Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die SPD haben einen Antrag mit dem Titel: Versorgungs- und Rechtssicherheit für Medizinalhanf-Patientinnen und Medizinalhanf-Patienten eingebracht. Worum geht es in diesem Antrag? Seit dem 10. März 2017 ist das Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften in Kraft, welches die Verordnung von Cannabis als Medizin sowie eine Kostenerstattung durch die gesetzliche Krankenkasse ermöglicht. Doch bei der Inanspruchnahme dieser neuen Möglichkeiten stehen die betroffenen Personenkreise vor diversen Problemen.
Kommen wir zum Thema der Versorgungssicherheit: Nicht nur aus den Medien, sondern auch durch Gespräche mit betroffenen Menschen ist mir deutlich geworden, dass viele medizinischen Cannabisblüten über Monate in der Apotheke nicht erhältlich sind. Auch hier der kleine Hinweis: Cannabis ist nicht gleich Cannabis und es gibt deutliche Unterschiede im THC-Gehalt und in ihrer Wirkung. Sehr geehrte Damen und Herren, es kann doch nicht sein, dass in Deutschland Patienten über
vier Wochen auf ihre Medikamente warten müssen. Krebspatientinnen und Krebspatienten oder Menschen mit Spastiken, so etwas darf einfach nicht vorkommen.
Woran liegt dieser Versorgungsengpass? Ich möchte zwei Gründe nennen: Erstens, weil eine wesentlich höhere Anzahl von Cannabis-Patientinnen und Cannabis-Patienten vorhanden war, eine Anzahl die deutlich über den viel zu niedrig angesetzten Erwartungen der Bundesregierung lag. Zweitens, weil die Apotheken Cannabis aus dem Ausland importieren müssen, vornehmlich aus den Niederlanden oder Kanada, was starke Auswirkungen auf den Preis hat, Stichwort künstliche Verteuerung. Der Bedarf kann voraussichtlich nicht vor 2020 durch den von der Cannabis-Agentur des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte organisierten Anbau in Deutschland gedeckt werden. Warum? Weil handwerkliche Fehler bei der Vergabe von möglichen Cannabis-Anbaurechten erfolgt sind. Wie kann nur ein Vergabekriterium, langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Cannabisproduktion, aufgeführt werden. Wie sollen deutsche Bewerberinnen und Bewerber mit diesem Know-how ausgestattet sein, wenn doch der Anbau in Deutschland verboten war. Nun ja. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat das Vergabeverfahren über die Anbaurechte von Cannabis in Deutschland Ende März vorläufig gestoppt. Dies hat zur Konsequenz, dass wir die nächsten Jahre erst einmal abhängig von Importen bleiben.
Kommen wir zu einem weiteren Aspekt: Viele Patientinnen und Patienten berichten, dass ihre Krankenkassen die Kostenerstattung nicht genehmigen, obwohl die behandelnden Ärztinnen und Ärzte die Notwendigkeit der Therapie mit Cannabis bestätigen. Auch in Fällen, in denen bereits eine Ausnahmegenehmigung nach § 3 Absatz 2 des Betäubungsmittelgesetzes vorliegt, wird die Kostenerstattung mitunter nicht genehmigt. An diesem Punkt müssen die Kassen daran erinnert werden, die Therapiefreiheit und Therapieverantwortung der Ärztinnen und Ärzte zu respektieren und nur in begründeten Einzelfällen die Kostenübernahme zu verweigern.
Alle diese angesprochenen problematischen Bereiche möchten wir durch den Beschlusspunkt eins unseres Antrages lösen.
Kommen wir zum Thema der Rechtssicherheit. Dürfen Cannabis-Patientinnen und Cannabis-Patienten öffentlich Cannabis zu medizinischem Zweck rauchen, ohne Strafverfolgungsmaßnahmen befürchten zu müssen? Riskieren CannabisPatientinnen und Cannabis-Patienten ihren Führerschein, wenn sie nach der Einnahme Auto fahren, beispielsweise am Folgetag? Auf diese und weitere Fragen gibt es bisher keine hinreichend verlässliche Antworten. Dieses wollen wir mit dem Beschlusspunkt zwei unseres Antrages erreichen.
Natürlich hätte man dieses Thema wesentlich einfacher in Deutschland etablieren können. Doch leider stellt sich die Bundesregierung quer und blockiert das Cannabiskontrollgesetz auf Bundesebene, welches wir Grünen mehrfach vorgelegt haben. Wenn Sie Zweifel dazu haben, können Sie sich mit unserer ehemaligen Kollegin Frau Dr. Kappert-Gonther austauschen, die als bremische Bundestagsabgeordnete für uns Grüne Sprecherin für den Bereich der Drogenpolitik auf Bundesebene ist. Wir sehen die weltweiten Entwicklungen im Bereich Cannabis, ich nenne nur das Stichwort Kanada – darüber verliere ich jetzt keine großen Worte, denn so eine rückwärts gewandte Drogenpolitik wie in Deutschland ist einfach nur noch peinlich. Sie sehen, es gibt in diesem Politikfeld noch einiges zu klären, daher bitte ich Sie, unseren Antrag zu unterstützen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In ihrem Antrag beklagen die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und SPD vor allem die unzureichende Sicherheit bei der Versorgung von Patientinnen und Patienten mit medizinischem Cannabis sowie die angeblich mangelnde Bereitschaft der gesetzlichen Krankenkassen, die Behandlungskosten zu übernehmen. Dazu einige Fakten:
Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung betäubungsrechtlicher und anderer Vorschriften ist die Zahl der Verordnungen von Cannabis-haltigen Arzneimitteln in Deutschland interessanter Weise deutlich gestiegen. Allein in den ersten Monaten des laufenden Jahres wurden nach Angaben des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherungen knapp 80 000 Rezepte über cannabino
idhaltige Fertigarzneimittel und Zubereitungen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherungen ausgestellt. Die Kosten beliefen sich auf knapp 31 Millionen Euro. Das bedeutet eine Verdreifachung gegenüber dem Vorjahr. Die Zahl der Verschreibungen von Cannabis-haltigen Arzneimitteln ist sogar noch höher, weil Verordnungen auf Privatrezepte in den vorgenannten Zahlen nicht enthalten sind.
In Deutschland werden gegenwärtig etwa 30 000 Patienten mit Cannabis versorgt. Experten gehen davon aus, dass sich die Zahl in den kommenden Jahren verdoppeln bis verdreifachen könnte. Vor dem Inkrafttreten des Gesetzes gab es in Deutschland gerade einmal rund 1 000 Patientinnen und Patienten oder Personen, denen das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Ausnahmegenehmigung zur Durchführung einer cannabisgestützten Therapie erteilt hatte. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass die gesetzliche Neuerung zu etwa 700 neuen Anträgen im Jahr führen würde. Eine grobe Fehleinschätzung! Wegen der dramatisch steigenden Nachfrage rechnen Experten mit einer Kostenexplosion für die Krankenkassen und damit die Versichertengemeinschaft.
Allein die DAK Gesundheit, die heute etwa mehr als eine Million Euro für Cannabis-Behandlungen ausgibt, erwartet schon im kommenden Jahr einen Anstieg auf zehn Millionen Euro, also einer Verzehnfachung der Ausgaben. Auf alle gesetzlichen Krankenkassen hochgerechnet ergäbe sich ein Betrag von über 300 Millionen Euro. Selbst dann dürfte das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht sein. Die Zahlen zeigen, dass in Sachen Medizinalhanf in Deutschland einiges misslingt. Es liegt der Verdacht nahe, dass ein nicht unerheblicher Teil der Personen, die mittlerweile Cannabis auf Rezept erhalten, mit der von den Krankenkassen finanzierten Droge auch ihren Freizeitkonsum decken.
Es häufen sich Berichte von Ärzten, dass Patienten Krankheiten nur vortäuschen, um Cannabis verschrieben zu bekommen. Das sagen uns Ärzte, nicht wir. Der Grund für die Fehlentwicklung ist vor allem im Gesetz selbst zu suchen, das nur als dilettantisch bezeichnet werden kann, –
denn der Bundestag hat den Einsatz von CannabisProdukten für die Behandlung von Kranken zugelassen, obwohl es an wissenschaftlicher Evidenz für die Wirksamkeit dieser Präparate fehlt. Normalerweise werden die Wirkstoffe eines Medikamentes umfangreich getestet; bevor eine Zulassung erteilt wird vergehen sieben bis acht Jahre. Bei Cannabis hat man wegen der dürftigen Studienlage darauf verzichtet. Prof. Gerd Glaeske von der Universität in Bremen, den der eine oder andere auch kennt, vertritt die Auffassung, dass kein einziges in Deutschland erhältliches Cannabis-Produkt eine frühe Nutzungsbewertung durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen und im gemeinsamen Bundesausschuss überstehen würde, wie es das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes für neue Medikamente verbindlich vorschreibt. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.
Unklar ist vor allem der therapeutische Nutzen von Cannabisblüten, die mehr als 450 Wirkstoffe enthalten und von allen Cannabis-Präparaten die teuersten sind. Hinzu kommt, dass im Gesetz ausdrücklich darauf verzichtet wurde, eine Indikation für die Behandlung mit Cannabis zu nennen. Eine Einschränkung auf bestimmte Personenkreise fehlt, es bleibt also dem behandelnden Arzt überlassen, darüber zu entscheiden, bei welchen Krankheitsbildern er Cannabis-Präparate verordnet.
Gleichzeitig sind die allgemeinen Voraussetzungen für eine Therapie mit Cannabis schwammig und interpretationsoffen formuliert. Angesichts dieser Mängel ist es kein Wunder, dass etwa 30 bis 40 Prozent der Anträge auf Kostenübernahme durch die Krankenkassen abgelehnt werden, im Regelfall übrigens nach Begutachtung durch den unabhängigen Medizinischen Dienst der Krankenversicherung, MDK.
Die wichtigste Begründung, dass alternative Therapieoptionen zur Verfügung stehen, die deutlich preiswerter sind, liegt sowohl im Interesse der Beitragszahler als auch der Steuerzahler, die die gesetzlichen Krankenversicherungen mit jährlich knapp 15 Milliarden Euro subventionieren. Der vorliegende Antrag von der Fraktionen Bündnis
90/Die Grünen und SPD geht deshalb am eigentlichen Problem vorbei. Dieses Problem ist die unzulängliche gesetzliche Grundlage für die Verschreibung von Cannabis, die dringend überarbeitet werden muss, nur so kann die Rechtsunsicherheit bei den Beteiligten beseitigt und der missbräuchliche Einsatz von Medizinalhanf zu Konsumzwecken verhindert werden. Notwendig ist vor allem ein verbindlicher Katalog an Indikationen für die Behandlung mit Cannabis, der evidenzbasiert sein muss, sich also an der Studienlage orientieren muss. Der Einsatz von Cannabisblüten, deren therapeutischer Nutzen bislang am wenigsten erforscht ist, und bei dem ein hohes Missbrauchspotenzial besteht, muss deutlich eingeschränkt werden.
Ich komme zum Schluss! Stattdessen ist Fertigarzneimitteln wie Dronabinol oder Nabilon der Vorzug zu geben. Diese Präparate sind leichter anzuwenden, verlässlich in der Wirkung und deutlich preisgünstiger als Cannabisblüten. Der Einsatz von Medizinalhanf darf nicht als Türöffner für die Legalisierung von Cannabis dienen, die bekanntlich vor allem von den Grünen propagiert wird.
Genau dieses Motiv dürfte auch hinter dem vorliegenden Antrag der Senatsparteien stecken, der folgerichtig von der Gruppe Bürger in Wut, von uns also, abgelehnt wird. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, schon an diesen Wortbeiträgen merkt man sehr deutlich, dass in diesem Hause unterschiedliche Haltungen zur Sache bestehen. Das ist ja auch ganz schön, das finde ich auch, deshalb möchte ich noch einmal für meine Fraktion deutlich machen, warum wir diesen Antrag richtig finden. Herr Pirooznia hat das gerade ausgeführt, es gibt unterschiedliche Probleme für die Patientinnen und Patienten, die Cannabis-Produkte als Medizin verwenden. Und natürlich gibt es ganz unterschiedliche Indikationen. Der Kollege eben hat das ausgeführt, dass er es nicht richtig findet, wenn Ärztin
nen und Ärzte entscheiden, wann sie das verordnen. Ich sage Ihnen, die Fraktion der SPD findet das genau richtig, dass Ärztinnen und Ärzte über die Indikation für die Vergabe von Medikamenten entscheiden.
Wenn ich als Gesetzgeber einen strengen Rahmen setze und sage, dass das Medikament nur in bestimmten Fällen verschrieben werden darf, was maße ich mir denn da an? Ich muss es doch Ärztinnen und Ärzten überlassen, die das jahrelang studiert haben, die Gesundheitszustände, Krankheiten kennen, die ihre Patienten kennen, die auch komplexe Situationen von unterschiedlichen Erkrankungen kennen, chronische Erkrankungen, Erkrankungen, die akut dazukommen, denen muss ich es doch überlassen, was für ein Medikament sie verschreiben. Das will ich doch nicht gesetzlich vorgeben.
Wir haben auf diesem Gebiet im Moment eine Situation, die uns nicht zufriedenstellen kann. Das Verfahren zur Erstattung der Kosten bei den Krankenkassen ist immer noch sehr aufwendig. Wie Sie gerade auch ausgeführt haben, die Kassen übernehmen auch nicht immer die Kosten. Dazu kommen die von Herrn Pirooznia angesprochenen Lieferengpässe der Apotheken, weil wir in diesem Bereich viel auf Importware zurückgreifen. Das haben wir übrigens insgesamt im Medikamentenbereich. Auch bei anderen Medikamenten importieren wir sehr viel und auch da gibt es eine sich entwickelnde Diskussion darüber, ob das so sinnvoll ist, wenn man sich abhängig macht von anderen Produzenten in Ländern, in denen das vielleicht mit der Lieferung nicht immer so gut funktioniert.
Es geht auch nicht nur um Blüten. Sie haben gerade immer sehr auf die Blüten abgehoben, Herr Remkes.
Cannabismedizin besteht durchaus aus mehr, das wurde eben aufgezählt. Es gibt Öle, es gibt die Darreichung in Tablettenform, natürlich gibt es auch die Blüten, das müssen sich doch dann Arzt und Patient in einer vertrauensvollen Beziehung anschauen.
Es geht hier um Patientinnen und Patienten mit Krebserkrankungen, mit multipler Sklerose, mit Spastiken und ähnlichen schweren Krankheiten. Da überlasse ich es gern dem Patienten, der Patientin, im Gespräch mit Arzt oder Ärztin zu schauen, was denn der beste Weg ist. Da will ich mich, wie gesagt, nicht einmischen. Die Therapiefreiheit, die muss doch wirklich sichergestellt werden und daran haben wir noch zu arbeiten.
Was auch angesprochen wurde: dieses Problem mit dem Anbau von Cannabis, dass jetzt auch gesagt wird, wir vergeben nur dann solche Lizenzen, wenn schon Erfahrungen auf dem Gebiet des Cannabisanbaus bestehen. In Deutschland ist das natürlich schwierig, weil das immer verboten war, also muss man zumindest immer jemanden mit ins Boot holen, der aus einem anderen Land kommt.