Protokoll der Sitzung vom 07.11.2018

Das Verbraucherportal „testberichte.de“ hat Mitte Oktober für „Spiegel Online“ die ÖPNV-Angebote

in Deutschlands 39 größten Städten mit über 200 000 Einwohnern miteinander verglichen. Dabei wurden unter anderem die Preise für Einzelfahrscheine und Monatskarten für Erwachsene und Kinder untersucht. Im Gesamtergebnis schneidet Bremen mit Platz sieben im Ranking der niedrigen Ticketpreise vergleichsweise gut ab.

Man darf aber ehrlicherweise auch bei diesen Anliegen nicht außer Acht lassen, der ÖPNV ist auch ein Kostenfaktor. Der Kostendeckungsgrad liegt bei circa 70 Prozent und der Verlustausgleich der BSAG für das Jahr 2017 durch Bremen beträgt gut 55 Millionen Euro. In Bremerhaven sieht es finanziell ähnlich aus. Bremerhaven subventioniert BremerhavenBus mit 4 Millionen Euro und die Verkehrsbetriebe nehmen aus dem Fahrscheinverkauf circa 10 Millionen bis 15 Millionen Euro ein.

Bremen investiert darüber hinaus gerade einen nicht unerheblichen Betrag von über 400 Millionen Euro in die Erneuerung der Straßenbahn und den dazugehörigen Umbau der Infrastruktur, zum Beispiel in das Depot in Gröpelingen. Außerdem müssen die Betriebs- und Informationsinfrastruktur verbessert und weiter in den Fuhrpark investiert werden und natürlich gehören auch gestiegene Personal- und Betriebskosten dazu.

Demgegenüber fällt die Preiserhöhung des VBN im Land Bremen und im Umland zum 1. Januar 2019 deutlich moderat aus. Die Mitgliedsunternehmen des Verkehrsverbundes Bremen/Niedersachsen erhöhen ihre Fahrpreise zum 1. Januar 2019 um durchschnittlich 0,7 Prozent – und dies bei einer durchschnittlichen Inflationsrate von 2,3 Prozent.

Erfreulicherweise wird in Bremen ein Einzelfahrschein nicht teurer. Die Monatstickets steigen um gut einen Euro und wer nur drei Stationen fahren möchte, zahlt für das Kurzstreckenticket weiterhin 1,45 Euro. Auch das Viererticket sowie das Zehnerticket für Schüler bleiben preisstabil. In Bremerhaven steigen alle Einzelfahrtickets, wie in Bremen, ebenfalls nicht. Eines ist für mich jedoch auch klar, Kostensteigerungen wird es durch gestiegene Personal- und Betriebskosten immer geben. Es muss aber die Entscheidung getroffen werden, ob diese an die Nutzerinnen und Nutzer weitergegeben werden müssen, oder der Verlustausgleich durch die Städte erhöht wird.

Der kostenfreie Nahverkehr ist für mich derzeit noch eine Utopie, denn er muss zu 100 Prozent umlagefinanziert werden. Dem Verband deutscher

Verkehrsunternehmen zufolge würde eine bundesweite Umsetzung in Deutschland mindestens 12 Milliarden Euro erfordern.

Es kommen mit jeder Attraktivitätssteigerung des ÖPNV weitere Maßnahmen hinzu, die auch nicht unerhebliche Kosten verursachen. Steigende Fahrgastzahlen machen hohe Investitionen in den Linien-, Fuhrpark- und Streckenausbau notwendig. Die Zahl der Kurzstreckenfahrgäste würde erheblich zunehmen. Überfüllte Züge und Busse machen den ÖPNV unattraktiv. Umstiegseffekte aus der an sich erwünschten Gruppe der Fußgänger und Radfahrer drohen, wie Herr Saxe das eben auch schon gesagt hat. Ein weiteres Manko: Ein kostenloser ÖPNV kann keine zeitlichen Verschiebungen von Verkehren aus der Spitzenlastzeit in Schwachlastzeiten leisten.

Aber natürlich muss der ÖPNV in Bremen attraktiver und kostengünstiger werden. Die Mobilitätskosten stellen Teile der Bevölkerung vor große finanzielle Herausforderungen und deshalb will die SPD unter anderem die Preise des StadtTickets auf 25 Euro senken, schrittweise Bremer Kinder und Jugendliche kostenlos den ÖPNV nutzen lassen sowie das JobTicket insgesamt attraktiver gestalten, damit mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an den günstigen Preisen partizipieren können.

(Beifall)

Für mich und die SPD ist das Ziel: Der ÖPNV muss auch kostengünstiger werden um noch mehr genutzt zu werden, damit unsere Straßen von den viel zu vielen Autos befreit und damit unser Klima und auch die Aufenthaltsqualität in unseren beiden Städten verbessert werden. Hierzu ist auch ein gutes Maß an Ausbau und Qualitätsverbesserung im ÖPNV notwendig. Wie letztlich der Verkehr in 20, 30 Jahren aussieht, ist heute reine Spekulation. Die Zahl der Autos wird aber deutlich abnehmen und durch andere Mobilitätslösungen oder -verknüpfungen ersetzt.

Auch bei attraktiven Ticketformen und mehr ÖPNV-Nutzern ist, wie gesagt, für mich klar, durch gestiegene Personal- und Betriebskosten sowie notwendige Investitionen wird es Kostensteigerungen immer geben müssen. Es muss politisch die Entscheidung getroffen werden, ob diese ganz oder nur teilweise an die Nutzerinnen und Nutzer weitergegeben werden müssen beziehungsweise der Verlustausgleich durch die Kommunen erhöht wird.

Durch die Neuordnung des Bund-Länder-Finanzausgleichs ab dem Jahr 2020 gibt es insoweit mehr Möglichkeiten für das Land Bremen, da wir bislang doch recht eingeschränkt waren, da wir als Haushaltsnotlageland doch gewisse Restriktionen beachten mussten. Die SPD arbeitet jetzt und zukünftig an finanzierbaren und sozialen Lösungen für einen attraktiven ÖPNV in unserem Land. Das beinhaltet Investitionen und Preissenkungen für unsere Bremer und Bremerhavener ÖPNV-Nutzer. – Vielen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Remkes.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kollegen, sehr geehrte Besucher! Bereits im September hat der Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen, also der VBN, beschlossen, die Ticketpreise für Busse und Straßenbahnen zum 1. Januar 2019 um durchschnittlich 0,7 Prozent anzuheben. Damit wird die Nutzung des ÖPNV auch für Verbraucher in Bremen und Bremerhaven schon wieder teurer. Bereits zu Beginn des laufenden Jahres wurde den Menschen in Bremen ein Fahrpreisaufschlag von 2,1 Prozent zugemutet. In Bremerhaven waren es sogar 2,4 Prozent.

In anderen Regionen Deutschlands wird man dagegen auf Fahrpreiserhöhungen zum Jahreswechsel verzichten. In Berlin, Brandenburg sowie in den Großstädten und Großräumen Stuttgart und München werden die Ticketpreise unverändert bleiben. Das ist ein wichtiges Signal an alle Autofahrer, angesichts wachsender Schadstoffbelastung und überfüllter Innenstädte allgemein auf den ÖPNV umzusteigen.

Eine Umfrage des ADAC hat ergeben, dass günstige Preise für Busse und Bahnen aus Sicht von 73 Prozent der Autofahrer der größte Anreiz sind, öffentlichen Verkehrsmitteln den Vorzug vor dem eigenen Pkw zu geben. Erst an zweiter Stelle folgt der Wunsch nach mehr Zuverlässigkeit und mehr Pünktlichkeit. Die Kosten für die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs sind also entscheidend, wenn man die Innenstädte vom Individualverkehr entlasten will. Genau darum muss es nämlich gehen.

(Beifall BIW)

Um der Kritik von Politik und Öffentlichkeit zu begegnen, verweist der VBN in seiner Presseverlautbarung vom 24. Oktober 2018 darauf, dass die Ticketpreise in Bremen vergleichsweise günstig seien. Konkret wird auf eine Untersuchung des Verbraucherportals „testberichte.de“ Bezug genommen, die im Auftrag von „Spiegel Online“ durchgeführt wurde. In der Studie hat man die Preise von Einzelfahrscheinen und Monatskarten für Erwachsene und Kinder in allen 39 Städten Deutschlands verglichen, die mehr als 200 000 Einwohner zählten. Danach landete Bremen im Ranking der niedrigsten Ticketpreise auf Platz sieben.

Kann sich die Bremer Verkehrspolitik also beruhigt zurücklehnen? Wir sagen nein. Abgesehen von den allerdings auch in zahlreichen anderen Kommunen angebotenen Möglichkeiten, Hunde beim Kauf eines Einzelfahrscheins kostenlos mitzunehmen, schneidet Bremen vor allem wegen des scheinbar günstigen Tickets für die Kurzstrecke in der Gesamtwertung so gut ab. Das kostet bei uns 1,45 Euro. Nur in Stuttgart ist es mit 1,40 Euro noch billiger.

Leider haben aber die Tester lediglich die Preise verglichen, sich aber nicht die Mühe gemacht, auch einen Blick in die Tarifbedingungen zu werfen.

(Beifall BIW)

Dann wäre ihnen nämlich aufgefallen, dass man in Bremen mit der Kurzstreckenkarte nur drei Stationen fahren darf. In anderen Städten sind es üblicherweise vier Stationen und in der Hauptstadt Berlin sogar sechs Stationen.

Würde man die Reichweite dem Bundesdurchschnitt angepasst auf vier Station ausdehnen, müsste das Kurzstreckenticket in Bremen sogar 1,93 Euro kosten. Bremen läge in dieser Kategorie dann nicht auf Platz zwei, sondern auf Platz 32 des Ranking, was auch das Gesamtergebnis deutlich verschlechterte. Manchmal muss man eben auch genauer hinschauen.

(Beifall BIW)

Die beschlossenen Preiserhöhungen des VBN zum 1. Januar betreffen ausschließlich Zeitkarten. Die BSAG wird von ihren Kunden für das Monatsticket 2 Prozent und für das MIA-Ticket sogar 2,4 Prozent mehr verlangen, was über der Inflationsrate des laufenden Jahres liegt. In Bremerhaven werden sich die genannten Produkte um immerhin 1,5 und

1,6 Prozent verteuern. Das ist ärgerlich, weil die Konditionen für Zeittickets eine besondere große Lenkungswirkung entfalten, wenn es gilt, Kunden langfristig an den ÖPNV zu binden und zum Verzicht auf das eigene Auto zu bewegen.

In Bayern wird deshalb darüber diskutiert, in den großen Städten des Freistaates wie München, Nürnberg und Würzburg eine Jahreskarte für günstige 365 Euro im Jahr wie in Wien anzubieten. Das wäre also ein Euro am Tag für die Nutzung des ÖPNV. In Hessen gibt es ein solches Angebot schon für Schüler und ist dort ein Verkaufsschlager. Jetzt wird geprüft, ob dieses Produkt auch für Senioren aufgelegt werden kann.

Bei der preislichen Attraktivität des ÖPNV haben die öffentlichen Verkehrsbetriebe in Bremen und Bremerhaven also noch einigen Nachholbedarf. Doch nicht nur das: Um einen nachhaltigen Bewusstseinswandel in der Bevölkerung weg vom eigenen Pkw hin zur vermehrten Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs zu bewirken, ist eine bloße Senkung der Fahrpreise nämlich nicht ausreichend.

Auch Leistungen und Qualität müssen stimmen, etwa in Gestalt einer günstigen und besseren Fahrplantaktung, damit man auch in Außenbezirken nicht lange auf den Bus warten muss. Das erfordert selbstverständlich zusätzliche Fahrzeuge und mehr Personal. Im Verkehrsverbund Bremen-Niedersachsen fehlen aber jetzt schon Bus- und Straßenbahnfahrer, wie übrigens in ganz Deutschland. Will man diesen Beruf für Ein- und Umsteiger attraktiver machen, müssen die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten verbessert und die Löhne erhöht werden. Außerdem sind Investitionen in neue Technologien wie selbstfahrende Straßenbahnen und Busse erforderlich, um den Personalbedarf in der längerfristigen Perspektive zu senken.

Das alles kostet natürlich Geld. Schon heute decken die Erlöse aus dem Ticketverkauf aber nur etwa 50 Prozent der Ausgaben für den öffentlichen Nahverkehr. Ein attraktiver, verlässlicher und zugleich preisgünstiger ÖPNV wird also nur zu haben sein, wenn in erheblichem Umfang Steuergelder zur Finanzierung eingesetzt werden. Hier ist auch und gerade der Bund gefordert, der die Länder mit derzeit knapp 9 Milliarden Euro jährlich für den ÖPNV unterstützt. Dieses Geld fließt bislang vor allem in den Schienenpersonenverkehr. Künftig muss der Straßenpersonennahverkehr mit seinen

Stadtbussen und Straßenbahnen stärker berücksichtigt werden. Davon würden Bremen und Bremerhaven besonders profitieren.

Gleichzeitig sollte der Gesetzgeber den Kommunen zusätzliche Einnahmequellen zur Finanzierung des ÖPNV eröffnen, die zugleich auch eine ökologische Lenkungswirkung mit dem Ziel entfalten, den motorisierten Individualverkehr zurückzudrängen. Denkbar wäre zum Beispiel, den Großstädten das Recht einzuräumen, eine Sonderabgabe auf alle privaten genutzten Fahrzeuge mit einem Hubraum von mehr als 3 000 Kubikzentimetern zu erheben. Die so generierten Einnahmen können direkt dem öffentlichen Personennahverkehr zufließen.

Durch eine solche Abgabe würde der Staat dem verstärkten Trend zum Kauf von SUVs und Geländewagen entgegenwirken, die gegenwärtig etwa 20 Prozent aller Neuzulassungen in Deutschland ausmachen. Diese Entwicklung ist sowohl mit Blick auf die Luftqualität als auch die Verkehrssicherheit bedenklich. Außerdem könnten die Einnahmen aus Parkgebühren und kommunalen Ordnungsgeldern für Verkehrsverstöße zielgerichtet zum Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs verwendet werden.

Die Kritik an den Fahrpreiserhöhungen, die der VBN ohne Rücksicht auf die laufenden politischen Diskussionen in Bremen beschlossen hat, halten wir für berechtigt. Dabei geht es nicht so sehr um die Höhe der Preisanpassungen, sondern um das falsche Signal, das von dieser Maßnahme ausgeht. In vielen anderen deutschen Städten und in Gemeinden wird auf die sonst üblichen Fahrpreiserhöhungen für Busse und Bahnen zum Jahreswechsel, wie bereits gesagt, verzichtet. Dem hätte sich der VBN anschließen sollen. Offenbar hat es hinter den Kulissen am erforderlichen Druck durch die politischen Verantwortlichen gefehlt, was nicht zuletzt der rot-grünen Bremer Landesregierung anzulasten ist.

(Beifall BIW)

Spätestens nach der Bürgerschaftswahl im kommenden Jahr ist eine breite Debatte über die Zukunft der Mobilität im Land Bremen erforderlich, die rasch zu greifbaren Ergebnissen führen muss, vor der nächsten Ticketpreiserhöhung durch den VBN. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall BIW)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir diskutieren über den ÖPNV, und wir diskutieren über die Frage, was er uns individuell und was er den Staat kosten soll und darf. Wir als Freie Demokraten stellen uns auch immer wieder die Frage, welche Prioritäten gesetzt werden sollen.

Wenn Herr Saxe sagt, wir brauchen mehr Geld für den ÖPNV, ist das richtig, wenn man sich all das wünscht. Wir halten uns aber zurück mit all unseren Wünschen an dieser Stelle, nach zusätzlichen Strecken und so weiter, weil wir andere Prioritäten in dieser Stadt sehen.

(Abgeordnete Sprehe [SPD]: Auto! – Heiterkeit)

Wir sehen die Prioritäten in den Sanierungsbedarfen, wir sehen sie bei den Schulen, wir sehen sie bei den Hochschulen, wir sehen sie an ganz vielen anderen Stellen. Ja, und auch bei Straßen und Brücken sehen wir große Sanierungsbedarfe, und natürlich auch beim bestehenden Netz des ÖPNV sehen wir Sanierungsbedarf und Ersatzbedarfe.

Wenn wir all diese Kosten sehen, braucht es doch erst einmal einen Kassensturz, um eine Entscheidung treffen zu können, was wir uns beim ÖPNV aus Bremer Steuergeldern für Bremen und Bremerhaven – es geht ja nicht nur um die Bremer Ticketpreise, sondern auch um die Bremerhavener Ticketpreise – leisten können.

(Beifall FDP)

Insofern verzichten wir als Freie Demokraten auf dieses große Wünsch-dir-was, was man sich für den ÖPNV alles noch denken und wünschen könnte. Wir wissen natürlich auch, dass manche Maßnahmen hilfreich wären, wenn wir mehr Menschen in den ÖPNV bekommen wollen. Manchen Leute, das habe ich hier schon einmal gesagt, wird man aber auch dann nicht beikommen, wenn man keine Qualität wie in der ersten Klasse der Bahn bietet, weil derzeitiger ÖPNV für sie einfach nichts ist. Das müssen wir sehen. Für diese Menschen brauchen wir in dieser Stadt auch ein Angebot, denn wir sind nun einmal eine Stadt, in der ganz viele Menschen mit ganz unterschiedlichen Interessen leben.

(Beifall FDP)

Die viel beschworene Gerechtigkeit für die Verkehrsmittel, die kann man gut und gern immer wieder polemisch vorbringen. Die Frage, die man sich dabei stellen muss, ist aber auch: Was ist der Nutzen? Wir als Freie Demokraten wollen eine moderne Autostadt.

(Abgeordneter Saxe [Bündnis 90/Die Grünen]: Sie ist faktisch!)