Protokoll der Sitzung vom 29.08.2018

Was ist das auch für ein Signal an Berlin, meine Damen und Herren? Wir haben eine landespolitische Entscheidung zu treffen, und unsere Senatoren kommen zu dem Schluss, wir wissen es nicht genau. Wir fragen einmal Berlin. Unsere Eigenständigkeit als Land wird hier nicht wahrgenommen. Man lässt sich aus Berlin beraten. Was ist das für ein Signal bei all den Problemen, die wir hier in Bremen in Sachen Haushaltsnotlage schon haben, bei all der Unterstützung, die wir mittlerweile vom Bund und den anderen Bundesländern erfahren, wenn wir selbst unsere Hausaufgaben nicht machen, meine Damen und Herren?

Worum geht es? Es geht um die Umsetzung europäischer Vorschriften. Europäische Vorschriften sind in diesem Fall als Richtlinie ausgegeben. Richtlinien, das wissen Sie alle, sind keine unmittelbar geltenden Rechtsvorschriften, sondern alle

Mitgliedstaaten – und in Deutschland sind es eben auch die Bundesländer –, haben einen Ermessensspielraum. Der geht von und geht bis, in unserem Fall von Naturschutzgebiet bis zu den Bewirtschaftungsplänen, die Frau Grobien schon angesprochen hat.

Dazwischen muss man sich entscheiden. Da muss man sich als Landesregierung entscheiden: Was machen wir? Wenn wir die Häfen entsprechend in der Wichtigkeit so sehen, wie wir es sehen – sie sind der Kern von Bremen über Jahrhunderte –, ist der Hafen eigentlich die Existenzgrundlage Bremens. Dann muss man gerade in den Bereichen der Häfen – auch als Grüne – einmal bereit sein, zu sagen: Da müssen wir vielleicht nicht den Maximalstandard anlegen, sondern hier müssen wir die Balance zwischen Ökologie und Ökonomie anders sehen und etwas detaillierter.

(Abgeordneter Tsartilidis [SPD]: Wer sagt denn et- was anderes?)

Herr Lohse, Sie sagen etwas anderes.

(Unruhe)

Herr Tsartilidis, Herr Lohse sagt öffentlich etwas anderes, meine Damen und Herren!

(Beifall FDP)

Wenn wir zu den Details kommen, worum geht es dann eigentlich?

(Abgeordneter Tschöpe [SPD]: Das frage ich mich auch! – Zuruf Abgeordneter Tsartilidis [SPD] – Zu- ruf Abgeordneter Saxe [Bündnis 90/Die Grünen])

Ja, das fragen Sie sich auch, Herr Tschöpe, vielleicht haben Sie die Debatte nicht ganz mitbekommen, aber es wurde hier ausführlich – –, Sie waren vielleicht nicht ganz anwesend oder vielleicht nicht geistig anwesend, aber ich sage es Ihnen noch einmal, es geht um die Ausweisung von Landschaftsschutz-, Naturschutzgebiet oder Bewirtschaftungsplänen im Bereich der Weser, des fließenden Gewässers, um der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie Genüge zu tun. Das ist das Thema, an dem der Streit hier entfacht ist.

Insofern, wir sprechen uns dafür aus, dass es nach rechtlicher Grundlage möglichst bei den Bewirtschaftungsplänen bleibt. Die Problematik bei höheren Schutzgebieten, die haben Sie ja selbst erfah

ren, wir alle, beim Thema Offshore-Terminal. Welche Probleme es macht, wenn man Landschaftsschutzgebiete ausweist und wenn man dann die Hafeninfrastruktur zukunftsfähig ausbauen möchte.

Was bedeutet es eigentlich, wenn man die Weser für den Ausbau der Weser unter höhere Schutzstandards stellt? Die Weservertiefung der Außenweser und der Unterweser, da ist doch die Frage: Müssen wir uns hier selbst Steine in den Weg legen?

(Zurufe Abgeordneter Saxe [Bündnis 90/Die Grü- nen])

Deutschland hat hohe Umweltschutzstandards und dafür sind wir vorbildlich in der Welt. Das soll auch so bleiben. Wenn wir uns selbst beschneiden – und meine Damen und Herren von den Grünen, natürlich hatten Sie in den Achtziger- und Neunzigerjahren großen Anteil daran, dass wir diese Umweltschutzstandards haben. Das bestreitet ja, glaube ich, auch keiner – aber wenn wir uns jetzt weiter beschneiden und ein wirtschaftliches Wachstum durch Umweltschutzstandards und Naturschutzstandards nicht mehr möglich ist, dann sind diese Standards kein Exportschlager, und dann erweisen Sie auch dem Umwelt- und Naturschutz einen Bärendienst, meine Damen und Herren!

(Beifall FDP)

Lassen Sie mich noch einmal zusammenfassen: Rot-Grün ist in diesem Bundesland am Ende und ich glaube, es wird auch nicht besser werden, wenn Herr Sieling DIE LINKE noch mit ins Boot holt nach dem 26. Mai im nächsten Jahr. Das, was hier abläuft, ist ein Schaden für das Land. Ein Streit zwischen den Senatoren, eigene Entscheidungen können nicht mehr im Land getroffen werden, sondern man muss sich erst einmal mit Berlin zusammensetzen, damit ein Streitschlichter dazukommt. Das ist ein Armutszeugnis für unser Land, meine Damen und Herren, und ich hoffe, dass wir das nicht noch einmal erleben werden. – Vielen Dank!

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Janßen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und

Herren! Die Fraktionen der CDU und der FDP hätten so gern einen Skandal, es gibt aber keinen, schade.

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Vor Bremerhaven liegen die Natura 2000 Tide-Wesergebiete, die sind derzeit als FFH, also als FloraFauna-Habitat-Gebiete, mit einer europäischen Richtlinie geschützt. In einem sogenannten „Integrierten Bewirtschaftungsplan Weser“ hat das Land Bremen gemeinsam mit dem Land Niedersachsen verschiedene Maßnahmen und Umgangsweisen mit diesem Gebiet festgelegt, und der Bewirtschaftungsplan stammt – –, ich glaube, verabschiedet wurde er im Jahr 2012, geschrieben wurde er im Jahr 2011. Das heißt, er ist schon länger in Kraft. Diese Standards gelten sowieso schon lange. Es ist ja nicht so, dass derzeit keine Standards gelten würden, und morgen würde man eine Richtlinie oder eine Verordnung erlassen, und auf einmal würde dann der Hafen stillstehen.

So ist es nicht. Wir haben diesen Bewirtschaftungsplan schon lange. Festzuhalten bleibt an diesem Punkt, dass wir sowieso viele Normen haben, die auch jetzt schon Eingriffe verhindern, und das ist auch richtig so. Beispielsweise die Europäische Wasserrahmenrichtlinie ist eine Gesetzesgrundlage die gilt und hier schon zur Anwendung kommt. Klar ist auch, dass hier durch die Erklärung dieses FFH-Schutzgebietes bereits Standards festgehalten sind. Ich weiß gar nicht, ob Sie sich diesen Bewirtschaftungsplan in Vorbereitung der Debatte einmal angesehen haben. Es steht zum Beispiel auf Seite 306 etwas Interessantes darin.

(Abgeordnete Grobien [CDU]: Der soll ja auch blei- ben!)

Ja, darin steht etwas Interessantes. Zum Beispiel auf Seite 306, steht darin als Maßnahme: Erklärung von Schutzgebieten zu ergänzen und von ergänzenden Schutzbestimmungen, also genau das, was gerade passiert. Darin steht zum Beispiel Anpassung von Naturschutzgebietsverordnung, also genau das, was gerade passiert. In diesem integrierten Bewirtschaftungsplan steht, man soll hier ergänzende Schutzgebiete ausweisen. Auf den beziehen Sie sich und sagen: Ja, aber das geht uns jetzt irgendwie gegen den Strich, dass hier Schutzgebiete ausgewiesen werden sollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich verstehe Ihren Punkt nicht, und ich kann auch das Problem derzeit überhaupt nicht erkennen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Die EU wird Sanktionen verhängen, wenn die Standards nicht erfüllt werden, die sie in der Richtlinie vorschreibt. Selbstverständlich kann derzeit darüber gestritten werden, ob ein integrierter Bewirtschaftungsplan ausreicht, den aber das nationale Recht in dieser Form nicht kennt. Deshalb wird es der EU aller Voraussicht nach nicht reichen. Deshalb wird die EU aller Voraussicht nach auch Sanktionen gegen die Mitgliedstaaten verhängen, die dann selbstverständlich direkt an die Verursacher dieser Bestrafung durchgereicht werden, und das ist dann das Bundesland Bremen. Wir haben dann hier die Sanktionen und müssen das Naturschutzgebiet trotzdem erlassen oder das Landschaftsschutzgebiet, in dem dann die Schutzgüter sind, die jetzt im integrierten Bewirtschaftungsplan stehen.

Wo da der Gewinn sein soll, wenn wir das ganze Verfahren noch einmal ein wenig nach hinten verschieben, verstehe ich überhaupt nicht. Deshalb hätte ich auch gut damit leben können –

(Abgeordnete Grobien [CDU]: Das hätten man auch schon seit zwei Jahren machen können!)

ja, man hätte gern schon vor zwei Jahren damit anfangen können, das FFH-Gebiet umzuwandeln, dagegen hätte ich auch nichts gehabt. Jetzt gibt es noch einmal einen Prüfauftrag, um dann nach dem Prüfauftrag festzustellen: Ja, wir werden umwandeln. Gegen diese Schleife habe ich auch nichts, aber am Ende des Tages wird aller Voraussicht nach eine Umwandlung stattfinden. Das ist doch schon angekündigt, dass dann bestimmte Bereiche, wie die Fahrrinnen oder unmittelbar vor den Häfen den geringeren Schutzstatus des Landschaftsschutzgebietes erhalten werden, so, wie es in Niedersachsen auch passiert.

Ehrlich gesagt, ich habe die SPD im Land Bremen und auch in der Koalition bisher noch nicht so erlebt, dass sie hier Umweltschutzstandards über alle Belange der Häfen stellen wird und gehe nicht davon aus, dass hier mit zu restriktiven Maßnahmen die Hafenwirtschaft lahmgelegt wird. Ich gehe davon aus, dass diese Umwandlung stattfinden wird, und ich sehe derzeit keine Veranlassung, weshalb hier diese Strafzahlungen riskiert werden sollten.

Hier gibt es keinen Skandal. Hier gibt es einen Beschluss, der wird umgesetzt, ansonsten gibt es Strafzahlungen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schaefer.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erst einmal danke, Herr Janßen, Sie haben es gesagt. Wo ist eigentlich der Skandal? Es gibt keinen. Ich glaube, die Fraktion der CDU und – so habe ich Herrn Hilz verstanden – auch die Fraktion der FDP wünschen sich dringend einen Streit zwischen Rot-Grün. Sie haben gesagt: RotGrün, die Koalition wäre am Ende. Das ist mitnichten so und einen Streit gibt es auch nicht. Sie wünschen sich den einfach nur gern herbei.

Und Frau Grobien, wenn Sie Ihren Redebeitrag mit einem Bekenntnis für den Umweltschutz anfangen, dann habe ich den leider im weiteren Verlauf Ihres Redebeitrags sehr vermisst. Ich finde es nahezu symptomatisch von der Fraktion der CDU. Kaum geht es um die Umweltbelange rund um die Weser, dann wird reflexhaft reagiert. Da wird das Ende des Abendlandes heraufbeschworen. Das ist mitnichten der Fall.

Herr Janßen ist schon darauf eingegangen. Meine Damen und Herren, ich wünschte, dass die Fraktion der CDU, aber auch, nach dem Redebeitrag, die Fraktion der FDP im 21. Jahrhundert endlich einmal begreifen würden, dass erstens eine gesunde Natur, ökologisch wertvolle Lebensräume, saubere Böden, Luft und Wasser nicht nur die Grundlagen eines gesunden Lebens von uns allen sind, sondern auch nicht per se ein krasser Gegensatz zur Ökonomie sein müssen. Ich bin froh, dass die EU der Fraktion der CDU viele Schritte voraus ist und Natur und Umweltschutz dort einen hohen Stellenwert einnehmen und nicht als überflüssig, weil nicht unbedingt notwendig, abgetan werden, meine Damen und Herren!

Und das hat einen Grund: Inzwischen ist doch klar, dass wir in Deutschland, Europa, aber auch weltweit gravierende Umweltprobleme haben, die uns am Ende alle selbst schädigen, gesundheitlich aber auch finanziell. Daher ist es gut, dass Schutzgebiete für sensible, ökologisch wertvolle Gebiete ausgewiesen werden, damit sie erhalten und an kommende Generation weitergegeben werden können.

Es wurde vorhin schon gesagt: Wenn ich Fraktion der CDU sage, muss ich, glaube ich, Jens Eckhoff

ausnehmen. Er hat damals als Umweltsenator veranlasst, dass diese FFH-Gebiete eingerichtet und der EU gemeldet wurden, auch die Luneplate in Bremerhaven. Für diese Gebiete gibt es schon einen Schutzstatus. Bewirtschaftungspläne schreiben vor, dass die Schifffahrt Rücksicht auf den besonderen Lebensraum nehmen muss, aber eben auch fahren darf.

Gerade solche Flusslandschaften und Flussufer sind ein besonderes Habitat, weil es sich um Brackwasserbereiche handelt, weil es sich um Watt handelt. Deswegen ist es richtig, sie auch als Schutzgebiet auszuweisen. Im Übrigen gibt es ja auch den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, auch mit hohem Schutzstatus. Trotzdem fahren dort Schiffe.

Die jetzige Diskussion dreht sich darum, diese FFH-Gebiete als Schutzgebiete auszuweisen, und zwar nicht nur für Bremerhaven und Bremen, sondern EU-weit, deutschlandweit. Die Mitgliedstaaten der Union sind verpflichtet, die FFH-Gebiete unter nationalen Schutz zu stellen. Daher haben sich andere Bundesländer in der Tat schon auf den Weg gemacht, denn bis zum Ende dieses Jahres müssen diese Gebiete umgewandelt werden. Ansonsten drohen empfindliche Strafen.

(Zuruf Abgeordnete Grobien [CDU])

Es handelt sich jetzt schon um ein EU-Vertragsverletzungsverfahren, Frau Grobien, und das ist auch gegen Deutschland angestrebt. Insofern bleibt, glaube ich, formal gar nichts anderes übrig, als die Umwandlung. Wenn Deutschland nicht nachweisen kann, dass es die FFH-Gebiete unter Schutz gestellt hat, dann muss Deutschland eine Vertragsstrafe zahlen. Das haben wir letzte Woche in der Deputation für Umwelt, Bau, Verkehr, Stadtentwicklung, Energie und Landwirtschaft auch ausgiebig diskutiert. Diese Strafe, meine Damen und Herren, wird umgelegt auf die Bundesländer, welche die Umwandlung nicht vollzogen haben. Es haben sich aber schon einige Bundesländer auf den Weg gemacht. Wir sind also nicht die Ersten. Das heißt, wenn am Ende des Jahres nur noch eine Handvoll Bundesländer oder Kommunen übrig bleiben, die keine Schutzgebiete ausgewiesen haben, dann wird es für die ungleich teurer.

Wie teuer kann so etwas sein? 2005 drohte die EU Deutschland schon einmal mit einer Vertragsstrafe, weil Deutschland nicht mit der Ausweisung von FFH-Gebieten nachkam. Damals hieß es vom Umweltministerium: Sollte es zu einem Verfahren vor

dem Europäischen Gerichtshof kommen, könnte dieser eine Strafzahlung in Millionenhöhe wegen des jahrelangen Versäumnisses und zusätzlich ein Zwangsgeld von bis zu 790 000 Euro pro Tag gegen Deutschland verhängen. Es wird also sehr teuer werden.

Niedersachen und auch Nordrhein-Westfalen haben sich schon auf den Weg gemacht. Niedersachsen hat unter anderem, Frau Grobien, schon beschlossen, das Gebiet des Mündungstrichters der Elbe als Naturschutzgebiet auszuweisen, also auch das geht, Flussmündungsgebiete auszuweisen. Das zeigt, dass Schifffahrt und die Ausweisung von Schutzgebieten in Einklang gebracht werden können. Ja, die Hafenwirtschaft protestiert da ganz gern, aber ich möchte einmal sehen, wie die Bürgerinnen und Bürger protestieren, wenn Millionen pro Tag von ihren Steuergeldern für Vertragsstrafen draufgehen, meine Damen und Herren.