Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Für uns ist es unerträglich, und ich glaube, nicht nur für uns, wenn in Bremen über 1 000 Menschen in Zelten leben müssen.
Ich weiß nicht, wer von Ihnen schon einmal in einem dieser Zelte war, es lohnt sich, wenn man sich selbst ein Bild von der Situation macht, um die Notsituation der Menschen zu begreifen, die dort leben müssen. Es ist keine Privatsphäre vorhanden, Bauzäune sind als Trennwände aufgestellt worden, teilweise regnet es durch das Zeltdach – das wurde in der Presse schon berichtet –, und in der Nacht muss man das Zelt durch Schlamm gehend verlassen. Im Winter ist das kein zumutbarer Zustand.
Es sind 14 Turnhallen belegt worden – das wurde auch berichtet –, und auch hier ist die Situation unzumutbar. In der Turnhalle auf dem Stadtwerder gibt es noch keine Heizung, es sind keine Trennwände vorhanden und – das wurde mir berichtet – es ist noch nicht einmal eine regelmäßige Versorgung mit Essen sichergestellt. Die Situation in der Turnhalle ist kein Einzelfall, es gibt auch andere Berichte aus anderen Turnhallen. Die dargestellte Situation ist nicht weiter hinnehmbar, sie ist zu verändern, und deswegen haben wir uns auch über diesen Gesetzentwurf gefreut.
Gleichzeitig sind 700 Leerstandsmeldungen vorhanden. In der letzten Bürgerschaftssitzung hat Bürgermeisterin Linnert berichtet, dass kein öffentlicher Ge
bäudebestand existiere. Wir müssen uns auf diese Auskunft verlassen. Nach der Durchsicht der Unterlagen waren wir von dieser Auskunft nicht mehr so sehr überzeugt, aber wir verlassen uns trotzdem darauf, dass der Senat wirklich alle Register zieht und alle Gebäude, die zur Verfügung stehen, für die Unterbringung von Flüchtlingen zu nutzen und Gewinninteressen hintanzustellen.
Wenn man sich den Leerstandsmelder anschaut, dann sind für private Gebäude 700 Meldungen vorhanden. Es ist ein Unding, dass diese Gebäude leer stehen und nicht genutzt werden. Unsere Meinung ist, ja, es gibt den Schutz des Eigentums, aber es ist auch so, dass das Eigentum verpflichtet. Es ist bei 700 leer stehenden Wohnungen nicht weiter hinnehmbar, dass Menschen in Zelten und Turnhallen leben müssen.
Die Leerstände müssen zu Wohnraum werden. Meine Kollegin Bernhard hat gesagt, dass wir nicht Omas Häuschen beschlagnahmen wollen. Wir haben in unserem Änderungsantrag deshalb eine sechsmonatige Schutzfrist vorgesehen. Wir wollen leer stehenden Wohnraum nutzbar machen, aber kein reines MaxBahr-Gesetz verabschieden.
Herr Professor Stauch hat gestern in der Anhörung ausgeführt, dass kleine Einheiten den Senat nicht interessierten, der entstehende Aufwand sei von der Verwaltung nicht leistbar. Das ist aus meiner Sicht ein fataler Ansatz. Erstens: Es wird damit ein integrativer Ansatz des Wohnens in Nachbarschaften untergraben und Massenunterkünften weiter Vorschub geleistet.
Zweitens: Es ist ein Problem, wenn der Personalmangel so groß ist, dass kleine Wohneinheiten ignoriert werden müssen. Es ist doch das erklärte Ziel der Koalition, Geflüchtete in das Leben, in die Nachbarschaften und in die Stadtteile zu integrieren, nicht aber in Massenunterkünften unterzubringen. Deshalb ist ja auch der Beschluss gefasst worden, die Wohnverpflichtung auf drei Monate zu reduzieren. Das Perso
nal muss aufgestockt werden, sodass es möglich wird, auch kleinere Wohneinheiten bei der Unterbringung zu berücksichtigen.
Schauen wir uns einmal an, worüber wir eigentlich reden! Ich habe eben gesagt, was wir nicht wollen. Es gibt aber auch gewerbliche Wohneinheiten. Wenn man sich einmal Immobilienseiten anschaut, ist oben an der Uni ein Bürogebäude oder Büroraum mit 253 Quadratmetern für acht Euro je Quadratmeter zu vermieten. Das ist eine vergleichbare und zumutbare Miete. Diese Immobilie werden Sie weiterhin leer stehen lassen, während nebenan 400 Flüchtlinge in Zelten leben. Ich finde, das ist nicht verhältnismäßig.
Die Beschlagnahme ist nötig, nicht nur um feste Unterkünfte und möglichst auch Wohnraum zu erschließen, sondern auch um das Kasse-Machen mit Flüchtlingen zu beenden. Es wurde berichtet, dass Eigentümer wie Max Bahr vom Senat Wucherpreise von 18 Euro gefordert haben. Auch dem wirkt das Gesetz entgegen. Das finden wir richtig.
Auch die CDU hat im Übrigen am 6. Oktober im Waller Beirat den Vorschlag mitbeschlossen, drei private Immobilien zu beschlagnahmen. Vor Ort sind Ihre Parteikollegen da also durchaus anderer Meinung.
Ich finde es im Übrigen grundverkehrt, wenn Sie hier mit Abschiebungen kommen. Das zeugt von ziemlicher Sachunkenntnis. Viele Geduldete können gar nicht abgeschoben werden, weil gesundheitliche Abschiebehindernisse bestehen. Sie streuen den Menschen Sand in die Augen, indem Sie suggerieren, dass so viele Wohnungen leer stehen würden, wenn Bremen abschieben würde. Das ist ein vollkommenes Märchen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, eben habe ich als Vorsitzende des Rechtsausschusses über die Beratung und Beschlussfassung des Ausschusses berichtet. Jetzt darf ich als Mitglied der SPDFraktion um Ihre Zustimmung zu unserem Gesetz werben. Das finde ich schön.
Nur ganz kurz zu Beginn: Ich persönlich halte auch nichts von Enteignung. Ich gehe davon aus, dass ich diese Haltung mit der Koalition teile. Das aber nur am Rande und dazu später mehr! Ich komme jetzt zuerst einmal auf das, um was es im Wesentliche richtiger- und wichtigerweise geht. Es geht nämlich darum, dass wir in Bremen die Menschenrechte der bei uns Schutzsuchenden wahren müssen.
Zurzeit kommen etwa 100 bis 150 Menschen am Tag in Bremen an, die keine Bleibe haben, nicht ausreichend und keine angemessene Kleidung insbesondere für die jetzige Witterung haben, geschweige denn Decken, Lebensmittel und Ähnliches. Ganz unabhängig davon, wie lange diese Menschen in Bremen bleiben dürfen und werden, ist jeder Tag und jede Nacht im Freien und ohne vernünftige Versorgung eines demokratischen Sozialstaates nicht würdig.
Lassen Sie mich noch ein Wort zu dem sagen, was die Kollegin Leonidakis gerade gesagt hat! Es ist einfach unlauter zu behaupten, wir würden die Probleme mit vermehrten Abschiebungen lösen. Sie verwenden Zahlen, die nicht richtig sind.
Voraussetzung für eine Abschiebung ist eine vollziehbare Ausreisepflicht aufgrund einer rechtskräftigen Entscheidung entweder durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oder von Gerichten. Zurzeit sind etwa 200 Menschen vollziehbar ausreisepflichtig, nicht geduldet und noch nicht freiwillig ausgereist.
Frau Abgeordnete, ist Ihnen bekannt, dass es einen bundesweiten Vergleich von Abschiebequoten gibt und Bremen dort mit 0,6 Prozent als letztes Datum in den Statistiken steht, während andere, im Übrigen auch rot-grün beziehungsweise grün-rot geführte Bundesländer wie Baden-Württemberg, Quoten zwischen zehn und 15 Prozent haben?
Herr Hinners, das ist mir bekannt. Das hat jetzt aber nicht so direkt etwas mit meiner Antwort zu tun.