Protokoll der Sitzung vom 29.08.2018

Niedersachen und auch Nordrhein-Westfalen haben sich schon auf den Weg gemacht. Niedersachsen hat unter anderem, Frau Grobien, schon beschlossen, das Gebiet des Mündungstrichters der Elbe als Naturschutzgebiet auszuweisen, also auch das geht, Flussmündungsgebiete auszuweisen. Das zeigt, dass Schifffahrt und die Ausweisung von Schutzgebieten in Einklang gebracht werden können. Ja, die Hafenwirtschaft protestiert da ganz gern, aber ich möchte einmal sehen, wie die Bürgerinnen und Bürger protestieren, wenn Millionen pro Tag von ihren Steuergeldern für Vertragsstrafen draufgehen, meine Damen und Herren.

Ich bin überzeugt, dass wir uns weder aus ökologischer noch aus europapolitischer, aber auch nicht aus finanzieller Sicht als Land Bremen leisten können, hier eine teure Vertragsstrafe zu kassieren, weil wir die FFH-Gebiete nicht in Schutzgebiete umgewandelt haben. Deswegen bitte ich die Fraktionen der CDU und der FDP ihren Automatismus – und ich halte es auch für einen anti-Umwelt-proWirtschaft-Reflex – abzulegen und sich ganz objektiv der Sachlage zu widmen.

Sicherlich kann man prüfen, ob die EU oder das Bundesumweltministerium auch weiterhin nur Bewirtschaftungspläne akzeptieren. Ich ahne die Antwort, sie wird aller Voraussicht nach Nein heißen. Daher bitte ich Sie: Lassen Sie uns uns den anderen Bundesländern anschließen, Schutzgebiete ausweisen, ohne dass die Schifffahrt wirklich empfindlich beeinträchtigt wird, damit wir in Bremen nicht am Ende auf millionenhohen Vertragsstrafen sitzen bleiben. – Herzlichen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Dr. Lohse.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, das, was die Fraktionen der CDU und der FDP hier vorgetragen haben, ist im Grunde eine Jubiläumsdebatte: 25 Jahre Piepmatz-Affäre, 1993-2018. Wir können das unter Folklore verbuchen, aber wir können auch gerne die Position des Umweltsenators noch einmal kurz erläutern. Danach wurde ja gefragt. Ich habe mich

noch nicht öffentlich dazu geäußert. Das hat bisher mein Staatsrat gemacht. Ich äußere mich jetzt dazu.

Zunächst einmal, das ist ja gesagt worden, gilt schon heute --

(Abgeordneter Prof. Dr. Hilz [FDP]: Der hat das be- stimmt eigenständig gemacht!)

Wir kommen gleich dazu. Hören Sie ein bisschen zu, dann werden Sie schlauer. Schon heute gilt, dass bei jedem Projekt in FFH-Gebieten die Umweltverträglichkeit und die Verträglichkeit mit den FFH-Bestimmungen geprüft werden muss. Eine Befreiung kann nach § 67 Naturschutzgesetz erteilt werden, wenn es aus überwiegend öffentlichem Interesse einschließlich sozialen und wirtschaftlichen Gründen geboten ist.

Das ist etwas, was das Umweltressort beim OTB sehr erfolgreich nachgewiesen hat. Der OTB ist ja gerade nicht an den naturschutzfachlichen Fragen vor Gericht aufgelaufen, sondern der OTB hat mit Bravour bestanden, was dort gemacht wurde. Der OTB hängt im Moment aus anderen Gründen in der Warteschleife. Das wollte ich hier an dieser Stelle klarstellen.

Warum reden wir jetzt, wenn wir das FFH-Gebiet schon geschützt haben, über die Unterschutzstellung? Verschiedene Vorredner haben es erklärt. Ich mache das auch noch einmal. Ich lese aus Artikel 4, Absatz 4 der FFH-Richtlinie der EU vor: „Ist ein Gebiet aufgrund des in Absatz 2 genannten Verfahrens als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung bezeichnet worden, so weist der betreffende Mitgliedstaat dieses Gebiet so schnell wie möglich – spätestens aber binnen sechs Jahren – als besonderes Schutzgebiet aus und legt dabei die Prioritäten – –.“ Und so weiter. „Nach Maßgabe der Wichtigkeit“, brauche ich nicht weiter vortragen.

Das ist die Bestimmung. Die Meldung ist im Jahr 2006 erfolgt, die Bestätigung durch die EU-Kommission im Jahr 2007. Das heißt, spätestens 2012/2013 hätte man das auch hoheitlich unter Schutz stellen müssen. Man ist bisher davon ausgegangen, dass das nicht notwendig ist, wenn man das auf andere Weise regelt. § 32 Absatz 4 des Bundesnaturschutzgesetzes besagt, Unterschutzstellung kann unterbleiben, „soweit nach anderen Rechtsvorschriften, einschließlich dieses Gesetzes und gebietsbezogener Bestimmungen des Landesrechts, nach Verwaltungsvorschriften und … ein gleichwertiger Schutz gewährleistet ist“.

Das ist im Moment die deutsche Rechtslage und das wird im Moment von Brüssel streitig gestellt. Das ist der Grund, weshalb wir uns hier miteinander unterhalten. Brüssel hat – Maike Schaefer hat es angesprochen, Nelson Janßen hat es angesprochen – ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesregierung angestrengt, diese FFH-Gebiete in Deutschland sämtlich auch hoheitlich unter Schutz zu stellen. Die Bundesregierung hat gegenüber Brüssel zugesagt, meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat zugesagt, dass sie dieser Verpflichtung bis zum Ende des Jahres 2018 nachkommen wird.

Diese Zusage muss eingehalten werden. Das ist der Grund, weshalb wir hier in Bremen jetzt diese Unterschutzstellung, soweit sie noch nicht erfolgt ist, vornehmen wollen. Länder, die das bereits gemacht haben, sind Brandenburg, Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, das Saarland, Sachsen und Thüringen.

Meine Damen und Herren, Sie glauben doch nicht, dass in all diesen Ländern keine wirtschaftlichen Konfliktthemen mit den Unterschutzstellungen verbunden sind. Das heißt, zehn Bundesländer haben es begriffen. Niedersachsen und Hamburg– darauf komme ich gleich noch zu sprechen – sind auch dabei. Auch hier in Bremen müssen wir das machen, wenn wir nicht allein die Last eines Vertragsverletzungsverfahrens mit Zahlungen in täglich sechsstelliger Höhe leisten wollen.

(Abgeordnete Grobien [CDU]: Deshalb haben wir unseren Antrag schon Anfang des Jahres gestellt!)

Frau Grobien, genau Sie wollte ich ansprechen, danke! Warum waren Sie eigentlich überrascht letzte Woche? Das habe ich nicht verstanden. Sie sind Vorsitzende des Ausschusses für Angelegenheiten der Häfen. Dort haben Sie am 3. Mai 2017 eine Vorlage des Senators für Wirtschaft, Arbeit und Häfen erhalten.

(Abgeordnete Grobien [CDU]: Da haben wir das erste Mal den Antrag behandelt!)

Am 3. Mai 2017, also können Sie letzte Woche nicht überrascht gewesen sein, wenn Sie die Vorlagen gelesen hätten.

(Abgeordnete Grobien [CDU]: Ich habe es ja gele- sen!)

Es steht darin, dass die FFH-Richtlinie vorschreibt, dass die gemeldeten Gebiete im jeweiligen Mitgliedstaat als besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen.

(Abgeordnete Grobien [CDU]: Ja, das bestreitet ja auch keiner!)

Dann hat man Ihnen geschrieben, dass die rechtlichen Verpflichtungen schon bestehen, und man hat Ihnen auch geschrieben, ein bremischer Verordnungsentwurf liegt noch nicht vor, wird sich aber am niedersächsischen Entwurf orientieren, sodass die Unterweser weitgehend einheitlich reguliert wird.

Das, Frau Grobien, hat man Ihnen vor 15 Monaten in dem Ausschuss, dem Sie vorsitzen, seitens des Senators für Wirtschaft, Arbeit und Häfen schriftlich mitgeteilt. Lesen Sie dies denn nicht? Jetzt hat Niedersachsen gezeigt, wie es unter Schutz stellt. Das zeige ich Ihnen gern. Ich zeige Ihnen auch, wie Hamburg das macht. Hamburg weist das in dieser Form aus, Herr Präsident, wenn Sie einmal schauen wollen, so schön weist Hamburg die Elbe als Schutzgebiet aus. Niedersachsen macht das mit der Elbmündung in dieser Form.

Niedersachsen macht es auch – das dürfen Sie jetzt als Erstes sehen – mit der Weser. Das dürfen Sie jetzt auch sehen. Das heißt, Hamburg und Niedersachsen machen das, was notwendig ist, und wir in Bremen hier machen das auch. Es geht um nicht weniger und auch nicht mehr, meine Damen und Herren, und deswegen weiß ich nicht, wo der Koalitionsstreit sein soll.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD – Unruhe)

Sie sind auch, Frau Grobien, am 21./22. Februar dieses Jahres hier in der Bürgerschaft darüber informiert worden, weil Sie einen diesbezüglichen Antrag gestellt hatten. Sie selbst hatten den gestellt. Manchmal habe ich das Gefühl, dass Sie auch gar nicht zuhören, wenn Ihre Anträge debattiert werden, aber Sie können letzte Woche nicht überrascht gewesen sein.

Die FFH-Gebietsanmeldung, das ist ja mehrfach gesagt worden, die ist tatsächlich von ihrer Partei erfolgt, von Senator Jens Eckhoff.

(Abgeordneter Röwekamp [CDU]: Der Senat hat es gemeldet, nicht die Partei!)

Entschuldigung, Bremer Senat! Danke, Herr Röwekamp! Sie kennen sich in diesen Belangen immer noch besser aus als ich. Aber es ist unter der Federführung des geschätzten Kollegen Eckhoff, meinem Amtsvorgänger, damals erfolgt. Ich erspare Ihnen jetzt die gemeinsame Presseerklärung, die er damals mit dem damaligen Senator Kastendiek veröffentlicht hat. Diese Unterschutzstellung war gut und richtig. Das sage ich an dieser Stelle ganz deutlich: Naturschutz ist erforderlich. Wir hatten vorhin eine Debatte, wann wir beim Klima an die Grenzen der Tragfähigkeit dieses Planeten stoßen. Wir stoßen es auch bei der Biodiversität, wir stoßen es auch beim Schutz der Gewässer und so weiter. Deswegen ist diese Unterschutzstellung richtig. Man hat damals sichergestellt, dass die Häfen und die Schifffahrt nicht beeinträchtigt werden. Ich habe nie etwas anderes öffentlich gesagt und auch mein Staatsrat Ronny Meyer hat nichts anderes gesagt. Genau dies werden wir auch künftig sicherstellen. Das werden wir auch mit den Akteuren der Hafenwirtschaft besprechen. Es geht, meine Damen und Herren, um eine formale EU-Rechtskonformität, die wir jetzt herstellen müssen, um Schaden von Bremen abzuwenden. Darum geht es. Es geht darum, Schaden abzuwenden, dass dieses Vertragsverletzungsverfahren uns nicht trifft.

Staatsrat Meyer hat der Hafenwirtschaft angeboten, auf die ganze Maßnahme zu verzichten, wenn sie ihm eine Zusage geben, die Kosten dieses Vertragsverletzungsverfahrens dann zu tragen. Darauf hat er keine Antwort erhalten. Die Bereitschaft ist also nicht da. Das heißt, wir machen hier kein verbotenes Glücksspiel, sondern wir machen das, was erforderlich ist. Weil jetzt – das noch einmal zu Ihnen, Herr Hilz, Sie dürfen auch gleich einen Einwurf machen – weil jetzt hier in Bremen strittig ist, ob die bisherigen Bewirtschaftungspläne ausreichen, oder ob es einer hoheitlichen Unterschutzstellung bedarf.

Deswegen richten wir diese Frage an die Bundesregierung, denn die Bundesregierung ist Adressat des Vertragsverletzungsverfahrens und damit Gesprächspartner Brüssels – das sind wir nicht direkt –, um herauszufinden, in welcher Form Brüssel darauf besteht, dass das, was in Artikel 4 der FFHRichtlinie steht, umgesetzt wird.

Herr Senator, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Hilz?

Gern.

Vielen Dank, Herr Senator. Ich möchte gerne noch einmal nachfragen. Wenn das alles so klar und deutlich und eindeutig ist, wie Sie das hier vortragen, warum müssen Sie dann mit Herrn Günthner zusammen nach Berlin fahren, um sich dort noch einmal beraten zu lassen? Warum können Sie das nicht hier vor Ort entscheiden?

Dann haben Sie jetzt meinen letzten Satz nicht gehört!

(Abgeordneter Prof. Dr. Hilz [FDP]: Doch, den habe ich gehört!)

Ich habe gesagt, wir gehen davon aus. Wir haben im Ressort eine klare Rechtsauffassung, die ist jetzt öffentlich streitig gestellt worden, unter anderem in dieser Aktuellen Stunde, und dann haben wir gesagt, wir klären den Sachverhalt.

(Abgeordneter Röwekamp [CDU]: Ich denke, es gibt keinen Streit! – Zuruf Abgeordnete Dr. Schae- fer [Bündnis 90/Die Grünen] – Zuruf Abgeordneter Röwekamp [CDU])

Ich glaube, das müsste eigentlich klar sein. Sie haben doch studiert! Das muss doch für Sie verständlich sein!

(Heiterkeit – Zurufe)

Wenn man eine – –. Herr Hilz!

(Unruhe – Abgeordneter Hilz [FDP]: Herr Präsi- dent!)

Herr Kollege, haben Sie eine weitere Zwischenfrage? – Bitte sehr!

Ich weise das hier noch einmal zurück, mir hier mit solchen Aussagen vom Senator vorzuwerfen! Also, unmöglich!

(Beifall CDU, Bündnis 90/Die Grünen – Zuruf Ab- geordneter Röwekamp [CDU])

Ich war schon darauf eingegangen, dass das Land Niedersachsen diese Unterschutzstellung auf den Weg gebracht hat.

(Abgeordneter Röwekamp [CDU]: Gegen den Pro- test des Bürgermeisters! – Zurufe CDU – Abgeord- nete Grobien [CDU]: Sie kennen den Protest des Bürgermeisters!)

Vielleicht hilft es noch zur Verdeutlichung, dass das der dortige Kollege Olaf Lies gemacht hat, der in seiner Eigenschaft als Wirtschaftsminister des Landes Niedersachsen noch dagegen war. Als Umweltminister hat er sich über die Rechtslage informiert und jetzt dieses Verfahren auf den Weg gebracht.

Interessant ist auch, Frau Grobien, dass ein Kollege Ihrer Partei dort den jetzigen Wirtschaftsminister stellt und diese Form offensichtlich auch von der Regierung gemeinsam getragen wird, genauso wie hier auch gemeinsam getragen wird, dass wir im Bremer Senat diese Klärung vornehmen. Wir holen uns dazu noch einmal ein Votum der Bundesregierung, denn – ich sage es für Sie noch einmal, Herr Hilz – die Bundesregierung ist Adressat des Vertragsverletzungsverfahrens der Kommission. Das heißt, die Bundesregierung verhandelt mit Brüssel darüber, was wir tun müssen, um dieses Verfahren abzuwenden. Deswegen sprechen wir mit der Bundesregierung darüber, was Brüssel gesagt hat, was wir tun müssen. Wenn Brüssel sagt, die Integrierten Bewirtschaftungspläne reichen aus, dann werden wir es dabei bewenden lassen, und wenn – wovon wir fest ausgehen – Brüssel sagt, nein, ihr müsst es hoheitlich unter Schutz stellen, dann werden wir das machen. Deswegen haben wir dieses Verfahren in der letzten Woche in der Deputation auf den Weg gebracht.