Protokoll der Sitzung vom 08.11.2017

Landtag 3984 51. Sitzung/8.11.17

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine pauschale Gruppenvergrößerung lehnen auch wir ab.

(Abg. Frau Leonidakis [DIE LINKE]: Dann kön- nen Sie ja zustimmen!)

Bei der Beantwortung der Frage, ob ein 21. Kind aufgenommen werden soll, stehen wir in der Tat vor einem Dilemma. Wir wissen, dass es in Bremen besonders viele Kinder gibt, die Aufmerksamkeit, Unterstützung und Begleitung in ihrem pädagogischen Alltag brauchen. Um bestehende Benachteiligungen und Rückstände ansatzweise auszugleichen, müssen wir in Bremen fast flächendeckend früh ansetzen. Diese Probleme haben wir hier schon mehrfach ausgiebig diskutiert.

Der Senat hat viele neue zusätzliche Gruppen geschaffen, auch viele Mobilbauten, die für uns keine Ideallösung sind. Damit decken wir die Bedarfe aber kurzfristig ab. Weitere Platzgewinne entstehen durch neue Dependancen, Erweiterungsbauten oder durch komplett neue Einrichtungen.

Angesichts weiterhin bestehender hoher Bedarfe galt es abzuwägen, ob an einigen Standorten - eben nicht pauschal - ein Kind mehr aufgenommen werden soll oder ob Kinder leer ausgehen sollen. Wir haben uns nach einer sehr intensiven und sehr kontrovers geführten Debatte dafür entschieden, durch eine Sonderregelung die Möglichkeit dafür zu schaffen, in vorhandenen Räumen die bislang festgelegte maximale Anzahl von Plätzen um fünf Prozent zu überschreiten. Auch in der Vergangenheit war es übrigens Praxis, dass in Einzelfällen ein 21. Kind aufgenommen wurde.

Mit der Sonderregelung geht es vor allem darum, dass wir uns Luft verschaffen, um gegebenenfalls unterjährig entstehende Bedarfe flexibel decken zu können. Mit dieser Sonderregelung haben wir die rechtliche Grundlage hierfür geschaffen. In der Diskussion war es uns aber auch wichtig, dass diese Regelung zeitlich befristet ist und ohne neue politische Beratung und Befassung ausläuft. Die befristete Änderung bedeutet auch, dass die Träger keine Ausnahme beantragen müssen. Das reduziert den Verwaltungsaufwand.

Von der Sonderregelung sind Raumstandards, nicht aber Personalstandards betroffen, da zusätzlich belegte Plätze gemäß Richtlinie zur kapazitätsunabhängigen Förderung von Kindergärten die Gesamtförderung und dementsprechend die anzuerkennenden Personalkosten erhöhen.

Eine weitere Forderung lautete, die mögliche Vergrößerung nicht in Stadtteilen mit besonders großer Herausforderung zu realisieren. Zusätzlich haben wir beschlossen, dass es zur Entlastung auch Personalverstärkung geben soll, dazu noch ein Sachkostenbudget für die Elternarbeit und für die weitere Vernetzung vor Ort.

Wir hoffen - das wissen wir noch nicht genau, weil uns der Statusbericht III noch nicht vorliegt -, dass trotz Mangels an Plätzen wenig oder gar keine Gruppenvergrößerung nötig ist. Es gibt Signale, dass das nur begrenzt zur Anwendung kommen wird.

Bisher haben wir auf die erhöhten Anforderungen immer mit einer Erhöhung des Personalschlüssels reagiert. Es gibt - darauf heben Sie in Ihrem Antrag unter Beschlusspunkt drei ab - noch die Möglichkeit der Erschwerniszulage, die nach unseren Informationen bei einem freien Träger zur Anwendung kommt, aber eben nicht bei KiTa Bremen. Mit dem Zweifel, ob Punkt drei Ihres Antrags einfach so beschlossen werden kann, stehen wir als Fraktion nicht komplett allein. Wir halten es für fragwürdig. Das ist eher ein Thema für die Tarifverhandlungen. Ihren Antrag werden wir ablehnen. - Vielen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei den Kita-Debatten ist es am Anfang immer wohltuend, wenn man sagt, dass es diesen Mangel gibt, dass es diesen Mangel nicht erst seit heute gibt und dass dieser Mangel an Plätzen in der Tat eine große strukturelle Schwäche ausmacht. Denn, wie schon gesagt worden ist, gibt es nicht nur die Bedarfe der Kinder und ihrer Eltern, sondern auch einen Rechtsanspruch der Kinder auf einen solchen Platz. Daran anschließend - da weicht meine Darstellung erheblich von dem ab, was Sie aus der Opposition heraus gesagt haben - muss man aber feststellen, dass gerade in den letzten beiden Jahren, in diesem Jahr, für das nächste und übernächste Jahr und auch für die nächsten drei bis vier Jahre außergewöhnliche Anstrengungen unternommen worden sind und unternommen werden, um neue Plätze für Kinder zu schaffen.

Genauso, wie man zugibt, dass es einen Mangel gegeben hat und in Teilen noch gibt, genauso, wie man selbstkritisch einräumen muss,

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dass es wirklich nottut, über die Ursachen dieses Mangels zu reden, muss man doch auch einmal feststellen: Zurzeit entstehen in den Mobilbauten weit über 1 000 Plätze. Es entstehen in Gruppen, in Einrichtungen neue Plätze, die immer mit Personal hinterlegt sind. Es entstehen ja keine neuen Plätze ohne die zusätzlichen Personalressourcen. Ferner unternimmt der Senat eine außergewöhnliche Anstrengung, neue Plätze zu schaffen, um dem Missstand abzuhelfen. Diese Anerkennung gehört wie die Selbstkritik und die Frage, wie es zu dieser Situation gekommen ist, meines Erachtens dazu, um ein Bild der gesamten Lage zu zeichnen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Es ist völlig klar, dass es das, was DIE LINKE in ihrem Antrag benennt, so nie gegeben hat und auch nicht geben wird, nämlich eine pauschale Gruppenvergrößerung in den Gruppen der Drei- bis Sechsjährigen um das 21. Kind. Davon kann überhaupt keine Rede sein. Bisher gibt es überhaupt kein 21. Kind in irgendeiner Gruppe.

(Abg. Frau Ahrens [CDU]: In der Gruppe so- wieso nicht! Im Elementarbereich!)

Wenn es sich so weiterentwickelt, wird es vielleicht in Einzelfällen, in einer kleineren Anzahl von Fällen einen Konsens zwischen dem Träger und den Behörden geben, dass man das eine oder andere 21. Kind auf der Basis der Richtlinien aufnimmt. Bedenkt man, dass Sie selbst in Ihrem Antrag vom Senat fordern, die bisherige Praxis, nämlich dass Träger Ausnahmegenehmigungen beantragen und dann ein 21. Kind in den Gruppen aufnehmen können, beizubehalten, bedenkt man, dass der kommunale Träger in Bremerhaven grundsätzlich eine generelle Ausnahmegenehmigung beantragt hat und überall in seinen Gruppen 21. Kinder aufgenommen hat, ist das, was Sie heute an großem Popanz aufbauen, nämlich die pauschale Vergrößerung der Gruppen um das 21. Kind, so schnell zerplatzt wie eine Seifenblase, die ein Kind in die Luft geblasen hat.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Es gibt keine pauschale Gruppenvergrößerung. Das war nie das Ziel. Es wird sie in nächster Zeit auch nicht geben. Angesichts dessen, was wir schon immer hatten, nämlich dass Träger 21. Kinder im Rahmen der Ausnahmeregelung in Gruppen aufgenommen haben, wird die Differenz zwischen dem, was bisher Praxis war, und dem, was auf der Basis der neuen Richtlinie tatsächlich passiert, wahrscheinlich nie besonders groß werden.

Der absolute Schwerpunkt der Lösung des Problems liegt also für die Koalition in der Schaffung neuer Plätze, neuer Kitas, neuer Gruppen. Wir müssen jetzt dringend den Prozess beschleunigen, mit dem über die Mobilbauten hinaus die Träger, auch unser kommunaler Träger, in die Lage versetzt werden, neue Kitas zu bauen oder an bestehenden Kitas anzubauen, sodass feste Gebäude entstehen, in die die Kinder aus den Mobilbauten überwechseln können oder die noch obendrauf kommen. Es ist eine absolut wichtige Aufgabe, das so schnell wie möglich zu machen und entsprechend zu beschleunigen.

Wir haben das Problem auch bei den etwas schleppenden Schulbauten oder den Ganztagsgrundschulen. Wir brauchen hier eine Priorität im Verfahren. Wir brauchen eine Priorität bei der Personalausstattung von Immobilien Bremen oder der Senatorischen Behörde, und wir brauchen klare Bedingungen für die Träger, die diese neuen Einrichtungen meist mit Investorenmodellen schaffen. Denn nicht das 21. Kind, sondern neue Einrichtungen, neue Plätze sind die Lösung des Problems. Das weiß jeder von uns. Deswegen ist diese Regelung auch bis 2020 befristet.

(Glocke)

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin, und fasse zusammen: Weder gibt es eine pauschale Vergrößerung der Gruppen noch gibt es bisher einen einzigen Fall, in dem eine Gruppe vergrößert worden ist. Es gibt eine rechtliche Grundlage, dies machen zu können, die wir angesichts der Abwägung zwischen der Frage, ob unter bestimmten Umständen das 21. Kind in die Gruppe kommen kann, und der Frage, ob das das Kind ein Jahr lang überhaupt nicht betreut,

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grü- nen]: So ist es!)

überhaupt nicht versorgt, überhaupt nicht frühkindlich weitergebildet wird, für tragbar, für in Ordnung halten. Bei dieser Abwägung haben wir uns - im Einzelfall und nicht pauschal - für diesen Weg entschieden. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Dr. Bogedan.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Leonidakis, ich war sehr überrascht über die Einbringung Ihres Antrags. Mein

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Eindruck war, Sie haben Ihre Rede aus dem Mai, als Sie den Antrag eingebracht haben, noch einmal gehalten. Eigentlich ist der Zahn der Zeit über die Ereignisse hinweggegangen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen - Abg. Rupp [DIE LINKE]: Der Zahn der Zeit ist darüber hinweggegangen?)

Damals haben wir vor der Situation diskutiert, dass wir noch nicht wussten, ob das mit unserem Mobilbauprogramm in der Form klappt, wie wir uns das vorgenommen haben. Wir wussten, es ist ein wahnsinniger Kraftakt, diese Plätze zu schaffen, aber es ist uns gelungen.

Nun haben wir die Situation, dass wir von der Maßnahme, die wir immer als Ultima Ratio, immer als die letzte Möglichkeit bezeichnet haben, bislang noch nicht einmal Gebrauch machen mussten. Wie ich richtig zitiert worden bin, habe ich immer gesagt: Das machen wir, wenn wir unterjährig die Situation haben, dass wir Kinder zu versorgen haben. Ja, das Kindergartenjahr ist noch nicht zu Ende. Der weitere Platzausbau schreitet voran. Das heißt, dies ist kein Nullsummenspiel, sondern wir schaffen sukzessive neue Plätze, in die wir Kinder, die zusätzlich angemeldet werden, vermitteln können.

Mit Stand von heute können wir immer noch nicht sagen, in welcher Größenordnung wir von dieser Regelung Gebrauch machen werden. Also ist das, worüber Sie hier diskutieren, etwas, was es in der Realität gar nicht gibt. - Fakt eins.

(Abg. Frau Leonidakis [DIE LINKE]: Dann ist ja alles gut, Frau Senatorin! - Abg. Güngör [SPD]: Ist es ja auch!)

Fakt zwei ist, dass Sie davon sprechen, wir hätten in der Richtlinie eine pauschale Gruppenvergrößerung vorgegeben. Das ist eine völlig falsche Darstellung. Sie wissen doch ganz genau, weil wir das in der Deputation und im Unterausschuss ausführlich erörtert haben, dass die Regelung genau das nicht vorsieht. Wir können nicht anweisen. Wir sind auf die Gemeinschaft und die Zusammenarbeit mit den Trägern angewiesen. Das war immer Teil einer Verabredung des Bündnisses für Bildung und Integration und Betreuung. Insofern wird es dabei bleiben, dass, wenn wir - dabei bleibe ich - im Interesse der Kinder und ihrer Eltern die Notwendigkeit sehen, ein Kind in eine Einrichtung zu vermitteln, in der die bisherigen Gruppen schon ausgelastet sind, wenn wir also von dieser neuen Regelung Gebrauch machen wollen, dies immer eine Situation sein wird, in der das

handverlesen und im Einzelfall betrachtet werden wird.

Dann wird es immer so sein, dass die Einrichtung selbst in der Lage ist, zu entscheiden, ob sie das Kind aufnehmen kann. Es war eine gemeinschaftliche Verabredung mit den Trägern, in dieser Art und Weise zu verfahren: Dies ist sehr nah an dem, was Sie fordern: es bei der freiwilligen Aufnahme zu belassen.

Schaut man Ihren Antrag an, so ist festzustellen: Eine pauschale Vergrößerung gibt es nicht. Befristet Überkapazität aufzunehmen, ist genau das Verfahren, das vonstattengehen wird. Es wird handverlesen sein. Es werden Einzelfallsituationen sein.

Eben wurde schon über alternative Möglichkeiten gesprochen. Natürlich prüfen wir weiter alle alternativen Möglichkeiten. Sie wissen, dass sich bei den Dependance-Lösungen zwischenzeitlich viel mehr als das, was Sie hier an Argumenten genannt haben, ergeben hat. Sie wissen auch, dass wir mit anderen Lösungen viel weiter gekommen sind, als Sie das hier beschreiben. Insofern ist es, wenn wir über den Antrag sprechen, nicht notwendig, diese Aufgeregtheit zu produzieren. Es gibt nicht die Situation, dass in der Stadtgemeinde Bremen irgendwelche Gruppen pauschal vergrößert werden.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn wir aber über das sprechen wollen, worüber Sie vorhin gesprochen haben, nämlich über die Belastungssituation von Beschäftigten in den bestehenden Einrichtungen, strecke ich meine Hand ganz weit aus. Wir haben darüber schon häufig diskutiert, und Sie wissen, dass ich ehrlich bereit bin, über das zu sprechen, was Belastungssituationen ausmacht. Ich bin aber nicht bereit, an einer Scheindebatte mitzuwirken, in der es um ein ganz anderes Problem geht, eine Auseinandersetzung zu führen, wie sie unter Beschlusspunkt drei vorbereitet wird.

Wir sind ehrlich bereit, über Belastungssituationen in Einrichtungen und darüber zu sprechen, wie Arbeitsbedingungen verbessert werden können. Dieses Angebot habe ich den Trägern gemacht, ich habe es den Beschäftigtenvertretern gemacht. Dieses Angebot haben der Bürgermeister und die Finanzsenatorin ebenfalls gemacht. Ich spreche es an dieser Stelle erneut aus. - Vielen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Leonidakis.

Landtag 3987 51. Sitzung/8.11.17

Frau Senatorin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin doch etwas erschrocken. Sie alle wissen, worüber wir hier reden. Sie sagen, es sei noch keine Gruppe vergrößert worden. Damit streuen Sie der Öffentlichkeit Sand in die Augen. Wir alle haben ja der Presse entnommen, dass die Gruppenvergrößerung nun ansteht, dass die einzelnen Träger aufgefordert wurden, Gruppen zu benennen, in denen sie 21. Kinder aufnehmen können. Die Meldungen liegen in Ihrer Behörde. Die Gruppenvergrößerungen stehen kurz vor der Umsetzung. Insofern können Sie doch nicht sagen, das Ganze sei überhaupt kein Thema, und damit habe Ihre Behörde gewissermaßen nichts zu tun.