Protokoll der Sitzung vom 07.11.2018

Man hat ein bisschen den Eindruck, dass es sich faktenfrei leichter argumentiert, als wenn man erst einmal die Fakten zur Kenntnis nimmt. Ich habe jetzt Ihrem Antrag entnommen, dass es dem geschuldet ist, dass der Verkehrsverbund in Bremen/Niedersachsen in der Presseerklärung am 24. Oktober 2018 die Preiserhöhung erklärt hat und dass Sie darüber verwundert waren, weil Sie doch am 20. Juni 2018 schon den Antrag gestellt hatten, keine weiteren Ticketpreiserhöhungen umzusetzen.

In dem Zusammenhang möchte ich einfach einmal erklären, die BSAG ist kein Solitär, sondern in den Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen eingebunden. Dort beginnt jedes Jahr im Januar die Diskussion über die Preismodelle im Folgejahr, und die sind Mitte des Jahres abgeschlossen. Dann stehen die Modelle, mit denen man sich mit den gesamten Kommunen, mit den gesamten beteiligten Unternehmen auf bestimmte Dinge im Wesentlichen verständigt hat. Das heißt, es ist nicht so, wie Sie sich das vorstellen, dass man hier eine Aktuelle Stunde macht, und dann gibt es ein anderes Fahrpreissystem, sondern man kann das nur mit Wirkung auf das Folgejahr umsetzen. Deshalb sind das doch zwei verschiedene Dinge, was, glaube ich, zum Verständnis noch einmal ganz wichtig ist.

Jetzt aber zum eigentlichen Thema: Meine Damen und Herren, der öffentliche Nahverkehr ist selbstverständlich ein wesentlicher Bestandteil einer modernen, mobilen und sozialen Gesellschaft. Er muss nur auch finanziert werden. Hier in Bremen ist es so, dass die Fahrgäste ihn zu rund zwei Dritteln finanzieren, und zu einem Drittel – und das ist ein erheblicher Betrag – finanzieren wir ihn aus dem öffentlichen Haushalt. Das sind derzeit rund 50 Millionen Euro pro Jahr. Das sind Beträge, – auch das ist vielleicht noch einmal wichtig – die jeweils über einen Zeitraum von 20 Jahren in dem ÖDLA, dem öffentlichen Dienstleistungsauftrag, fixiert werden.

Das heißt, auch dort kann man nicht ohne weiteres handstreichartig Dinge grundlegend verändern, denn es muss auch in die entsprechenden Verträge vernünftig eingearbeitet werden. Dazu gibt es auch Verfahren über ein sogenanntes Änderungsmanagement. Auch das sind jedoch keine Ad-hocDinge, sondern man muss sich ein bisschen damit vertraut machen, wie eigentlich die vertraglichen

Regelungen sind, mit denen wir hier mit den Bremer Unternehmen, mit der BSAG im Gesamtverbund Bremen/Niedersachsen eingebunden sind.

Dieser Verbund – ich habe das hier schon einmal gesagt, ich sage das wieder – hat einen außerordentlich hohen Wert. Das heißt, wir sollten den auch nicht in Frage stellen, denn wir brauchen diesen Verbund für die Pendlerverkehre, für die Organisation der Verkehre in der Region und sollten das Ganze deswegen auch immer im Einklang mit den anderen Partnern diskutieren.

Alles, was wir hier diskutieren, hat Folgen für das gesamte Tarifgefüge innerhalb des Verkehrsverbundes Bremen/Niedersachsen. Das muss bei der Debatte beachtet werden. Ich bin froh, dass in der Debatte nicht nur über Wünsche gesprochen worden ist, sondern auch über die Finanzierung. Natürlich – verschiedene von Ihnen haben es gesagt – müssen steigende Kosten beim Personal, steigende Energiekosten finanziert werden.

Wir haben steigende Anforderungen. Frau Sprehe, Sie haben die Investitionen in die neuen Straßenbahnen angesprochen und auch in die Infrastruktur, die dafür notwendig ist. Die Umsteigehaltestelle Gröpelingen, die, glaube ich, eine wirklich fantastische Lösung auch für den Stadtteil sein wird, all das muss finanziert werden. Wenn man sich das ansieht, meine Damen Herren, ist es meines Erachtens eine Sensation, dass es erstmals seit Jahrzehnten gelungen ist, die Preise für die Einzelfahrscheine nicht zu erhöhen, sondern nur die für die Monatstickets, dass es gelungen ist, die Erhöhung in dem gesamten Tarifgebiet des Verkehrsverbundes bei 0,7 Prozent zu deckeln und hier in Bremen gewichtet bei 0,3 Prozent, in Bremerhaven bei 0,2 Prozent.

Das heißt, man könnte jetzt die Frage stellen, worüber wir in dieser Aktuellen Stunde eigentlich reden, aber es ist Ihnen offensichtlich wichtig gewesen. Ich möchte aber noch einmal ganz deutlich sagen: Sie haben hier eine Fiktion aufgebaut, als würden nur sozial schwache Menschen, die sich keine Fahrscheine leisten können, die Dienste der BSAG nutzen. Das ist eine Fiktion, und die ist einfach falsch.

Ich halte es für richtig, den Preis für das StadtTicket nicht zu erhöhen. Ich habe mich dafür stark gemacht. Einige der Leute hier im Raum wissen das. Ich habe mich dafür stark gemacht, dass wir den Preis des StadtTickets konstant halten. Wir arbeiten im Moment händeringend mit den beteiligten

Ressorts an einer Lösung, um das sicherzustellen. Dabei hoffe ich auch auf ihre Mitwirkung.

Es gibt aber viele Menschen, die können sich den ÖPNV leisten, denn er hat einen Wert, er hat sogar ein großen Wert. Ich denke, über 100 Millionen Fahrgäste der BSAG, deren Anzahl von Jahr zu Jahr ansteigt – wir haben steigende Fahrgastzahlen – zeigen, dass es viele Menschen gibt, für die dieser Dienst einen Wert hat, die bereit sind, das zu bezahlen. Bei denen müssen wir keine Mitnahmeeffekte generieren, nur weil wir den Leuten, die wirklich darauf angewiesen sind, die Fahrscheine nach Möglichkeit vergünstigen sollten.

(Beifall SPD)

Ich hatte jetzt schon gesagt, dass eine kurzfristige Veränderung dieses Tarifgefüges nicht möglich ist aufgrund der jeweils ein Jahr vorher beginnenden Gespräche im Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen. Ich möchte aber auch sagen, der Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen hat viele Dinge, die hier auch in den letzten Monaten diskutiert worden sind, in seinem Tarifsystem schon berücksichtigt.

Ich hatte angesprochen, die Einzelfahrscheine werden nicht erhöht. Es gibt im Moment intensive Gespräche, Herr Saxe hat es angesprochen, über die Ticketmodelle für Schüler, für jugendliche Auszubildende, Freiwilligendienstleistende. Auch das Jobticket wird überprüft, und das ist auch richtig so. Herr Janßen, Sie haben gesagt, ich solle als Senator die Zuschüsse erhöhen. Ich weiß gar nicht, in welcher Welt Sie leben. Der Haushaltsgesetzgeber, der über die Verwendung der Haushaltsmittel beschließt, sind immer noch Sie und nicht ich.

Die Zuschüsse sind im ÖDLA, hatte ich gesagt, über Jahre festgelegt, und ich kann mich nicht an einen einzigen Finanzierungsantrag der LINKEN hier erinnern, in dem Sie den Antrag gestellt haben, dass wir --.

(Abgeordneter Janßen [DIE LINKE]: Doch, haben wir! – Abgeordnete Vogt [DIE LINKE]: Doch, haben wir mehrfach!)

Gut, dann ist mir das entfallen an der Stelle, ich bitte um Nachsicht. Ich möchte aber auch noch einmal sagen, für die meisten Leute, die sich die Fahrscheine leisten können, ist es kein zusätzlicher Anreiz, es billiger zu machen, sondern denen geht es wirklich um die Qualität. Es geht um die Fragen: Wie ist die Verfügbarkeit der Verkehrsmittel? Wie

komfortabel sind die Umsteigeverbindungen? Kann ich meine Ziele erreichen? Wie stehen die Fahrzeiten im Verhältnis zueinander? Für viele ist der Preis eine eher untergeordnete Größe.

Untersuchungen zeigen die Preiselastizität. Sie können die Preise um 20 Prozent senken, Sie gewinnen vielleicht 5 Prozent mehr Fahrgäste. Dann haben Sie aber ein Problem, weil Sie mehr Fahrzeuge brauchen, aber weniger Geld haben, um sie zu finanzieren. Das heißt, das muss man sich wirklich gut überlegen.

Wenn wir das Angebot verbessern, das habe ich auch in dem Interview gesagt, dürfen wir dem ÖPNV nicht gleichzeitig Geld entziehen. Ich glaube, im Moment muss der Schwerpunkt auf einer Verbesserung des Angebots liegen. Wir wollen auch weitere Steigerungen vermeiden. Wir müssen aber auf jeden Fall dafür sorgen, dass wir den ÖPNV attraktiver gestalten, dass wir die Stadtteile besser anbinden, die im Moment noch nicht so gut angebunden sind.

Wir müssen auch aufpassen, dass wir keine Verwerfungen im Tarifsystem im Stadt-Umland-Verbund herbeiführen, wenn wir hier in Bremen mit Bremer Haushaltsmitteln die Ticketpreise praktisch einfrieren, aber dann hohe Tarifsprünge an den Stadtgrenzen, an den Landesgrenzen haben. Dann wird es dazu führen, dass mehr Pendler doch wieder auf das Auto umsteigen.

Das heißt, die Debatte ist ein bisschen komplexer, als die von Ihnen beantragte Aktuelle Stunde suggeriert hat. Ich bin froh, dass wir die Expertenanhörung am 29. November 208 haben werden. Dort können wir alles ausführlich diskutieren. Ich hätte es vorgezogen, diese erst durchzuführen und anschließend hier zu diskutieren. Ich bin sicher, wir werden in der Dezembersitzung der Bürgerschaft wahrscheinlich wieder über das Thema miteinander sprechen. – Herzlichen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Bevor ich Herrn Janßen das Wort gebe, möchte ich jetzt auch offiziell die Herren der BSAG oben auf der Besuchertribüne ganz herzlich begrüßen.

(Beifall)

Sie werden unsere Debatte sicherlich aufmerksam verfolgen.

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Janßen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Eine kurze Replik und einige Ergänzungen zur Diskussion: Zum einen vorweg, ich wurde eben zurecht von Herrn Saxe darauf hingewiesen, dass wir in der Pressemitteilung irrtümlich angegeben haben, dass der Preis für das Schülerticket erhöht wurde. Das ist nicht der Fall. Darauf bezogen sich die Preissteigerungen nicht. Dort ist mir ein Fehler unterlaufen. Ich bitte, das zu entschuldigen.

Gerade hat der Senator uns vorgeworfen, faktenfrei argumentiere sich leichter. Ich möchte das zurückweisen.

(Beifall DIE LINKE)

Wir haben in einer Großen Anfrage und in vielen Debatten mittlerweile viele Fakten zusammengetragen. Es stellt ja auch niemand in Frage, dass wir hier über eine Tarifstruktur diskutieren, über eine Ticketstruktur diskutieren, die viele von uns in diesem Haus mit Fragezeichen versehen würden. Auch die CDU hat das eben angesprochen. Wir haben ja auch die Anhörung gemeinsam beantragt im Bereich Schülerinnen- und Schülerticket, aber auch hinsichtlich der Einzelfahrpreise.

Ich glaube, hier von einer faktenfreien Diskussionsgrundlage zu sprechen, wird der Diskussion überhaupt nicht gerecht und verkennt auch, welche Diskussion wir hier geführt haben.

(Beifall DIE LINKE)

Dass der öffentliche Dienstleistungsauftrag, der ÖDLA, die Grundlage für die Finanzierung der BSAG, nicht des VBN ist, ist uns auch klar. Sie haben auch gesagt, es sei ein Prozess, bis sich so etwas ändern kann. Genau! Einen solchen Prozess haben wir in diesem Jahr auch zu Ende gebracht. Der ÖDLA wurde angepasst, wurde verändert aufgrund der Neuanschaffung verschiedener Straßenbahnen.

In dem Zusammenhang haben wir es auch – und das ist nicht das erste Mal – bereits vorher mehrfach angemahnt. Dass aber der weitere Kurs darin besteht, insgesamt keine erhöhten Zuwendungen zu ermöglichen, sondern nur anhand der Investitionen in diesem Bereich und dabei auch nicht so umfangreich wie früher -- An dieser Stelle hätte man mehr

Geld investieren können. Dazu bestand die Gelegenheit. Sie wurde nicht genutzt, aber es wäre hier möglich gewesen. Tun Sie doch nicht so, als ob das gerade nicht Bestandteil der Debatte gewesen wäre!

(Beifall DIE LINKE – Abgeordnete Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Dann sagt doch einmal, woher das Geld kommen soll!)

Aus dem Haushalt! Ein Wort noch zu der Frage der Sensation der nicht erfolgten Preissteigerung: Wenn es eine Sensation ist, dass keine Preissteigerung stattfindet, weiß ich nicht, welche Superlative Sie für Preissenkungen wie in Berlin übrig haben. Ich finde nicht, dass es eine Sensation ist, wenn man Preise stabil auf zu hohem Niveau hält. Wenn das Stadtticket knapp 40 Euro kostet, ist es keine Sensation, hier keine Steigerung durchzusetzen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, deshalb glaube ich nach wie vor, dass es richtig ist, energisch dafür zu argumentieren, dass die Ticketpreise im öffentlichen Nahverkehr gesenkt werden müssen und dass wir auch damit einen Grundstein – und nicht den einzigen Grundstein – für eine Verkehrswende legen können. – Dankeschön!

(Beifall DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sehe, dass keine weiteren Wortmeldungen vorliegen. Damit ist die Aktuelle Stunde geschlossen.

Konsensliste Mitteilung des Präsidenten der Bremischen Bürgerschaft vom 5. November 2018

Die Beratung ist eröffnet. – Wortmeldungen liegen nicht vor. – Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Konsensliste seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt der Konsensliste zu.

(Einstimmig)

Der Senat muss Verantwortung für beide Kommunen des Landes Bremen übernehmen – Sanierungsvereinbarung und Finanzzuweisungsgesetz aufgaben- und kostenadäquat erneuern! Antrag der Fraktion der CDU vom 18. September 2018 (Drucksache 19/1825)

Dazu als Vertreterin des Senats Bürgermeisterin Linnert.