Protokoll der Sitzung vom 07.12.2017

Insekten ernst meinen, ist das nicht so ein Nachgang oder so ein schönes Argument in der Frage, soll jetzt in der Landwirtschaft Chemie eingesetzt werden oder nicht, sondern da geht es uns um die Insekten per se. Dann geht es uns auch nicht nur um die Insekten als Bestäuber, sondern dann geht es uns auch um die Insekten, die nicht bestäuben. Mir persönlich liegt auch die Feldmücke am Herzen, muss ich ganz ehrlich sagen, obwohl deren bestäubende Wirkung eher gering ist und sie eher ein Vektor für die Übertragung von Krankheiten sein kann.

Lassen Sie uns insofern das Thema Insekten nicht zu wenig ernst nehmen! Es war ein großer Erfolg unserer vorigen Bundestagsfraktion, noch bis zum Ende der Legislaturperiode in die Haushaltsberatungen genau das einzubringen, nämlich ein großes Programm zur Bestandserhebung und zum Schutz von Insekten. Jetzt mag der eine oder andere hier schmunzeln, aber das war tatsächlich in den Haushaltsberatungen im Bereich Umweltpolitik heiß umkämpft, ob man beim Thema Insekten politisch etwas macht.

Das sollten wir tun, und wir sollten es uns dann - und damit will ich dann schließen - aber auch nicht zu leicht machen und sagen, wenn wir jetzt in einer idealen Welt ab morgen überhaupt keine chemischen Wirkstoffe mehr in der Landwirtschaft einsetzen, dann ist mit den Insekten alles gut, denn der Kollege Hilz hat es richtig gesagt: Ein Herbizid ist ein Herbizid, es wirkt gegen Pflanzen, das bedeutet, es wirkt erst einmal nicht direkt gegen Insekten. Es wirkt sogar sehr gezielt gegen Pflanzen, weil es auf einer genetischen Basis funktioniert, es weiß also ganz genau, wo der Feind steht. Warum haben wir trotzdem so viel weniger Insekten?

Dann sind die Fragen zu stellen: Was hat sich insgesamt in der Landwirtschaft nachfragebedingt eigentlich geändert? Hatten wir vor 30 Jahren schon so viel Mais in der norddeutschen Tiefebene wie heute? Ich glaube nicht! Hatten wir so viel Raps wie heute? Ich glaube auch nicht! Hatten wir womöglich mehr Sommergetreide? Ich glaube ja! Das kann man nun wirklich nicht den Landwirten vorwerfen, sondern das ist nachfragegetrieben, da haben wir also eine massive Veränderung dessen, was an Feldfrüchten angebaut wird. Es hat sich auch immer mehr vereinheitlicht, und das verändert natürlich auch völlig unabhängig von der Frage, was mit den Chemikalien ist, etwas bei der gesamten Biodiversität, weil damit Lebensräume verloren gehen. Deshalb warne ich da also vor zu simplen Betrachtungsweisen.

Allerletzter Punkt: Wir als Stadtstaat sind in einer Verantwortung und haben vielleicht auch gerade die Chance, da der ländliche Raum für viele Insekten ein immer weniger interessanter Lebensraum wird. Wir wissen genau, dass mittlerweile auch die Entomologen, die Fachwissenschaftler, uns sagen, die Stadt mit den vielen bunt bestückten Gärten und den Parks ist mittlerweile für Insekten und andere Tiere, auch für Vögel beispielsweise, ein viel attraktiverer Lebensraum geworden als noch vor Jahrzehnten, und umgekehrt ist das Land weniger attraktiv. Wir haben also eine Land-Stadt-Migration von Tieren, und das sollten wir vielleicht auch fördern.

Wir hatten einmal dieses wunderbare Programm „Bremen summt“, und meiner Fraktion ist sehr daran gelegen - der Kollege Herr Hamann nickt, er hat sich selbst ein Flachdach begrünt, also einen Schritt in die richtige Richtung gemacht -, dass wir solche Sachen fördern. Da geht es um Blühstreifen, da geht es auch darum, wie wir eigentlich unsere öffentlichen Grünflächen managen, ob wir mit sauber gestutztem Rasen arbeiten oder auch einmal ein bisschen riskieren, dass es einmal kreuz und quer wächst, dass auch gezielt Blühkräuter gestreut werden. Das finden die Leute dann im öffentlichen Raum nur so lange schön, wie es blüht, und nach zwei Wochen modert das Ganze und geht dann in Biomasse über. Das ist dann ein toller Dünger, aber nicht mehr so hübsch anzusehen. Darüber müssen wir, wie ich glaube, auch in der Stadtgesellschaft insgesamt sprechen, und ich würde mir wünschen, in einer Stadt zu leben, in der es weniger englischen Rasen gibt und mehr blühende Natur.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Da bin ich ganz bei den Grünen.

Ein allerletzter Punkt noch! Ich fand Ihren Einwand sehr gut, Herr Kollege Janßen, denn Sie haben noch einmal die wirtschaftliche Komponente angesprochen. Sie können es aber auch noch ein bisschen mehr zuspitzen. Das Problem, das wir neben all den chemischen Fragen im Moment bei den globalen Agrarkonzernen haben, ist, dass sie uns zwei Dinge liefern. Sie liefern uns Chemikalien, hausgemacht, die in dem Fall als Herbizide auf alle Pflanzen gehen. Sie liefern uns dann aber auch die Nutzpflanzen dazu, die gerade nicht von diesen Herbiziden attackiert werden. Das heißt, Stichwort Biopatente und so weiter, das ist sozusagen die Zweiin-eins-Lösung, und wenn ich mich auf darauf einlasse, habe ich das Problem - allerdings auch die

FDP! -, dass ich mich von den großen Marktführern abhängig mache. Das ist also tatsächlich vor dem Hintergrund Biopatentierung und so weiter auch eine Frage, die wirtschaftspolitisch und ordnungspolitisch sehr, sehr wichtig ist. - In dem Sinne bedanke ich mich!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Imhoff.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ja, Minister Schmidt und seine Entscheidung in Brüssel! Ich weiß es noch genau: Ich habe es im Radio gehört, irgendwie mittags gegen 12.30 Uhr, und gedacht, nein, das hat er nicht wirklich getan! Doch, das hat er getan, und ich halte diese Entscheidung politisch für unklug.

(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP)

Vor allen Dingen, wenn man gegen die Geschäftsordnung der Bundesregierung verstößt und man in einer ohnehin politisch schwierigen Lage ist, in der wir ja in Deutschland momentan auch sind, wenn man in einem angespannten Verhältnis zwischen der Union und der Sozialdemokraten steht, dann sollte man nicht solche einsamen Entscheidungen treffen. Deswegen war diese Entscheidung unklug und meines Erachtens politisch auch nicht clever.

(Beifall CDU)

So viel erst einmal zu den politischen Fragen von Herrn Schmidt!

In der Sache allerdings muss man sich natürlich einmal grundsätzlich fragen, auf welcher Grundlage ein Politiker, ein Senator oder eventuell auch ein Minister, denn entscheiden soll: Soll er sich entscheiden aufgrund irgendwelcher Zurufe von Bürgerinitiativen, soll er sich entscheiden aufgrund irgendwelcher Papiere von NGOs, oder soll er sich aufgrund der Argumentation von sachlich und fachlich fundierten Instituten entscheiden?

(Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Richtig!)

Das Bundesinstitut für Risikobewertung, also ein unabhängiges deutsches Fachinstitut, hat Glyphosat ja sehr genau unter die Lupe genommen, und es gibt kein anderes Mittel im Bereich des Pflanzenschutzes, das so gut untersucht wurde wie Glyphosat. Auch die Europäische Behörde für Le

bensmittelsicherheit und die Europäische Chemikalienagentur sowie 27 andere Agenturen kommen weltweit zu dem Ergebnis, dass Glyphosat keine krebserregende Wirkung für den Menschen hat. Dagegen gibt es die Studie der IARC, der Internationalen Agentur für Krebsforschung - das ist eine Unterorganisation der WHO, der Weltgesundheitsorganisation -, die Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ einstuft, allerdings nicht für alle, sondern für den Anwender. Man muss schon genau lesen. Wenn man solche Fakten hat, dann muss man da schon genau nachschauen, und sie sagt, das betrifft die Anwender.

Jetzt fragt man sich natürlich, wie diese Institute zu solchen unterschiedlichen Bewertungen kommen können. Das Institut für Risikoforschung und die anderen Institute schauen dann, wie viel nimmt der Mensch, wie viel nimmt das Tier von den einzelnen Stoffen auf, gibt es die Wahrscheinlichkeit der Krankheit oder sogar die Wahrscheinlichkeit des Todes.

Die Agentur für Krebsforschung schaut aus einer ganz anderen Perspektive. Sie schaut nämlich nur genau nach, ob es eine Substanz oder einen Stoff gibt, der krebserzeugend ist, und nicht, in welcher Konzentration, sondern nur, ob der Stoff in dem Element vorhanden ist. Davon gibt es übrigens viele Produkte, denn diese Agentur für Krebsforschung hat zum Beispiel die gleiche Warnung auch für Donuts herausgegeben, die gleiche Warnung für Pommes frites, für Wurst, Alkohol und Fleisch, die gleiche Warnung für Handys und genau die gleiche Warnung, „wahrscheinlich krebserregend“, für den Friseurberuf. Ich meine, das muss man auch nur einmal wissen, damit man einschätzen kann, in welcher Schwere diese Annahme dann zu bewerten ist.

Kommen wir zu dem anderen Kritikpunkt! Es wird ja immer gesagt, dass Glyphosat die Artenvielfalt einschränkt und zum Insektensterben beiträgt. Dazu möchte ich sagen, ja, jedes Pflanzenschutzmittel, ob Herbizid oder Insektizid, trägt dazu bei, dass sich unser Lebensraum für die Artenvielfalt und für die Insekten verkleinert, übrigens auch Bioherbizide, das hat ja der Kollege eben auch schon gesagt. Gibt es Alternativen? Darüber wurde hier eben auch gesprochen. Natürlich können wir wieder anfangen zu pflügen oder zu grubbern, aber wie sieht die Ökobilanz dann aus, der CO2Eintrag? Wie viel Treibstoff verbrauchen wir denn mit den einzelnen Treckern? Übrigens bedeutet

mehr Luft im Boden mehr Nitratauswaschung, bedenken Sie das bitte auch einmal, und da wollen wir über Erosion ja noch gar nicht reden!

Ich denke aber, die Landwirtschaft ist nicht allein verantwortlich für den Rückgang der Artenvielfalt oder für das Insektensterben. Ist es vielleicht auch eine Frage unserer Lebensgewohnheiten? Das muss man ja vielleicht auch einmal hinterfragen.

Damit komme ich auf ein Thema zu sprechen, über das wir hier ja auch schon ein paarmal im Landtag gesprochen haben, und zwar die immer stärker werdende Beleuchtung in unserem Industriestaat, im Fachjargon auch Lightvolution genannt, die das Insektensterben forciert. Es hat eine Studie darüber gegeben, dass pro Laterne pro Nacht 160 Insekten sterben, das bedeutet, dass bei 6,8 Millionen Straßenlaternen circa eine Milliarde Insekten pro Nacht sterben. Ich finde, das darf man auch nicht außer Acht lassen. Wenn man über Insektensterben spricht, dann muss man auch alle Faktoren ansprechen und nicht einfach immer nur so tun, dass es an den Landwirten oder am Verkehr liegt. Oder was ist mit dem Flächenfraß? In Deutschland werden täglich 66 Hektar zur Besiedlung oder für die Infrastruktur verbraucht, was auch immer.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Sie wollen ja immer mehr bauen! Immer noch mehr Gewerbegebiete!)

Frau Schaefer, kein Problem! Kommen Sie nach vorn, widerlegen Sie alles!

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja, ich habe mich schon gemeldet!)

66 Hektar, 660 000 Quadratmeter! Übrigens haben wir dazu einen Antrag hier eingereicht, aber dazu später noch mehr!

Man sieht, es gibt auf jeden Fall nicht immer nur Schwarz oder Weiß. Ich glaube, der Mix aus Landwirtschaft, Lightvolution, Verkehr und Flächenverbrauch ist ein großer Teil der Verursacher, und so sollte man das dann auch benennen.

(Beifall CDU, BIW)

Wenn man jetzt die Fakten von Glyphosat und der Diskussion zusammenträgt und dann diese, man kann schon fast sagen, hysterische Panikmache der NGOs im Einklang mit den Medien und vor allem den Grünen sieht, dann kommen wir doch ziemlich schnell dahinter, dass es sich eigentlich nicht um

Glyphosat an sich handelt, sondern eher um die Systemfrage geht, und das hat Frau Dr. Schaefer hier auch eben noch einmal in ihrem Redebeitrag dargestellt: Sie möchte die Agrarwende und nichts anderes hier in Deutschland einleiten. Mich ärgert dabei, dass diese Diskussion einfach scheinbar nicht fachlich zu führen ist.

Es wird lieber populistisch darauf eingeschlagen, es wird mit den Ängsten gespielt, die in unserer Bevölkerung teilweise sowieso schon vorhanden sind, und auf deren Rücken wird Politik gemacht. Das ist nicht in Ordnung!

(Beifall CDU, FDP, BIW)

Wenn sich die ehemalige grüne Bundeslandwirtschaftsministerin Frau Künast im „ARD-Morgenmagazin“ hinstellt und wider besseres Wissen erzählt, dass die meisten Krebsfälle in Deutschland auf Glyphosat zurückzuführen sind, dann ist das Politik auf dem Rücken und mit der Angst der Menschen.

(Beifall CDU, FDP, BIW)

Die gleichen Leute beschweren sich hinterher übrigens auch über Mobbing im Netz, darüber hat sich Frau Künast ja auch immer beschwert. Dass Herr Schmidt jetzt Morddrohungen et cetera erhalten hat, spielt dabei überhaupt keine Rolle mehr. Aber egal! Das alles passt auf jeden Fall in das Bild der NGOs, das in den Medien und hauptsächlich von den Grünen forciert wird: Landwirtschaft und Agrarindustrie wollen unsere Umwelt vergiften, schwarze Schafe werden dabei als Generalbeispiele genommen und verallgemeinert, getreu dem Motto: einfache Fragen und einfache Antworten, strip, strap, strull, dei Emmer dei is vull.

(Beifall CDU, BIW)

Nein, meine Damen und Herren, ich erwarte eigentlich, dass die Grünen wieder zu einer Sachpolitik zurückkehren, darüber würde ich mich sehr freuen.

Nur noch einmal so zur allgemeinen Orientierung: Wir haben im Jahr 2009 hier in der Bürgerschaft einen Antrag eingebracht, der hieß „Biodiversität stärken, Artenvielfalt fördern“, der wurde hier von Rot-Grün abgelehnt. Wir haben uns schon vor acht Jahren dem Thema gewidmet, er wurde abgelehnt. Wenn Ihnen das Thema Glyphosat wirklich so wichtig gewesen wäre und Sie sich damit schon so lange beschäftigen, warum haben die Grünen denn

nicht im zuständigen Ressort darauf hingewirkt, dass die Straßenbahn das gar nicht mehr einsetzt? Warum nicht?

(Beifall CDU, FDP, BIW)

Ich verstehe es nicht, aber okay! Hier wird eben populistisch gehandelt, und dann ist es eben so!

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja, anders als bei Ihnen!)

Ja, da kann ich Ihnen noch mehrere Beispiele nennen! Die möchten Sie gar nicht hören, aber egal!

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Das würde ich jetzt gern hören!)

Wir werden auf jeden Fall den Antrag in Gänze ablehnen, weil wir glauben, dass er nicht zielführend ist, weil er sich nicht an Fakten orientiert, sondern weil er praktisch eher ideologisch geprägt ist. - Vielen Dank!

(Beifall CDU, BIW)