Protokoll der Sitzung vom 21.09.2017

sondern ich glaube, wir stehen schon selbst in der Pflicht, uns damit auseinanderzusetzen. Ich glaube, dass insbesondere Präventionsangebote nicht aus der Ferne, sondern aus der Nähe aufgelegt werden müssen, das heißt, wir brauchen hier eigene Kompetenzen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Es ist ja auch nicht so, dass wir hier bisher nichts hätten. Im Bereich der Sozialsenatorin gibt es verschiedene Beratungsprojekte, und das Justizressort hat für den Bereich des Strafvollzugs gerade eine sehr umfangreiche Beratungskooperation mit einem freien Träger begonnen, der seine Tätigkeit aber möglicherweise auch für den gesamten Bereich der strafrechtlich relevanten Fälle ausweiten kann. Wir haben immer wieder Dialoge mit Schulen, weil sich natürlich auch das Bildungsressort fragt, wie man damit umgeht, wenn man Radikalisierungstendenzen im Unterricht feststellt. Es gibt eine ganze Reihe von Projekten, die schon laufen. Unser Ziel ist es, diese Projekte stärker zu bündeln, stärker zu vernetzen und zueinander

in Beziehung zu setzen. Das müssen wir aber hier erledigen.

Im zweiten Feld, das wir beschrieben haben - den Forschungsbereich -, haben wir meiner Auffassung nach bundesweit noch nicht viele Institutionen, die sich abseits des konkreten Einzelfalls, sondern eher mit einem wissenschaftlichen Blick auf das Gesamtphänomen auseinandersetzen. Deshalb möchten wir dort gern beginnen. Wir haben aber nicht den Ehrgeiz, das am Ende allein für die gesamte Bundesrepublik machen zu wollen, sondern unser Bestreben geht in der Tat dahin zu sagen, dass man das gut mit anderen Ländern gemeinsam aufsetzen kann, auch mit dem Bund.

Wir wollen aber nicht darauf warten, dass es andere machen - dafür ist das Problem, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen, in Bremen zu stark -, sondern wir haben gesagt, wir wollen hier die Keimzelle einer solchen Forschungsstelle setzen. Über die Details werden wir sicher auch noch in Ruhe in der nächsten oder übernächsten Sitzung der Innendeputation sprechen können, weil das soeben beschlossene Handlungskonzept ja jetzt vom Senat seinen Weg in Richtung Fachdeputation finden wird.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? - Bitte sehr!

Meine Frage zielte natürlich mehr auf den wissenschaftlichen Teil, wenn Sie so wollen. Wir sind natürlich mit Ihnen einer Meinung, wenn es darum geht, präventiv die verschiedenen Spieler im Bereich der Prävention besser zu vernetzen und zu organisieren, völlig d‘accord! Mir ging es aber jetzt um dieses Kompetenzzentrum, das hat ja auch etwas mit der wissenschaftlichen Bearbeitung des Phänomens Terrorismus/Islamismus zu tun. Dazu ist meine Frage in Bezug auf die Kooperation - Sie hatten ja ein bisschen angedeutet, dass wir da Vorreiter sein wollen -: Wie viel Personal stellen Sie sich da ungefähr vor, was brauchen wir dort an Kräften aus der Wissenschaft, aus welchen Bereichen, und wie viel wird das Bremen ungefähr kosten?

Wir haben darauf hingewiesen, dass wir beide Bereiche zunächst mit einer Vollzeitstelle ausstatten werden. Ich glaube, dass wir im Bereich der Präventionskoordinierung zumindest für die Anfangsphase dann auch durchaus eine ausreichende Ausstattung haben. Im Bereich der Forschungsstelle ist das sicher nicht der Fall. Wir haben einmal die Vorstellung entwickelt, dass man dort sicherlich mit vier bis fünf Personen arbeiten muss, um ein vernünftig funktionierendes Institut zu haben, aber sicher auch nicht in der Aufbauphase. Ich

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will aber sagen, ich halte es nicht für zwingend erforderlich, dass Bremen diese Stellen alle allein finanziert.

Wir haben im Bereich der Präventionsarbeit in diesem Bereich etwa 100 Millionen Euro Bundesmittel, und es gibt zahllose freie Träger auf dem Markt, das heißt, es besteht nach meiner festen Überzeugung durchaus die Perspektive, Fördermittel in einem erheblichen Umfang einzuwerben. Das Gleiche gilt auch für den Wissenschaftsbereich. Auch da bin ich durchaus optimistisch, durch Kooperationen oder in Form von Drittmittelakquise weitere Unterstützung gewinnen zu können. Deshalb gehen wir in der Phase der Projektentwicklung jetzt zunächst einmal jeweils mit einer Vollzeitstelle an den Start.

Zusatzfrage? - Bitte sehr!

Ich habe noch nicht so richtig verstanden, wo dieses Kompetenzzentrum organisatorisch angebunden werden soll. Wo soll die Verantwortung dafür liegen?

Wir beginnen jetzt erst einmal damit, das im Rahmen eines Projekts bei uns im Haus aufzubauen, und ich halte die Frage, wo wir am Ende mit dem Kompetenzzentrum, also der Forschungsstelle landen, durchaus für offen. Ich kann mir sowohl eine Kooperation mit Hochschulen als auch mit anderen Ländern vorstellen, und gerade, wenn wir mit anderen Ländern kooperieren, müssen wir dann auch ein bisschen darauf schauen, wo diese eigentlich ihre Schnittstellen haben und bereit wären, mit uns zusammenzuarbeiten.

Es gibt solche Forschungsstellen bundesweit, sowohl im wissenschaftlichen Bereich als auch bei den Sicherheitsbehörden. Das BKA hat eine eigene Forschungsstelle, es gibt Forschungsstellen bei Landeskriminalämtern, die Anbindung an Verfassungsschutzämter in Ministerien ist vorstellbar. Ich halte das am Ende nicht für entschieden. Auch da gilt für uns, dass wir jetzt nicht einen Grundsatzstreit über die Frage führen wollten, wer es am Ende macht, sondern wir wollten beginnen, und deshalb haben wir gesagt, wir starten jetzt mit der Projektphase. Das werden wir bei uns im Haus machen.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? - Bitte sehr!

Es geht dabei ja auch darum, sensible Informationen, die beispielsweise schon bei Staatsschutzabteilungen oder bei den Landesämtern für Verfassungsschutz vorhanden sind, zu nutzen beziehungsweise an diese Informationen zu gelangen. Wie können

Sie gewährleisten, dass diese Informationen, die ja zweifelsohne erforderlich sind, um diese Dinge dort auch vernünftig bearbeiten zu können, tatsächlich auch in das Kompetenzzentrum gelangen und dort auch entsprechend sensibel behandelt werden?

Nur zur Klarstellung: Es geht uns mit dieser Einrichtung nicht darum, operationsbegleitende Forschung zu betreiben, wir haben also nicht die Vorstellung, sich bei einer Einsatzsituation schnell einen Wissenschaftler zu holen und zu fragen, was man denn jetzt machen soll. Dafür hat das LKA eigene Spezialisten und baut auch in der Staatsschutz- und in der Analyseeinheit neue Spezialfunktionen auf.

Die Vorstellung ist, in der Gesamtschau über die verschiedenen Ereignisse, die wir in den letzten Jahren in Deutschland und Europa hatten, noch einmal genauer hinzuschauen, welche Gemeinsamkeiten die Täter eigentlich haben, welche Erkenntnisse man über Verläufe von Radikalisierungen erlangen kann und auch die Frage aufzuwerfen, welche Präventionsprojekte in Deutschland oder in anderen europäischen Ländern eigentlich funktioniert haben und welche nicht. Dafür gibt es mit Sicherheit auch einen Teil relevanter Informationen, die möglicherweise einer Geheimhaltung unterliegen, aber es gibt auch viele andere Informationen, die herangezogen werden müssen.

Es geht also weniger um die Aufarbeitung eines konkreten Einzelfalls, sondern um das Erkennen und Erforschen von Strukturen, und ich glaube, dass wir am Ende in der Lage sein werden, den Sicherheitsbehörden die notwendigen Informationen für diese wissenschaftliche Tätigkeit zugänglich zu machen. Ob wir dort anonymisieren müssen oder es am Ende dazu führt, zu sagen, man müsse diese Institution sehr stark an eine Sicherheitsbehörde anbinden, werden wir im Wege der Projektentwicklung noch abschließend feststellen müssen.

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.

Die fünfte Anfrage bezieht sich auf die Regionale Unterstützungsmodelle für freiberufliche Hebammen. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Dr. Buhlert, Frau Steiner und Fraktion der FDP.

Bitte, Herr Kollege Dr. Buhlert!

Wir fragen den Senat:

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Erstens: Wie bewertet der Senat die Unterstützungsmodelle einiger Kommunen, die finanzielle Zuschüsse für freiberufliche Hebammen gewähren?

Zweitens: Inwiefern und mit welchem Ergebnis wurden solche Unterstützungsmöglichkeiten auch für Bremen geprüft?

Drittens: Wie bewertet der Senat den Bedarf an Angeboten für Schwangere, Gebärende und junge Familien durch freiberufliche Hebammen?

Die Anfrage wird beantwortet von Herrn Staatsrat Kück.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu Frage eins: Die Haftpflichtversicherungsprämien für Hebammen sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Der Senat begrüßt, dass es in den vergangenen Jahren eine finanzielle Entlastung gegeben hat und sich diese Entlastung weiterhin fortsetzen wird. Kostensteigerungen werden einerseits durch angehobene Leistungsvergütungen der Krankenkassen sowie andererseits zusätzlich über einen sogenannten Sicherstellungszuschlag zum Teil kompensiert. Ein finanzieller Ausgleich für die gestiegenen Haftpflichtversicherungsprämien ist Aufgabe des Bundes und der Krankenkassen, diese sind in der Verantwortung. Mittelfristig ist auf Bundesebene über die Einrichtung eines Fonds für Haftpflichtschäden zu beraten, um die Entlastung der Hebammen und Entbindungspfleger von weiter steigenden Versicherungsprämien zu erreichen.

Zu Frage zwei: Aktuell werden solche Unterstützungsmodelle in Form von kommunalen Finanzzuschüssen in Bremen nicht geprüft. Ein finanzieller Ausgleich für den Anstieg der Versicherungsprämien ist gesetzlich geregelt worden, und eine aktuelle Entscheidung der Schiedsstelle am 5. September 2017, die Honorare für freiberufliche Hebammen rückwirkend zum 15. Juli 2017 um 17 Prozent anzuheben, wurde gefällt. Zusätzlich wurden weitere abrechenbare Leistungen vereinbart, sodass im Ergebnis die Honorare der Hebammen um circa 17 Prozent steigen können.

Die Gesundheitsministerkonferenz hat im Juni das Bundesministerium für Gesundheit, BMG, gebeten, über den Schiedsspruch und dessen Auswirkungen zu berichten. Jetzt ist das BMG am Zug, eine Bewertung vorzunehmen und gegebenenfalls zu handeln. Basierend auf dem neuen Schiedsspruch und der Bewertung des

BMG gilt es, die Versorgungssituation durch Hebammen erneut für Bremen zu behandeln.

Zu Frage drei: Das Land Bremen hält Angebote für Schwangere, Gebärende und junge Familien durch freiberufliche Hebammen für Beratungen, Betreuung, Geburtsvorbereitung und Geburtshilfe vor. Es ist wünschenswert, den Umfang des Angebots auszuweiten.

In Absprache mit dem Hebammenlandesverband Bremen hat die Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz ein Gesundheitsberufe-Monitoring beauftragt, welches unter anderem die Versorgungsleistungen sowie Daten zu Beschäftigungsumfang und Altersstruktur von Hebammen und Entbindungspflegern erfasst.

Mit den Ergebnissen des Monitorings ist es möglich, die zukünftigen Bedarfe konkreter abzuschätzen. Es ist beabsichtigt, durch eine kontinuierliche Erhebung eine dauerhaft zuverlässige Daten- und Planungsgrundlage zu schaffen. Erste Ergebnisse des Monitorings werden voraussichtlich Ende 2017 vorliegen.

Zur Bedarfsermittlung ist ergänzend die Vorausschätzung der Geburtenrate des Statistischen Landesamtes hinzuziehen, die derzeit erstellt wird. - Soweit die Antwort des Senats!

Herr Kollege Dr. Buhlert, haben Sie eine Zusatzfrage? - Bitte sehr!

Angesichts der Situation in Bremen und der komplizierten Abrechnungsmodalitäten - auch für gestiegene Entgelte - bleibt doch die Frage, ob die von Ihnen angekündigte mittelfristige Lösung über einen Haftpflichtfonds nicht viel zu spät kommt und ob es nicht doch sinnvoll wäre, Überbrückungen zu finanzieren. Insofern bleibt meine Frage, warum Sie sich mit einer mittelfristigen Lösung eines Haftpflichtmodells zufriedengeben.

Ich glaube, Sie haben auch schon gehört, dass wir im Moment in einem Haushaltsnotlageland leben, und wenn wir als Kommune dort einsteigen, müssen diese Mittel dann zunächst ja auch einmal aufgebracht werden. Wir haben die Hoffnung, dass es auch im Zusammenhang mit den Verhandlungen, die dann ja auf Ebene des Bundes stattfinden, dann noch zu weiteren Konkretisierungen kommt, auch in Bezug auf die Frage der Übernahme der Kosten und die Schaffung eines Versicherungspools oder Haftpflichtfonds.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? - Bitte sehr!

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Bremen hat ja eine gewisse Rolle in der Gesundheitsministerkonferenz, und deswegen noch einmal die Frage: Sie können doch in Ihrer Antwort nicht zufrieden sein mit dem Wort „mittelfristig“, das hält doch eigentlich keiner wirklich aus, der darüber nachdenkt. Warum sind Sie nicht bereit, da auf eine kurzfristige Lösung zu drängen?

Ich glaube, Sie wissen auch, dass wir jetzt am Wochenende Wahlen haben, und der Bund wird dann gegebenenfalls auch im Rahmen seiner Koalitionsverhandlungen - -. Wer auch immer dann dort die politische Verantwortung hat, wir werden dieses Thema dann schon auch unmittelbar angehen, nachdem feststeht, dass wir da auch wieder Gesprächspartner haben. Ich habe den Eindruck, dass es beim Bund, jedenfalls in der jetzigen Situation, durchaus ein Entgegenkommen geben kann, sodass es dann nicht eine mittelfristige, sondern doch eine kurzfristige Lösung wird.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? - Bitte sehr!

Wenn es nicht zu solchen Lösungen kommt, bleibt es dann so, dass wir in Bremen doch noch über die Teilübernahme von Haftpflichtprämien nachdenken müssen, wie es zum Beispiel andere Landkreise machen, um dann Erstattungen zu leisten, oder meinen Sie, dass die 17-prozentige Erhöhung des Entgelts dort ausreicht, um diese wirtschaftlichen Risiken tragen zu können?

Ich glaube, dass Bremen in dem Moment, in dem klar ist, dass wir vom Bund keine Entlastung bekommen, dann auch darüber nachdenken muss, eigenständige Lösungen zu finden.

(Beifall SPD)