Protokoll der Sitzung vom 29.08.2018

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Schon heute leisten die erneuerbaren Energien insgesamt einen höheren Beitrag zur Stromerzeugung als die Braunkohle und die Steinkohle. Herr Prof. Hilz, Ihr Argument mit der Systemstabilität ist vielfach widerlegt. Das muss man auch nicht ständig wiederholen. Es ist immer wieder die Rede gewesen von den hohen Exportüberschüssen, die wir ha

ben, weil wir so erfolgreich Regenerativstrom erzeugen. Deswegen beginnen die Trafos zu glühen an den Grenzen zu den Nachbarländern, die versuchen, sich dagegen zu wehren. Das ist das Problem. Windkraftanlagen und Photovoltaikanlagen müssen heruntergeregelt werden bei entsprechenden Wettersituationen, weil wir zu viel Strom produzieren.

(Abgeordneter Prof. Dr. Hilz [FDP]: Und bei ande- ren Wettersituationen?)

Gleichzeitig haben wir Kraftwerke, die jederzeit kurzfristig einspringen können, beispielsweise das GuD-Kraftwerk beim Stahlwerk, das angesprochen wurde, das nur in Teillast läuft, weil der Strom nicht abgenommen wird. Hier kann mehr passieren und hier muss mehr passieren.

Die aktuelle Studie des Fraunhofer Instituts, die Greenpeace in Auftrag gegeben hat, ist angesprochen worden. Man kann sehr kurzfristig ohne den kompletten Kohleausstieg, aber indem man sich schon einmal die dreckigsten Kraftwerke vornimmt und sagt, die nehmen wir umgehend vom Netz, kann man das Ziel bis zum Jahr 2020 erreichen. Und man muss sich Ziele setzen, Herr Prof. Hilz, wenn man politisch eine klare Richtung haben will. So unklare Äußerungen und Handlungen, wie Sie sie hier vorgetragen haben, führen nicht zum Ziel.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Die Kohlekommission, Herr Janßen, die heißt ja in Wirklichkeit „Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“. Das ist der offizielle Name dieser Kommission. Deswegen mache ich mir auch Sorgen. Das ist also im Grunde noch schlimmer. Sie haben beklagt, dass es keine Kohleausstiegskommission ist. So war sie einmal angedacht. Das ist daraus geworden. Diese Kommission soll unter anderem einen Plan zur schrittweisen Reduzierung, Beendigung der Kohleverstromung einschließlich eines Abschlussdatums und der notwendigen rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen, renaturierungs- und strukturpolitischen begleitenden Maßnahmen vorlegen. Diesen Auftrag soll die Kommission erfüllen.

Ich habe auch die Befürchtung, dass hier überwiegend von Versorgungssicherheit, von Arbeitsplätzen und von Wirtschaftlichkeit die Rede ist. Das ist alles richtig, meine Damen und Herren! Aber wenn wir den Klimawandel nicht in den Griff bekommen, dann werden wir nicht mehr lange wirtschaften

können auf diesem Planeten. Deswegen müssen wir das Thema Kohleausstieg auch ernst nehmen.

Der Bremer Senat spricht regelmäßig mit der swb AG. Es gibt keine Kommission, die Sie vorgeschlagen haben, aber es gibt die regelmäßigen Gespräche. Die swb AG deutet uns gegenüber an, dass sie in Richtung 2026 die Kohlekraftwerke vom Netz nehmen möchte. Es ist richtig, dass das Kraftwerk Hastedt im Moment noch einen bedeutenden Beitrag leistet –

(Abgeordnete Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Aber nicht mehr lange!)

für die Fernwärmeversorgung des Bremer Ostens, sowohl die 10 000 GEWOBA-Wohnungen dort als auch das Mercedes-Werk sind darauf angewiesen. Deswegen hat die swb AG jetzt ein Projekt in Planung, eine Fernwärmeleitung vom Müllheizkraftwerk in Findorff durch Schwachhausen in Richtung Hastedt zu bauen. Wir vom Ressort begleiten das konstruktiv und positiv. Ich hoffe, dass auch Sie, meine Damen und Herren, dies konstruktiv und positiv begleiten. Das wird eine Strapaze, insbesondere für den Stadtteil Schwachhausen. Aber diese Baumaßnahme muss sein, damit wir unsere Klimaziele erreichen können.

Wir haben eine Reihe von weiteren Maßnahmen, es ist ja angesprochen worden, ich gehe noch einmal auf zwei, drei Punkte ein. Zum einen der Ausbau der Windkraftanlagen: Maike Schaefer hat schon deutlich gemacht, wie die Fraktion der CDU sich konkret bei den Standorten verhält. Ich sage hier aber auch noch einmal, der Flächennutzungsplan – –. Herr Imhoff, Sie haben es bemängelt: Ich habe mir persönlich die Liste der von meinem VorVor-Vor-Vorgänger Jens Eckhoff verworfenen Standorte angeschaut. Der hat damals das gesamte Stadtgebiet kartiert, hat sich alle Standorte, potenziellen Standorte nennen lassen. Ich hab mir eine Liste von 25 Standorten, die er damals verworfen hat, vorgenommen. Die waren in der Prüfung, dann hieß es, das ginge nicht aus rechtlichen Gründen. Die habe ich mir vorgenommen und daraus haben wir dann eine Shortlist gemacht von sieben oder acht Standorten, bei denen wir gesagt haben, die versuchen wir noch. Bei allen anderen hat es wirklich keinen Zweck, da stimme ich mit Jens Eckhoff überein. Das, was wir jetzt im Moment noch diskutieren, ist das, was im Beteiligungsverfahren und auch in Ihrem politischen Agieren von diesen sieben oder acht Standorten noch übrig geblieben ist. Die wollen wir hoffentlich noch gemeinsam reali

sieren. Mehr Windkraft wird es in Bremen nicht geben können. Wir sind ein Stadtstaat. Wir haben begrenzte Fläche, das heißt, wir müssen den Strom auch importieren.

(Abgeordneter Rohmeyer [CDU]: Wir haben zwei Städte! – Zuruf Abgeordneter Imhoff [CDU] – Ab- geordnete Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Dann macht doch einmal Vorschläge, wo die ge- baut werden sollen! – Abgeordneter Imhoff [CDU]: Man muss die Menschen mitnehmen und nicht ge- gen die Menschen arbeiten!)

Stichwort verfehlte Klimaschutzpolitik: Das kann ich natürlich auch nicht auf mir sitzen lassen. Zum einen liegen mir im Entwurf die aktuellen Zahlen vor, die sind etwas günstiger. Die sind immer noch nicht zufriedenstellend, weil wir jetzt ungefähr bei einem Drittel sind. Wir sind irgendwo zwischen 13 und 15 Prozent CO2-Minderung. Wir sind gerade im Verfahren der Qualitätssicherung der Daten. Diese Zahlen werden dann in einigen Wochen die Deputation erreichen. Da fehlt immer noch viel zu viel.

Wir haben uns von Prognos AG ein Gutachten erstellen lassen, das ist hier auch schon vorgetragen worden, in dem untersucht wurde, was im günstigsten Fall im Jahr 2020 erreichbar sein wird, wenn wir alle bremischen Potenziale ausschöpfen. Dabei kommt eine Zahl unter 20 Prozent heraus, wenn wir alle Maßnahmen umsetzen. Und wir haben alle Expertinnen und Experten aus der Bremer Energieberaterszene mit eingebunden in das Verfahren. Wenn wir alle Maßnahmen umsetzen, dann landen wir unter 20 Prozent.

Wenn wir die Kohlekraftwerke in Bremen vom Netz nehmen, landen wir deutlich über 30 Prozent, eher bei 35 Prozent. Deswegen, meine Damen und Herren, ist es so wichtig, dass wir den Kohleausstieg tatsächlich realisieren. Wir werden Ihnen all dies vorlegen, das Klimaschutz- und Energieprogramm. Die Fortschreibung des damaligen KEP 2020, die ist vom Ressort erarbeitet, ist in der Ressortabstimmung mit den anderen Häusern, sie wird in wenigen Wochen den Senat erreichen und auch öffentlich werden. Dann können wir diskutieren, welche Maßnahmen wir hier in Bremen noch realisieren können.

Ich lade alle ein, sich an der Debatte zu beteiligen und konstruktive Vorschläge zu unterbreiten, wie wir noch besser werden können bei der Vermei

dung des CO2-Ausstoßes. Wir müssen das tun. Deswegen hoffe ich auf Ihre Unterstützung. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es liegen zu diesem Themenkomplex keine weiteren Wortmeldungen vor.

Kommen wir nun zu dem zweiten Themenkomplex in der Aktuellen Stunde auf Antrag der Abgeordneten Kastendiek, Frau Grobien, Röwekamp und Fraktion der CDU:

Bremer Häfen brauchen die Weser - keine Alleingänge von Umweltsenator Dr. Lohse bei der Ausweisung von Schutzgebieten!

Als Vertreter des Senats Herr Senator Dr. Lohse.

Meine Damen und Herren, bevor ich die erster Rednerin, den ersten Redner aufrufe, möchte ich Ihnen noch mitteilen, wieviel Redezeit die Fraktionen haben – überwiegend auskömmlich – nur bei der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Ihnen bleiben noch sieben Minuten. Bei der Fraktion der FDP 20 Minuten, bei der Fraktion DIE LINKE 23 Minuten, bei der Fraktion der CDU 22 Minuten, bei der Fraktion der SPD 20 Minuten.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Grobien.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, liebe Gäste! Zwei Umweltthemen sind heute Vormittag Inhalt der aktuellen Stunde. Durch beide Themen wird deutlich, welche Bedeutung Natur und Umweltschutz, und, ich betone, bei fast allen Parteien hat. Persönlich ist uns das, wie schon erwähnt, durch den extremen Sommer noch einmal deutlich vor Augen geführt worden.

Das erste Thema richtete sich mehr an die Bundesregierung, mit unserem zweiten Thema bleiben wir doch mehr im eigenen Bundesland. Wir haben das Thema „Bremen braucht die Weser“ beantragt, da uns neben dem Umweltschutz auch die wirtschaftliche Prosperität unserer Stadt und unserer Häfen am Herzen liegt.

(Beifall CDU, FDP, BIW)

Uns überraschte in der letzten Woche die Meldung „Streit um Öko-Zone auf der Weser“ in der „Nordsee-Zeitung“. Bau- und Umweltressort sind sich im weiteren Verfahren nicht einig.

Die ursprüngliche Vorlage von Herrn Senator Dr. Lohse für die Deputation für Umwelt, Bau, Verkehr, Stadtentwicklung, Energie und Landwirtschaft am vergangenen Donnerstag mit dem Ziel, das Verfahren zum Erlass einer Schutzgebietsverordnung für die Weser bei Bremen-Nord und Bremerhaven sowie Lesum einzuleiten, hat insofern genügend Sprengstoff und erinnerte ein wenig an die bereits Jahre zurückliegende Piepmatz-Affäre.

Zur Erinnerung: Damals, im Jahr 1995, während der Ampelkoalition hat der grüne Umweltsenator Ralf Fücks große Flächen in der Hemelinger Marsch, die als Gewerbestandorte vorgesehen waren, bei der EU ohne vorherige Abstimmung mit den jeweiligen Fachressorts als Vogelschutzgebiete angemeldet, also auch da Streit zwischen dem Bau- und dem Wirtschaftsressort.

Die jetzt überraschend zügige Einleitung des Verfahrens ohne eine Abstimmung mit dem Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen ließ uns da natürlich aufhorchen. Auch der Pressesprecher von Herrn Senator Günthner, Herr Cordßen, bestätigte uns mit seinen Zitaten in der „Nordsee-Zeitung“ am 20. August in unserer Beurteilung. Zitat: „Wir müssen verhindern, dass die künftige wirtschaftliche Entwicklung an der Weser eingeschränkt wird.“ und weiter „Eine Ausweisung der Weser als Natur- oder als Landschaftsschutzgebiet ist unnötig“.

(Beifall CDU, FDP, BIW)

Nun, dass sich Rot-Grün nicht immer einig ist, sehen wir bei vielen Themen. Wenn dabei ein Verfahren in Gang gesetzt wird, das den Hafen- und Wirtschaftsstandort Bremen gefährdet, dann muss öffentlich darüber geredet und zur Not auch gestritten werden.

(Beifall CDU, FDP, BIW)

Zur Sache: Nach Artikel 4 Absatz 4 der FloraFauna-Habitatrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft (FFH-Richtlinie) müssen EU-Mitgliedstaaten sogenannte Natura 2000-Flächen als besondere Schutzgebiete ausweisen. Über die Qualität der nationalen Schutzgebietskategorie trifft die Richtlinie keine Aussage und überlässt das den jeweiligen

Mitgliedstaaten. Da kommt dann das Bundesnaturschutzgesetz § 32 Absatz 2 zum Zuge, das für die Umsetzung von FFH-Gebieten in nationales Recht nur klassische Ausweisung als Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebiet vorsieht.

Soweit, so gut. Nun wird es etwas kompliziert. Das Bremische Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege hat abweichend zum Bundesrecht auch Managementpläne, Bewirtschaftungspläne, vertragliche Vereinbarungen und Förderprogramme als innerstaatliche Schutzkategorie für FFH-Gebiete zugelassen. Die Frage, ob der gemeinsam von Bremen und Niedersachsen erarbeitete „Integrierte Bewirtschaftungsplan Weser“ aus dem Jahr 2012 ausreichend ist oder nicht, führt jetzt zu dem Streit und hat uns veranlasst, der Sache noch einmal genau auf den Grund zu gehen.

Dazu haben wir letzte Woche im Ausschuss für Angelegenheiten der Häfen und der Deputation für Wirtschaft, Arbeit und Häfen nachgefragt, wie übrigens auch schon mehrfach seit dem Frühjahr 2017, als das Verfahren nämlich in Niedersachsen in Gang gesetzt wurde. Außer uns, der Fraktion der CDU, scheint sich aber sonst niemand richtig für das Thema zu interessieren.

Es ist schon erstaunlich. Ich bin fast vier Jahre Vorsitzende des Ausschusses für Angelegenheiten der Häfen im Lande Bremen und habe Herrn Senator Günthner, wie auch jetzt, in dieser Zeit nicht einmal angetroffen.

(Abgeordneter Strohmann [CDU]: Was?)

In der Sitzung letzten Mittwoch erschien er nun erstmalig persönlich, um uns erklären zu wollen, dass die Einleitung dieses Verfahrens auf eine Entscheidung des damaligen Bausenators Eckhoff im Jahr 2005 zurückging.

(Abgeordneter Tsartilidis [SPD]: So weit, so richtig.)

Wie populistisch ist das denn!

(Beifall CDU)

Ja, es stimmt, dass die Mitgliedstaaten nach der EU-Richtlinie aufgefordert waren, Gebiete, die für den Erhalt lebensraumtypischer Gewässer, Flora und Fauna signifikant sind, anzumelden. Andernfalls hätte die Verhängung eines Zwangsgeldes durch die EU-Kommission gedroht.

(Abgeordneter Tsartilidis [SPD]: Das stimmt!)

Ich könnte Ihnen jetzt Vorträge darüber halten, warum zwei Weser-Abschnitte, auch Ästuar genannte Mündungsbereiche, oder auch die Stinte, eine bestimmte Heringsart, schützenswert sind und es richtig war, die Gebiete anzumelden. Es gab einen entscheidenden Unterschied in dem seinerzeitigen Verfahren im Jahr 2005, den der Senator unterschlagen hat, dass nämlich das gesamte Vorgehen mit dem damaligen Wirtschaftssenator, Jörg Kastendiek, eng abgestimmt war.