Wir sagen voraus, dass uns die Schule an der FritzGansberg-Straße noch einige Zeit erhalten bleibt, und das ist auch gut so. Vor diesem Hintergrund mutet es geradezu wie eine Durchhalteparole aus dem bildungspolitischen Ressort an, wenn es in der Antwort des Senats heißt, ein Zurück in der Entwicklung eines inklusiven Schulsystems gebe es nicht.
Merke: In einer Demokratie kann es grundsätzlich keine irreversiblen Entscheidungen geben, weil dadurch die Gestaltungsspielräume künftiger parlamentarischer Mehrheiten unzulässig beschnitten werden. Meine Damen und Herren, wir brauchen endlich einen politischen Neuanfang, in Bremen vor allem in der Bildungspolitik! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Schade, dass einem in dieser Legislaturperiode so viel Lebenszeit gestohlen wird!
(Abgeordneter Timke [BIW]: Dann setzen Sie sich einmal ganz schnell hin, Frau Vogt! Dann setzen Sie sich einmal ganz schnell hin!)
Ich komme noch einmal zurück auf die beiden Anträge, die hier heute vorliegen, und will dann noch einmal etwas zu der Debatte sagen, die sich um das Gymnasium Horn ergeben hat.
Unser Antrag ist zu einem Zeitpunkt entstanden, als die Universität die Einrichtung des Studiengangs Inklusive Pädagogik infrage gestellt hat. Das ist zum Glück nicht mehr der Fall. Insoweit hat sich unser Antrag tatsächlich, Gott sei Dank, erledigt.
Ich weise aber darauf hin, dass wir zur Überbrückung, bis dieser Studiengang Sonderpädagogen ausgebildet hat, die dann an Bremer Schulen sind, tatsächlich auch noch den Weiterbildungsstudiengang benötigen, und die Aussagen des Senats sind dazu sehr schwammig. Es heißt lediglich, diese Weiterbildung sei bis 2020 abgesichert. Das ist uns zu wenig, deswegen sagen wir, so lange dieser Ausbildungslehrgang Inklusive Pädagogik noch nicht ausgebildete Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen an die Schulen gibt, brauchen wir diesen Weiterbildungsstudiengang.
Weiter sagen wir, dass das Land Bremen Ausbildungsplätze für die Heilerziehungspflege schaffen muss. Das ist die wesentliche Qualifizierung, um als persönliche Assistenz zu arbeiten. Zu dieser Forderung schweigt der Senat völlig.
Die CDU hat sich in ihrem Antrag zum Beispiel sehr detailliert zum Problem der Personalgewinnung für die persönlichen Assistenzleistungen geäußert, das ist wirklich eine der Stärken dieses Antrags, das kann ich hier gern sagen, und ich muss sagen, der Senat äußert sich dann zwar zum Antrag der CDU in Bezug auf den Personalengpass bei den Assistenzen, aber unzureichend. Da heißt es lapidar, man werde versuchen, einen weiteren Drittanbieter zu gewinnen. Was soll ein weiterer Drittanbieter bringen? Der Arbeitsmarkt für persönliche Assistenzen ist leer. Wenn man nicht ausbildet, ändert sich daran nichts, und außerdem grenzt die Aussage, man wolle weitere Anbieter einbinden, schon
ein bisschen an Zynismus, wenn man sich mit diesem gleichzeitig in einem Rechtsstreit über den Zugang zu den Bremer Schulen befindet. Ich finde, das ist keine ernst zu nehmende Lösung für das Assistenzproblem, lieber Senat!
Unsere dritte Forderung bezieht sich auf die Zweckentfremdung von Differenzierungsräumen, die für die Inklusion gedacht sind und dafür auch benötigt werden. Wir wissen aus der Praxis, dass diese Differenzierungsräume immer die ersten sind, die für andere Maßnahmen verwendet werden, für zusätzliche Klassen, Vorkurse oder wenn Baumaßnahmen anstehen, werden sie nicht mitgedacht, dann gibt es Container für die Regelklassen, aber nicht für die Differenzierungsräume.
Wir sind der Meinung, so kann kein guter Inklusionsunterricht durchgesetzt werden, und die Stellungnahme des Senats finde ich, ehrlich gesagt, eher bestürzend, denn das Problem wird einfach ignoriert. Raum ist ein wichtiger Lehrer an Schulen, das sagen alle Beschäftigten an den Schulen, daher finde ich diese Haltung, das Problem auszusitzen, sehr gefährlich!
Die Probleme der Inklusion sind in den letzten Jahren und auch hier und heute wieder hinreichend beschrieben worden. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich finde, die CDU und wir haben uns wirklich die Mühe gemacht, auch tatsächliche Lösungen aufzuzeigen, gangbare Lösungen, um die Probleme abzumildern. Wir bemühen uns aktiv und konstruktiv, obwohl wir in der Opposition sind und auch nicht nach dem Motto „Wünsch‘ Dir was!“, sondern tatsächlich mit umsetzbaren Maßnahmen. Wir wissen alle, dass es nicht nur eine Frage der finanziellen Ressourcen ist, sondern natürlich auch eine Frage des Fachkräftemangels. Wir bemühen uns aber wenigstens. Ehrlich gesagt, finde ich es dann, wenn ich mir den Bericht ansehe, einfach nicht sachgerecht, wenn das seitens der Regierungsfraktionen beziehungsweise seitens des Senats einfach weiter ausgesessen wird. Ich finde, das ist auch kein angemessener Umgang mit den Herausforderungen, die wir haben.
Ich will aber noch einmal etwas zu der Frage Gymnasium und Inklusion sagen. Ich habe einen ähnlichen Eindruck wie der Kollege Dr. Güldner gehabt, als ich den Bericht bei „buten un binnen“ gesehen
habe. Da ist mir deutlich geworden, ja, es ist offenbar immer noch nicht allen klar, was inklusive Schule bedeutet. Wir wissen das übrigens auch aus dem Evaluationsbericht, auch an den Oberschulen gibt es eine Kulturdifferenz, es gibt inklusive Schulen und Schulen, die eine sonderpädagogische Orientierung haben, also eigentlich nicht das, was wir unter Inklusion verstehen. Insbesondere an den Gymnasien scheint aber überhaupt nicht klar zu sein, zumindest an denen, die noch nicht inklusiv beschulen, dass es gar nicht darum geht, dass alle die gleichen Leistungsstandard erreichen sollen und müssen, sondern um etwas grundsätzlich anderes, nämlich auch um eine Frage der gesellschaftlichen Haltung, dass man Schülerinnen und Schüler wohnortnah beschult und sie in ihrem persönlichen Umfeld in die Schule bringt, denn in der Frage der persönlichen Reife der Schülerinnen und Schüler ist das eigentlich ein enormer Vorteil, und das zeigt auch die Praxis an den Schulen, an denen das gemacht wird. Ich kann einige Klagen, die in dem Zusammenhang geäußert worden sind, ehrlich gesagt überhaupt nicht nachvollziehen, denn wenn Lehrkräfte des Gymnasiums Horn jetzt sagen, man habe nicht das sonderpädagogische Personal: Vor dem Problem stand aber auch jede Oberschule, denn das wird ja auch erst zugewiesen, wenn man W+E-Standort ist und nicht vorher.
Ich finde es völlig unredlich, so zu argumentieren, und dann muss man sich schon fragen, welche Haltung dahinter steckt. Darum geht es doch. Wir haben in Bezug auf die Evaluation – ich habe Herrn Professor Dr. Maaz auch gefragt – eine Ungleichgewichtung in den Stadtteilen, weil wir zwei Systeme haben, die nebeneinander existieren – Oberschule und Gymnasium –, und nur zwei Gymnasien beteiligen sich im Moment an der Inklusion. Das führt dazu, dass wir in Stadtteilen enorm hohe Förderquoten haben, in denen man dann auch noch eine hohe Migrationsquote hat und so weiter. Wenn wir dazu noch wissen, dass es Inklusionsschüler aus Schwachhausen gibt, die in Walle beschult werden, und Kinder aus Walle dann in Oslebshausen: Das ist doch das große Problem, dass wir keine Gerechtigkeit innerhalb der stadtbremischen Gesellschaft haben, und in Bremerhaven ist es auch nicht anders.
Wenn man die Gymnasien nicht an der Inklusion beteiligt, und das ist auch das, was uns die Wissenschaft beziehungsweise Herr Professor Dr. Maaz
auf meine Frage geantwortet hat: Es geht darum, auch Gymnasien mehr an der Aufgabe der Inklusion zu beteiligen, als es in der Vergangenheit der Fall war, und deswegen, ob die Kommunikation nun gestimmt hat oder nicht, da bin ich der Meinung, sie hat wahrscheinlich nicht gestimmt, da bin ich völlig bei Ihnen, aber man sollte Gymnasien trotzdem mit auf den Weg bringen, das hat ja auch die Expertenkommission deutlich gesagt, auch noch einmal auf meine Nachfrage.
Ein letzter Satz an die CDU! Uns liegen hier zwei Anträge vor, und ich finde Ihren in vielen Teilen sehr gut. Sie haben signalisiert, dass Sie unseren Antrag auch sehr gut finden, und wir haben natürlich bei der Haltung zur inklusiven Beschulung an Gymnasien eine unterschiedliche Position und deswegen beide gesagt, dass wir zur Enthaltung neigen.
Das ist politisch zulässig, aber fachlich unsinnig. Vielleicht sollten wir gleich noch einmal per SMS kommunizieren. – Danke schön!
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine ganze Reihe von Anmerkungen hat die Kollegen Frau Vogt bereits vorweggenommen, insbesondere auch die Bewertung des Berichts der Deputation. Es klingt ja immer so, als wenn die gesamte Deputation berichtete, in Wahrheit ist es natürlich ein Bericht der Koalition aus dieser Deputation, und in Wahrheit ist dieser Bericht gegen unsere Stimmen zustande gekommen, und zwar deshalb, weil er im Ergebnis die beiden hier bereits vorgestellten und beschriebenen Anträge weitgehend begründungslos ablehnt. Da wird eine Reihe von blumigen Bemerkungen angefügt, warum Inklusion wichtig sei. Ja, sie ist wichtig. Es wird auch angefügt, was möglicherweise zwischenzeitlich – zwischenzeitlich, muss man ja sagen! – im Haushalt
getan worden ist, das war es aber. Inhaltliche Stellungnahmen außer einer ressourcenbezogenen Stellungnahme sind darin nicht enthalten, und deshalb sage ich Ihnen, eine konzeptionelle Arbeit, eine inhaltliche Auseinandersetzung mit unseren Anträgen finde ich in diesem Bericht nicht wieder. Deshalb teile ich die Einschätzung der Kollegin Frau Vogt, für uns ist diese Debatte konzeptionell auch nicht am Ende, meine Damen und Herren!
Die Kollegin Frau Rosenkötter hat davon gesprochen, Inklusion sei eine Haltung. Jawohl, daran stimmt sicher etwas! Ich will aber an dieser Stelle sagen, so recht Sie haben, und so pathetisch und blumig das am Ende des Tages klingen mag, nur mit Haltung kommen die Schulen auch nicht weiter!
Diese Diskussion ist nicht nur eine Frage des Ob, sondern es ist am Ende des Tages die Frage, wie diese Diskussion geführt wird. Sie, meine Damen und Herren, haben die Diskussion um das Gymnasium Horn so geführt, dass am Ende des Tages nicht Inklusion, sondern mehr Exklusion dabei herausgekommen ist, und das ist der falsche Weg!
An die Kollegen von rechts, hätte ich fast gesagt, aber auch an den Kollegen Güldner würde ich noch gern ein Wort richten: Manchmal habe ich das Gefühl, wir sind an dieser Stelle eigentlich einen Schritt weiter. Meine Damen und Herren hier auf der rechten Seite, einen Weg, wie Sie ihn beschreiben, zur Wiederherstellung der Förderzentren von gestern, eine Rückkehr zu einer Welt, die Exklusion predigt, wird es definitiv nicht geben!
Herr Kollege Güldner, aber den Hinweis hätte ich mir auch noch erlaubt: Von Aussonderung zu sprechen, finde ich begrifflich auch ausgesprochen schwierig.
zwischen Schulen und in Schulen ist keine. Aussonderung ist ein Kampfbegriff, den ich an dieser Stelle auch ausgesprochen unpassend finde.
Eine letzte Bemerkung: Der Begriff der Nivellierung bezieht sich meines Erachtens nicht in erster Linie auf die Frage, wie Inklusion in den Klassen und in den Schulen praktiziert wird, sondern bezieht sich auf die Frage, wie wir eigentlich eine ehrliche und zukunftsfähige Schulstruktur und eine ehrliche Debatte darüber organisieren. Für uns ist Inklusion nicht der Einstieg in eine Diskussion unter dem Motto „Eine Schule für alle!“, nicht der Einstieg in eine Diskussion über die Nivellierung des Schulsystems, sondern wir wollen auch weiterhin eine Vielfalt des Schulsystems, das die Begabungen, Neigungen und die Motivation möglichst aller Schüler gleichermaßen abbildet. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal gemeldet, weil mir, ehrlich gesagt, vorhin die Hutschnur platzte, als es darum ging, Inklusion mit Ideologie zu bezeichnen. Inklusion ist keine Ideologie. Ideologie wird immer sehr leicht benutzt, wenn man sich nicht vertieft mit etwas auseinandersetzen will, Ideologie ist schlichtweg etwas, was hier als Bezeichnung überhaupt nicht angebracht ist. Es geht um ein Menschenbild, es geht um eine Haltung der Gesellschaft gegenüber, und es geht darum, Menschen zu ihrem Menschenrecht zu verhelfen.