Protokoll der Sitzung vom 30.08.2018

Ein solches internationales Seerecht gibt es nicht. Ein solcher Ansatz ist falsch, und Sie verquicken hier viele Ebenen, die nicht zusammengehören.

(Abgeordneter Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Ist der Alternative für Deutschland vollkommen fremd!)

Sie erfinden vielmehr den Begriff der Klimaflüchtlinge und so weiter, und das gehört alles nicht dazu.

In der Tat interessant fand ich aber eben die Bemerkung des Kollegen Fecker, der in Afrika die Nationalstaaten entdeckt. Ja, das machen Sie einmal. Ich bitte mir doch aus, auch die Nationalstaa

ten in Europa zu entdecken, die Ihre Flüchtlingspolitik, die deutsche Flüchtlingspolitik, die Flüchtlingspolitik dieser Bundesregierung doch weitestgehend ablehnen.

Daher ist es doch erstrebenswert, da kann ich eigentlich gleich noch einmal meinen Kollegen Dr. Curio zitieren: „Es gibt doch eine europäische Lösung.“

(Abgeordnete Vogt [DIE LINKE]: In Ihren Träu- men! – Abgeordneter Fecker [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Ich sorge mich ein bisschen, Herr Tassis!)

Wenn 26 Länder ihre Grenzen schließen, dann ist das eben die europäische Lösung, und wie ich richtig gehört habe, hat ja wohl auch Herr Schäfer Ähnliches gesagt.

Merken Sie sich also, es gibt Nationalstaaten in der Welt. Das ist gut.

In der Tat ist, wenngleich getrennte Abstimmung beantragt ist, die Ziffer 6 des Antrages der CDU zum Beispiel ja sehr unterstützenswert. Zweifellos muss in Afrika viel getan werden, aber vollkommen richtig ist auch die Korrektur des Kollegen Fecker, Afrika retten, ist natürlich wahnsinnig pauschal. Wir müssen schauen, in welchen Staaten etwas getan werden kann. Das ist, glaube ich, vernünftig. Aus dieser ganzen Haltung heraus ist klar, dass ich den Antrag der Koalition und der Fraktion DIE LINKE ablehne und hier und da bei getrennter Abstimmung dem Antrag der CDU zustimme oder mich enthalten werde. – Vielen Dank!

(Abgeordneter Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Ich muss beim nächsten Mal echt langsamer spre- chen, damit er mich versteht!)

Also nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Grotheer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin jetzt ein bisschen fassungslos. Ich habe meine Zettel noch mit nach vorn genommen, aber ich löse mich jetzt von diesem Konzept, weil mir zu diesem Unsinn – Entschuldigung, falls es unparlamentarisch ist –,

(Abgeordneter Gottschalk [SPD]: In diesem Fall ist es richtig!)

den ich gerade gehört habe, ich hoffe, das reicht als Einschränkung, echt nichts mehr einfällt.

(Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP)

Ich kann es nicht verstehen! Hier diskutiert ein Parlament über etwas, von dem ich gedacht habe, dass wir einen Grundkonsens darüber haben, dass wir Leben retten wollen, dass wir niemanden untergehen lassen wollen, und da muss ich mir erzählen lassen, dass es diesen Grundkonsens in diesem Parlament offenbar gar nicht gibt. Ich bin fassungslos!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Ich habe bei der Fraktion der CDU verstanden, dass sie finden, dass unser Antrag nicht ausgewogen genug ist. Ich bin trotzdem heilfroh, dass sie in Ihrem Antrag eindeutig formulieren, dass auch für sie Seenotrettung notwendig ist. Großartig! Bei der Fraktion der FDP war ich ein bisschen überrascht, es hat etwas länger gedauert, bis sie es geschafft haben, das zu sagen, und sie erklären auch, so, wie wir das sagen, finden Sie es nicht gut, sondern Sie finden es so gut, wie die Fraktion der CDU es ausdrückt.

Was an einem Satz, der heißt, wir verurteilen jede Kriminalisierung von Seenotrettung, allerdings nicht zu verstehen ist, das begreife ich nun wiederum nicht.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Ich verstehe auch überhaupt nicht, was daran misszuverstehen ist, wenn man sagt, man erklärt sich bereit, aus Seenot gerettete Menschen aufzunehmen. Das ist so einfach wie nur irgendetwas. Natürlich, weil das ist der ganze Sinn der Übung, findet das in dem Rahmen statt, den uns Europa vorgibt. Ich verstehe es nicht!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Deswegen sehe ich den großen Unterschied zwischen dem, was die Fraktion der CDU aufgeschrieben hat zu dem, was wir gemeinsam aufgeschrieben haben, nicht. Sie scheinen da Feinheiten wahrzunehmen. Ich hoffe, dass man gemeinsam dazu kommt, beiden Anträgen in diesem Punkt zuzustimmen, der sich darauf bezieht, Menschen aufzunehmen und sich gegen die Kriminalisierung von Seenotrettung zu wenden, aber das werden wir ja im Weiteren sehen.

Dann haben Sie, um jetzt doch einmal zu dem Antrag zu kommen, einige Punkte aufgeschrieben,

die ich ausdrücklich teile. Ihre Ziffer 6, liebe Fraktion der CDU, teile ich ausdrücklich. Ich muss ehrlich sagen, schade, dass wir nicht darauf gekommen sind. So geht es mir. Das finde ich großartig. Wir versuchen, es immer so zu diskutieren, dass allein die Aufnahme nach der Flucht nicht reicht, sondern dass etwas anderes passieren muss.

Ich habe mit dem ganz hinten rechten Teil des Hauses allerdings einen ausgesprochenen Dissens über die Frage, was es denn heißt, in Afrika zu helfen. Ich bin keinesfalls der Meinung, dass man dort Menschen in Lager sperren darf und sagen darf, dort dürfen sie dann auch arbeiten. Ich habe ein völlig anderes Verständnis davon, was Unterstützung einer Entwicklung in afrikanischen Ländern bedeutet.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP)

Gleichfalls entsetzt bin ich über die Haltung von der ganz rechten Seite dieses Hauses, um es nicht zu personalisieren, wie man denn mit dieser Debatte überhaupt umgeht. Sich nach 25 Minuten dieser Debatte in den Plenarsaal zu begeben, der Hälfte der Rednerinnen und Redner gar nicht zuzuhören, sich aber anzumaßen, zu wissen, was die Rednerinnen und Redner gesagt haben, ist, gelinde gesagt, völlig unparlamentarisch.

(Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP)

Anders als die Grünen hätten wir durchaus mehr Punkte aus dem Antrag der CDU-Fraktion mittragen können. Es ist so in einer Koalition, ich kann das auch gut aushalten. Ich glaube, dass wir uns auf die wesentlichen Punkte verständigt haben, das soll mir auch reichen. Ich finde allerdings, dass auch Ihr Antrag nicht frei von Widersprüchen ist. Wenn Sie in Ziffer 4 fordern, dass der Bund und das Auswärtige Amt darüber entscheiden sollen, ob wir als Bundesrepublik Deutschland Menschen aufnehmen und dass das Ihre Voraussetzung dafür ist, dass Bremen dann Menschen aufnimmt, dann finde ich schon, dass ihre Ziffer 5 b, die da nämlich lautet: die freiwillige Aufnahme, dem widerspricht.

Entweder Sie gehen davon aus, dass wir es als Bund machen, oder Sie gehen davon aus, dass es nur freiwillige Länder sein können. Das ist aber keine europäische Lösung, die wir ja alle wollen.

(Beifall SPD)

Erlauben Sie mir, bevor ich zum Schluss komme, einen letzten Satz. Ich glaube, dass es keine Rechtfertigung dafür gibt, Menschen, die Hilfe suchen, davon abzuhalten, diese Hilfe zu suchen. Wir haben ein Asylrecht, das jedem die Möglichkeit eröffnet, diese Hilfe zu suchen, und wir müssen im Moment dieses Asylrecht mit Zähnen und Klauen verteidigen, und zwar gemeinsam als Demokratinnen und Demokraten in diesem Land. – Vielen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Zu einer Kurzintervention erhält das Wort die Abgeordnete Leonidakis.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als Erstes, glaube ich, muss hier noch einmal klargestellt werden, dass niemand sein eigenes Leben oder das Leben seiner Kinder freiwillig aufs Spiel setzt. Hier geht es nicht um die Suche nach dem Paradies, sondern hier geht es darum – und da hat die Fraktion der CDU sehr wohl recht –, auch Fluchtursachen zu bekämpfen. Ich glaube, wir sagen das sehr laut und immer wieder auch im Bundestag, dass wir zum Beispiel Waffenexporte verbieten wollen.

Wir haben aber andere Vorstellungen als die der Fraktion der CDU. Deswegen werden wir ihrem Antrag auch nicht zustimmen. Wir glauben auch nicht, dass zum Beispiel Ausschiffungsplattformen oder Ähnliches hier eine Antwort sind.

Wir hätten auch eine grundsätzliche Debatte über die europäische Grenzpolitik betreiben können, dann reichen fünf Minuten aber nicht. Wir haben hier ein akutes Problem, es ertrinken Menschen, es werden die Retterinnen und Retter kriminalisiert, und was wir machen können als Städte, als Bremen und Bremerhaven, ist zu sagen: Wir sind nicht damit einverstanden, dass die Seenotrettung und die Aufnahme von Überlebenden Albanien überlassen wird, sondern auch Deutschland, auch Bremen und Bremerhaven sind hier in der Pflicht, wir sind bereit dazu, die Überlebenden aufzunehmen, und wir stellen uns der Kriminalisierung entgegen! Ich finde, das ist ein richtiges Signal!

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich finde – und auch das möchte ich noch einmal sagen, denn hier sind Vertreterinnen und Vertreter der Seebrückenbewegung –, es ist auch ein Verdienst, und es ist auch gut, dass Menschen in Deutschland auf die Straße gehen und sich dafür einsetzen. Wir stehen hinter diesen Menschen, wir

stehen an der Seite dieser Menschen, das ist das Signal, das heute aus diesem Parlament herausgeht, und dafür danke ich Ihnen!

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort Senatorin Stahmann.

Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Der Antrag der Fraktionen DIE LINKE, Bündnis 90/ Die Grünen und der SPD ist aus Sicht des Senats ein richtiges und wichtiges Zeichen der Solidarität und Bereitschaft der Länder zur Aufnahme von Geflüchteten, gesendet von Bremen und Bremerhaven, wie es bereits andere Städte gemacht haben.

Die Seenotrettung im Mittelmeer muss aus humanitären Gründen wieder ermöglicht werden, und die Aufnahme der geretteten Menschen muss gesichert sein. Es ist ein Signal für Humanität, für das Recht auf Asyl und für die Integration Geflüchteter.

Grundsätzlich können Zäune und Mauern nicht die Not der Geflüchteten lösen. Dieser vorherrschenden Stimmung muss entgegengewirkt werden. Wir müssen uns vor Augen halten, dass Menschen ihre Heimat verlassen und sich unter lebensbedrohlichen Bedingungen mit den Booten der Schlepper auf den Weg über das Mittelmeer machen, um letztendlich damit Schutz und Sicherheit zu suchen.

Es gibt definitiv keine Alternative zu den Rettungseinsätzen von Lifeline, Aquarius oder Sea-Watch 3. Ohne deren Einsatz gäbe es noch mehr Tote im Mittelmeer als bisher. Wer das leugnet, der sollte sich die Bilder und Fernsehberichte genau anschauen. Es geht um Rettung von Menschenleben, und zwar von Kindern wie von Erwachsenen, von Männern wie Frauen. Wir müssen dankbar sein für alle, die sich engagieren. Es darf keine Kriminalisierung geben.

Aus meiner Sicht ist Kapitän Claus-Peter Reisch mit Respekt zu begegnen und nicht mit Gerichtsprozessen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Ihm gebührt Respekt und nicht Strafe. Menschenleben nicht vor dem Tod durch Ertrinken zu retten – ich komme aus einer Kapitänsfamilie –, das ist unterlassene Hilfeleistung und menschenverachtend! Das darf es aus meiner Sicht nicht geben!