Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns mit einem Antrag zum Rechtsextremismus, der von der Koalition eingebracht worden ist und der ebenfalls den Bereich Fremdenfeindlichkeit umfasst. Ich glaube, dass alle demokratischen Parteien, die in diesem Hause vertreten sind, gegen Rechtsextremismus und gegen Fremdenfeindlichkeit sind, und das gilt natürlich auch für die FDP.
In Deutschland hat der Extremismus seit der parlamentarischen Demokratie erhebliche Opfer gefordert. Denken Sie zu Beginn der Weimarer Republik an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, die ermordet worden sind. Das verurteilen wir, und das ist politisch völlig d’accord. Denken Sie an Walther Rathenau, denken Sie an die zwölf Jahre Antisemitismus als Staatsorganisation, denken Sie an die Siebzigerjahre, denken Sie an die Baader-Meinhof-Gruppe und an die RAF. Wie viele Menschen sind umgebracht worden: Schleyer, Buback, Herrhausen, viele Polizeibeamte und unbeteiligte Bürger!
Der nationalsozialistische Untergrund ist bis in die letzten Jahre hinein vorhanden gewesen, und sogar Papst Johannes Paul II. sollte damals von einem religiös verwirrten Täter getötet werden. Politischer Extremismus von links und rechts betrifft einschneidend die Bevölkerung, die Gesellschaft und ihre Werte.
Ist es richtig, wenn in dem Antrag hervorgehoben wird, dass wir es seit ein paar Jahren und aktuell mit Reichsbürgern, der Identitären Bewegung und mit fragwürdigen Gestalten aus dem Bereich der AfD zu tun haben, erneut mit Antisemitismus, und zwar nicht nur von rechts, sondern auch von links? Es gibt auch einen linken Antisemitismus, der gegen den Staat Israel und seine Einrichtungen und seine Wirtschaft gerichtet ist. Dies ist auch hervorzuheben. Das als groben und historischen Überblick!
Seit vielen Jahrzehnten ist in Deutschland in jedem Land ein Verfassungsschutzamt vorhanden. Wir haben den Bundesverfassungsschutz. Wir haben die Parlamentarische Kontrollkommission. Wir unterhalten uns drei-, vier- oder fünfmal im Jahr über die Entwicklungen des linken, rechten und religiösen Extremismus, denken Sie an die Besonderheit des Salafismus, der Anschläge in Europa – seit circa
zwei Jahren auch in Deutschland –, an das Terrorwochenende in Bremen sowie nach dem Bericht des Innensenators an die Vielzahl der Salafisten in Bremen.
Es stellt sich die Frage, wenn wir jedes Jahr Verfassungsschutzberichte der einzelnen Verfassungsschutzämter haben, die parlamentarische Kontrolle und die Behandlung der Themen – von Fall zu Fall – in der Innendeputation, ob es dann noch Sinn macht, zusätzlich einen Bericht abzufordern, der alle vier Jahre vorgelegt wird, in dem diese Themen noch einmal aufgegriffen werden, vielleicht ausführlicher, vielleicht komprimierter. Man kann das machen, aber immer nur dann, wenn man im Auge behält, dass man die Beobachtung und die Analyse verschärft und dass man auch etwas dazu sagt, wie wir gesellschaftspolitisch, allgemeinpolitisch präventiv in diese Entwicklungen eingreifen können.
Der Antrag der Koalition greift für uns vor diesem Hintergrund zu kurz. Man kann nicht nur Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit im Auge behalten. Wenn wir das Thema Extremismus, Gewalt in der Gesellschaft und Gewalt in der politischen Auseinandersetzung ernsthaft diskutieren wollen, dann müssen wir auch den Linksextremismus und den religiösen Extremismus im Auge behalten. Das ist ein Paket, das zusammengehört, und nur so wird ein Schuh daraus. Das wäre ein Bericht, der unsere Unterstützung finden könnte.
Wir müssen nicht auf Rechte und auf Linke schauen, sondern wir müssen unsere Gedanken anders ausrichten. Wir müssen uns auf die Werte des demokratischen, des sozialen und des liberalen Verfassungsstaates mit seiner Würde für den Menschen und für seine körperliche Unversehrtheit konzentrieren. Es muss die Pflicht aller Bürgerinnen und Bürger sein, sich an einer freien Debatte zu beteiligen, sich in politischen Parteien zu organisieren sowie an Abstimmungen und Wahlen teilzunehmen. Das ist Demokratie. Es muss den jungen Menschen in der Schule von Anfang an beigebracht werden, dass es sich lohnt, sich für die Grundsätze unserer Verfassung und unserer gesellschaftlichen Ordnung einzusetzen.
Herr Kollege Zenner, ich habe die ganze Zeit darüber nachgedacht, ob ich Ihre einleitenden Worte richtig verstanden habe. Entschuldigen Sie bitte, ich möchte noch einmal nachfragen: Haben Sie in Ihrer historischen Herleitung in der Tat über die Morde an Liebknecht und Luxemburg den Bogen zur NS-Diktatur und zum RAF-Terror in der Form geschlagen, dass das gleichwertige Ergebnisse seien?
Halten Sie in Anbetracht der durchaus verwerflichen Tötung von 33 Deutschen in der Zeit des RAF-Terrors einen Vergleich zur Zeit des industriellen Massenmordes der NS-Diktatur für angemessen?
Das sind völlig verschiedene Schuhe! Es sind völlig verschiedene Schuhe. Das müssen Sie mich nicht fragen, denn meine politische und historische Kenntnis und auch die entsprechende Analysemöglichkeit reicht soweit. Es sind völlig verschiedene Schuhe, und es würde mir überhaupt nicht anstehen, den Nationalsozialismus und seine Opfer mit anderen Opfern in eine Waagschale zu werfen. Das ist überhaupt nicht meine Absicht!
(Beifall FDP – Abgeordneter Tschöpe [SPD) : Deshalb habe ich ja noch einmal nachgefragt, Herr Zenner! – Glocke)
Ich bin jetzt am Ende meiner Ausführungen und komme in einer zweiten Runde noch einmal wieder. – Danke schön!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn in Bremerhaven eine Synagoge, in Bremen Museen und jüdische Friedhöfe mit Hakenkreuzen beschmiert und verunstaltet werden, wenn Flüchtlingsheime angegriffen und Menschen mit Migrationshintergrund überfallen werden, wenn die Zahl der sogenannten Reichsbürger wächst, wenn auf einer Parteiveranstaltung in der Rede eines AfDChefs Worte wie „Kümmeltürke“ und „Kameltreiber“ sowie „vaterloses Gesindel“ fallen und wenn dazu auch noch circa 1 000 Leute im Saal jubeln und klatschen, dann bin ich über alle Maßen entsetzt, teilweise sprachlos und beschämt zugleich.
Ich sage für mich und für die gesamte CDU-Fraktion ganz klar, dass wir solche rechts motivierten Taten und Ansprachen entschieden verurteilen und uns darüber hinaus von jeglicher Form des Extremismus, des Fanatismus, des Terrorismus, des Salafismus und der Gewalt, ganz gleich, welche Motivation dahintersteckt, ausdrücklich distanzieren und dass wir weiterhin entsprechende Maßnahmen fordern und unterstützen, um diesen traurigen Entwicklungen entschieden entgegenzutreten.
Wir werden daher dem rot-grünen Antrag – wie wir es ja auch in der Vergangenheit getan haben – zustimmen.
Meine Damen und Herren, man kann und wir werden auch nicht nur über die rechte Seite der Medaille diskutieren, ohne die linke Seite zu beachten.
und insbesondere von den LINKEN seit Jahren zum Thema Extremismus an den Tag legen, zu kritisieren. Wir werden auch nicht aufhören, den Zusammenhang zwischen rechter und linker Gewalt herzustellen.
Wenn Sie, Herr Fecker, im „Weser-Kurier“ erklären, dass rechts- und linksextreme sowie religiös motivierte Gewalt nicht gleichzusetzen sind, dann sage ich Ihnen klar: Doch, sie sind gleichzusetzen,
denn es ist und bleibt durch religiös motivierten Extremismus motivierte Gewalt, egal, von wem und weswegen sie verübt wird.
Man muss wohl für die verschiedenen Gruppen unterschiedliche Konzepte zur Problembewältigung entwickeln – das ist richtig, und da bin ich auch bei Ihnen –, aber bei der Beurteilung der extremen und ausgeübten Gewalt gibt es keine akzeptable Gewalt, die man als Streich abtun kann
(Abgeordnete Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die GRÜ- NEN]: Das hat Herr Fecker im „Weser-Kurier“ auch nicht gesagt!)
Wenn Sie es nicht mehr hören können, dann ändern Sie es doch einfach. Ich frage mich, warum Sie nie einen Bericht über den Linksextremismus anfordern,
insbesondere jetzt, wo sich die Schlagzeilen mit diesen feigen Anschlägen fast überschlagen? Wo ist denn Ihr öffentlicher Aufschrei zu den jüngsten Taten linksmotivierter Täter in Bremen, wie zum Beispiel bei dem Anschlag auf die Polizeigewerkschaft oder auf einen Lkw, bei dem sogar ein Menschenleben gefährdet worden ist, geblieben?