Nein, meine eigene Statistik sagt, dass das Migrationsamt Bremen im Januar/Februar drei Personen abgeschoben hat, und ich bin mir relativ sicher, dass wir schwerpunktmäßig Personen - ich kann jetzt die Herkunftsstaaten nicht im Einzelnen nachvollziehen - eben nicht in die Westbalkanstaaten, sondern nach Nordafrika zurückgeführt haben. Der Schwerpunkt unserer Rückführungspolitik liegt nämlich ganz ausdrücklich bei der Rückführung von Straftätern und Gefährdern und eben nicht bei der Rückführung von Familien in den Westbalkan.
Im Gegenteil hat der Senat sich aufgestellt und eine sehr dezidierte Förderung der freiwilligen Ausreise unterstützt. Das heißt, dass wir in ganz, ganz großer Zahl freiwillige Ausreisen gerade in den Bereich Westbalkan erreicht haben. Wir haben im Übrigen auch nicht mehr besonders viele Neuzugänge aus dem Westbalkan. Meines Erachtens ist in der Tat der Handlungsdruck für eine generelle Regelung in Bremen nicht besonders groß, sondern vielmehr hat sich bei uns das System der Einzelfallprüfung bewährt.
Das ist übrigens das System, das wir schon seit langer Zeit pflegen. Wir haben in Bremen auch seit längerer Zeit keine sogenannte Winterregelung mehr, die ja unter dem eigentlichen Abschiebestopp die Ausländerbehörden dazu angehalten hat, eine besonders sorgfältige Einzelfallprüfung vorzunehmen. Wir haben in den letzten Jahren die Erfahrung gewonnen, dass unsere Ausländerbehörden das ohnehin tun und deshalb eine dezidierte extra Erlasslage dafür nicht noch einmal erforderlich ist.
Sie haben darauf hingewiesen, es gibt kein Bundesland, das eine solche Regelung einführt, und Sie haben auf die veränderten Rechtslagen hier in der Debatte auch hingewiesen, auf die Einstufung als sicheres Herkunftsland, die im Übrigen für die Personen, die aus diesen Ländern kommen, das absolute Arbeitsverbot zur Folge hat, selbst im Falle der Duldung. Wir haben Vereinbarungen der Ministerpräsidentenkonferenz, wir haben entsprechende gesetzliche Regelungen, die man alle nicht richtig finden muss, aber trotzdem: Als Verwaltung sind wir an gesetzliche Regelungen gebunden und setzen sie um. Die Spielräume, die uns für humanitäre Entscheidungen zur Verfügung stehen, nutzen wir.
Was wir meines Erachtens, wie gesagt, nicht brauchen, ist eine generalisierende Regelung, die im Übrigen dann in der Form, wie sie hier gefordert wird, auch die Abschiebung von Straftätern und Gefährdern nicht mehr möglich machen würde.
Das hielte ich auch inhaltlich für falsch, aber darüber hinaus bin ich sicher, dass wir mit unseren beiden Behörden in Bremen und Bremerhaven und mit den Kolleginnen und Kollegen beim Senator für Inneres so aufgestellt sind, dass wir den besonderen humanitären Bedürfnissen im Einzelfall gerecht werden können, ohne eine generalisierende Regelung erlassen zu müssen.
Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE mit der Drucksachennummer 19/1407 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Perspektiven junger Männer mit Migrationshintergrund in Bremen und Bremerhaven Große Anfrage der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD vom 13. Juni 2017 (Drucksache 19/1115)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Tagesordnungspunkt war schon, glaube ich, viermal erst kurz vor dem Sitzungsende ausgesetzt worden. Ich bin froh, dass er heute endlich an der
Reihe ist, auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass er die Aufmerksamkeit von mittwochs, 14.30 Uhr, bekommt und nicht fast die letzte Debatte ist.
Was wir debattieren, die Große Anfrage, die uns vorliegt, geht zurück auf mehrere aktuelle Studien, die meine Fraktion mit mir gemeinsam als relativ alarmierend empfunden hat. Sowohl die Europäische Kommission als auch das niedersächsische Wissenschaftsministerium haben sich einmal die Lebenssituation und die Perspektiven von jungen Männern mit Migrationshintergrund in Niedersachsen und in acht europäischen Ländern angeschaut. Sie sind zu gravierenden Ergebnissen gekommen, nämlich dass junge Männer - ich rede eben nicht von geflüchteten, sondern von in Europa geborenen jungen Männern, deren Familien einen Migrations- und Zuwanderungshintergrund haben - massiv von Ausgrenzung und Diskriminierung betroffen sind, und zwar relativ pauschal, also mehrheitlich betroffen sind.
Es fängt in der Schule an, wo sie mit Lehrerinnen und Lehrern zu tun haben, die zum Großteil glauben: Die bringen es sowieso nicht! Das geht in der Ausbildung weiter, das geht bei der Wohnungssuche weiter, an der Diskotür, das kennen wir alles, das haben wir durchaus hier im Haus auch schon diskutiert. Letztlich mündet es dann in der Stigmatisierung als aggressive Jugendliche, als Schulabbrecher, als gewalttätige junge Männer, obwohl sie selbst zum Großteil Opfer von Gewalt werden.
All diese Ergebnisse aus den Studien, die uns vorliegen, haben uns dann veranlasst, den Bremer Senat zu fragen, wie es eigentlich in Bremen aussieht. Die Antwort, die Ihnen vorliegt, beunruhigt mich zumindest, weil wir eigentlich keine aussagekräftigen Daten zur Lebenssituation von jungen Männern mit Migrationshintergrund haben und im Grunde davon ausgehen, dass Bremen sich nicht besonders positiv von den Allgemeinergebnissen der Studien abhebt, sondern wir im Grunde Teil der Ergebnisse dieser Studie sind, also davon ausgehen, dass die Situation für junge Männer in Bremen ähnlich ist.
Das zweite Ergebnis aus der Antwort des Senats ist, dass wir - nehmen wir einmal an, dass junge Männer von Ausgrenzungen und Diskriminierungen in diesem hohen Maße betroffen sind! - zwar einzelne Informationen zum Beratungsangebot für diese Zielgruppe vorhalten, aber bei Weitem nicht in einem ausreichenden Maße und bei Weitem nicht so, wie wir es zum Beispiel aus der Mädchenarbeit kennen. All das, was wir uns über Jahrzehnte in der
Mädchenarbeit erarbeitet haben und anbieten, davon können junge Männer generell und eben insbesondere junge Männer mit Migrationshintergrund wirklich nur träumen. Deswegen finde ich es so schade, dass wir jetzt wenig Aufmerksamkeit für das Thema haben, weil wir, glaube ich, vor einer großen Herausforderung stehen.
Wenn wir nicht wollen, dass junge Männer insgesamt und im Speziellen eben junge Männer mit Migrationshintergrund immer erst in den Fokus der Öffentlichkeit rücken, wenn es um Kriminalität, um Schulabbruch und so weiter geht, wenn wir vorher ansetzen wollen, nämlich dann, wenn sie noch nach Hilfe suchen, dann müssen wir uns wirklich Gedanken machen, wie wir jetzt auch tatsächlich ein Beratungsnetzwerk, ähnlich wie wir es bei der Mädchenarbeit haben, für die Jungenarbeit aufbauen.
Letzter Punkt: Die Anfrage ist ja schon ein bisschen älter, sie ist aus dem Sommer. Inzwischen hat es viele Gespräche auch mit dem JungenBüro gegeben, und alles, was man von dort hört - sehr lange Wartelisten mit Jungen und jungen Männern, die zunehmend Erfahrung mit sexualisierter Gewalt machen, denen nicht rechtzeitig geholfen werden kann, weil wir über das JungenBüro hinaus im Grunde keine Angebote für Jungs und junge Männer haben, die solche Gewalterfahrungen machen -, muss uns auch noch weiter alarmieren und zeigt uns ein riesiges Handlungsfeld auf, dem wir uns jetzt gern gemeinsam mit dem Senat auch stellen würden. - Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als ich den Titel dieser Großen Anfrage zum ersten Mal gelesen habe, habe ich spontan an die Bereiche Bildung und Arbeit und so weiter gedacht. Zum Thema „Perspektiven junger Männer mit Migrationshintergrund in Bremen und Bremerhaven“ kann man auch vieles sagen, aber dass es um Ausgrenzung und Diskriminierung geht, habe ich leider erst viel später gemerkt und fand es auch schade, dass nicht schon gleich im Titel erkennbar wurde, dass es um diesen wichtigen Teilaspekt geht. Im Einleitungstext steht dann auch tatsächlich ein Satz, der mich auch neugierig ge
macht hat, nämlich: „Junge Männer mit Migrationshintergrund mit entsprechenden Unterstützungsangeboten und spezifischen Maßnahmen zu unterstützen, ist eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe und erfordert neue Handlungsperspektiven.“ Gemeint ist das in Bezug auf Erfahrungen mit Diskriminierungen, und diese Unterstützungsangebote und spezifischen Maßnahmen soll es wohl für die Bereiche Ausbildung, Arbeit, Freizeit, Kultur und Sport geben.
Ich habe dann neugierig auf Ideen und Vorschläge hin weitergelesen, aber da wurde ich leider enttäuscht. Es folgten etliche Fragen, durch die der Istzustand in Bremen und Bremerhaven abgefragt wird, wo und welche Angebote es mit Maßnahmen gegen Diskriminierung gibt und was es vielleicht auch nicht gibt, aber dann ist eben auch Schluss. Ich habe vermutet, dass Sie zur heutigen Debatte noch einen Antrag einreichen würden, mit dem Sie das Geheimnis um die entsprechenden Unterstützungsangebote und spezifischen Maßnahmen lüften würden, aber auch das ist nicht passiert. Wir haben hier jetzt letztlich keinen Antrag, über den wir heute irgendwie befinden könnten,
deshalb habe ich, ehrlich gesagt, vermuten müssen, dass Sie mit der Antwort des Senats eigentlich ziemlich zufrieden waren.
Ich kann hier jetzt letztlich nicht abstrakt über sogenannte neue Handlungsperspektiven debattieren, die sich in Unterstützungsangeboten und Maßnahmen zeigen sollen, und Frau Müller, das, was Sie eben in Ihrem Debattenbeitrag gesagt haben, bleibt ja eben letztlich ein Stück weit belanglos, weil es nicht irgendwie konkret vorgelegt und gerade auch nicht hier in der Debatte - -.
Wir sind uns jedenfalls sicher einig darüber, dass Diskriminierung bis hin zur Ausübung von Gewalt hier in Bremen keinen Platz hat, strukturell nicht, aber auch sonst nicht. Das muss gesellschaftlich schon früh im Kindergarten und auch in der Schule angegangen werden, da muss entschieden gegengearbeitet werden.
darf in diesem Zusammenhang nicht ignoriert werden, denn junge Männer mit Migrationshintergrund werden ja nicht nur diskriminiert, sie diskriminieren auch, sie sind nicht nur Opfer.
Das habe ich auch überhaupt nicht Abrede gestellt, aber es ist eben nicht nur das, wenn man über das Thema Diskriminierung redet! Wir brauchen in unserem Land und besonders auch in unserer Stadt eine gesellschaftliche Kultur der gegenseitigen Akzeptanz, und zwar für alle. Niemand sollte wegen irgendetwas ausgegrenzt werden.
Es leben hier eben nicht nur junge Männer mit Migrationshintergrund und Erfahrungen mit Diskriminierung, wobei sich bei ihnen oft mehrere Faktoren der Diskriminierung häufen, und somit ist es auch wichtig, darauf aufmerksam zu machen.
Ich bin allerdings der Meinung - und so habe ich auch den Senat in seiner Antwort verstanden, weil er es immer wieder betont hat -, dass alle bestehenden Angebote, besonders auch die für junge Menschen, offen für alle sein sollten und es hoffentlich auch sind. Wir sollten die Gesellschaft eben nicht in kleine Gruppen einteilen, für die wir dann alle möglichen speziellen Angebote vorhalten. Das würde dem Integrations- und auch dem Inklusionsgedanken widersprechen.
Wenn Sie tatsächlich noch einen Antrag dazu einbringen sollten, mit dem Sie konkrete Vorschläge vorlegen, dann wäre ich auch gern bereit, über die Vorstellungen von neuen Handlungsperspektiven durch neue Unterstützungsangebote und Maßnahmen zu debattieren, aber heute haben wir diese noch nicht. Daher muss der Hinweis reichen, dass die CDU-Fraktion Diskriminierung in jeglicher Form genauso wenig gutheißt wie Sie und hoffentlich auch alle anderen hier im Saal. Ich danke Ihnen, Frau Müller, dass Sie in Ihrem Beitrag hier auch noch einmal klar die Diskriminierung in jeglicher Form verurteilt haben!