachkurse, um die ambulante Betreuung von Geflüchteten im eigenen Wohnraum und um die Ehrenamtskoordination. Wir finanzieren weitere wichtige Dinge wie das Stadtticket, also ein ermäßigtes Nahverkehrsticket. Kostenlose Verhütungsmittel werden weiterhin als freiwillige Sozialleistung finanziert, weil Nachfrage und Nutzung in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen sind. Insofern kann man an der Sinnhaftigkeit nicht zweifeln.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Ein Bereich, der uns im letzten Haushalt schon sehr wichtig war und auch in diesem Haushalt wichtig ist, ist die Fortführung des Rahmenkonzepts für offene Jugendarbeit. 2016 haben wir 200 000 Euro bereitgestellt. Für das Jahr 2017 waren es 400 000 Euro. Jetzt stehen zusätzliche Mittel in Höhe von 195 000 Euro im Jahr 2018 und noch einmal 274 000 Euro im Jahr 2019 zur Verfügung. Ich finde, das ist eine starke und solide Aufstockung des jahrelang unterfinanzierten Bereichs.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Herr Röwekamp, Sie haben die Kinderarmut angesprochen. Ja, sie ist ein großes Problem.

Landtag

3756 49. Sitzung/20.09.17

Aber sie ist nicht nur ein bremisches, sondern ein bundesweites Problem.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Nein, sie ist vor- nehmlich ein bremisches Problem!)

Ich erwarte, dass man nicht nur in Bremen eine Antwort darauf findet,

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Sie finden seit Jahren keine Antwort!)

Herr vom Bruch, ich erwarte, dass auch die Bundesregierung eine andere und bessere Antwort darauf findet.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Die Kinderarmut liegt bundesweit bei 20 Prozent. Bei 20 Prozent!

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Es wird noch schlimmer hier! In Bremerhaven werden wir bald doppelt so viel haben! 40 Prozent!)

Sie können sich nicht aus Ihrer Verantwortung im Bund herausstehlen.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Sie lügen sich und anderen in die Tasche!)

Die soziale Spaltung ist nicht nur ein bremisches, sondern ein bundesweites Problem. Ich finde, dass man andere Antworten darauf finden muss.

(Zurufe CDU - Glocke)

Frau Ahrens und Herr vom Bruch, ich will gar nicht schreien, aber ich komme fast nicht mehr gegen Ihre Zwischenrufe an.

(Abg. Bensch [CDU]: Das sagt die Frau, die am meisten brüllt, egal, wer redet! - Unruhe Bündnis 90/Die Grünen - Abg. Bensch [CDU]: Es ist doch so!)

Ja, schon klar!

Wenn man Altersarmut bekämpfen will, wenn man Kinderarmut bekämpfen will, dann erwarte ich, dass man auf Bundesebene andere Konzepte wie zum Beispiel die Einführung einer Garantierente oder den gleichen Betrag für alle Kinder findet, damit alle die gleichen Chancen haben.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD - Zuruf: Das ist aber auch die Arbeit der Bundesregie- rung!)

Das ist auch die Arbeit der Bundesregierung. Da können Sie sich nicht herausstehlen.

Gesundheitspolitisch stellen wir mit diesem Haushalt erneut entscheidende Weichen zum Beispiel für die gute therapeutische Versorgung der Bremerinnen und Bremer. Ein Problem war bisher das Schulgeld für Auszubildende in den therapeutischen Gesundheitsfachberufen Logopädie, Ergo- und Physiotherapie. Es war eine erhebliche Hürde. Diese Auszubildenden haben keine Ausbildungsvergütungen bekommen. Sie mussten für ihre Ausbildung selbst zahlen. Es hing also vom Geldbeutel der Eltern ab, ob jemand sich diese Ausbildung leisten konnte oder nicht, und das in Zeiten von Fachkräftemangel. Dieses Problem wird mit diesem Haushalt angegangen. Jetzt schaffen wir den Einstieg in die Schulgeldfreiheit. Damit sorgen wir dafür, dass mehr junge Menschen diese Ausbildung absolvieren können, und sichern damit den Bedarf an Logopäden, Ergo- und Physiotherapeuten in Bremen.

Auf den Sportbereich und das Bäderkonzept ist schon eingegangen worden. Millionen werden in den Bau des West- und des Uni-Bades gesteckt.

Der bremische Haushalt profitiert zugegebenermaßen von den guten Steuereinnahmen und den niedrigen Zinsen. Das wurde gesagt, und das ist so. Das hilft. Das ist allen klar. Trotzdem müssen Einnahmen hinzukommen. Ich möchte mich vor dieser Debatte nicht drücken. Über die Gewerbesteuer ist schon diskutiert worden. Dass Wirtschaft und Handel eine Erhöhung der Gewerbesteuer ablehnen, ist aus ihrer Warte zunächst einmal verständlich. Anfangs wurde noch überlegt, die Grunderwerbsteuer zu erhöhen. Das ist wieder vom Tisch. Ich denke, das ist gut so, denn die Menschen, die sich jetzt eine Wohnung oder ein Haus kaufen wollen, sind durch die Preisentwicklung bei Immobilien - wir können eigentlich schon eine Immobilienblase beobachten - mit hohen Summen konfrontiert. Die Erhöhung der Grunderwerbsteuer wäre für junge Familien sicherlich kontraproduktiv gewesen.

Bei der Gewerbesteuer kann ich den Unmut verstehen und möchte an dieser Stelle sagen, dass es nicht nur um die Erhöhung der Gewerbesteuer geht. Es geht vor allem um den Umgang und die Zuverlässigkeit von Politik. Das sage ich hier selbstkritisch. Dem Handel wurde 2014 gesagt: Wir erhöhen die Gewerbesteuer, aber dann bleibt sie zunächst für längere Zeit konstant. Ich kann nachvollziehen, dass eine weitere Erhöhung nach drei Jahren dann nicht gut ankommt. Die jetzige Erhöhung ist auf die nächsten zwei Jahre befristet und

Landtag

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festgeschrieben. Das muss auch eingehalten werden. Das erwarten wir, weil Politik sonst Glaubwürdigkeit und Vertrauen verspielt.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Das glaubt doch kei- ner, der die Geschichte des Solis kennt!) Natürlich solle man im Vorfeld mit den Betroffenen kommunizieren, wenn man zuungunsten eines Players die Steuern erhöht. Wir verstehen den Ärger der Handelskammer. Wir haben als Fraktion ein Gespräch mit ihr geführt. Es ist verständlich, dass es Unmut gibt, wenn man von solchen Entscheidungen erst zu einem späten Zeitpunkt oder gar erst aus der Zeitung erfährt. Wir wünschen uns in Zukunft eine bessere Kommunikation. Wir haben uns bei der Handelskammer und damit auch bei den Handeltreibenden entschuldigt. Das tue ich an dieser Stelle gern noch einmal. Dennoch glaube ich, dass der Rahmen der Erhöhung akzeptabel ist und die Wirtschaft im Land Bremen dazu beiträgt - wie wir alle im Land Bremen das im Übrigen mit unseren Steuern tun -, dass die Herausforderungen, die dieses Bundesland zu bewältigen hat, bewältigt werden können. Meine Damen und Herren, trotz der besonderen Finanzsituation Bremens ist es dem Senat gelungen, uns einen Haushalt vorzulegen, der die Herausforderungen in Bremen angeht, Akzente und Schwerpunkte setzt, die den Bürgerinnen und Bürger zugutekommen, und der es schafft, dass Bremen den Sanierungspfad in den nächsten zwei Jahren nicht verlässt. Wer auch immer ab 2019 in Bremen regieren wird, wird eine verbesserte finanzielle Situation vorfinden und sich dann hoffentlich daran erinnern, dass es diese Koalition durch ihre Sparanstrengungen, guten Verhandlungen im Länderfinanzausgleich, aber auch durch die Konsolidierungsanstrengungen der letzten Jahre geschafft hat, dass es ab 2020 eine bessere Haushaltssituation in Bremen gibt, die den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt zugutekommt. - Herzlichen Dank! (Anhaltender Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich Mitglieder des Kurses der Einführungsphase Soziologie und Politik des Gymnasiums Links der Weser.

Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall)

Wir haben noch keine 50 Prozent der Rednerliste abgearbeitet. Ich möchte Ihnen das nur mitteilen und hoffe, wir haben weiterhin Geduld und große Aufmerksamkeit, auch für den nächsten Redner.

Als nächster Kollege hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe feststellen müssen, dass der Fraktionsvorsitzende der SPD im Jahr 2011 eine neue Brille bekommen hat, denn er hat mich vor 2011 offensichtlich nicht gesehen.

(Abg. Tschöpe [SPD]: Ich entschuldige mich dafür!)