Protokoll der Sitzung vom 15.10.2015

Herr Hinners, das ist mir bekannt. Das hat jetzt aber nicht so direkt etwas mit meiner Antwort zu tun.

(Lachen ALFA)

Da können Sie lachen, es geht aber um die konkrete Zahl der Leute, die wir hier abschieben könnten, wenn wir es denn wollten, und die dann Platz machen würden. An der Stelle ist es unlauter, davon zu reden, wie viele Leute aus Westbalkanstaaten kommen. Das Recht auf Asyl ist ein individuelles Recht.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Deswegen muss man darauf abstellen, wie viele Leute tatsächlich vollziehbar ausreisepflichtig sind. In der Debatte hier ist dieses Argument jedenfalls fehl am Platze.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Ich bin aber gern bereit, mich der Debatte um die Abschiebungen Bremens zu stellen. Das wissen Sie auch aus Funk und Fernsehen. Das mache ich nur nicht in dieser Debatte hier und heute, weil es hier um etwas anderes geht. Es geht um den Schutz der hier Lebenden.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Dieser Schutz ist dringlicher denn je. In den vergangenen Nächten hat es in Deutschland den ersten Schnee gegeben, wir haben es gehört. In Bremen sind wir mit Schnee ja nicht so gesegnet. Eiskalt, nass und ungemütlich wird es hier aber auch. Dann ist es nicht zumutbar, in Zelten zu leben oder gar im Freien zu übernachten, weil noch nicht einmal in den Zelten Platz ist.

(Beifall SPD, Bündnis 90 /Die Grünen)

In Bremen arbeiten der Senat, die zuständigen Behörden, die demokratisch legitimierten Gremien wie wir, aber auch die Beiräte und die Zivilgesellschaft daran, Probleme zu lösen. Wir suchen passende Im

mobilien. Passend heißt heute schon etwas ganz anderes als noch vor wenigen Monaten. Wir haben gerade von Turnhallen mit kaum voneinander getrennten Matratzen und Feldbetten gehört. Das wollen wir eigentlich auch nicht. An der Stelle müssen wir einfach alle Handlungsmöglichkeiten nutzen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Die Zivilgesellschaft habe ich erwähnt. Bremerinnen und Bremer sind bereit, ehrenamtlich zu helfen. Sie leisten viel, um die Situation erträglicher und ansatzweise bewältigbar zu machen. Das gilt im Übrigen auch bei der Unterbringung. Ich bin froh darüber, dass auch private Immobilieneigentümer durch die Bereitstellung ihrer Immobilien helfen, damit in Bremen lebende Menschen ein Dach über dem Kopf haben oder sogar ein Zuhause finden, wenn Wohnungen vermietet werden.

Herrn Richter von Haus & Grund haben wir gestern angehört. Ich weiß, dass er den Gesetzentwurf, den ich Ihnen hier zur Zustimmung empfehle, mit Sorge betrachtet. Diese Sorge teile ich nicht. Ich bin dem Verband aber dankbar dafür, dass er seinen Mitgliedern nahebringt, den Wohnraum, den sie haben, an Flüchtlinge zu vermieten. Das habe ich gestern auch gesagt.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bin auch deshalb dankbar dafür, weil die Vermietung an nach Bremen geflohene Menschen zum einen viel zur Integration beiträgt. An dieser Stelle sind die kleinen Wohnungen wichtig. Zum anderen hilft es auch, Berührungsängste in der Bevölkerung abzubauen, wenn man merkt, dass die eigenen Mieter zuverlässig, höflich, freundlich, witzig und angenehm im Umgang sind.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Jetzt benötigen wir mehr als frei stehende Wohnungen. Wir werden große Kapazitäten benötigen, um all die Menschen, die zu uns kommen und kommen werden, aus der Kälte und Nässe unter ein Dach und in Betten zu bringen. Mit Wohnungen, die vermietet werden, lässt sich die Situation allein nicht bewältigen, und dementsprechend auch nicht mit der staatlichen Inanspruchnahme von Wohnungen. Das wäre nicht zielführend und kann die Situation nicht ändern. Deswegen ist die Sicherstellung von Wohnungen nach dem von uns vorgeschlagenen Gesetz auch überhaupt nicht erlaubt, weil es die Geeignetheit voraussetzt.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

An der Stelle gebe ich noch einmal den Hinweis, dass wir mit Hausmeister- oder Werkswohnungen das Problem nicht werden lösen können. Es geht um gewerbliche Hallen und ähnliche Immobilien.

(Beifall SPD – Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Aber ein Bei- trag wäre es schon! – Abg. Frau Leonidakis [DIE LIN- KE] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Das hat Herr Richter ja in der Presse gesagt, die Befürchtungen von Menschen, die ihr Leben lang für Hauseigentum geschuftet haben, sie müssten ihren Wohnraum anderen überlassen, geht weit an der Realität und auch weit an dem von uns befürworteten Gesetzentwurf vorbei. Niemand denkt an Enteignungen, ich sagte es bereits, und auch nicht an die Beschlagnahmung von einzelnen Wohnungen. Natürlich wird auch niemand Flüchtlinge bei sich zuhause zwangsweise einquartiert bekommen.

(Beifall SPD)

Wir brauchen große, leer stehende, ungenutzte Gebäude, in denen mit wenig Aufwand eine Infrastruktur zum Übernachten und zum Aufenthalt geschaffen werden kann. Dazu gehören öffentliche Immobilien, und es ist an der Stelle auch notwendig, dass alle Immobilien geprüft werden und der Senat seine Hausaufgaben macht. Das erwarten wir auch als Koalitionsfraktionen, aber ich gehe davon aus, dass das weiterhin passieren wird, damit wir da noch schneller und noch systematischer werden können. Wir sind da aber auf dem Weg.

(Abg. Bensch [CDU]: Kein Wunder!)

Frau Kollegin, die Abgeordnete Frau Leonidakis möchte Ihnen eine Frage stellen. Gestatten Sie die Zwischenfrage?

Fragen Sie!

Frau Kollegin, stellen Sie bitte die Frage!

Es tut mir leid, Frau Kollegin, jetzt sind Sie in Ihrer Rede schon weiter! Ich wollte auf Ihr Argument der Geeignetheit von Wohnungen eingehen. Können Sie noch einmal erläutern, warum über sechs Monate lang leer stehende Wohnungen nicht geeignet sein sollen? Das habe ich noch nicht richtig nachvollziehen können.

(Unruhe CDU, FDP, ALFA)

Ich gehe gleich noch insgesamt weiter auf die Systematik des Gesetzes ein. Vielleicht wird es dann deutlich.

Ich fahre zunächst an der Stelle fort, wo ich zuletzt stehen geblieben war, dass es nämlich darum geht, auch private Immobilien in Anspruch zu nehmen und nicht nur öffentliche Gebäude. Natürlich, hier sind Grundrechte der Eigentümer berührt, und deswegen müssen die Nutzung öffentlicher und auch die An

mietung privater Immobilien Vorrang haben. Deshalb ist eine ganz konkrete Prüfung nötig, die in jedem Einzelfall stattfinden wird.

Noch einmal ein grundsätzliches Wort zu den Grundrechten und zur von der Opposition gerügten Verfassungswidrigkeit! Natürlich, Artikel 14 unseres Grundgesetzes ist durch dieses Gesetz berührt, aber zum Schutz anderer hochrangiger Grundrechte, nämlich derjenigen der Menschen, die ansonsten an Leib oder Leben gefährdet wären, denn das ist die Voraussetzung, unter der das Gesetz anwendbar ist.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Auch im Rahmen desselben Artikels 14, der das Eigentum auf das Wohl der Allgemeinheit verpflichtet!

Es geht in diesem Gesetz erst einmal nur um die Notsituation, der wir momentan Herr werden wollen, deswegen wird es auch im Polizeigesetz geregelt werden. Frau Bernhard, wir brauchen ein wohnungspolitisches Gesamtkonzept für alle Menschen, die niedrigpreisigen Wohnraum brauchen, und an der Stelle, meine Damen und Herren, arbeiten der Senat und die Koalition selbstverständlich auch!

(Beifall SPD)

Das hier zur Beschlussfassung vorgelegte Gesetz ist aus drei Gründen notwendig, und das auch schnell: Zum einen, weil die schon jetzt aufgrund der polizeilichen Generalklausel im Polizeigesetz mögliche Einweisung von einzelnen von Obdachlosigkeit bedrohten Personen in private Wohnungen der den Flüchtlingen massenhaft drohenden Obdachlosigkeit nicht gerecht werden kann und wird! Das ist auch der Grund, im Moment geht es darum, ganz viele Menschen ganz schnell unterzubringen, und das funktioniert nicht in kleinen Wohnungen, sondern nur in großen Immobilien.

(Beifall SPD – Glocke)

Verwaltungshandeln braucht eine gesetzliche Grundlage, die der Situation angemessen ist, und es darf nicht nur auf halbwegs passende Generalklauseln verwiesen werden. An der Stelle kann man sagen, das Verwaltungsgericht Lüneburg hat das genau bewiesen, weil eben in Lüneburg eine solche gesetzliche Grundlage nicht vorlag.

(Beifall SPD – Glocke)

Noch kurz die zwei weiteren Punkte!

(Abg. Bensch [CDU]: Kurz!)

Ich kann mich ja auch noch einmal melden. Es ist notwendig klarzustellen, dass wir auch Gewerbeimmo

bilien zur Abwehr der geschilderten Gefahren zum Wohnen in den Blick nehmen, und es ist auch notwendig, in die Zivilgesellschaft, die viel leistet, ein Signal zu senden, dass wir tatsächlich alle Möglichkeiten ausschöpfen. – Danke!

(Beifall SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Steiner.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Wenn wir uns überlegen, was wir in der letzten Zeit in der Flüchtlingskrise erlebt haben, dann ist es in dem Zusammenhang eigentlich der erschreckende Zuwachs an Wählerstimmen für die AfD. Es gibt eine selbst ernannte Bürgerwehr von braunem Gesocks, die gerade in der Nähe von Schwanewede ihr Unwesen treibt. Wir haben sogar einen versuchten Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim in Bremen erlebt. Das ist auf der einen Seite die ganz erschreckende und schreckliche Seite.

Auf der anderen Seite gibt es die ungeheuer tollen Aktivitäten, die massiv überwiegen, es gibt ganz viele kleine Hilfsengel, die ganz viel tun, sich freiwillig einsetzen, eine enorme Hilfsbereitschaft an den Tag legen und sich auch wirklich durch Solidarität mit den Flüchtlingen auszeichnen. Dafür sind wir wirklich sehr dankbar!