Protokoll der Sitzung vom 14.03.2018

Die Deutsche See ist im Bereich Fischverarbeitung einschließlich Gastronomie tätig. Sie hat 1 700 Beschäftigte, die meisten davon in Bremerhaven. Käufer ist der äußerst umstrittene Konzern Parlevliet aus den Niederlanden, der vor Ort nicht für gute Arbeitsbedingungen bekannt ist.

Ich finde, auf diese Entwicklung muss man einen Blick haben, und dazu muss man ins Gespräch kommen. Ich weiß nämlich – insofern nehme ich die Kritik von Herrn Bücking auf –, dass sich weder der Bürgermeister noch der Wirtschaftssenator bei Hachez haben blicken lassen, auch nicht beim Betriebsrat.

(Bürgermeister Dr. Sieling: Stimmt nicht! Es gibt re- gelmäßig Kontakt!)

Das finde ich nicht richtig. Man muss genau hinschauen. Es geht um 1 700 Beschäftigte. Der Wirtschaftssenator muss sich mit den Beschäftigten, aber auch mit der Betriebsleitung ins Benehmen setzen, um zu erfahren, was dort genau los ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bremerhaven ist nach wie vor die Welthauptstadt der Fischstäbchen. Ich finde, das muss so bleiben.

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Deswegen müssen wir uns auch um diesen Bereich kümmern. Auch die Wirtschaftspolitik muss sich anders aufstellen. Für Bremen und Bremerhaven als Hafen- und als Traditionsstädte ist es gefährlich, wenn wir die Nahrungsmittelindustrie so aus dem Blick verlieren, wie es in den vergangenen zehn Jahren der Fall war. Das muss sich ändern. Wenn diese Debatte ein wenig dazu beigetragen hat, dann bin ich ganz froh. – Danke schön!

(Beifall DIE LINKE)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Reinken. Lieber Herr Kollege Reinken, Sie haben noch sechs Minuten Redezeit.

(Abgeordneter Reinken [SPD]: So viel?)

Ja.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich will zu einigen Punkten noch etwas sagen. Es ist natürlich reizvoll, in einer solchen Debatte alles miteinander zu vermengen. Insofern bin ich Herr Kastendiek dankbar; denn er hat darauf hingewiesen, dass es sinnvoller ist, sich die Punkte im Einzelnen anzuschauen und auf die Probleme im Einzelnen einzugehen. Das hat mehr Sinn als zu versuchen, vorwahlkampfbedingte Pauschalisierungen vorzunehmen.

(Abgeordnete Vogt [DIE LINKE]: Das machen Sie nicht?)

Nein! Liebe Frau Kollegin Vogt, mit solchen Polemiken kommt man vielleicht gut herüber, sie stimmen aber nicht.

Wir verzeichnen im produzierenden Gewerbe von Ende 2014 bis heute eine Steigerung um knapp über 1 000 Arbeitsplätze. Auch das produzierende Gewerbe hat in den letzten Jahren nicht verloren.

(Abgeordnete Vogt [DIE LINKE]: Und die Stun- den?)

Jetzt verweisen Sie auf die Stunden.

(Abgeordnete Vogt [DIE LINKE]: Ja, natürlich! Das ist doch das Entscheidende!)

Ich verweise auf die vorgestrige Information der Arbeitnehmerkammer, die unter anderem darauf hingewiesen hat, dass die Einkommen, die im produzierenden Gewerbe in Bremen erzielt werden, im bundesweiten Vergleich mit an der Spitze liegen. Ich erwähne das auch deshalb, weil Sie, Frau Vogt, gesagt haben, die Brotscheiben seien dünner geworden. Das ist also ein Widerspruch bei Ihnen. Wir haben ein gut verdienendes produzierendes Gewerbe, in denen gute Löhne gezahlt werden. Die Zahl der Arbeitsplätze ist ebenfalls gestiegen. Selbst wenn möglicherweise die Anzahl der Stunden nicht gestiegen ist, etwa weil der Teilzeitanteil gestiegen ist – ich verweise darauf, dass meine Gewerkschaft gerade eine Auseinandersetzung um das Recht auf Teilzeit geführt hat –, führt dies nicht automatisch dazu, dass die Brotscheiben im produzierenden Gewerbe dünner werden.

(Beifall SPD)

Man muss aufpassen, auf welche Art und Weise man über die Themen diskutiert. Insofern sollten Sie manchmal etwas zurückhaltender sein, Frau Vogt.

(Abgeordnete Vogt [DIE LINKE]: Noch sind Sie bei der Arbeitszeitverkürzung nicht vorangekommen!)

Ich will zu den Punkten, die Herr Kastendiek durchaus differenziert angesprochen hat, noch etwas sagen. Ich sehe es so, dass wir mit der Forderung, einfach ein neues Cluster zu bilden, nicht unbedingt weiterkommen, auch wenn man sich mit dieser Forderung vielleicht beliebt macht. Ich bin fest davon überzeugt, dass es richtig ist, die Nahrungs- und Genussmittelwirtschaft mehr in den Fokus zu rücken und intensiver zu überlegen, wie man hier entsprechende Strukturen fördern kann. Schauen Sie bitte, was in den letzten Jahren in Bremerhaven in diesem Bereich passiert ist, insbesondere im Umfeld der dortigen Hochschule und des ttz. Angesichts dessen können Sie nicht behaupten, das Wirtschaftsressort, der Senat oder der Magistrat hätten diesen Bereich völlig vernachlässigt. Dort sind vielmehr tolle Ergebnisse erzielt worden. Das ist im Blick.

Wir müssen diesen Blick sicherlich auch auf das, was Bremen betrifft, erweitern. Wenn allerdings gefordert wird, das alles einfach nur in einem neuen Cluster abzubilden, dann sage ich: Vorsicht! Wir hätten nichts davon, wenn wir unabhängig von den einzelnen Fördermaßnahmen ein neues Monster im Sinne einer neuen bürokratischen Struktur schafften, die am Ende des Tages auch nicht viel ändern würde.

Wichtig ist, dass die Unternehmen in diesem Bereich sich zusammenschließen und ihre Interessen formulieren. Insoweit hatten wir in den vergangenen Jahren in der Tat kleine Probleme, auch mit dem NaGeB. Dass dieser sich personell und inhaltlich neu aufgestellt hat, ist hervorragend und bietet eine gute Grundlage für die weitere Entwicklung. Herr Kastendiek, uns sagen die Vertreter des NaGeB natürlich immer genau das Gegenteil dessen, was Sie Ihnen sagen. Das ist halt der Unterschied zwischen Opposition und Regierung. Dass der NaGeB sich neu aufgestellt hat, ist eine gute Voraussetzung für die Auseinandersetzung mit den Themen, um die man sich tatsächlich kümmern muss.

Es ist wichtig, dass wir die Netzwerkbildung im eigenen Bereich unterstützen, auch durch unsere

Wirtschaftspolitik. Wir müssen die Innovationsfähigkeit in diesem Bereich stärken. So kann der Staat etwa Forschung und Entwicklung durch Fördermaßnahmen unterlegen. Mit dem STARTHAUS ist der Senat bereits initiativ geworden. Die positiven Entwicklungen, die dort in den letzten Jahren angestoßen worden sind, müssen weiter unterstützt werden. Es ist darauf hingewiesen worden, dass andere Städte die Themen Nahrung, Genuss, Gaststätten und Tourismus eng miteinander verknüpft haben. Diese Bemühungen haben dort schon einige Erfolge gezeitigt. Das müssen wir uns anschauen. Auch den Strukturwandel in diesem Bereich müssen wir unterstützend begleiten.

Heute wurde wieder die Behauptung in den Raum gestellt, auch von Ihnen, Frau Steiner, dass viele große Betriebe beziehungsweise Konzerne Bremen verließen. Ich habe vorhin die Zahlen genannt. Was die Gesamtwirtschaft angeht, auch das verarbeitende Gewerbe und den Dienstleistungsbereich, Frau Steiner, muss man eigentlich die Frage stellen, warum so viele kommen. Es ist doch nicht so, dass wir nur Abwanderung verzeichnen. Es gibt doch auch Zuwanderung. Dafür gibt es eine ganze Reihe von Beispielen, auch außerhalb der großen Cluster. Die Unternehmensansiedlungen, die wir in Bremen verzeichnen, sind natürlich Ergebnis erfolgreicher unternehmerischer Entscheidungen, aber auch Ergebnis unserer erfolgreichen Politik. Deswegen können wir Ihren Antrag nicht mittragen. Sie greifen viel zu undifferenziert völlig verschiedene Themen auf. So verweisen Sie auf die Firma Bosch, die übrigens vor ein paar Jahren noch Nacam hieß und zu ZF Friedrichshafen gehörte; das ist also keine unmittelbare Bremer Marke. Sie nennen in Ihrem Antrag verschiedene Betriebe und bilden daraus ein Konglomerat. Eine solch undifferenzierte Herangehensweise bringt uns nicht weiter.

Wir müssen uns über jeden Einzelfall gesondert unterhalten. So ist die Frage zu stellen, warum Bosch sich nie am Automotive-Netzwerk beteiligt hat. Die automotiven Strukturen unterstützen wir auch wirtschaftspolitisch. Wir müssen also auch die Unternehmen fragen, was sie dafür tun, dass sie attraktiv bleiben und somit ihren Standort hier erhalten können. Wir sind damit konfrontiert, dass letztlich in Stuttgart entschieden wird, wo Bosch investiert.

Wir glauben, dass pauschale Diskussionen den spezifischen Fragen, die jedes einzelne Unternehmen beantworten muss, nicht gerecht werden. Deswegen sollten wir solche Diskussionen unterlassen.

Ja, wir bekennen uns zum Strukturwandel. Wir wissen, dass wir in den letzten Jahren einen großartigen Wandel geschafft haben. Wir haben mehr wissensintensive und mehr Dienstleistungsbetriebe gefördert, und deren Zahl hat sich erhöht. Ich sage auch sehr deutlich, wir wollen keine Vernachlässigung des produzierenden Gewerbes oder von Logistik und Handel. Wir wissen, dass es zur gesellschaftlichen Stabilität gehört, dass auch in diesem Bereich Arbeitsplätze entstehen.

(Glocke)

Unsere Wirtschaft wird nicht so funktionieren, dass wir ein paar Hipster in Hightech-Branchen haben, die sich von anderen den Kaffee mit aufgeschäumter Sojamilch servieren lassen. Wir brauchen auch und gerade im Bereich der Produktion Arbeitsplätze, mit denen die Menschen Geld verdienen und ihre Familien ernähren können. Darauf müssen wir unsere Wirtschaftspolitik auch ausrichten. – Herzlichen Dank!

(Beifall SPD)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen aus den Reihen der Fraktionen. – Damit erteile ich Herrn Staatsrat Siering das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde hat die Frage „Ist die Wirtschaftspolitik im Land Bremen breit genug aufgestellt?“ zum Thema. Ich nehme die Antwort vorweg: Ja!

Die Nahrungs- und Genussmittelindustrie – die Branche, die in der heutigen Debatte über allem schwebt – ist im verarbeitenden Gewerbe in Bremen nach dem Fahrzeugbau der zweitgrößte Arbeitgeber und, ebenfalls nach dem Fahrzeugbau, die zweitgrößte Exportbranche. Daran hat sich auch in den vergangenen Jahren nichts geändert.

Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten allein in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie liegt aktuell bei ungefähr 7 300. Das war in den vergangenen Jahren, trotz leichter Schwankungen, nicht anders. Angesichts dessen von einem „dramatischen Rückgang“ der Arbeitsplätze zu sprechen, ist mit Sicherheit nicht richtig.

(Abgeordnete Vogt [DIE LINKE]: Vor drei Jahren waren es 9 000! Das ist schon ein Unterschied!)

Selbstverständlich geht der Strukturwandel auch an dieser Branche nicht spurlos vorbei. Wir beobachten, dass die Zahl der Beschäftigten in den großen Unternehmen rückläufig ist, während die Beschäftigungszahlen in den kleineren Unternehmen mit 10 bis 50 Beschäftigten kontinuierlich steigen. Sowohl die Zahl der Betriebe mit 10 bis 50 Beschäftigten als auch die Zahl der dort Beschäftigten hat sich in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt. Wir erkennen also zwei gegenläufige Entwicklungen im Rahmen des Strukturwandels in der Nahrungs- und Genussmittelbranche. Im Ergebnis ist die Beschäftigungssituation aber konstant.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch die Verlagerung oder Schließung von Produktionsstandorten ihren Arbeitsplatz verlieren, finden hier in Bremen einen höchst aufnahmefähigen Arbeitsmarkt vor. Die positive wirtschaftliche Entwicklung sorgt dafür, dass neue Arbeitsplätze entstehen. Die Nahrungs- und Genussmittelindustrie ist genau dafür ein gutes Beispiel. Sie fügt sich damit übrigens nahtlos in die aktuelle Entwicklung des verarbeitenden Gewerbes insgesamt ein. Circa 55 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte sind aktuell im Land Bremen im verarbeitenden Gewerbe tätig. Diese Zahl ist insgesamt in Bremen auf hohem Niveau konstant geblieben. Wenn in dieser Zahl noch nicht einmal berücksichtigt ist, dass in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Dienstleistungen aus den Unternehmen ausgegliedert worden sind, dann wird deutlich, dass der industrielle Kern der Beschäftigung im Land Bremen sich sogar noch gefestigt hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Wirtschaftswachstum in Bremen übertrifft seit Jahren immer wieder den Bundesdurchschnitt. Mögen Sie behaupten, was Sie wollen. Lesen Sie einfach die Statistiken! Dann werden Sie die wahren Zahlen nachvollziehen können. Allein im vergangenen Jahr ist das Bruttoinlandsprodukt in Bremen um 3 Prozent gewachsen. Auch die Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zeigt die Stärke unserer Wirtschaft.

Wir haben heute viele Zahlen gehört; möglicherweise verfügen wir über unterschiedliche Grundlagen. Seit 2007 sind in Bremen und Bremerhaven fast 45 000 zusätzliche sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstanden. Für das Jahr 2017 rechnet das Statistische Landesamt mit einem Zuwachs von rund 2 Prozent. Meine Damen und Herren, die Wirtschaft in Bremen brummt!

(Beifall SPD)

Zu dieser positiven Entwicklung hat nicht zuletzt die gute, breit aufgestellte Wirtschaftsförderung in unserem Land beigetragen. In den letzten Jahren wurde der Fokus unserer Außenkommunikation bewusst auf die vier großen Cluster Automotive, Windenergie, Maritime Wirtschaft sowie Luft- und Raumfahrt gerichtet. In diesen Bereichen haben wir Alleinstellungsmerkmale, um die uns viele andere Standorte beneiden.

Die Fokussierung auf diese vier Themen bedeutet auch, dass wir in der Kommunikation nach außen selbstverständlich verdeutlichen, dass wir kein Gemischtwarenladen sind, sondern dass wir in Bremen echte Leuchttürme haben. Wenn Sie an die Luft- und Raumfahrt denken, dann wissen Sie, auf dem Weg ins All führt an Bremen kein Weg vorbei. Das macht auch unsere Clusterstrategie deutlich.

An dieser Stelle darf selbstverständlich nicht vergessen werden, dass auch alle anderen Branchen für uns wichtig sind. Jeder Arbeitsplatz, der in Bremen nicht entsteht, ist einer zu wenig. Natürlich kämpfen wir um jeden Arbeitsplatz. Wir setzen uns für jede Branche ein. Dennoch müssen wir darauf achten, dass wir in der breiten Landschaft erkennbar bleiben.

Auch die Nahrungs- und Genussmittelwirtschaft ist für uns ein wichtiges Kompetenzfeld. Bei der Innovationsförderung beispielsweise geht es nicht nur darum, die Cluster zu fördern. Im Gegenteil, über 50 Prozent der Förderfälle haben keinen Bezug zu einem Cluster. Insgesamt werden in Bremen ungefähr 300 Unternehmen der verschiedensten Branchen durch die Wirtschaftsförderung, auch durch Instrumente der Bremer Aufbau-Bank, unterstützt.

Ich will Ihnen zwei Beispiele für erfolgreiche Förderung geben. Diese zeigen zugleich, wie breit unser Wirtschaftsstandort aufgestellt ist. Das erste Beispiel ist die Feddersen Lebensmittellogistik in Bremerhaven, die in den vergangenen Jahren beständig gewachsen ist und heute 55 Angestellte hat. Aktuell errichtet das Unternehmen dort eine neue Logistik- und Produktionshalle, und zwar mit Unterstützung durch das Landesinvestitionsprogramm.

Das zweite Beispiel ist schon angeklungen, ich will dessen Bedeutung unterstrichen. Die Union Brauerei in Walle ist ein exzellentes Beispiel für einen Weltmarktführer, der an unserem Standort zu Hause ist und innovative Produkte mit historischem Bezug entwickeln sowie erfolgreich vermarkten kann. In den letzten vier Jahren wurde mit einer

Investitionsförderung zum Beispiel der Aufbau neuer Brauanlagen deutlich unterstützt.