Protokoll der Sitzung vom 26.09.2018

Noch einmal, Herr Özdal, Sie stellen sich hin wegen der Besoldung und der Wertschätzung. Ich glaube, dass man aufgrund des Generationenwechsels auf keinen Fall den Zeitpunkt verpassen darf, dass es nicht dazu kommt, dass wir gar kein Personal mehr finden für unsere Justiz. Zu diesem Zeitpunkt ist es noch nicht so, weil wir wissen, dass wir noch sehr gute Juristen finden – außer bei der Staatsanwaltschaft, das gebe ich zu, dort ist es

schwieriger, das wurde auch letzte Woche deutlich gesagt.

In der Befragung wurde aber auch, wenn man sich die durchliest, nicht nur gesagt, dass die Besoldungserhöhung, sondern auch solche Aspekte wie Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Wertschätzung durch den Dienstvorgesetzten und so weiter eine große Rolle spielen, um die Menschen zufriedener zu stellen, die schon bei uns arbeiten. Auch wenn man Leute gewinnen will, muss man öffentlichkeitswirksam das Positive herausstellen, denke ich.

Herr Özdal, noch einmal, auch das können die Menschen nachlesen: Die Beamtenbesoldung war bis zur Föderalismusreform durch den Bund geregelt. Auf Betreiben der CDU, Sie sind ja Mitglied –

(Abgeordnete Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Ja, inzwischen!)

und deswegen auch hier in der Fraktion, wurde die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz auf die Länder übertragen, Herr Özdal.

(Abgeordneter Röwekamp [CDU]:Mit der Zustim- mung Bremens übrigens!)

Dadurch sind gewisse Unterschiede in der Richterbesoldung unvermeidbar, ja geradezu verfassungsrechtlich erwünscht. Wir Grüne hatten sowohl auf Bundesebene – und das kann auch jeder nachlesen – als auch hier in Bremen diesen Teil der Föderalismusreform abgelehnt. Machen Sie sich das bitte nicht so einfach!

Ich glaube, dass wir gut beobachten müssen, wie sich gerade auch im norddeutschen Raum die Besoldung entwickelt. Ich glaube, dass es ganz gut wäre, wenn wir im Rechtsausschuss – genauso wie die Deputation für Bildung einmal dargelegt hat, wie ist die Besoldung in Niedersachsen oder in Bremen – und das werde ich beantragen – uns das einmal genauer ansehen, damit diese Probleme im norddeutschen Raum nicht weiter verschärft werden. Es müssen gemeinsam Lösungen erarbeitet werden.

Ich sage das noch einmal: Wir nehmen das ernst, wir werden weiterhin im Austausch mit den Richterinnen und Richtern und Staatsanwältinnen und Staatsanwälten bleiben. Wir versprechen den Leuten nicht alles, sondern wir wollen konstruktiv schauen: Wo wird was benötigt? Wo besteht Handlungsbedarf?

Wenn es an einigen Stellen gut läuft -- und es läuft in Bremen an vielen Stellen in unserer Justiz ganz gut. Das haben Sie, Herr Özdal, hier überhaupt nicht erwähnt. Herr Dr. Helbeck ist darauf eingegangen. Wir belegen Spitzenplätze: erster Rang, bundesweit! Warum sagen Sie das denn nicht?

(Zuruf Abgeordneter Özdal [CDU])

Man kann, finde ich, auch honorieren, dass wir so tolle Richterinnen und Richter haben und Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, die so gern hier bei uns arbeiten und sehr gute Arbeit leisten. Ich würde mir wünschen, genauso, wie wir das mit Herrn Dr. Yazici und den anderen Kollegen im Rechtsausschuss machen, dass wir fachlich und auf konkreten Fakten basierend und nicht ins Blaue hinein gemeinsam diskutieren. Das wird die Justiz weiter stärken. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Vogt.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, Kollegen, drei Sätze noch: Die Veranstaltung des Richterbunds, des Bremischen Richterbunds, war mit Sicherheit eine ganz ernsthafte Veranstaltung. Sie haben sich auch ganz ernsthaft mit der Problematik und auch mit uns dort auseinandergesetzt. Ich finde diese Redebeiträge von der ganz rechten Seite hier hat der Deutsche Richterbund auch der Bremische Richterbund mit Sicherheit nicht verdient. Ich glaube auch, das würde er weit von sich weisen, dass deren Probleme so von Ihnen instrumentalisiert werden, wie Sie das jetzt gerade gemacht haben.

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Das Zweite, was in der Debatte zu kurz gekommen ist: Hier ist immer über Richterinnen, Richter, Staatsanwältinnen, Staatsanwälte geredet worden. Es ist aber auch ganz klar auf der Veranstaltung deutlich geworden, auch im Servicebereich wurde gespart. Das ist ein großes Problem, weil die Richterinnen und Richter dann die Geschäftsstellenarbeit mit übernehmen, und deswegen kommt es zu diesen Altfällen.

Ich finde, das gehört auch zur Wahrheit dazu, und da muss man als Haushaltsgesetzgeber auch darauf achten, dass auch die Verwaltungsstellen ausreichend besetzt sind, weil das ist ganz klar als

Problem benannt worden, ergibt sich übrigens aus der Umfrage.

(Zuruf Abgeordnete Aulepp [SPD])

Deshalb denke ich, wir müssen diese Diskussion auch führen und nicht nur auf Richterinnen- oder Richterstellen schauen und Stellen bei der Staatsanwaltschaft, sondern auch auf das Servicepersonal beziehungsweise das Verwaltungspersonal, wobei ich das Wort Service in dem Bereich auch ein bisschen --. Ich bin Rechtsanwaltsfachangestellte, und ich weiß, was die leisten. Also das ist das Eine.

(Abgeordnete Bergmann [FDP]: Wie Herr Zenner ausführlich dargestellt hat!)

Aber Frau Dogan, Sie haben hier richtig gesagt, die Föderalismusreform hätten die Grünen nicht gewollt. Ja, Bremen hat zugestimmt, da hat, glaube ich, die CDU mitregiert. Das ändert aber nichts daran. Wir haben einen Wettbewerbsföderalismus, der ist tödlich. Das Problem ist doch aber ein ganz anderes. Wenn wir immer noch eine einheitliche Besoldung hätten, müsste Bremen das auch zahlen. Da können Sie sich nicht aus der Verantwortung herausreden.

Natürlich müssen wir hier attraktive Arbeitsbedingungen bieten, und natürlich müssen wir auch wettbewerbsfähig sein unabhängig von einer Föderalismusreform. Ich würde sogar behaupten, hätte es diese Föderalismusreform nicht gegeben, hätten wir eine ganz andere Regelung der BundLänder-Finanzen bekommen, denn es ist natürlich völlig klar, dass es Bereiche gibt, die grundgesetzlich geschützt sind. Da muss jedes Bundesland dazu in der Lage sein, das zu gewährleisten. Dazu gehört nicht nur Bildung, sondern auch Inneres und Justiz. – Dankeschön!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Günthner.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin der Fraktion der CDU ja fast dankbar für diese Aktuelle Stunde, weil Sie uns die Gelegenheit gibt, uns intensiv mit unserem Rechtsstaat und der Justiz zu beschäftigen und sie dabei auch beim Wort zu nehmen.

Gestatten Sie mir, bevor ich auf die Situation in Bremen eingehe, eine Bemerkung zu der Überschrift ihrer Anmeldung Rechtsstaatlichkeit in Gefahr. Meine Damen und Herren, wer bringt denn die Rechtsstaatlichkeit durch unüberlegte, unverantwortliche Äußerungen in Gefahr, untergräbt die Grundlagen unseres friedlichen Zusammenlebens?

(Abgeordneter Dr. vom Bruch [CDU]: Das hat der Gutachter aber so betont! Das hat der Gutachter gesagt!)

Wer greift denn die unabhängigen Organe der Rechtspflege, die Richter und Staatsanwälte, aber auch die Rechtsanwälte in unverantwortlicher Weise an und trägt zu einer Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit bei? Es sind Herren wie Dobrindt –

(Unruhe FDP)

und Reul, die mit ihren Äußerungen das Vertrauen in den Rechtsstaat mit einer noch nie da gewesenen Missachtung vor dem Wirken der dritten Gewalt gefährden. Wer offensichtlich aus rein populistischen Erwägungen von einer Anti-Abschiebe-Industrie spricht und behauptet, dass die klagenden Anwälte, die die Abschiebung Krimineller verhindern, gegen den Frieden arbeiteten, der ist eine Gefahr für den Rechtsstaat, meine Damen und Herren!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE – Abgeordneter Röwekamp [CDU]: Das mussten Sie sich aufschreiben lassen?)

Nicht weniger gefährlich für den Rechtsstaat ist jemand, der als Innenminister erklärt, Richter sollten auch im Blick haben, dass ihre Entscheidung dem Rechtsempfinden der Bevölkerung entspräche. Ich bitte um Nachsicht für diesen Exkurs, aber es ärgert mich als Justiz- und vor allem als Verfassungssenator ungemein, wenn sich in so unverantwortlicher Art und Weise von Personen, die es eigentlich besser wissen müssten und die die Gesetze übrigens zum Teil auch mitgestaltet haben, geäußert wird.

Ich denke, da sind wir uns wohl einig, dass der Rechtsstaat und eine funktionierende Justiz für unsere Demokratie und für unser friedliches Zusammenleben von ganz herausragender Bedeutung sind. Es zeichnet unseren funktionierenden Rechtsstaat aus, dass ich mich als Mieter gegen die Mieterhöhung vor dem Amtsgericht wehren, dass ich gegen die Nichtzulassung zum Studium vor dem

Verwaltungsgericht klagen, dass ich mich gegen meine als völlig ungerechtfertigt empfundene Kündigung vor dem Arbeitsgericht oder gegen meinen vermeintlich falschen Steuerbescheid vor dem Finanzgericht wehren, dass ich meinen Hartz-IV-Bescheid vor dem Sozialgericht im Eilrechtsschutz überprüfen lassen und dass ich vermeintlich strafbare Sachverhalte bei der Staatsanwaltschaft zur Anzeige bringen kann.

Aber auch in anderen Bereichen, wie den unterschiedlichen Registern, im Handelsregister, dem Vereinsregister, dem Partnerschaftsregister, dem Schiffsregister oder dem Grundbuchamt und dem Nachlassgericht, arbeiten viele Kolleginnen und Kollegen, die zum rechtssicheren Zusammenleben in unserer Gemeinschaft beitragen.

Diese qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in allen Bereichen der Bremer Justiz sind das Fundament unseres Rechtsstaates. Als Leistungsträger in der dritten Gewalt übernehmen sie Verantwortung und bringen sich täglich neu für das Gemeinwesen ein. Das machen sie ganz engagiert und mit großem Erfolg. Dafür gebührt Ihnen an dieser Stelle unser Dank und unsere Anerkennung, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Wie Sie alle wissen, berichten wir dem Rechtsausschuss seit 2011 jährlich sehr ausführlich über die Belastungen in der Bremer Justiz. Wir stellen neben den absoluten Geschäftszahlen unter anderem die Eingänge, Erledigungen und Bestände je Richter, Staatsanwalt und Amtsanwalt für jede Gerichtsbarkeit und Staatsanwaltschaft dar und setzen diese Zahlen ins Verhältnis zum Bundesdurchschnitt.

Danach erbringen die Kolleginnen und Kollegen in vielen Bereichen der bremischen Justiz Spitzenleistungen, erledigen zum Teil deutlich mehr Verfahren, als im Bundesdurchschnitt erledigt werden. Dies gilt nicht nur für den richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Bereich, sondern auch für die Amtsanwälte, Rechtspfleger und Serviceeinheiten. Richtig ist, und das kann in diesem Haus eigentlich niemanden überraschen, dass die Justiz in den vergangenen Jahren auch ihren Beitrag zur bremischen Haushaltskonsolidierung geleistet hat.

Insofern geben die in der letzten Woche anlässlich einer Podiumsdiskussion vorgestellten Ergebnisse der vom Bremischen Richterbund durchgeführten

Befragung zur Belastung der Richter und Staatsanwälte die gefühlte Belastung vermutlich zutreffend wieder. Von einer dauerhaften Überlastung der Bremer Justiz und einer daraus resultierenden Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit kann, auch wenn wir die Ergebnisse der Befragung sehr ernst nehmen, dennoch keine Rede sein.

Denn bei diesen rein zahlenmäßigen Betrachtungsweisen darf der Blick für die Details, etwa die hohen Bestände am Verwaltungsgericht durch die Welle von Asylverfahren, was sich aber auch wieder ändern wird, nicht verloren gehen. Auch, und da bin ich bei den Strafkammern des Landgerichts, die Ergebnisse des sehr ausführlichen Berichts von Herrn Fahnemann zur Situation in den Strafkammern des Landgerichts bedürfen insoweit einer genaueren Einordnung.

Nach seinem Bericht ist die Ausstattung der Strafkammer des Landgerichts für die Bearbeitung der laufenden Eingänge auch unter Berücksichtigung der hohen Anzahl der Haftsachen auf Basis der bundesweit in der Justiz verwendeten Personalbedarfsberechnung PEBB§Y und auf Basis von Vergleichsgerichten aus dem OLG-Bezirk Hamm auskömmlich. Lediglich für die hohe Zahl an Altverfahren ist eine zusätzliche temporäre Aufstockung erforderlich.

Daneben wird eine Reihe struktureller Maßnahmen empfohlen, um die Verfahren besser auf die bestehenden Kammern verteilen zu können. Die temporäre Aufstockung im Umfang von 15 Stellen haben wir unmittelbar nach der Diskussion des Berichts im Rechtsausschuss auf den Weg gebracht. Für 13 der 15 Stellen sind die Auswahlverfahren abgeschlossen, die Stellen zum Teil schon besetzt. Eine der neuen Strafkammern konnte Anfang September bereits ihre Tätigkeit aufnehmen, die zweite soll im Oktober starten.

Daneben haben wir von 2015 bis 2017 bereits jeweils eine zusätzliche Strafkammer beim Landgericht geschaffen. Damit wurden innerhalb der vergangenen vier Jahre fünf neue Strafkammern beim Landgericht eingerichtet. Insgesamt nahm die Zahl der am Landgericht eingesetzten Richter von Ende 2014 bis Ende 2017 von 51 auf 59 zu. Die Anzahl der in allen bremischen Gerichten und Staatsanwaltschaften eingesetzten Richter und Staatsanwälte stieg trotz der Haushaltskonsolidierung von 262 Ende 2014 auf 282 Ende 2017, die der Mitarbeiter an den Gerichten und Staatsanwaltschaften insgesamt von 935 Ende 2014 auf 967 Ende 2017.

Dazu kommen die im laufenden Jahr bereits erfolgten und noch vorzunehmenden Einstellungen von circa 30 weiteren Kolleginnen und Kollegen für alle Dienstgruppen. Sie können daran ersehen, dass es uns trotz der Zwänge der Haushaltskonsolidierung gelungen ist, moderate Personalverstärkung vorzunehmen. Uns ist es nämlich für den Haushalt 2018/2019 gelungen, zusätzliche Stellen aus Sondermitteln für die Programme „Sichere und saubere Stadt“, „Gewinnabschöpfung“ und „Digitalisierung“ einzuwerben, die im Ergebnis zu einer weiteren moderaten personellen Verstärkung in ausgewählten Schwerpunktbereichen geführt haben.

Wir wissen, dass dies nicht ausreichen wird, um die Leistungsfähigkeit der Justiz auch mittel- und langfristig zu sichern. Ich strebe daher für den Haushalt 2020/2021 eine Verstetigung der oben genannten temporären Personalmittel an und werde mich für zusätzliche punktuelle Personalverstärkung auf Basis einer Ausstattung von PEBB§Y 100 Prozent einsetzen. Dies gilt im Übrigen selbstverständlich nicht nur für den richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Bereich, sondern auch und vor allem für den Bereich der Serviceeinheiten.

(Beifall SPD)

Ein gezieltes Augenmerk wollen und müssen wir auf den Bereich der Nachwuchsgewinnung richten. Hier gibt es zunehmende Probleme, die zuletzt für die Staatsanwaltschaft besonders deutlich geworden sind. Wie die jüngere Generation erreicht und angesprochen werden muss, damit sie sich für die Justiz als Arbeitgeber wieder stärker interessiert, haben wir im Rechtsausschuss Anfang September für die Bereiche Rechtspflege, Serviceeinheiten der Gerichte und Staatsanwaltschaften und für den Justizvollzug bereits berichtet.