Protokoll der Sitzung vom 26.04.2018

Ja, das ist richtig! Die Biogasanlage hätte vorher errichtet werden können. Das wäre möglich gewesen. Es gab ja auch die Zustimmung von Beiratsgebieten, die sich dafür ausgesprochen haben. Es ist ja nicht so, dass wir heute die gleichen Proteste wie seinerzeit gehabt haben. Deshalb finde ich schon, dass man sich hier der politischen Verantwortung und auch des politischen Entscheidungsrahmens bewusst sein muss, um Lösungen vor Ort zu finden.

(Beifall DIE LINKE)

Ehrlicherweise müssen wir auch festhalten: Die Frage der Müllimporte und der Müllexporte ist keine Frage, die wir nur in Bremen lösen können und lösen werden. Es ist richtig, dass vieles im Kreislaufwirtschaftsgesetz verankert ist. Es ist richtig, dass vieles im Zusammenhang mit europäischen Richtlinien steht, und zwar mit der Europäischen Abfallrichtlinie. Dennoch gilt es auch aus Bremen, den Finger an den Stellen in die Wunde zu legen, an denen der Handlungsspielraum politisch nicht ausgenutzt wird. Sei es bei der Frage der Recyclingquoten oder sei es bei der Frage der Hierarchisierung der Müllverwertung.

Für uns gilt nach wie vor, die stoffliche Wiederverwertung statt der thermischen Weiterverwertung immer in den Vordergrund zu stellen.

Es gibt Bestrebungen, diese Fragestellungen umzukehren, gleichzustellen. In Bremen wird extrem viel Müll verbrannt.

Vielleicht an dieser Stelle eine Randbemerkung zur Müllverbrennung: Insgesamt kommen zehn Prozent des Ausstoßes von CO2 im Land Bremen allein durch die Müllverbrennung zustande, und zwar jährlich 700 000 Tonnen. Das ist eine erhebliche Menge, die uns auch daran erinnert, Klimaziele in diesem Land zu erreichen.

(Abgeordnete Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Wollen Sie ihn wieder auf eine Deponie brin- gen?)

Nein, wir wollen den Müll nicht wieder auf die Deponie bringen! Ich bin allerdings fest davon überzeugt, dass ein Teil der Stoffe, die heute verbrannt werden, stofflich weiterverwertet werden könnten. Das sehen wir schon an den großen Unterschieden zwischen Bremen und Bremerhaven, wenn wir uns die Sammlungen und die Mülltrennung beispielsweise bei den gelben Säcken anschauen. Ich bin mir sicher, dass auch hier die Kapazitäten der Müllverbrennungsanlagen genutzt werden und dass auch dies dazu führt, dass die Recyclingquoten nicht in dem Maße ausgeschöpft werden, wie sie ausgeschöpft werden könnten.

(Beifall DIE LINKE)

Lassen Sie mich noch eine Bemerkung machen! Wir sehen in einer Antwort auf die Frage, in der es um den illegalen Mülltransport oder um die Verklappung geht, eine Formulierung, die ich doch höchst bedenklich finde. Es heißt dort, dass die personellen Kapazitäten unzureichend seien und dass dies die Aufsichtsbehörden davon abhalte, regelmäßig Straßenkontrollen durchzuführen. Meine Damen und Herren, es ist ein Problem, wenn Kontrollen nicht in dem Maße durchgeführt werden können, dass hier illegale Transporte stattfinden können.

Ich glaube, hier liegt eine Aufgabe für den Senat, in den kommenden Haushaltsberatungen nachzusteuern. – Vielen Dank!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Herr Crueger.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber

Kollege Janßen, danke für diese Große Anfrage an das Ressort. Danke für die Beantwortung dieser Großen Anfrage auf stolzen 120 Seiten. Darin steckt eine Menge Arbeit, aber ich glaube, es ist gut gewesen, dass das Ressort sich diese Arbeit gemacht hat, weil das Thema in der Tat wichtig ist.

Wir führen in diesem Hause nicht ohne Grund die zweite müllpolitische Debatte. Ich möchte meinen Kollegen Hamann zitieren, er hat vorhin gesagt: Der beste Weg, mit Müll umzugehen, sei ihn zu vermeiden. Der Müll, der gar nicht erst entsteht, fliegt nicht auf den Straßen herum. In größerem Maßstab: Er muss nicht irgendwo eingesammelt, irgendwo hingebracht, irgendwo weiterverwertet oder teilweise entsorgt werden. Eigentlich sollte das die Überschrift für die gesamte Situation sein.

Dennoch sind wir in Bremen als Industriestandort selbst Erzeuger von einer ganzen Menge Müll in unserem Gemeinwesen, der teilweise schwer zu entsorgen ist. Ein Großteil von dem, was für den Stadtteil Hemelingen als Sondermüll vorgesehen ist, kommt ja nicht von außerhalb, sondern hat etwas damit zu tun, dass Bremen ein Industriestandort ist, und das ist sozusagen auch völlig normal.

Gleichzeitig ist es natürlich auch so, dass Müll mittlerweile in größeren Wirtschaftskreisläufen entsteht. Sie haben es Mülltourismus genannt. Das ist ein bisschen irreführend, denn eigentlich wird mit dem Wort Tourismus etwas Schönes beschrieben. Bei Mülltourismus rümpft man zunächst einmal die Nase, aber tatsächlich werden damit die Stoffkreisläufe und Verwertungskreisläufe beschrieben, die dazu führen können, dass wir hier mit Müll arbeiten, den wir nicht in Bremen erzeugt haben. Die Anwohnerinnen und Anwohner, die sich davon betroffen fühlen, führen das natürlich als erstes Argument an, in dem sie sagen, dass das noch nicht einmal bremische Müll sei, und sie fragen, was der Müll hier solle.

Bei diesem Thema ist es also für die Politik wichtig, um das Ganze einmal ein bisschen politisch zuzuspitzen, dass, wenn in einem Gemeinwesen Müll erzeugt wird, er in diesem Gemeinwesen auch entsorgt wird und dass das unter dem Gemeinwohlaspekt so zu organisieren ist – und das hat beispielsweise etwas mit der Stadtplanung zu tun –, dass die Bewohnerinnen und Bewohner davon möglichst wenig tangiert werden. Man muss dann schauen, welche Flächen sich in einem Stadtstaat wie Bremen dafür überhaupt anbieten.

Man darf nicht vergessen, dass es dabei auch so etwas wie eine soziale Dimension gibt. Sie ist uns als SPD sehr wichtig. Man muss also insgesamt schauen, dass man das auch für die Zukunft beachtet, weil wir ja immer wieder in solchen Debatten feststellen, dass wir es mit Bebauungsplänen zu tun haben, in denen vorgesehen ist, dass man nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz bestimmte Dinge dort entsorgen darf, obwohl die Anwohnerinnen und Anwohner damit nicht einverstanden sind. Man hätte sich dann vielleicht gefragt, ob bei der Entwicklung dieses Bebauungsplans alles Mögliche berücksichtigt worden ist. Also auch hier die Stadt und die Stadtpolitik als lernende Organisation – und das gilt, weil wir hier im Landtag sind, für Bremen und für Bremerhaven –, sodass die Stadtentwicklung diese Dinge berücksichtigt.

In den vergangenen Jahrzehnten ist das als nicht so problematisch angesehen worden wie heute. Dazu muss man sich in den einschlägigen Stadtteilen einmal die Bodenuntersuchungen und die Grundwasseruntersuchungen anschauen. In der Vergangenheit sind dort ganz andere Dinge passiert: Wenn irgendwo eine Wäscherei gestanden hat, dann können wir das heute an dem Standort noch nachweisen. Wenn das heute bei einer Wäscherei passieren würde, dann würde sofort die Gewerbeaufsicht tätig werden, und es wäre ein Kreuz an der Tür.

Insofern, glaube ich, ist es etwas, das wir auch in der heutigen Dimension diskutieren müssen, und wir müssen schauen, dass wir vernünftige Standortentscheidungen fällen. Wir müssen aber auch für die Zukunft schauen, dass wir die Stadtplanung nicht nur auf das Genehmigungsrechtliche reduzieren, sondern dass wir auch politisch das eine oder andere Zeichen im Bebauungsplanverfahren setzen. – In dem Sinne bedanke ich mich!

(Beifall SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Herr Strohmann.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich auch zunächst bei Herrn Janßen von den LINKEN bedanken. Das war eine sehr gute Große Anfrage, aber auch die Antwort des Senats war sehr umfangreich. Man hat sehr viel aus den Zahlen und Statistiken lernen können.

Ich habe festgestellt, dass man Ihre Große Anfrage in zwei Teile teilen muss, und zwar ist es zum einen

die Kritik an dem Vergabeverfahren der Bremischen Müllentsorgung und zum anderen in den sogenannten Mülltourismus, also den Im- und Export des Mülls. Ihre Große Anfrage ist ja breit gefächert gewesen, und ich will Aspekte auch einmal trennen.

Der erste Aspekt! Ja, wir müssen zur Kenntnis nehmen – das ist aber keine neue Erkenntnis – Müll ist ein Produkt, mit dem gehandelt wird. Es ist vor 30 Jahren unvorstellbar gewesen, dass man mit Müll Geld verdienen kann, dass man für Müll Geld bezahlen muss, um ihn importieren zu können, und dass wir eines der größten Importländer für Müll werden. Das hat man sich nicht vorstellen können.

Das liegt aber auch ein bisschen daran – und in diesem Punkt folge ich nicht ihrer Kritik –, natürlich muss man immer den CO2-Ausstoß, die Transportkosten und weitere Kosten abwägen, aber man muss natürlich auch abwägen, was wäre, wenn dieser Müll vergammelt und irgendwo auf der Welt Methangas erzeugt. Dieses Gas würde auch das Klima beeinflussen, denn eine Beschränkung auf Ländergrenzen ist ja nicht möglich. Die Klimaveränderung muss global betrachtet werden.

Die Kritik der CDU am Klimaschutzgesetz der rotgrünen Regierung war ja nicht an sich, dass man sich Gedanken darüber gemacht hat, auf welche Weise CO2 eingespart werden kann, sondern dass man sich überbordende Ziele gesetzt hat, die in einem Stadtstaat gar nicht umsetzbar gewesen sind.

Damit komme ich zum Thema Müllverbrennungsanlagen. Bei den Müllverbrennungsanlagen stellt sich die Frage, ob man den Betreibern verbieten sollte, Müll zu importieren und die Müllverbrennungsanlagen schließen. Von den Müllverbrennungsanlagen wird ja auch Energie erzeugt, es wird Wärme erzeugt, und das findet alles in einem Wirtschaftskreislauf statt. Ich finde, man muss mit dem gesamten Thema sorgsam umgehen, denn es betrifft ein wirtschaftliches Produkt. Wenn es gewerberechtlich erlaubt ist, eine Müllverbrennungsanlage in bestimmten Gebieten zu betreiben, dann sollte man das auch umsetzen.

(Unruhe SPD – Abgeordnete Böschen [SPD]: Ent- schuldigung!)

Ich habe immer ein Piepen auf dem Ohr, ich habe es deswegen gar nicht gemerkt.

(Heiterkeit – Abgeordneter Dr. Buhlert [FDP]: Wenn es nur auf den Ohren ist!)

Ihren Zwischenruf, Herr Dr. Buhlert, können Sie gleich noch einmal erklären!

Sie haben das Thema Vergaberecht angesprochen, und da gebe ich Ihnen recht. Ich glaube, dass im Vergabeverfahren Fehler gemacht worden sind. Wir haben uns selbst entmündigt und haben es an Firmen und nach Niedersachsen ausgelagert, obwohl wir hier selbst energetisch Müll hätten verwerten können. Es ist schlicht und einfach so, dass bei einer Ausschreibung über ein paar Jahre keine Refinanzierung möglich ist. Das war klar. Man hätte vielleicht dann die Zeiträume verlängern müssen, und dann hätte man das im Grunde genommen refinanzieren können, sodass sich das wahrscheinlich gelohnt hätte.

Es wird ja auch immer kritisch gesagt, dass die Abgeordneten in der Umweltdeputation bei der Entscheidung anwesend gewesen sind. Ich will hier noch einmal klarstellen, dass lediglich die Frage erörtert worden ist, ob eine staatliche Organisation möglich ist oder ob eine privatwirtschaftliche Organisation besser ist. Die CDU hat gesagt, eine privatwirtschaftliche Lösung sei möglich. Wenn man dem Betreiber dann aber nicht die entsprechenden Rahmenbedingungen zubilligt, dann kommt es zu den bekannten Vorfällen, dass jemand über freie Kapazitäten verfügt, dementsprechend ein kostengünstiges Angebot mit der Folge vorlegen kann, dass der Müll an diesen Betreiber geliefert wird. Das ist jetzt verschüttete Milch, aber für die Zukunft, glaube ich, müssen wir genau darauf achten.

In Ihrer großen Anfrage haben Sie das Thema der Kontrollen aufgegriffen. Ich glaube schon, dass sie vernünftig durchgeführt werden. Dass sich das Ressort dort nicht so weit nach vorn wagt, dafür habe ich Verständnis, denn wir müssen genau aufpassen, was wir in dem Bereich machen. Der Müllexport nach Afrika ist ein Thema für sich, das weiß ich. Es ist aber, glaube ich, auch ein Thema für die Häfen. Nach meiner Kenntnis haben wir das gut im Griff. Man muss dann auch genau schauen, an welcher Stelle man Unternehmen drangsaliert, die bestimmte Güter exportieren. Ich glaube, es ist nicht der richtige Weg, sie unter einen Generalverdacht zu stellen. Deswegen weiß ich auch nicht, ob wir nicht für andere, wichtigere Dinge Personalressourcen benötigen, als sie zu nutzen, um eine Kontrolltätigkeit in diesem Bereich durchzuführen.

Die Antwort auf die Große Anfrage ist ansonsten für die Arbeit in den nächsten Monaten eine gute

Datengrundlage. Dafür bedanke ich mich noch einmal ausdrücklich. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!

(Beifall CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schaefer.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ja, Müllabfall ist inzwischen ein internationales Geschäft, und zwar auch mit vielen Schattenseiten, wenn man an die Müllmafia denkt. Viel von unserem Müll wird woanders verbrannt oder entsorgt. Bei uns werden aber auch Abfälle aus anderen Ländern oder Kommunen angeliefert. Es gibt also weltweit eine Drehscheibe, und zwar nicht nur in Bremen, sondern auch anderswo.

Herr Crueger ist schon darauf eingegangen, dass Bremen Müll produziert. Jeder von uns produziert Müll, aber wir sind eben auch ein Industriestandort. Wir produzieren tagtäglich Müll, ob es die Biotonne ist, ob es der gelbe Sack ist, ob es der Restmüll ist oder ob es Bauschutt ist.

Nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz steht – vorhin ist das bereits in der Debatte zur Stadtsauberkeit gesagt worden – an erster Stelle die Abfallvermeidung, danach kommt die Wiederverwertung, das Recycling, dann die energetische Verwertung, und am Ende der Hierarchie steht die Abfallbeseitigung.

Herr Janßen, ja, in Bremen und Bremerhaven wird der Hausmüll in vier Müllverbrennungsanlagen verbrannt, allerdings – und das muss man zumindest für Bremen sagen – wird die Fernwärme genutzt. Das führt zu einer deutlichen Verbesserung der CO2-Bilanz, und zwar besser, als Strom aus Kohlekraftwerken oder Gas über Gasheizungen zu nutzen.

Die Abfälle kommen per Lkw, per Schiff oder in Bremerhaven auch per Bahn an. Natürlich bleiben am Ende auch Aschen übrig, die beispielsweise als Baustoffe oder im Straßenbau weiterverwertet werden. Es gibt ein Problem, dass man wieder in der Antwort auf Ihre Große Anfrage lesen konnte: Am Ende einer Verbrennung entstehen Filterstäube oder auch Rauchgasreinigungsrückstände – ein langes Wort –, die in Bremen aus den Müllverbrennungsanlagen unter Tage, meistens im Harz, in

Sondermülldeponien verbracht werden. In Bremerhaven ist es zum Teil anders, dort kommen sie nämlich oberirdisch auf die Deponie Grauer Wall.

(Abgeordneter Dr. Buhlert [FDP]: Leider noch!)

Ich finde, das ist zu ändern.

In Bremen ist es so, dass auf der Deponie ein Monodeponieabschnitt vorhanden ist, auf dem die Asche aus der Verbrennung des Klärschlamms gelagert wird. Bremer Klärschlamm wird zurzeit in Hamburg verbrannt. Die Asche aus der Verbrennung kommt nach Bremen zurück und wird auf der Deponie gelagert, um eines Tages Phosphat, ein wichtiges Element, zurückzugewinnen.