Protokoll der Sitzung vom 22.02.2018

Die Idee des Heimanbaus ist nicht nur ein verheerendes Signal, weil Sie die jungen Menschen quasi dazu auffordern, sich zu Hause in den eigenen vier Wänden auszuprobieren, es wäre auch ein unkontrollierter Markt, weil Sie keinen Zugriff hätten, und die Gefahren sind hier viel zu groß, als dass wir das mitmachen könnten.

(Beifall CDU)

Mit der schlichten Anhebung der Bagatellgrenze haben Sie eigentlich auch nicht viel gewonnen, außer dass Sie den Konsum für weitere Personen interessanter machen, denn die Strafverfolgungsbehörden sind nach Paragraf 163 StPO weiterhin dazu angehalten, die Straftaten zu verfolgen. Das heißt, mit der schlichten Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze werden Sie weder die Polizei entlasten noch die Konsumenten entkriminalisieren. Sie werden allenfalls die Staatsanwaltschaft entlasten, aber das steht nicht im Verhältnis zu den Gefahren, die sich aus der Legalisierung ergeben.

(Beifall CDU - Glocke)

Ich komme zum Schluss.

Wir haben auch eine klare Position, was den THCWert im Straßenverkehr angeht. Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2005 einen Grundwert festgelegt. Oberverwaltungsgerichte in Deutschland halten sich an diese Rechtsprechung, auch das OVG Bremen, und deswegen sehen wir auch politisch überhaupt keinen Bedarf, gerade mit Blick auf

die jüngst vom BGH wiederholte Feststellung, dass jemand auch dann fahrlässig handelt, wenn er nicht einmal vor Fahrtantritt Cannabis konsumiert hat. Deswegen gibt es für uns auch keine politische Notwendigkeit, hier einen neuen Grenzwert festzulegen. Deshalb werden wir Ihre Anträge ablehnen. Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag! - Danke schön!

(Beifall CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Wendland.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Mit „Legalize it!“ ist Peter Toshs Reggae-Schlager zur Hymne der Legalisierungsbewegung geworden. Ob nun Weed, Marihuana oder Ganja genannt, viele Bremer konsumieren es. Azubis, Studenten, Bürokauffrauen, Anwälte, rechte Politiker: Gekifft wird quer durch die gesamte Gesellschaft.

Meine Erkenntnis ist: Für die meisten Menschen ist die Legalisierung von Cannabis längst überfällig. Es entspricht dem Zeitgeist, dass Cannabis denselben legalen Status erhält wie Alkohol. Viele Bremer träumen davon, endlich frei und unbeschwert ihren Joint auf offener Straße kiffen zu dürfen.

(Zurufe SPD, CDU)

Ja, das ist so, ganz legal, ob nun auf der Breminale oder im Weser-Stadion, und was tun Sie? Sie streiten darüber, ob und wie der Konsum entkriminalisiert werden soll. Wie absurd ist das denn?

Ich frage mich: Warum greifen wir nicht den Zeitgeist auf und diskutieren anstatt der Entkriminalisierung die Legalisierung von Cannabis, wofür es gute Gründe gibt! Die Legalisierung von Cannabis in Form einer staatlich kontrollierten und regulierten Freigabe, zum Beispiel über Cannabis Social Clubs, würde erwachsene Konsumenten nicht länger stigmatisieren und dafür sorgen, dass der Schwarzmarkt ausgetrocknet wird. Der Staat könnte Steuern einnehmen und die hohen verfolgungsbedingten Kosten bei Polizei und Justiz einsparen. Damit gäbe es auch ausreichend Geld für eine glaubwürdige Prävention.

Ganz klar ist: Cannabis ist wie Alkohol für Jugendliche unter 18 Jahren verboten. Wenn ich mit Jugendlichen spreche, und das tue ich oft, wünschen sie sich eine progressive Informationspolitik im Unterricht. Sie wollen nicht mehr nur erfahren, wie

abschreckend Drogenkonsum ist, wie im Film „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, sondern sie wollen mehr Aufklärung über den Umgang mit Drogen. Worauf muss man während des Konsums achten? Macht diese Sorte eher high, oder entspannt sie eher? Wie hoch ist der THC-Gehalt, und wie ist der Joint zu dosieren?

(Unruhe CDU)

Sie lachen, aber die Jugendlichen fordern eine Erziehung zur Drogenmündigkeit, was ich richtig finde. Ich frage mich, wann solche Konzepte im Sinne der Jugendprävention in Bremen vorliegen.

Es geht um einen selbstbestimmten Umgang mit Drogen, so steht es im Vorwort des Betäubungsmittelgesetzes. Dort ist formuliert, dass jeder Mensch das Recht dazu hat, sich selbst Schaden zuzufügen. Ich formuliere es einmal so: Jeder Mensch hat ein Recht auf Rausch.

(Zuruf CDU: Das ist nicht so!)

Denken Sie zum Beispiel nur an den gemeinsamen Alkoholrausch nach einem Werder-Sieg oder an die Koffein-Kicks bei Gesprächen hier in der Lobby!

(Abg. Bensch [CDU]: Das ist kein persönliches Wahlrecht!)

Es geht auch um Gerechtigkeit. Beim Autofahren muss Cannabis wie Alkohol bewertet werden.

(Unruhe CDU)

Hier geht es um die Grenzwerte. Wer zwei Tage nach dem Kiffen in eine Drogenkontrolle gerät, muss meist seinen Führerschein abgeben. Wer zwei Tage zuvor Alkohol getrunken hat, darf weiterfahren. Diese Ungerechtigkeit gehört endlich abgeschafft!

Lassen Sie uns weiter denken, open minded sein und nicht über Bagatellgrenzen von 6 bis 10 Gramm oder darüber streiten, wie viele Hanfpflanzen auf dem Balkon stehen dürfen. Denken Sie an Peter Toshs Hymne „Legalize it!“! Schließlich soll Bremen ja weltoffen, cool und sexy sein. - Danke schön!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Schäfer.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kollegen! Eigentlich konzentriert es sich auf eine Frage: Wollen wir, dass die Leute Marihuana und Haschisch konsumieren, oder wollen wir das eher nicht? Das ist die Frage, auf die es zuläuft.

Ich bin relativ regelmäßig in den USA und beobachte seit 25 Jahren, wie dort mit dem Thema umgegangen wird. Es wurde eben schon unter dem Stichwort „Colorado“ angesprochen, dass dort eine Liberalisierung stattfindet. Diese Liberalisierung in den USA wurde bisher sehr stark bekämpft, und zwar - das wird Sie nicht wundern - von der Alkohollobby. Die Spirituosenhersteller fürchteten eine neue Konkurrenz und haben politisch sehr stark darauf hingewirkt, dass Cannabisprodukte verboten bleiben, weil sie das Monopol für den legalen Rausch haben wollten.

Nun ist es aber so, dass in den USA mittlerweile die gesellschaftliche und auch die politische Entwicklung eine andere ist. In Kalifornien, in Colorado und in vielen anderen Bundesstaaten wird damit mittlerweile liberal umgegangen, sodass die Alkoholkonzerne anfangen, ihre Position zu überdenken. Constellation Brands - das ist eine Firma, die Ihnen vielleicht wegen ihres Produkts Corona-Bier bekannt sein dürfte - hat erkannt, dass Cannabis keine Konkurrenz ist, die aus dem amerikanischen Markt gehalten werden kann, sondern ein zukünftiges Geschäft. Constellation Brands hat 191 Millionen Dollar in Canapy Growth, einen kanadischen Cannabisproduzenten, investiert.

Was will ich damit sagen? Die romantische Vorstellung, dass der freundliche Dealer von der Straßenecke oder der Student, der zu Hause sein Marihuana selbst zieht, geschützt werden müsste, ist abstrus. Sie werden gegen die industrialisierten Produkte so viele Chancen haben wie jemand mit seinem selbst gebrannten Schnaps gegen einen Single Malt Whiskey.

In den USA beobachte ich, dass mittlerweile hoch professionalisierte industrialisierte Produkte auf den Markt kommen. Wenn ich gewusst hätte, dass die Debatte heute stattfindet, hätte ich Ihnen etwas von meinem letzten Aufenthalt mitgebracht. Mittlerweile gibt es dort E-Joints. Sie können für diese E-Joints Produkte kaufen, die Sie zielgerichtet sedieren, wenn Sie schlafen wollen, oder anders wirken, wenn Sie sich aufputschen, Truck fahren oder Party machen wollen.

Es ist einfach so, dass die Liberalisierung dieses Marktes dazu führt, dass die Industrie sich diesen

Markt greifen wird. Wenn wir diesen Markt legalisieren, werden wir irgendwann hier eine Cannabisindustrie haben, die genauso agiert wie die Alkoholindustrie, und die Frage ist: Wollen wir das? Die Eingangsfrage lautete: Wollen wir, dass die Leute Cannabis konsumieren, oder wollen wir es nicht? Wenn wir es tendenziell nicht wollen, dann müssen wir es verboten halten, auch wenn wir selbst ab und zu einmal einen Joint rauchen.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja, ich nicht!)

Wir selbst gehen vielleicht auch einmal bei Rot über die Ampel oder fahren einmal zu schnell mit dem Auto. Deswegen kämen wir aber nicht auf die Idee, die Verkehrsregeln abzuschaffen, weil wir grundsätzlich meinen, dass das Ziel, sich an die Verkehrsregeln zu halten oder sich gegenüber dem eigenen Körper im Umgang mit Drogen und Rauschmitteln verantwortlich zu verhalten, ein sinnvolles Ziel ist. Deswegen sind wir von der LKR der Meinung, dass eine Liberalisierung eine romantische Idee ist, die im Zweifelsfall von der Industrie instrumentalisiert wird, und wir gehen diesen Weg nicht mit.

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Remkes.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kollegen, sehr geehrte Besucher! Es ist schon kurios, wenn FDP und Linkspartei zwei weitgehend gleichlautende Anträge einbringen, in denen die sogenannte Entkriminalisierung des Rauschgifts Cannabis gefordert wird. Geradezu grotesk ist es, wenn beide Parteien ihre Forderungen, die Bagatellmengen für den straffreien Besitz und Erwerb von Cannabis anzuheben, den privaten Hanfanbau zu erlauben und die gesetzlichen Sanktionen für das Fahren unter Cannabiseinfluss zu lockern, als Schritt hin zu einer modernen Drogenpolitik verkaufen.

Nein, meine Damen und Herren, das hat nichts mit modern zu tun, das ist schlichtweg naiv!

(Beifall BIW)

Die Entkriminalisierung von Cannabis wäre ein fatales Signal, vor allem an die Adresse von Kindern und Jugendlichen. Ihnen würde der Staat suggerieren, dass Haschisch und Marihuana weniger gefährlich seien, als bislang behauptet. Genau das Gegenteil ist aber richtig.

Neuere Studien zeigen, dass die gesundheitlichen Risiken, insbesondere bei regelmäßigem Cannabiskonsum, sehr viel größer sind, als in der Vergangenheit angenommen. Das hängt vor allem mit der in den letzten 20 Jahren deutlich gestiegenen Konzentration des psychoaktiven Inhaltsstoffes THC in Cannabisprodukten als Ergebnis neuer Züchtungsmethoden unter Einsatz von Kunstlicht zusammen. Während in den USA beschlagnahmtes Cannabis in den Sechziger- und Siebzigerjahren noch einen THC-Gehalt von unter einem Prozent aufwies, enthält konventionelles in Mitteleuropa gewachsenes Freilandmarihuana heute im Schnitt rund 6 Prozent THC. Hochgezüchtete Sorten kommen auf einen Wirkstoff von 20 Prozent, und bei Haschisch sind es teilweise sogar bis zu 40 Prozent.

Cannabiskonsum kann sowohl akut als auch langfristig zu vielfältigen kognitiven Beeinträchtigungen, wie Einschränkungen der Gedächtnisleistung, der Aufmerksamkeit und der Psychomotorik, führen. Bekannt ist ebenfalls, dass Cannabis das Risiko für psychotische Störungen, Wahnvorstellungen, Halluzinationen und Wahrnehmungsstörungen signifikant erhöht.

Gefährdet sind vor allem Kinder und Jugendliche, deren Gehirn sich noch im Wachstum befindet, das übrigens erst im Alter von 25 Jahren vollständig abgeschlossen ist. Ein früherer Einstieg in den Konsum und häufiger Gebrauch von Cannabis wird in der Forschung mit geringem Bildungserfolg assoziiert, der sich etwa in einer höheren Schulabbruchrate und einer geringeren Zahl akademischer Abschlüsse manifestiert. Wissenschaftlich belegt! Haschisch und Marihuana sind also alles andere als harmlose weiche Drogen, wie uns die Legalisierungsbefürworter weismachen wollen.

Cannabis ist auch eine Einstiegsdroge. Das Risiko, von Haschisch und Marihuana auf die harte Droge Heroin umzusteigen, ist um ein Vielfaches höher als bei jeder anderen Substanz. Das hat übrigens nichts mit der fehlenden Markttrennung zu tun, wie lange behauptet wurde, sondern mit der Wirkungsweise der Droge. Cannabis wirkt wie abgeschwächtes Heroin. Konsumenten, die das mit Haschisch oder Marihuana erzielte Rauscherlebnis als nicht mehr ausreichend empfinden, steigen um auf Heroin. Das bedeutet nicht, dass jeder Cannabiskonsument schließlich zu Heroin greift, aber praktisch jeder Heroinkonsument hat seine Rauschgiftkarriere mit Haschisch oder Marihuana begonnen.

Meine Damen und Herren, die FDP fordert vom Senat ein Konzept für die Durchführung eines Modellprojektes zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene. Ein solches Modellprojekt sollte man sich sparen. Es ist nämlich völlig weltfremd anzunehmen, man könne Cannabis beispielsweise über Apotheken kontrolliert an Erwachsene verkaufen und gleichzeitig den Jugendschutz stärken. Beides schließt sich aus. Wird die gesellschaftliche Verfügbarkeit der Droge durch die erlaubte Abgabe erhöht, dann werden es auch Kinder und Heranwachsende leichter haben, sich das Rauschgift zu verschaffen.

Dass es in der Praxis nicht gelingt, Minderjährige vom Zugang zu einer gesundheitsgefährdenden Substanz mit hoher Verbreitung wirksam auszuschließen, zeigen die Beispiele Alkohol und Nikotin. Alkohol ist heute vor allem bei jungen Menschen ein relevantes Thema, die auch das Rauschtrinken hauptsächlich praktizieren, und das, obwohl Spirituosen nach dem deutschen Jugendschutzgesetz gar nicht an Kinder und Jugendliche abgegeben werden dürfen. Genau diese Entwicklung wäre auch bei einem gesetzlich regulierten Verkauf von Cannabis zu erwarten. Das zeigt ein Blick in die USA, wo Cannabis in immer mehr Bundesstaaten für den Freizeitgebrauch freigegeben wird. Vorreiter war Colorado, wie wir heute schon hörten. Dort ist die Zahl der minderjährigen Cannabiskonsumenten seit der Legalisierung Anfang des Jahres 2014 um 20 Prozent gestiegen, obwohl die Abgabe der Droge nur an Erwachsene ab 21 Jahren erlaubt ist. Gleichzeitig hat die Zahl der Kinder unter neun Jahren, die sich mit oral aufgenommenem Cannabis vergiftet haben, um über 100 Prozent zugenommen.

FDP und DIE LINKE fordern außerdem, geringe Mengen für den Erwerb und Besitz von Cannabis zum Eigengebrauch kritisch zu prüfen. Dieser Forderung schließen wir Bürger in Wut uns an, allerdings mit dem Ziel, den Grenzwert deutlich zu senken.

(Beifall BIW)

Das würde nicht nur dem gestiegenen THC-Gehalt in Cannabisprodukten, sondern auch dem aktuellen Stand der Forschung zu den gesundheitlichen Gefahren des Konsums Rechnung tragen. Wer dagegen wie FDP, DIE LINKE und auch vielleicht die Grünen die geringfügige Mängel erhöhen will, hilft den Dealern, die dann mehr Rauschgift im Straßenverkauf mitführen können und dürfen.

Förderlich für den Schwarzmarkt wäre auch der von den Antragstellern gewollte private Anbau von Hanfpflanzen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie eigentlich in Tausenden Privatwohnungen kontrolliert werden soll, ob die gesetzlich zulässige Anbaumenge nicht überschritten wird. Dass Minderjährige, die in diesen Wohnungen leben, nicht zu Konsumenten werden können, spätestens hier wird doch deutlich, dass der in den Anträgen von FDP und Linkspartei bemühte Jugendschutz zu einem rhetorischen Feigenblatt wird.