Protokoll der Sitzung vom 22.02.2018

In der Debatte ist der Vorschlag, dass man zukünftig legal in Bremen 4 Pflanzen für den Eigenbedarf anbauen darf. Das klingt, wenn man sieht, wie viele Pflanzen in den großen Plantagen ausgehoben werden, zunächst einmal nach sehr wenig.

(Abg. Hinners [CDU]: Das lohnt sich auch nicht!)

Langsam, Herr Hinners! 4 Pflanzen, ich bin kein Experte, ich übernehme das, was - -.

(Heiterkeit)

Wie gesagt, ich baue eher Radieschen an.

(Heiterkeit)

Was unsere Experten von der Polizei mir gesagt haben, ist relativ einfach. Sie sagen, wenn ich 4 Pflanzen anbaue, dann sind diese Pflanzen in 12 Wochen erntereif, und nach 12 Wochen habe ich eine Bruttomenge von 100 Gramm Cannabis. Jetzt ist die entscheidende Frage, wie hoch der gegenwärtige durchschnittliche THC-Gehalt der Pflanzen ist. Das heißt also, was wird heute in Bremen konsumiert? Die Statistik besagt, dass die durchschnittliche Konzentration gegenwärtig von 15 Prozent beträgt. Sie können alle rechnen, bei 100 Gramm sind 15 Prozent auch 15 Gramm.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Ja, das habe ich auch heraus!)

Das ist auf den ersten Blick relativ wenig, aber wir müssen auch einen Blick in das Gesetz werfen. Es gibt den Paragrafen 29 a, der heute noch nicht einmal erwähnt wurde. Ich darf ihn in Ausschnitten zitieren, da lautet es: „Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge herstellt, besitzt“ und so weiter. Dann gibt es noch einen minderschweren Fall, da wäre eine Mindestfreiheitsstrafe von 3 Monaten vorgesehen. Wenn man sich das überlegt, dann ist natürlich die Frage naheliegend, wann diese Grenze überschritten ist. Wann sind wir im Bereich der nicht mehr geringen Mengen?

Da ist die Praxis seit Jahrzehnten völlig unverändert, der Bundesgerichtshof hat schon in den Achtzigerjahren gesagt: Wer mit 7,5 Gramm THC angetroffen wird, wandert ins Gefängnis. 7,5! Der Vorschlag, das Doppelte in Bremen anbauen zu lassen, 15 Gramm, das hieße, Sie hätten dann auch nicht mehr die Variante des einfachen Falls, sondern wenn Sie das machen und dem Bürger empfehlen würden, davon kann ich nur dringend abraten! Das ist fahrlässig, denn es gibt überhaupt keine Chance, diesen Menschen zu helfen. Verfahren könnten in diesem Bereich nicht eingestellt werden, sondern nicht geringe Mengen haben die Konsequenz, dass man immer mit einer Freiheitsstrafe rechnen muss. Dazu gibt es überhaupt keine Alternative.

Wenn Sie sagen, na gut, 4 sind vielleicht zu viel, wir senken die Zahl einmal, dann bleibt es aber dabei: Wenn die Sache nicht nach Paragraf 29 a strafbar

ist, dann besteht immer noch die Vorschrift in Paragraf 29. Diese besagt im Grunde genommen vereinfacht, alles ist strafbar im Bereich des BTM, und es gibt eine Ausnahme: Bei geringen Mengen kann das Gericht, kann die Staatsanwaltschaft im Einzelfall, wenn kein öffentliches Interesse vorliegt, das Verfahren einstellen. Das machen wir in Bremen auch seit vielen Jahren, wie auch in anderen Ländern. Das heißt, wer mit 6 Gramm - das ist immer die Bruttomenge! - angetroffen wird und sie nicht gerade auf dem Schulhof dabeihat, geht im Ergebnis straflos aus.

Ich sage aber einmal, selbst wenn Sie nur eine Pflanze zu Hause mit einem THC-Konzentrationsgehalt von 15 Prozent anbauen, dann liegen Sie einfach auch rechnerisch immer noch deutlich über diesen 6 Gramm. Das heißt also, auch die jetzige Praxis würde nicht dazu führen, dass das Verfahren eingestellt wird, wenn Sie nur eine Pflanze anbauen.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Es kommt darauf an, ob es eine männliche oder eine weibliche Pflanze ist! - Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Legen Sie sich nicht mit der Biolo- gin an! - Heiterkeit)

Ich versuche nur, schlicht und einfach einmal die geltende Rechtslage darzustellen, ohne Bewertung, ob das sinnvoll ist oder nicht sinnvoll ist. Das ist eigentlich nicht unsere Entscheidung, sondern wir haben ein geltendes Recht, und als Senat sind wir dafür verantwortlich, dass unsere Bürger nicht leichtfertig ins Gefängnis kommen,

(Beifall CDU, BIW)

nur weil wir ihnen raten, Dinge zu tun, und sagen, dass das gehe. Die Rechtslage ist so eindeutig in diesem Bereich. Bei einer Pflanze gibt es mit Sicherheit keine Freiheitsstrafe, das ist ein minderschwerer Fall, es ist auch eine geringe Menge, aber es führt nicht dazu, dass dieses Verfahren einfach eingestellt wird. Deswegen kann ich nur appellieren: Lassen Sie das sein! Das ist keine Sache, mit der man leichtfertig umgehen darf, sondern es gefährdet, wie gesagt, unsere Bürger.

(Beifall SPD)

Das zweite Kapitel, Drogen im Straßenverkehr! Wir haben in den letzten Monaten zahlreiche Verkehrskontrollen durchgeführt. Das Ergebnis war alarmierend. 10 Prozent aller Personen, die angehalten wurden, standen unter Drogeneinfluss, und

das am Morgen! Das ist keine Bremensie, sondern wenn man sich einmal die Unfallstatistik der letzten Jahre anschaut, dann sieht man, dass die Unfälle unter Drogeneinfluss massiv zugenommen haben.

Unter den Drogen ist Cannabis die Hauptdroge, die Nummer 1. Im Jahr 2016 zählten wir allein 1 843 Unfälle unter Drogeneinfluss. Dabei wurden 31 Menschen getötet, 681 schwer verletzt. In der Tat, Alkohol ist immer noch die Droge Nummer 1, da passieren die meisten Unfälle, aber wir sehen sehr deutlich, dass die Zahl der Verkehrsunfälle unter Alkoholeinfluss erfreulicherweise stagniert beziehungsweise zurückgeht, während wir im Bereich der Drogen einen Anstieg von jährlich 10 Prozent verzeichnen. Das heißt, die Zahlen steigen an. Ich habe auch bisher nicht verstanden, dass manche sagen, das sei ein Thema, das uns nicht bewege, denn die Gefährdung aller Verkehrsteilnehmer steht im Fokus, und deswegen müssen wir uns sehr gut überlegen, was wir machen.

Ich sage aber auch, wenn man sich in die Vorschriften etwas einliest, etwa in die Fahrerlaubnisverordnung, wo es geregelt ist und eine klare Regelung gibt: Wer dauerhaft Drogen konsumiert, verliert seine Fahrerlaubnis. Man kann auch feststellen, ob jemand dauerhaft konsumiert, denn es gibt einen sogenannten THC-Carbonsäurewert, daran sieht man, wie es sich abbaut, und deswegen ist man auch jederzeit in der Lage, mit diesem Blutserum den Wert zu bestimmen, sodass diese Frage in der Praxis keine Rolle spielt.

Die Frage ist aber: Was ist, wenn jemand gelegentlich einmal einen Joint nimmt? Dazu sagen die Rechtsprechung und auch unser Oberverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung, dass man bei einem Nanogramm in der Tat Gefahr läuft, seine Fahrerlaubnis zu verlieren. Die Obergerichte haben sich in den letzten Jahren in Dutzenden von Fällen damit befasst, denn es gibt, wie gesagt, keinen Grenzwert im Gesetz, sondern man stellt darauf ab, ob jemand in der Lage ist, zwischen dem Konsum auf der einen Seite und dem Führen eines Fahrzeugs auf der anderen Seite zu trennen. Dazu gibt es massenhaft wissenschaftliche Auseinandersetzungen, aber diese Frage wird abschließend in wenigen Monaten geklärt sein. Es steht eine Entscheidung beim Bundesverwaltungsgericht an, mit der diese Frage abschließend geklärt wird, ob ein Nanogramm ausreichend, zu hoch oder zu niedrig ist. Insofern erwarten wir in Kürze eine gerichtliche Entscheidung, und damit ist dieses Thema eigentlich für uns erledigt. Es ist nicht Sache des Senats

daranzugehen, sondern wenn das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, dann bindet das die Organe, und entsprechend werden wir verfahren, da haben wir auch keinen Spielraum.

Letztes Kapitel, die Frage, wie es mit unseren Grenzwerten - in der Praxis 6 Gramm - aussieht! Wir hatten einmal mehr, ich kann mich daran erinnern, das war auch in meiner Zeit in der Justiz. Da war es aber auch so, dass die Konzentration bei 2 oder 3 Prozent lag. Heute liegt sie bei 15 Prozent. Das heißt also, obwohl wir jetzt nur 6 Gramm als Grundlage für die Einstellung der Verfahren nehmen, ist der THC-Gehalt eindeutig gestiegen und hat sich nahezu vervierfacht. Wir haben deswegen diese Frage im Senat diskutiert und gesagt, okay, wir können darüber nachdenken, aber unter einer Voraussetzung: Dass wir keine Insellösung machen!

(Abg. Frau Dr. Müller [Bündnis 90/Die Grünen]: Ich kann es nicht mehr hören! - Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen] meldet sich zu einer Zwi- schenfrage.)

Wir haben deswegen Gespräche mit Niedersachsen geführt, weil das nahe liegend ist. Niedersachsen hat unter der rot-grünen vorherigen Regierung gesagt, nein danke, wir halten an unserer Praxis fest! Die jetzige Regierung, glaube ich, müssen wir erst gar nicht fragen, da ist dieses Thema schon erledigt.

Herr Senator, würden Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Dr. Schaefer zulassen?

Immer!

Bitte, Frau Dr. Schaefer!

Es gibt ja, wie wir vorhin diskutiert haben, 4 Bundesländer, die höhere Grenzwerte festgelegt haben, nämlich 10 Gramm beziehungsweise Berlin 15 Gramm. Welche Erfahrungen gibt es denn dort? Dort hat man sich ja für eine Anhebung des Grenzwertes entschieden.

Wir haben natürlich in Bremen eine besondere Situation. Wir sind das kleinste Bundesland, wir sind eingebettet in ein großes Bundesland.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Berlin auch, Berlin ist auch eingebettet!)

Das ist richtig, Berlin ist, wie gesagt, fast ein Flächenland. Insofern kann man das nicht auf unsere Situation übertragen. Wir haben ja - das habe ich auch anhand der Kontrollen, die wir durchgeführt haben, beschrieben - in Bremen ein Problem mit Drogen, und wir haben Brennpunkte. Das ist der Bahnhof, wir haben das Viertel, wo wir aus polizeilicher Sicht sehr viel unternehmen müssen, um die Situation halbwegs zu kontrollieren. Nehmen Sie es uns ab, wir haben schlichtweg die Sorge, dass mit dieser Botschaft „Bremen geht auf 10 Prozent“ ein Signal von hier ausgesendet wird, das im Ergebnis dazu führt, dass wir einen Tourismus haben, den wir überhaupt nicht gebrauchen können. Deswegen ist die Meinung des Senats - und das haben wir der Bürgerschaft auch in zwei Antworten mitgeteilt -, mit Niedersachsen machen wir das, aber allein möchten wir davon absehen.

(Beifall SPD)

Möchten Sie eine weitere Zwischenfrage stellen?

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Nein, ich habe nur gerade gelernt, dass Berlin ein Flächenland ist! Das war mir neu! - Senator Mäu- rer: Von der Größe her!)

Herr Senator, Sie können jetzt zum Schluss kommen.

(Heiterkeit)

Ich danke Ihnen! Ich hoffe, dass mein Beitrag auch dabei hilft, dass wir in sachlicher Atmosphäre diese Fragen weiter diskutieren. Es geht uns gar nicht darum, in dieser Frage nun für oder gegen Positionen Stellung zu nehmen. Der Senat hat in der Vergangenheit auch immer deutlich gemacht, dass er gegenüber neueren Entwicklungen aufgeschlossen ist. Wir bremsen nicht, wir verhindern nicht, aber ich bitte andererseits um Verständnis dafür, dass es auch die Fürsorgepflicht bei uns gebietet, nicht Regeln zu verkünden, die nachher dazu führen, dass Bürger sich im Gefängnis wiederfinden! Das müssen wir verhindern. - Schönen Dank!

(Beifall SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es war schon

spannend zu hören, wie uns unterstellt wurde, dass wir mit dem Antrag für einen Lifestyle werben wollten. Darum geht es nicht!

(Abg. Schäfer [LKR]: Ja, klar!)

Darum geht es nicht, sondern es geht um die Frage, ob wir Cannabis entkriminalisieren wollen oder nicht. Auch Alkohol ist ein schädliches Produkt, und man muss davon abraten, es zu konsumieren.

(Beifall FDP)

Genauso muss man davon abraten, Cannabis zu konsumieren, und 32 Prozent der Deutschen haben übrigens schon Cannabis konsumiert, wie die dpa berichtet. Man muss auch davon abraten, denn es ist schädlich, und es gehört nicht zum Lifestyle.

Ich verwahre mich auch gegen das, was Frau Wendland hier gesagt hat! Das ist nicht die Einstellung der Freien Demokraten, die hier für eine Entkriminalisierung werben!

(Beifall FDP)

Wir wollen nicht, dass die Leute sich nach dem Essen oder in ihrer Freizeit berauschen, wir wollen, dass sie ein selbstbestimmtes Leben führen können.