Protokoll der Sitzung vom 08.11.2017

Frau Senatorin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin doch etwas erschrocken. Sie alle wissen, worüber wir hier reden. Sie sagen, es sei noch keine Gruppe vergrößert worden. Damit streuen Sie der Öffentlichkeit Sand in die Augen. Wir alle haben ja der Presse entnommen, dass die Gruppenvergrößerung nun ansteht, dass die einzelnen Träger aufgefordert wurden, Gruppen zu benennen, in denen sie 21. Kinder aufnehmen können. Die Meldungen liegen in Ihrer Behörde. Die Gruppenvergrößerungen stehen kurz vor der Umsetzung. Insofern können Sie doch nicht sagen, das Ganze sei überhaupt kein Thema, und damit habe Ihre Behörde gewissermaßen nichts zu tun.

(Beifall DIE LINKE)

Nun zur pauschalen Gruppenvergrößerung. Herr Dr. Güldner, wir besprechen dies hier im Landtag, weil es um eine Landesrichtlinie geht. Die Landesrichtlinie legt die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Betreuung und Aufnahme und die Arbeitsbedingungen in den Kindertageseinrichtungen in Bremen und Bremerhaven fest. Diese Richtlinie ist die gesetzliche Grundlage, auf der die Betreuung vor Ort stattfindet. In dieser Richtlinie ist, befristet auf drei Jahre, eine pauschale Gruppenvergrößerung ermöglicht worden. Genau darüber sprechen wir hier.

(Abg. Dr. Güldner [Bündnis 90/Die Grünen]: Was heißt „pauschal“? Es ist eine Möglichkeit!)

Ich habe zu keinem Zeitpunkt gesagt, dass alle Gruppen in Bremen und Bremerhaven ab sofort 21 Kinder haben. Das steht auch nicht in unserem Antrag. Wenn Sie etwas anderes herauslesen, ist das mutwillige Falschinterpretation.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grü- nen]: So wie Sie uns unterstellen, wir seien für das 21. Kind! Frau Leonidakis, Sie sind dieje- nige, die gern alles verdreht!)

Das steht weder in unserem Antrag noch habe ich oder hat sonst irgendjemand dies behauptet.

(Beifall DIE LINKE)

Vielmehr geht es darum, dass die Rahmenbedingungen von Ihnen angepasst wurden. Ich habe keine Antwort auf die Frage gehört - auch nicht von der Senatorin -, was Sie gemacht haben, um das zu vermeiden, einmal abgesehen von dem SoProMob-Programm. Es ist richtig: Wir haben uns nicht dagegen gewendet, obwohl SuProMobs nicht unser Wunschmodell sind

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das ist doch eine Verbesserung für die Kinder, die gar keinen Platz haben!)

und obwohl auch sie eine Verschlechterung der Bedingungen mit sich bringen, weil auch wir die Notwendigkeit gesehen haben. Wir haben uns nicht dagegen gewendet, weil auch wir Erfordernisse erkennen.

Ich habe von Ihnen, Frau Senatorin, keine Antwort auf die Frage gehört, was Sie bezüglich der Eigenbetriebe vorhaben, was durch sie geleistet werden soll. Ich habe in meinem ersten Redebeitrag darauf hingewiesen, dass nur zwei neue Objekte durch Immobilien Bremen vorgesehen sind. Das ist mir zu wenig.

(Beifall DIE LINKE)

Hier möchte ich von Ihnen weitere Aktivitäten sehen, und zwar schnellstmöglich.

(Beifall DIE LINKE)

Einige hier sitzen im Unterausschuss. Sie kennen die Zahlen, weil sie dort schriftlich vorgelegen haben. Wir alle stehen in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Stadtgemeinde mehr übernimmt.

Senator Dr. Lohse hat gestern gesagt, wir müssten darüber nachdenken, Flächen anzukaufen, um sie - wohl gemerkt! - als Gewerbeflächen auszuweisen. Wir diskutieren im Unterausschuss darüber, ob Flächen für den KitaBau angekauft werden könnten, und die Antwort darauf lautet, Immobilien Bremen könne das gar nicht bewältigen. Vor diesem Hintergrund frage ich mich, was diese Stadt eigentlich kann. Warum kann Bremen nicht selbst mehr Kindertageseinrichtungen bauen? Sie dauerhaft zu mieten, wird letztlich teurer. Sie müssen jetzt in die Gänge kommen, und zwar schnell. Dazu habe ich von Ihnen nichts gehört.

(Beifall DIE LINKE)

Sie haben die Rahmenbedingungen für eine Gruppenvergrößerung geschaffen, also eine pauschale Richtlinienveränderung vorgenommen, und dann die Verantwortung für die Ausführung an die Träger abgegeben. Die Träger sollten nach einem AG-78-Beschluss Einrichtungen benennen, in denen mehr Kinder aufgenommen werden können. Die Träger machen das jetzt, weil sie dazu gesetzlich verpflichtet sind. Die Träger machen das so, wie sie denken, das am besten machen zu können. Das bedeutet, dass die Einrichtungen vorgeschla

Landtag 3988 51. Sitzung/8.11.17

gen werden, die vergleichsweise noch gut dastehen. Ich habe dargestellt, was der normale Alltag in einer Kita bedeutet.

Dort, wo die Bedarfe sind - -.

(Abg. Güngör [SPD]: Aber das heißt nicht: über- all ein 21. Kind!)

Ich habe die Stadtteile genannt. Herr Güngör, Sie haben gesagt, die Stadtteile mit besonderen Herausforderungen seien ausgenommen. Genau dort bestehen aber die Bedarfe. Ich habe eben aus der Liste vorgelesen - wir haben sie ja vorgelegt bekommen -, aus der hervorgeht, wo die unterversorgten Kinder sind. Mit dieser Maßnahme, dieser eklatanten Qualitätsverschlechterung sorgen Sie vor allem dafür, dass extrem viel Personal fehlen wird. Mit dieser Maßnahme werden Sie die Kinder nicht versorgen können, weil Sie nicht sagen können, dass ein Kind aus Gröpelingen oder Obervieland zwei oder drei Stadtteile weiter gefahren werden soll. Sie werden die Kinder so nicht versorgen können. Sie müssen in die Gänge kommen und vor allem dafür sorgen, dass das Fachpersonal vorhanden ist.

Das ist kein Witz. Wir haben im Juni über unsere Anfrage zur Fachkräfteentwicklung diskutiert. Damals wurde gesagt, wir hätten 1 400 Erzieherinnen oder Erzieher „über den Durst“. Ich denke, alle hier wissen, dass das nicht der Fall sein kann. Diese Zahl ist einfach absurd. Nach unserer Berechnung fehlen bis zum Jahr 2020/2021 - ohne die Gruppenvergrößerung - 500 Erzieherinnen und Erzieher.

(Glocke)

Vergegenwärtigt man sich, dass Gruppen nicht geöffnet werden können, weil das Personal fehlt, so müssen Sie Anreize schaffen. Andernfalls wird Ihnen der Fachkräftemangel extrem auf die Füße fallen. Dann werden Sie noch viel mehr unversorgte Kinder haben. Das kann nicht in Ihrem Sinne sein.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das ist nicht nur ein bremisches Problem!)

Das kann auch nicht im Sinne der Beschäftigten sein.

(Glocke)

Wir haben einen Haushaltsänderungsantrag gestellt, der ein Volumen von 4 Millionen Euro hat und gegenfinanziert ist. Insofern könnten Sie an dieser Stelle einfach zustimmen. Tarifrechtlich ist das möglich. - Vielen Dank!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Ahrens.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nur noch auf zwei Punkte eingehen und nicht darauf, dass die Debatte hier komplett aufgemacht worden ist und weit über das 21. Kind hinaus geführt wurde.

Das 21. Kind in einer Gruppe kann - so ist es eben auch dargestellt worden - durch zwei unterschiedliche Maßnahmen herbeigeführt werden. Die eine ist etwas, was es schon seit vielen Jahren gibt: das 21. Kind im Rahmen einer Ausnahmeregelung, die einmal in einer von fünf, sechs Gruppen, die ein Kindergarten hat, zum Tragen kommen kann.

(Abg. Frau Dr. Müller [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja! Was ist daran dramatisch?)

Man kann das 21. Kind auch über die Veränderung der Rahmengesetzgebung herbeiführen, wie es von dem Kollegen der Grünen eben dargelegt worden ist.

Jetzt haben wir folgenden Sachstand: Am 1. August 2017 begann ein neues Kindergartenjahr. In dem Kindergarten meiner Kinder - ich bin relativ kindergartenerfahren, weil ich meine Kinder mittlerweile seit sechs Jahren im Kindergarten habe -

(Abg. Frau Dr. Müller [Bündnis 90/Die Grünen]: Wow, was für eine Leistung! - Abg. Güngör [SPD]: Irgendwann müssen die da mal raus!)

sind in vier von fünf Gruppen 21. Kinder aufgenommen worden, alle über die sogenannte Ausnahmeregelung. Das ist eigenartig, wenn man überlegt, dass die Ausnahmeregelung in den vergangenen Jahren in maximal einer Gruppe in einem Kindergarten gezogen hat.

In der letzten Sitzung des Unterausschusses haben wir danach gefragt, wie viele 21. Kinder es im Rahmen dieser Ausnahmeregelung gibt. Wir haben keine Antwort bekommen können. Da muss man jetzt nacharbeiten. Mir stellt sich schon die spannende Frage, inwiefern über diesen Weg schon ganz viele Gruppen mit 21 Kindern geschaffen worden sind, weil wir einen solchen Platzmangel haben.

Ich komme als zweitem Aspekt zum Ausblick für die Zukunft. Im Unterausschuss wurde uns eine Vorlage vorgelegt, die den weiteren Platzausbau für das nächste Jahr beschreibt. Wenn Sie sich das genau ansehen, stellen Sie fest, dass

Landtag 3989 51. Sitzung/8.11.17

in den sogenannten soziokulturell benachteiligten Gebieten - andere nennen es soziale Brennpunkte - und insbesondere in Stadtteilen mit besonders vielen Kindern, die viel Aufmerksamkeit, Unterstützung und Begleitung im pädagogischen Alltag brauchen, wie der Kollege von der SPD das eben so nett und freundlich umschrieben hat, die meisten Kindergartenplätze fehlen.

Dann fallen Sie auch darüber, dass durch das, was im Laufe dieses Kindergartenjahres, mit diesen Gruppen, die - wohl gemerkt! - bis zum 31. Juli 2018, also im laufenden Kindergartenjahr, geschaffen werden sollen, die Bedarfe des Jahres 2016/17, die die Behörde selbst mitgeteilt hat, die schon vom 1. August 2016 bis zum 31. Juli 2017 bestanden, also in der Vergangenheit liegend, abgedeckt werden sollen. Das kann man sich in harten Zahlen ansehen. Da fehlen einmal fünf Gruppen, einmal sieben Gruppen, einmal zehn Gruppen. Das zieht sich komplett durch Bremen-Nord. Das zieht sich durch Osterholz. Das zieht sich durch Kattenturm. Das zieht sich durch Huchting. Und so weiter.

Sieht man sich die angrenzenden Stadtteile an und stellt fest, dass auch diese nicht in der Lage sind, entsprechend Kinder aufzunehmen, weiß man, dass das 21. Kind mit vielleicht 5 oder 17 bei dem einen und 15 Kindern bei dem anderen Träger jetzt noch ganz vorsichtig um die Ecke kommt, aber spätestens nächstes Jahr ein flächendeckendes Thema sein wird. Wir als CDU-Fraktion sagen: Wehret den Anfängen! Wir wollen frühkindliche Bildung von Anfang an. Wir wollen Qualität steigern und nicht abbauen, denn wir wollen verbesserte Ergebnisse im Bereich Bildung erreichen. Das fängt bei uns in der Krippe und im Kindergarten an. Deswegen sind wir gegen das 21. Kind. - Danke schön!

(Beifall CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es ist getrennte Abstimmung beantragt.