Protokoll der Sitzung vom 24.01.2018

Gesundheit ist Lebensqualität: Senat darf Patienten, Beschäftigte und Kliniken nicht im Stich lassen!

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Bensch.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn die Veröffentlichung einer Studie zur Krankenhausqualität aus Patientensicht für die Schlagzeilen sorgt, die bremischen Patienten sind unzufriedener als im Bundesdurchschnitt, dann darf ich das als Gesundheitspolitiker nicht einfach hinnehmen und sagen: Wieso, in Bremen ist doch alles gar nicht so schlimm, nein, meine Damen und Herren, diese Aussage muss genauso wie ein Wählervotum ernst genommen werden.

(Beifall CDU)

Sie können sich gar nicht vorstellen, welche Aufregung mich aus der Kliniklandschaft, von Beschäftigten, von Klinikdirektoren von Betriebsräten, von der Krankenhausgesellschaft, von der Ärztekammer und von vielen weiteren Akteuren des Gesundheitswesens, in den letzten Tagen erreicht hat. Ich kann Ihnen aber sagen, es geht hier und heute nicht um ein Krankenhausbashing, ganz im Gegenteil. In Bremen ist insgesamt eine gute Krankenhauslandschaft vorhanden, wir haben eine gute Krankenhausdichte. Wir haben sogar Kliniken

mit einzelnen Disziplinen, die über ein Alleinstellungsmerkmal verfügen und die sogar bundesweit Vorreiter sind. Man denke beispielsweise nur an die Herzklinik. Darauf können wir als Bremer und Bremerhavener stolz sein. Das will ich erst einmal voranstellen, meine Damen und Herren!

(Beifall CDU)

Zu Beginn der Debatte möchte ich mich bei denen bedanken, die tagtäglich unter äußerst schwierigen Rahmenbedingungen für unsere Daseinsvorsorge im Einsatz sind: Ärzte und Krankenschwestern, aber auch alle übrigen Beschäftigten der Kliniken. Sie werden seit circa 15 bis 20 Jahren - und das sage ich ganz selbstkritisch - von der Politik mehr oder weniger im Stich gelassen. Das ist auch ein Stück Wahrheit, das am Anfang der Debatte auch selbstkritisch durch die CDU ausgesprochen werden.

Dazu gehört die Tatsache, dass alle Bundesländer, egal, durch wen regiert, in den letzten 15 bis 20 Jahren - und das habe ich bei allen Debatten in den letzten Jahren gesagt - schlichtweg zu wenig investiert haben. Klinikinvestitionen sind keine Spielerei, sondern sie sind ein grundgesetzlicher Auftrag. Ich betone noch einmal, alle sind diesem Auftrag in den letzten Jahren zu wenig nachgekommen. Ich

komme später noch einmal auf die bremischen Besonderheiten zurück.

Lassen Sie mich auch noch einmal in die Richtung derjenigen sagen, die geäußert haben, die Studie sei nicht seriös, wir schauen lieber nicht darauf, denn wir führen ja unsere eigenen Patientenerhebungen durch, dass ich nur davor warnen kann. Dieses Verhalten erinnert mich an Politiker, die auf ihr Wahlergebnis schauen und sagen: Komisch, das will ich nicht wahrhaben.

(Abg. Frau Böschen [SPD]: Man muss nicht immer von sich selbst auf andere schließen!)

Nein, nein, ich rede jetzt nicht von der SPD, sondern ich spreche alle an! Das heißt, dass keine Wählerschelte zu betreiben ist. Übertragen auf die Gesundheitspolitik heißt das, keine Patientenschelte zu betreiben.

Es haben mehrere tausend Mitglieder der AOK und der Barmer Krankenkasse in zwei bis acht Wochen nach Krankenhausaufenthalten in Bremerhaven und in bremischen Kliniken an der Befragung teilgenommen. Sie haben dazu beigetragen, dass es zu dieser Studie gekommen ist. Ich habe ein ganz großes Interesse daran, dafür zu sorgen, dass die bremischen Patientinnen und Patienten in Zukunft noch zufriedener sind, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU, BIW)

Wenn Sie sich die Broschüre anschauen - sie liegt ja in den Abgeordnetenfächern, die große Version umfasst im Übrigen 148 Seiten -, dann kann es uns doch nicht beruhigen, dass Sachsen und Bayern richtig gut dastehen, einige mit durchschnittlich beurteilt werden und Bremen, Niedersachsen sowie ein paar andere Regionen Deutschlands mit deutlichem Abstand hinter dem Durchschnitt bei der Weiterempfehlungsbereitschaft liegen. Das kann und darf uns nicht beruhigen. Man muss hier etwas tun. Man muss versuchen, genau zu schauen, an welchen Dingen es liegt.

Das, was die Senatorin angekündigt hat, begrüße ich deshalb, nämlich genau zu prüfen. Ich begrüße auch die Aussage der Sprecherin der GeNo, die die Auffassung vertritt, dass wir die Ursachen genau identifizieren müssen. Das ist der erste Schritt, und Sie wissen, dass der erste Schritt immer ein guter Schritt auf dem Weg zur Besserung ist.

Ich komme noch einmal kurz auf die Studie zu sprechen! In der Studie stehen beispielsweise

Dinge, die in anderen sogenannten Qualitätsgutachten überhaupt nicht behandelt werden. Die Patienten beurteilen beispielsweise, wie Ärzte und Krankenschwestern mit dem gesamten Behandlungsprozess umgehen. Auf welche Weise kommunizieren sie untereinander, auf welche Weise kommunizieren sie mit dem Patienten? Das kann auch eine ganz erhebliche Rolle dafür gespielt haben, dass Bremen und Bremerhaven nicht so gut wie der Bundesdurchschnitt abgeschnitten haben.

Lassen Sie mich aber auch sagen, wenn man sich die bremischen Kliniken im Einzelnen anschaut, dann stellt man fest, dass einzelne bremische Kliniken weit über dem Bundesdurchschnitt liegen, als Beispiel ist hier das St. Joseph-Stift zu nennen. Das gleiche Krankenhaus steht zum Beispiel auch im Rahmen des Bremer Krankenhausspiegels bei den Zufriedenheitswerten immer oben. Das heißt, wir müssen sehr differenziert prüfen. Deswegen bitte ich Sie, daran mitzuwirken, dass wir gemeinsam das Verbesserungs- und Optimierungspotenzial erkennen, damit es insgesamt in ein paar Jahren heißt, Bremen liegt nicht weit unter dem Durchschnitt und auf dem letzten Tabellenplatz, sondern Bremen hat sich im guten Mittelfeld mit der Perspektive nach oben etabliert. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das muss unser aller Interesse sein.

Was ist zu tun, um die Qualität zu sichern? Man schaut sich diese Studie an und findet die Stichworte Kommunikation und sektorenübergreifendes Arbeiten. Diese Stichworte haben wir hier schon teilweise debattiert. Es gibt ein Landesgremium, in dem die Akteure des ambulanten, des teilstationären und des stationären Sektors miteinander diskutieren und eine gemeinsame Planung verabreden.

Es ist die Verantwortung der Gesundheitssenatorin für die Krankenhausplanung zu nennen. Die Krankenhausplanung wird demnächst fortgeschrieben, und deshalb freue ich mich, dass wir jetzt die Möglichkeit haben, einmal im Rahmen einer Aktuellen Stunde einen etwas anderen Blickwinkel zu bekommen und dass wir uns nicht nur auf die Gutachter verlassen, die wir alle kennen, sondern anhand einer Qualitätsstudie aus der Sicht der Patienten diskutieren. Das ist etwas anderes, als sich ausschließlich auf Fachleute zu verlassen. Genau wie beim Wählervotum sage ich auch hier, die Meinung und das Votum der Patientinnen und Patienten sind ernst zu nehmen.

Was kann man tun? Wir können natürlich auf der Bundesebene Erwartungen wecken. Wir können

allerdings auch im Land Bremen einiges dafür tun, dass sich die Situation verbessert. Wenn Sie sich einmal angeschaut haben - zumindest von den Sozialdemokraten erwarte ich das -, was im sogenannten Sondierungspapier auf Bundesebene im Bereich Gesundheit und Pflege vorgesehen ist,

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Das bessern wir ja noch nach!)

dann kann ich nur hoffen, dass diese Koalition zustande kommt und das dann auch umsetzt. In den letzten Jahren ist im Gesundheitswesen kein derartiger Innovationsschub vorgekommen. Ich lese Ihnen gern einmal auszugsweise einiges vor:

Die Vernetzung und Zusammenarbeit soll im Gesundheitswesen verstärkt und ausgebaut werden. Zur Entwicklung einer sektorenübergreifenden Versorgung sollen nachhaltige Schritte eingeleitet werden, insbesondere bei der Notfallversorgung. Es sollen deutlich erhöhte - und jetzt geht es um das Geld - Krankenhausinvestitionen für die Umstrukturierung, für neue Technologien und für die Digitalisierung eingesetzt werden.

Im Sondierungspapier steht auch einiges zum Personalbereich: Die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung in Alteneinrichtungen und bei der Krankenpflege sollen sofort und spürbar verbessert werden. Es sollen ferner Sofortmaßnahmen für eine bessere Personalausstattung ergriffen und dafür zusätzliche Stellen eingerichtet werden.

Es ist ferner eine Regelung verabredet worden, die es bisher überhaupt nicht gegeben hat, nach der der Bund Finanzmittel für Krankenhäuser bereitstellt, wenn Krankenhäuser nach Tarif bezahlen und eine vollständige Refinanzierung bei etwaigen Tariferhöhungen übernehmen. Das ist doch richtig gut, und darauf sollten wir uns freuen, aber wir sollten uns auch nicht nur allein darauf verlassen.

Wenn die zukünftige potenzielle Bundesregierung sagt, sie nehme viel Geld in die Hand, dann sollte sich auch Bremen seiner Verantwortung bewusst sein und sich fragen, ob Bremen alles richtig gemacht hat. Dazu sage ich, und zwar wie bei den Haushaltsberatungen der letzten Jahre: Nein, Sie haben schlichtweg Ihren grundgesetzlichen Auftrag nicht ausreichend erfüllt, die Kliniken mit ausreichenden Finanzmitteln für Investitionen zu versorgen.

Derjenige, der bei einem angemeldeten Investitionsbedarf der bremischen Kliniken von über 500

Millionen Euro und einem definierten absoluten Mindestbedarf von 80 Millionen Euro noch nicht einmal die Hälfte bereitstellt, der hat in diesem Bereich versagt und trägt dafür die politische Verantwortung.

(Beifall CDU, BIW)

Derjenige, der den Geschäftsführer der Kliniken zu wenig Geld zur Verfügung stellt, sodass sie überhaupt keine Mittel haben, um in die Klinikinfrastruktur investieren zu können, der setzt genau diese Geschäftsführungen unter Druck. Sie können doch nur im personellen Bereich und beim Material Einsparungen vornehmen, letztlich trifft es dann immer den Personalbereich. Insofern haben Sie zwar nicht eine direkt nachweisbare, aber doch eine sehr naheliegende Mitverantwortung dafür, dass auf den Stationen zu wenig Personal vorhanden ist. Deswegen lautet mein Appell: Finanzieren Sie mit bremischen Landesmitteln mehr Klinikinvestitionen, dann geht es den Beschäftigten und Patienten besser und die Patientenzufriedenheit wächst.

(Beifall CDU, BIW)

Ich komme auf Bremerhaven zu sprechen. Wenn Sie sich die Studie anschauen, dann liegt Bremerhaven noch deutlicher unter dem Bundesdurchschnitt als Bremen. Das muss uns doch zu denken geben. Was ist dort passiert? Unterstützen wir Bremerhaven eventuell strukturell und finanziell unzureichend? Wenn ich die Zahlen der letzten Haushaltsberatungen im Kopf habe, dann sind es einmal 950 000 Euro für kurzfristige Investitionen und 2 Millionen Euro für mittelfristige Investitionen. Das ist zu wenig! Lassen Sie Bremerhaven nicht im Stich, unterstützen Sie Bremerhaven, meine Damen und Herren!

(Beifall CDU, BIW - Zuruf Abg. Senkal [SPD])

Stehen Sie auf, Herr Senkal, stellen Sie eine Zwischenfrage, und ich bin gern bereit, Ihnen zu antworten!

Wenn Sie sich den Bremer Krankenhausspiegel anschauen, dann stellen Sie eine weitere Besonderheit fest. Die GeNo-Kliniken, das sind unsere kommunalen Kliniken, und zwar mit allen Problemen, die wir hier in den letzten Jahren diskutiert haben, liegen im innerbremischen Vergleich seit Jahren nicht im oberen, sondern im unteren innerbremischen Vergleich, obwohl sie die höchsten Mittel für Investitionen erhalten. Manchmal geschieht dies

auch mit „Tricksereien“, in dem sie es geschafft haben, aus unterschiedlichen Töpfen Geld locker zu machen. Das ist auch nicht schlimm, aber es muss die Erwartungshaltung vorhanden sein - gerade auch Ihnen gegenüber als Aufsichtsratsvorsitzende, Frau Senatorin -, dass die GeNo-Kliniken auch einmal einen ordentlich großen Schritt nach vorn gehen.

(Beifall CDU, BIW)

Mein Fazit lautet also abschließend: Nicht nur auf den Bund schielen und vom Bund irgendetwas verlangen - es wird etwas kommen -, sondern in Bremen in der Ausübung des Amtes als Senatorin mit Ihrer Landesbehörde eine noch bessere, abgestimmtere und sektorenübergreifend geprägte Landeskrankenhausplanung voranzutreiben. Das steht jetzt an. Das gilt für uns als Abgeordnete, weil wir der Haushaltsgesetzgeber sind. Wir müssen schon jetzt daran denken, dass die Kliniken bei den nächsten Haushaltsberatungen eine Schippe mehr Investitionsmittel erhalten,

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Wir sind gespannt auf die CDU-Haushaltserklärung!)

sonst wird die Situation an den Kliniken schlimmer und schlechter. Umgekehrt glaube ich, dass es dann, wenn wir unsere Hausaufgaben in Bremen machen und quasi eine ergänzende Hilfe durch den Bund bekommen, nicht lange dauern muss, bis auch die Bremerhavener und Bremer Patienten eine höhere Zufriedenheit und eine höhere Weiterempfehlungsbereitschaft als jetzt haben.

Ich setze darauf, dass uns das gelingt und bitte um eine konstruktive Zusammenarbeit im Sinne der Patientinnen und Patienten. - Vielen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bensch, eine kurze Bemerkung zu Ihnen: Ich glaube, Schippen werden nicht reichen, sie müssen schon Bagger anschaffen, um die Probleme der Bremer Krankenhäuser, vor allen Dingen die Investitionsprogramme, zu lösen.

(Beifall DIE LINKE)

Wir debattieren heute die Studie der Bertelsmann Stiftung, zumindest federführend der Bertelsmann Stiftung, mit dem Titel: „Krankenhausqualität aus Patientensicht“. Der Kollege Bensch hat viel über die Studie, aber weniger über den Inhalt der Studie geredet. Ich werde versuchen, den Inhalt der Studie in drei Paketen abzuarbeiten. Das erste Paket ist die Studie selbst, das zweite Paket ist die Haltung der CDU, und das dritte Paket betrifft die Bremer Gesundheitspolitik.