Protokoll der Sitzung vom 08.11.2017

Jetzt sorgen Sie mit der Gruppenvergrößerung dafür, dass es noch unattraktiver wird, Erzieherin oder Erzieher zu werden. Das Signal, das Sie damit aussenden, ist doch, dass die Fachkräfte zur Belohnung für fachlich enorm angestiegene Anforderungen jetzt auch noch schlechtere Arbeitsbedingungen bekommen.

Schon jetzt können einzelne Gruppen nicht eröffnet werden, weil zwar die Räume, aber nicht das Fachpersonal vorhanden ist. Auch das wurde im Unterausschuss gesagt. Nun stehen Räume leer, weil keine Erzieherinnen und Erzieher da sind. Es heißt nicht umsonst „Fachkräfte“. Diese haben auch fachliche Ansprüche und wollen diesen Beruf noch ein paar Jahre mehr ausüben.

In Hannover, Frankfurt, Offenbach und Hamburg werden alle pädagogischen Fachkräfte schon seit mehreren Jahren in der TVöD-SuEGruppe 8b bezahlt.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Die haben aber auch größere Gruppen- zahlen!)

Das ist eine Gruppe für besonders schwierige Tätigkeiten. Diese Städte haben anerkannt, dass es in Großstädten besonders schwierige Lagen gibt. Das, was dort zutrifft, trifft hier schon längst zu. Wir sind eines der Bundesländer

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Wir sind nicht ei- nes, sondern das Bundesland!)

mit der höchsten Kinderarmut. Wir haben einen hohen Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund. Wir haben einen hohen Anteil von Kindern mit Fluchthintergrund, die Traumata haben, die Sprachförderbedarf haben. Das rechtfertigt die Anerkennung besonders schwieriger Tätigkeiten und eine höhere Anerkennung der fachlichen Arbeit, die dort tagtäglich unter zunehmend schwierigen Bedingungen geleistet wird.

(Beifall DIE LINKE)

Sehr geehrte Frau Senatorin, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, wenn Sie es versäumen, die Arbeitsbedingungen ausnahmsweise einmal zu verbessern und Leistung anzuerkennen, dann werden Sie sehr bald vor noch viel mehr leeren Gruppenräumen stehen.

(Glocke)

Dann können Sie sich die Entwicklung eines Rahmenbildungsplans von null bis zehn schenken. Dann wird nämlich kein Personal vorhanden sein, das die fachlichen Anforderungen, die Sie hierin festschreiben wollen, auch umsetzen kann. - Danke schön!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Ahrens.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Gäste auf der Tribüne! Der Ausbau der Kinderbetreuungsplätze fand in den Jahren 2013 bis 2015, wie man an den Zahlen nachvollziehen kann, in völlig unzureichendem Umfang statt. Über 1 500 Plätze für Kinder unter drei Jahren wurden für die Aufnahme von 4.-Quartalskindern in den Elementargruppen geschaffen. Das war das Geschenk, das Anja Stahmann am Schluss noch gemacht hat.

Dass diese 1 500 Plätze dann aber für die Drei- bis Sechsjährigen fehlten, war von vorneherein klar. Zusätzlich wussten wir von steigender Nachfrage im U3-Bereich durch zwei DJIStudien, die Sozialsenatorin Stahmann damals selbst in Auftrag gegeben hatte. Wir wussten auch, dass es steigende Geburtenraten gibt. Das hatte uns das Statistische Landesamt mitgeteilt.

Der Kita-Mangel - das will ich Ihnen damit deutlich aufzeigen - war also hausgemacht. Das ist der eigentliche Skandal.

Landtag 3982 51. Sitzung/8.11.17

(Beifall CDU)

Er ist politisch von Ihnen in Bremen herbeigeführt worden.

Zu dem Mangel an Plätzen gerade in den sogenannten sozialen Brennpunkten kam durch politische Entscheidung, die Sie, meine Damen und Herren von Rot-Grün zu verantworten haben, eine massive Arbeitsplatz- und Arbeitszeitverdichtung. In den Krippen wurden die Gruppenstärken dauerhaft auf zehn Kinder erhöht - ohne Personalausgleich. Das führt bei Ausfall von Erzieherinnen vor Ort dazu, dass zwingend eine andere Erzieherin aus dem Elementarbereich vertreten muss oder die Krippe schließen muss, weil Sie den Personalmix in den Krippen mit einer Erzieherin und einer Sozialassistentin verändert haben, die Sozialassistentin die Gruppe aber nicht allein öffnen darf.

Die Elementargruppen mussten die sogenannten 4.-Quartalskinder, also zweieinhalbjährige Kinder, ohne Mengenbeschränkung aufnehmen. Auch das haben wir als CDU-Fraktion damals kritisiert. Hier hätte man wie im Krippenbereich Qualitätskriterien einbringen können. Es gibt in Bremen Gruppen - mir sind einige gemeldet worden -, in denen zu Beginn des Kindergartenjahres zehn von zwanzig Kindern unter drei Jahre alt sind. Das allein entspräche schon einer kompletten Krippengruppe, die zwei Betreuungspersonen erforderlich machen würde. Doch nun kommen, statistisch gesehen, 1,3 Erzieherinnen auf 20 Kinder.

Mit den vielen 4.-Quartalskindern stieg auch die Anzahl der Wickelkinder in jeder Gruppe noch einmal sprunghaft an, ohne dass in jeder Gruppe Wickelplätze vorhanden wären. Jetzt können Sie sich überlegen, wie eine Erzieherin - das haben wir in Bremen de facto - das leisten soll, wenn sie jedes Mal den Raum verlassen muss.

Die Inklusion ist in keiner anderen Stadt so umfassend wie in Bremen umgesetzt, und das bei gedeckelten Personalbudgets aus dem Jahr 2008. Die Politik weiß aber sehr wohl - dies wurde von mir mehrfach in Anträgen moniert -, dass die Anzahl der tatsächlich zu versorgenden Kinder vielfach höher ist. Damit diese Kinder in den Gruppen verbleiben können - sie haben einen individuell einklagbaren Rechtsanspruch -, wird aus den sogenannten Indexgruppen in den sogenannten Brennpunkten Personal abgezogen. Die Kolleginnen und Kollegen können ein Lied davon singen.

An Stellen, an denen dringend mehr Personal gebraucht würde, wie in Kattenturm, in Gröpelingen, in Blumenthal et cetera, gibt es weniger

als das, was man ursprünglich einmal vorhatte. Der Arbeitskreis Tenever hat ausgerechnet, dass im Jahr 2017 die Personalausstattung schlechter als im Jahr 2007 unter CDU/SPDgeführter Regierung war. Nur noch 22 Prozent der Personalverstärkungsstunden aus dem Jahr 2007 kommen tatsächlich an. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren, und das muss auch einmal wahrgenommen werden.

Genau in diesen benachteiligten Quartieren ist der Platzmangel, wie meine Kollegin eben schon ausgeführt hat, am größten. Doch auch in den sogenannten gut situierten Quartieren ist inzwischen bei jeder Krankheitswelle Land unter. Notdienste, die nur noch für berufstätige Eltern eine Öffnungszeit ihrer Kita bedeuten, schlechte Rahmenbedingungen für die Erzieherinnen und eine dünne Personaldecke sind an der Tagesordnung. In dieses bis an die Grenzen ausgelastete System wollen Sie nun das 21. Kind aufnehmen lassen. Das hat Folgen, meine Damen und Herren.

Über Qualitätssteigerungen in Kitas, über verbesserte PISA-Ergebnisse, über den Anschluss an Hamburg, über Verbesserungen in der IQBStudie brauchen wir uns so keine Gedanken zu machen. Solange Sie das Fundament, die Krippe und die Kita, dermaßen schlecht ausstatten und immer wieder etwas an zusätzlicher Belastung oben draufpacken, brauchen wir uns über die schlechten Ergebnisse nicht zu wundern.

(Beifall CDU)

Es ist auch kein Wunder, dass in Ihrer Regierungszeit die Kinderarmut massiv gestiegen ist. Auch das hängt, wie von der Arbeitnehmerkammer festgestellt, mit den schlechten Rahmenbedingen, den politischen Rahmenbedingen, die hier in Bremen gesetzt werden, zusammen. Das ist für uns als CDU-Fraktion inakzeptabel.

(Beifall CDU)

Wir brauchen mehr Personal und nicht eine schlechtere Kind-Fachkraft-Relation. Seit sechs Jahren fordern wir eine verstärkte Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher. Die Anstrengungen des Senats in diesem Bereich waren immer viel zu zaghaft und zu gering.

Ich erinnere mich noch gut, wie ich mit Frau Vogt gemeinsam gegen die Schließung von drei Erzieherklassen gegen die damalige Bildungssenatorin Jürgens-Pieper gefochten habe. Gott sei Dank haben wir gewonnen.

(Glocke)

Landtag 3983 51. Sitzung/8.11.17

Ich komme zum Schluss!

Wir werden den Punkten eins, zwei und vier im Antrag der LINKEN zustimmen. Da wir aber nicht wissen, was die Umsetzung des dritten Punkts kosten würde, haben wir eine Berichtsbitte in die Bildungsdeputation eingebracht, um ein umfassendes Bild im Vergleich Bremen-Niedersachsen zu erhalten. Deswegen beantragen wir die getrennte Abstimmung zu Punkt drei. Wir tragen diesen Punkt noch nicht mit. Das bedeutet keine abschließende Meinungsbildung. Wir müssen wissen, worum es hier tatsächlich geht. Erst dann können wir uns als CDUFraktion eine Meinung bilden. - Danke schön! (Beifall CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Kohlrausch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! In den letzten beiden Jahren hat es an dieser Stelle viele Reden zur Situation der frühkindlichen Bildung in Bremen, zur Zusammenlegung der Ressorts, zur Erhöhung der Kita-Beiträge, zu den Kinderbetreuungszeiten und vor allem zum Mangel an Plätzen gegeben.

Im Eingangsbereich meiner Wohnung sitzt der Bremer „Bildungs-Bär“, den Elternvertreter den zuständigen Politikern überreichten, um uns an die Notwendigkeit der Qualität der frühkindlichen Bildung zu erinnern. Wie sieht es hierbei aus? Der Antrag der Fraktion DIE LINKE schildert uns die vorhandenen Probleme. Ähnliche Kritik äußern der Zentralelternverband, die GEW, viele Schreiben von Eltern einzelner Kindertagesstätten und unzählige Leserbriefe. Sandra Ahrens und Sophia Leonidakis haben das in ihren Reden auch dargestellt. Alle zeigen auf, dass in der Vergangenheit massive Fehler gemacht wurden und dass der Ausbau immer noch zu schleppend vorangeht. Dafür gibt es Beispiele aus verschiedenen Stadtteilen.

Bei der Radtour mit Senatorin Dr. Bogedan und Bürgermeister Dr. Sieling konnte ich mich davon überzeugen, dass man Container durchaus als Übergangslösung nutzen kann, und gebe zu, dass hier schnell und effektiv gehandelt wird. Die Unterbringung in Containern kann aber keine langfristige Lösung sein. Das wissen wir alle.

Auch gibt es trotz dieser großen Anstrengungen immer noch unversorgte Kinder, und es werden in den kommenden Monaten weitere dazukommen. Die einzige Lösung scheint die Erhöhung der Gruppenfrequenz zu sein. So beschloss der Senat im Mai die grundsätzliche Aufstockung

der Kita-Gruppen auf 21 Kinder für die kommenden drei Jahre. Diese Maßnahme sei alternativlos, hieß es. Gleichzeitig wurden Gespräche mit allen Betroffenen angeboten. Diese Gespräche hätten aber früher stattfinden sollen. Gemeinsam mit allen Beteiligten hätte man sicherlich andere Lösungen finden können.

Nur wenige Tage später, am 2. Juni 2017, sagte Senatorin Dr. Bogedan, diese Maßnahme werde voraussichtlich zwar nicht ausgeschöpft, aber dennoch gebraucht, unter anderem, um flexibel auf Anmeldungen im Verlauf des KitaJahres reagieren und allen Kindern einen Platz bieten zu können. Warum war dann nicht Zeit, mit allen Beteiligten einvernehmliche Lösungen zu finden? Warum dieses Hauruckverfahren? Nun beugen sich die Träger der Macht des Faktischen. Der Wille zur guten Zusammenarbeit wird auf eine harte Probe gestellt.

Die Freien Demokraten lehnen eine pauschale Gruppenvergrößerung ab und unterstützen den Antrag der Fraktion DIE LINKE.

(Beifall FDP, DIE LINKE)

Den Beschlusspunkt drei können wir aber nicht mittragen und fordern deswegen ebenso wie die CDU getrennte Abstimmung.

Eine Erhöhung der Bezüge ist langfristig sicherlich begrüßenswert, zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht zu finanzieren. Andere Maßnahmen, den Arbeitsplatz für Erzieherinnen und Erzieher attraktiver zu machen, müssen umgehend in Angriff genommen werden. Dazu gehört es, keine Quartalskinder mehr in den Ü3-Gruppen aufzunehmen.

Auch müssen alle Unklarheiten der Verfahrensweise bei Aufnahme eines 21. Kindes umgehend beseitigt werden. Wir Freie Demokraten erwarten eine gute, langfristige Planung nicht nur für die frühkindliche Bildung, sondern daraus folgend auch für den Schulbereich. Perspektiven müssen zeitnah aufgezeigt werden. Vor allem erwarten wir eine Verbesserung der Kommunikation mit allen Beteiligten. Wir fordern, dass die zeitliche Begrenzung der Aufstockung eingehalten wird und endlich ausreichend für die Zukunft geplant und gebaut wird. - Vielen Dank!

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Güngör.

Landtag 3984 51. Sitzung/8.11.17