Protokoll der Sitzung vom 29.08.2018

Ich könnte Ihnen jetzt Vorträge darüber halten, warum zwei Weser-Abschnitte, auch Ästuar genannte Mündungsbereiche, oder auch die Stinte, eine bestimmte Heringsart, schützenswert sind und es richtig war, die Gebiete anzumelden. Es gab einen entscheidenden Unterschied in dem seinerzeitigen Verfahren im Jahr 2005, den der Senator unterschlagen hat, dass nämlich das gesamte Vorgehen mit dem damaligen Wirtschaftssenator, Jörg Kastendiek, eng abgestimmt war.

Der Senat hat damals als Ganzes im gleichen Atemzug auch die Ausarbeitung gebietsbezogener Managementpläne beschlossen, um negative Auswirkungen auf die Hafenwirtschaft und die Schifffahrt auszuschließen.

Im Ausschuss für Angelegenheiten der Häfen letzte Woche ist Senator Günthner dann zurückgerudert. Er erklärte, dass er sich mit dem Senator für Umwelt, Bau und Verkehr darauf verständigt hätte, weitere Gespräche mit dem zuständigen Bundesministerium zu führen, um die Rechtslage zu klären. Die Vorlage für die Deputation für Umwelt, Bau, Verkehr, Stadtentwicklung, Energie und Landwirtschaft wurde kurzfristig geändert, und in dem Beschluss wurde ein Prüfauftrag eingefügt. Inwiefern und warum das SPD-geführte Bundesumweltministerium jetzt noch im Sinne der Hafenwirtschaft Argumente liefern soll, bleibt mir schleierhaft.

Ihr Staatsrat Ronny Meyer, Herr Bausenator, hatte den Medien gegenüber letzte Woche noch bestätigt, dass man sich bei der Ausweisung und bei dem Verfahren an Niedersachsen orientiere. Der Verordnungsentwurf von Niedersachsen sieht an Hafeneinfahrten und an Flussmündungen eine geringere Unterschutzstellung als den Landschaftsschutz vor. Der niedersächsische Verordnungsentwurf sieht aber auch eine Reihe von Verbotstatbeständen vor, die zu erheblichen Einschränkungen der Schifffahrt und der gewerblichen Wirtschaft führen können. Auch, was die zwingend erforderliche Unterhaltungsbaggerei betrifft.

Der niedersächsische Verordnungsentwurf steht bei allen betroffenen Verbänden in starker Kritik. Der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe e.V., die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, der Wirtschaftsverband Weser e.V. sowie auch die Handelskammer Bremen haben sich in ihrer Kritik deutlich zu dem Verordnungsentwurf positioniert.

Auch wir fühlen uns in unserem Antrag der Drucksache 19/1221 vollumfänglich bestätigt. Sie, die rot-grüne Koalition haben ihn ja bereits zusammen mit der Fraktion DIE LINKEN im Ausschuss für Angelegenheiten der Häfen abgelehnt und werden ihn auch gleich hier im Parlament ablehnen.

(Abgeordnete Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Ja!)

Wir halten dieses Abstimmungsverhalten ebenso wie das gesamte chaotische Verfahren für unverantwortlich gegenüber der Hafenwirtschaft und den dort 77 000 abhängig beschäftigten Arbeitnehmern in unserem Bundesland.

(Beifall CDU, FDP, BIW)

Weitere negative Entwicklungen passen da ins Bild. Zitat: „Rivalen hängen deutsche Seehäfen weiter ab“, titelte der „Weser-Kurier“ vor zwei Wochen – „Rückschlag für Bremerhaven“, Eurogate verliert durch Umschlagsverlagerung nach Hamburg Geschäft.

(Abgeordneter Tsartilidis [SPD]: Aber doch nicht am FFH-Gebiet!)

Nahezu wöchentlich kommen solche Meldungen, die die Hafenwirtschaft nicht gerade positiv stimmen. Nun kann sicher der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen nicht unbedingt etwas für betriebswirtschaftliche und unternehmerische Entscheidungen. Aber der Senator ist dafür zuständig, die Rahmenbedingungen für die Häfen und deren Gewerbetreibende so zu setzen, dass Bremen und Bremerhaven als Umschlags- und Logistikstandort weiter attraktiv sind und nicht an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.

(Beifall CDU, BIW)

Ladungsverschiebungen sind da nur ein Thema. Ein weiteres Thema nämlich, das haben wir mehrfach diskutiert: Die Genehmigung von Schwerlasttransporten. Kaum hat sich Thema beruhigt, kommen neue Meldungen, dass man Bremen gar nicht mehr anfahre. Die Genehmigungspraxis sei so umständlich und schwierig. Ja, meine Damen und Herren, kein Wunder! Da denkt man, das Problem ist behoben, aber wenn keiner mehr kommt, ist das ja auch nicht verwunderlich.

Unglaublich lange Entscheidungsprozesse haben dazu geführt, dass wir auch nach zehn Jahren noch über das Offshoreterminal diskutieren. Siemens,

auch das hatten wir heute schon bei der anderen Debatte, hat sich mittlerweile beim Bau seiner Turbinenfabrik für Cuxhaven entschieden – Pech gehabt. Die Logistiker im GVZ warten seit 30 Jahren auf eine Verkehrsanbindung, die leistungsfähig ist und einer Logistikdrehscheibe im Norden Deutschlands gerecht wird. Der Ringschluss der A 281 lässt noch immer auf sich warten.

(Abgeordneter Sprehe [SPD]: Was hat das mit der Aktuellen Stunde zu tun?)

Für die Vermarktung der Häfen wurde, nach einer langen Auseinandersetzung und der Abschaffung von VIA BREMEN ein neuer Slogan gefunden: „Bremen/Bremerhaven - Two Cities, One Port. Toll! Meine Damen und Herren, am vergangenen Wochenende konnten wir in Bremen wieder erleben, wie großartig diese Stadt sein kann und ist: Eröffnung des 29. Musikfestes, Christopher Street Day, Werder Bremen.

(Abgeordneter Tschöpe [SPD]: Da hat der Dr. Lohse auch nichts mit zu tun!)

Und dann ist es ja auch erstaunlich, dass Herr Senator Günthner hier nicht sitzt, wenn es um die Wettbewerbsfähigkeit der bremischen Häfen geht.

(Beifall CDU, FDP, BIW)

Das ist wirklich erstaunlich! Bremen, der Technologiestandort mit einer hervorragenden Wissenschaftsinfrastruktur, mit herausragenden Hochschulen in Bremen und Bremerhaven. Bremen, der Luft- und Raumfahrtstandort mit der größten Kompetenz und dem bedeutendsten privaten Luft- und Raumfahrtunternehmen Europas. Bremen, der Tourismusstandort mit seinen herausragenden Angeboten und Veranstaltungen. Bremen ist international eine attraktive Destination für Veranstaltungen und Messen geworden. Aber Bremen ist auch Hafenstandort. Und die Lage an der Weser sowie die logistische Kompetenz, die Bremen über Jahrhunderte erworben und aufgebaut hat, um zu einem führenden maritimen Standort zu werden, dürfen nicht gefährdet werden.

(Beifall CDU, FDP, BIW)

Zu wichtig und bedeutend sind die Häfen für die Wirtschaft, zu wichtig sind die Häfen auch als Identifikationspunkt für die hier lebenden Menschen. So manches Mal habe ich den Eindruck, dass der Herr Senator Günthner den Belangen der Hafen

wirtschaft nicht unbedingt die gebührende Bedeutung beimisst. Wie gesagt, auch heute ist er hier nicht anwesend, nicht einmal sein Staatsrat ist da.

Nach 70 Jahren sozialdemokratischer Regierungsverantwortung sind wir im Bildungsbereich von dem vorletzten auf den letzten Platz gerutscht. Wenn wir jetzt auch noch Gefahr laufen, nach 70 Jahren den Hafenstandort kaputt zu bekommen, dann gilt es, das zu verhindern und aufzuhalten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall CDU, BIW)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tsartilidis.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das war eine interessante Generaldebatte. Ich versuche das jetzt einmal aus dem hafenwirtschaftlichen Bereich zu betrachten.

(Abgeordnete Grobien [CDU]: Eine Aktuelle Stunde!)

Ja, es ist eine Aktuelle Stunde, das stimmt. Wir behandeln jetzt in der Tat das Thema zum dritten Mal. Ich erinnere, dass wir das im Ausschuss für Angelegenheiten der Häfen hatten, wir hatten es danach in der Deputation für Wirtschaft, Arbeit und Häfen, wir haben an der Stelle Senator Günthner gehört, wir haben vorab auch des Ressort zu dem Thema gehört und in der Tat können wir heute in der aktuellen Stunde nicht viel Neues entdecken, was Sie hier einbringen, abgesehen von einer Generaldebatte, was denn Bremen und Bremerhaven alles ausmacht. Sie unterstellen, dass die Abwesenheit eines Senators aufzeigt, wie unwichtig uns das hafenpolitische Thema ist. Dem ist nicht so, aber das können wir gern diskutieren.

(Abgeordneter Röwekamp [CDU]: Die ständige Abwesenheit. Ich glaube, es gibt den Günthner nicht mehr!)

Sehen Sie, das ist ein Problem Ihrer Wahrnehmung, für die ich nicht zuständig bin, aber vielleicht der Neurologe.

(Abgeordneter vom Bruch [CDU]: Sichtbar ist das Interesse jedenfalls nicht!)

Trotzdem, wenn wir gerade bei Psychologie und Neurologie sind: Sie müssen vielleicht auch feststellen, dass es nicht hilfreich ist, so zu tun, als

wenn die Bremer Landesregierung kein Interesse an hafenpolitischen Themen hätte oder an der Hafenwirtschaft. Sie müssen auch nicht so tun, als wenn alle anderen Fraktionen in der bremischen Bürgerschaft als einziges Ziel hätten, die Bremer Hafenwirtschaft zu zerstören. Zumindest erweckt es bei Ihnen den Anschein. Ich weiß nicht, ob das der Stimmung in der Hafenwirtschaft zuträglich ist, denn das Gegenteil ist der Fall.

(Beifall SPD)

Wenn man viel spricht, Frau Grobien, und so kenne ich Sie eigentlich, muss man auch gut zuhören können. Deshalb bitte ich Sie, auch einmal zuzuhören. Uns wurde in den verschiedenen Ausschüssen dargestellt, wie die aktuelle Situation ist. Uns wurde aufgezeigt, dass sehr wohl Handlungsmöglichkeiten bestehen, zu prüfen, in welchem Grad man Gebiete unter Schutz stellt. Uns wurde aber auch dargestellt, dass es eben nicht so geht, wie Sie es sagen. So zu tun, als gäbe es keine Gesetzgebung, und man sagt einfach: Freie Fahrt für freie Häfen! Das funktioniert nicht. Wir haben Restriktionen und die müssen beachtet werden. Der Senat macht sich jetzt richtigerweise auf den Weg, auszukundschaften, in welcher Art und Weise es möglich ist, den gesetzlichen Vorgaben zu genügen und trotzdem den Umweltschutz nicht aus den Augen zu verlieren.

(Beifall SPD)

Das heißt, Hafenwirtschaft gänzlich ohne Restriktionen funktioniert nicht. Das funktioniert überhaupt in keinem anderen Bereich.

Wenn man sich Ihren Antrag anschaut, den wir richtigerweise abgelehnt haben, ist das ein Grund. Wir können nicht dafür stimmen, dass es keinerlei Restriktionen gibt, denn es gibt für die Hafenwirtschaft Restriktionen wie für jeden anderen Bereich in Deutschland auch. Zudem ist es so: Sie fordern den Senat auf, endlich zu arbeiten.

(Abgeordnete Grobien [CDU]: Genau!)

Er hat in der Vorlage, in dem Bericht im Ausschuss für Angelegenheiten der Häfen und der Deputation dargestellt, dass er arbeitet. Er hat aufgezeigt, in welcher Art er arbeitet. Wir sind mit dem Ergebnis zufrieden und ich möchte ganz ehrlich sagen, dass es, glaube ich, dem ganzen Hafenbereich bei aller Liebe und bei der Wichtigkeit des Themas generell nicht gerecht wird, wenn man versucht zu skandalisieren, wenn man versucht, ein Schwarz und Weiß

herzustellen nach dem Motto: Entweder man ist für den Hafen oder man ist gegen den Hafen.

Die bremische SPD war schon immer für den Hafen. Sie war auch schon immer für die Menschen, die im Hafen arbeiten. Trotzdem sind wir auch kritisch, was soziale Bedingungen im Hafen angeht, was umweltbezogene Bedingungen angeht. Da sind wir sehr genau dabei, zu schauen, wie wir Ökologie und Wirtschaft zueinander bringen. Solche Lippenbekenntnisse, es ginge nur das eine, wie von Ihrer Seite behauptet, ist unsere Sache nicht, deshalb lehnen wir ihren Antrag ab und deswegen habe ich auch hoffentlich kurz genug und angemessen zu dem Thema gesprochen. – Vielen Dank!

(Beifall SPD)

Als nächster Redner hat das Wort Prof. Dr. Hilz.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Was wir hier in der öffentlichen Auseinandersetzung erleben, ist nichts anderes als das Ende der rot-grünen Koalition, meine Damen und Herren!

(Abgeordnete Böschen [SPD]: Auch das jetzt noch!)

Rot und Grün streiten sich öffentlich sieben Monate vor der Wahl. Neben allem, was wir vorher schon in diesem Parlament erlebt haben, sehen wir hier, dass es hier zwischen dem grünen Bauressort oder dem Umweltressort und dem roten Wirtschaftsressort keine Einigung gibt und man sich deswegen auf die Bundesebene verlagert.

Was ist das auch für ein Signal an Berlin, meine Damen und Herren? Wir haben eine landespolitische Entscheidung zu treffen, und unsere Senatoren kommen zu dem Schluss, wir wissen es nicht genau. Wir fragen einmal Berlin. Unsere Eigenständigkeit als Land wird hier nicht wahrgenommen. Man lässt sich aus Berlin beraten. Was ist das für ein Signal bei all den Problemen, die wir hier in Bremen in Sachen Haushaltsnotlage schon haben, bei all der Unterstützung, die wir mittlerweile vom Bund und den anderen Bundesländern erfahren, wenn wir selbst unsere Hausaufgaben nicht machen, meine Damen und Herren?