Protokoll der Sitzung vom 12.12.2018

(Zuruf Abgeordneter Dr. Güldner [Bündnis 90/Die Grünen] – Abgeordneter Dr. vom Bruch [CDU]: Ich habe den Kollegen Güngör mit seiner unseligen Pressemitteilung gemeint!)

Nein, das ist nicht Herr Güngör mit seiner unseligen Pressemitteilung gewesen, weil Herr Güngör ja eine Reaktion auf eine Anfrage geleistet hat, in dem Fall war es längst in der Öffentlichkeit. Der Fall ist in einer Art und Weise bundesweit kolportiert worden, die bestimmt nicht von mir und meinem Haus zu verantworten war, sondern der Fall ist in einem höchsten Maße unglücklich gelaufen. Umso schöner ist es aber eigentlich, dass selbst vom Gymnasium Horn mich heute Briefe erreichen, die besagen, doch, Inklusion, und zwar in der Form, wie wir es immer besprochen haben, nämlich nur für die Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf, Wahrnehmung und Entwicklung in einem Kooperationsmodell, geht sehr gut.

(Glocke)

Das ist gelungen. Das wollen wir weiter fortsetzen, und insofern werden wir auch unseren Kurs weiter fortsetzen. Inklusion ist ein Menschenrecht, und wir wollen das leben. – Danke!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Mitteilung des Senats, Drucksache 19/1764, auf die Große Anfrage der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD Kenntnis.

Berufs- und Studienvorbereitung an Bremer Schulen verbessern Antrag der Fraktion der CDU vom 20. Juli 2018 (Drucksache 19/1753)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Dr. Bogedan.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. vom Bruch.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass bremische Schülerinnen und Schüler in überregionalen Vergleichen systematisch schlechter als alle anderen in der Republik abschneiden, ist nicht neu. Wir haben hier häufig darüber diskutiert. Wir haben auch über die Folgen

gesprochen: Im Ergebnis systematisch schlechtere Chancen, was Sie allerdings regelmäßig kleingeredet haben. Sie haben zumeist bestritten, dass unsere Absolventen in der Konkurrenz um Ausbildungsplätze oder im Wettbewerb um gleichwertige Studienchancen Nachteile haben. Obwohl es immer wieder Hinweise in diese Richtung von Betrieben und Kammern einerseits und von Hochschulen andererseits gibt, haben Sie bestritten, dass es diese schlechteren Chancen gibt. Seit einiger Zeit gibt es auf der Grundlage einer Studie der Universität Bremen allerdings noch deutlich konkretere Fingerzeige, dass genau das schon eingetreten ist.

Politik, meine Damen und Herren, beginnt genau mit der Wahrnehmung dieser Realität. Diesen Blick für die Realität hatten Sie nicht, haben Sie nicht und es deutet leider auch wenig darauf hin, dass sich das ändern wird, meine Damen und Herren!

(Beifall CDU)

Es deutet dagegen leider vieles darauf hin, dass unsere Absolventen im allgemeinen Bildungssystem nicht ausreichend auf Berufsausbildung und Studium vorbereitet sind. Die Studie enthält deutliche Anhaltspunkte dafür, dass an der Universität Studentinnen und Studenten mit Abschluss aus Bremen überdurchschnittlich häufig unter den Abbrechern, Wechslern sind, dass die Studiendauer höher ist und die Erfolgsaussichten insgesamt schlechter sind. Das ist auch, aber durchaus nicht nur eine Frage der Kompetenzen. Es ist insbesondere eine Frage der Orientierung, der Vorbereitung auf das Studium, der Sicherheit, das richtige Fach gewählt zu haben, und auch der Fähigkeit und Reife zum selbstständigen Arbeiten. Es ist schlicht nicht zu verantworten, dass unsere Absolventen damit allein gelassen werden, denn Abbruch, Wechsel und Nichtbestehen, ganz gleich ob in Ausbildung oder Studium, ist gemeinsam, dass es ein erstes tiefgreifendes Misserfolgserlebnis ist. Es ist unsere Aufgabe und Verantwortung, meine Damen und Herren, daran etwas zu ändern und so weit wie möglich zu helfen, dass das verhindert wird, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU)

Es geht nicht darum, jemanden mit den durch unseren Antrag vorgeschlagenen Maßnahmen zu verängstigen oder zu ärgern. Es geht vielmehr darum, durch beständige Weiterentwicklung der Berufs- und Studienvorbereitung eine Entwicklung zur Verbesserung in Gang zu setzen. Die tatsächlichen

Anforderungen in Ausbildung und Studium müssen mehr und verbindlicher als bisher die Zielmarken bestimmen, die sich Schulen als curriculare Ausrichtung geben. Hochschulen und Betriebe müssen mehr als bisher auch durch deren Vertreter in unseren Schulen Rollen übernehmen, denn es geht insbesondere um die Schnittstellen und um die Übergänge. Es geht darum, klarer als bisher Schülerinnen und Schülern zu sagen, ob und wo sie in Ausbildung oder Studium gut aufgehoben sind. Es geht darum, an dieser entscheidenden Stelle niemanden zu verlieren.

Wir denken deshalb auch, dass die Vorbereitung auf Beruf und Studium zu einem eigenständigen Fach werden könnte, wie das in Hamburg angedacht beziehungsweise entwickelt wird. Jedenfalls würden wir, wie in unserem Antrag vorgeschlagen, gern darüber mit Zusammenhängen aus Ausbildung, Wirtschaft, Berufswelt und Gesellschaft nachdenken. Wir brauchen mehr Vorbereitung in den Schulen, statt anschließender Reparatur, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU)

Ja, und am Ende geht es vor diesem Hintergrund auch um Lernzeit. Nicht, weil wir wieder etwas ändern wollen, sondern weil es gute Gründe und veränderte Bedingungen und Inhalte gibt, die wir einfach nicht so adaptieren können im bestehenden System. Ein Thema, das man übrigens ganz ohne Hysterie diskutieren kann, das man, wie wir meinen, diskutieren muss. Es geht nicht in erster Linie um Ihr oder unser System, sondern es geht um die Interessen der Schülerinnen und Schüler, die Antworten höchst formaler Art in Zukunft nicht länger akzeptieren werden, deren gemeinsamer Nenner ist, dass Sie im Ergebnis nichts tun.

Der Digitalpakt kommt zeitnah nicht aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Grundsätze des Föderalismus. Ein verbindliches letztes Kita-Jahr soll nicht kommen, weil Sie Grundgesetzwidrigkeiten wittern. Über G8, G9 wollen Sie gar nicht erst diskutieren, weil Sie absurderweise der Auffassung sind, es verstoße gegen den Bildungskonsens. Sie haben noch immer für jede Lösung ein Problem gefunden. Ich glaube allerdings, diese Nebelkerzen werden Ihnen die Menschen in Bremen und Bremerhaven nicht länger durchgehen lassen, meine Damen und Herren!

(Beifall CDU)

Apropos G8, G9: Wissen Sie, wer fast wörtlich Folgendes gesagt hat? Mit der Abschaffung des Turbo-Abiturs ermöglichen wir ein modernes und hochwertiges Abitur. Die Schülerinnen und Schüler bekommen mehr Zeit zum Lernen und für ihre persönliche Entwicklung. Wir nehmen den Stress aus der Schule und schaffen Zeit, um bestimmte Themen und Unterrichtsinhalte zu vertiefen. Die Schulen erhalten darüber hinaus Freiräume für Berufsorientierung und andere wichtige Aufgaben. Ich freue mich sehr, dass die konsequente Rückkehr zum G9 von einem breiten gesellschaftlichen und politischen Konsens getragen wird. Wissen Sie, wer das war? Es war Frauke Heiligenstadt. Übrigens, glaube ich, eine Parteigenossin von Ihnen, ehemalige Kultusministerin des uns umgebenden Niedersachsens.

Viel besser kann man es nach meiner Auffassung nicht zusammenfassen. Recht hat sie übrigens nicht nur in der Sache. Sie sollten einmal überlegen, ob die Rückkehr Niedersachsens zum 13-jährigen Abitur nicht ein zusätzlicher Grund zum Nachdenken wäre. Die Absolventen aus Niedersachsen sind nämlich die Hauptwettbewerber unserer Absolventen in Ausbildung und Studium. Niemand behauptet, meine Damen und Herren, das gehe von einem Tag auf den anderen. Vielleicht sollte man aber die Wettbewerbsfähigkeit unserer Abiturienten nicht zusätzlich gefährden, indem man auch bei der Lernzeit einem Gefälle, zumindest einem guten Teil unserer Abiturienten, auf Dauer tatenlos zusieht und entsprechende Überlegungen zu einer Veränderung einfach ausblendet. – Herzlichen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Güngör.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, einen Antrag mit dem Titel „Berufs- und Studienvorbereitung an Bremer Schulen verbessern“ zu schreiben, ohne mit einem einzigen Satz auch nur die beruflichen Gymnasien zu erwähnen. Meine Damen und Herren, neben den sechs beruflichen Gymnasien zählt unsere Stadtgemeinde auch 20 Oberstufen, und genau an diesen beruflichen Gymnasien wird nicht nur das Abitur angeboten, sondern die Profile orientieren sich an konkreten Berufsbildern.

Auch erstaunlich ist, dass Sie mit keinem Satz das Landeskonzept Bildung und Beruf erwähnen, das

uns im Juni 2017 vorgestellt wurde. Mit keinem Wort werden die Stichwörter Berufswahlpass oder Berufsorientierungsmaßnahmen für Oberschulen und Gymnasien erwähnt. Des Weiteren: Maßnahmen im Rahmen der Bundesinitiative, Abschluss und Anschluss, Bildungsketten bis zum Ausbildungsabschluss. Maßnahmen, mit denen wir unter anderem in diesem Schuljahr zum Beispiel Werkstatttage für Schülerinnen und Schüler an Oberschulen und Gymnasien mit bis zu 1,1 Millionen Euro gefördert bekommen. Eine Million Euro für die Berufsorientierung leistungsstarker Schülerinnen und Schüler in der gymnasialen Oberstufe.

Meine Damen und Herren, Ihr Antrag verbessert an vielen Punkten in keiner Weise die Berufs- und Studienvorbereitung, ist an einigen Punkten von der Unkenntnis des Konzeptes Bildungsketten geprägt und wiederholt bereits beschlossene Punkte aus unserem gemeinsamen Antrag Qualitätsoffensive für Bildung in Bremen. Stattdessen sprechen Sie dann vom Schnittstellenmanagement oder davon, bei Studienabbrechern die schulische Herkunft dokumentieren zu wollen. Das müssen Sie sich noch einmal genau anhören, meine Damen und Herren, bei Studienabbrechern die schulische Herkunft dokumentieren! Was wollen Sie denn mit der Erkenntnis anfangen, wenn Sie wissen, dass ein Abiturient meinetwegen vom Alten Gymnasium im Studium gescheitert ist? Diese Fragen würde ich gern einmal beantwortet bekommen, was wollen Sie mit dieser Erkenntnis und dieser Information anfangen?

Aber Ihr eigentliches Interesse zeigen Sie ja unter 4.b; die Oberschulen, so schreiben Sie es dort, sollen handlungspraktische und wirtschaftsrelevante Inhalte stärken und die Gymnasien allgemeine Kompetenzen, Fähigkeiten zur Selbstorganisation und des Lernens. Das bedeutet im Klartext, die Oberschulen sollen auf die berufliche Ausbildung vorbereiten und die Gymnasien auf das Studium. Das haben Sie schon vor der Schulreform versucht. Ich erinnere mich noch sehr genau, wie Herr Röwekamp die Enquetekommission vorgeschlagen und genau mit dieser Idee verbunden hat. Wir haben dann im Schulentwicklungsplan auch gesehen, dass nicht einmal konservative Bildungsforscher Ihr rückwärts gewandtes Weltbild teilen, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Das ist definitiv keine Antwort auf die Probleme, sondern ein Schritt zurück in die Vergangenheit.

Das ist mit uns nicht zu machen. Ihr Weltbild sortiert anscheinend wieder gern Menschen. Für ein solches Klassensystem, was Sie sich da vorstellen, mit Arbeitern und Akademikern, werden Sie keine Mehrheiten finden in diesem Land, meine Damen und Herren!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Hören Sie bitte auch auf, in Ihren Anträgen von Bildungschancen oder Gerechtigkeit zu sprechen. Davon sind Sie mit Ihrem Vorschlag nämlich gerade weit abgerückt. Sie versuchen damit, die Laufbahn einer Schülerin oder eines Schülers bereits ab der fünften Klasse mit der Wahl einer Oberschule oder einem Gymnasium festzulegen. Das ist einfach unglaublich!

(Beifall SPD)

Meine Damen und Herren, was ich auch nicht verstehe, um es vielleicht etwas ruhiger vorzutragen, ist, wir haben doch jüngst auch bei den Konsensverhandlungen – – Dort haben Sie diesen Vorschlag auch als Textpassage eingebracht, und es war eigentlich schnell klar, dass das ein System wäre, was eben nicht dem gemeinsam reformierten Schulsystem entspricht. Es ist absolut unverständlich, warum Sie einen solchen Kurswechsel vorschlagen, was in diesem Sinne auch eine klare Strukturfrage ist. Genau diese wollen wir eben gemeinsam nicht verändern, sondern uns auf die Qualitätsverbesserungen konzentrieren.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, im letzten Punkt fordern Sie die Rückkehr zu G9, schreiben das aber nicht einmal präzise aus. Wir haben bereits einheitlich, und deshalb unterscheiden wir uns da auch sehr von Niedersachsen, wir haben einheitlich bereits sowohl das Abitur nach 12 als auch nach 13 Jahren im System. Wir haben also nicht die Situation wie in anderen Bundesländern, sondern in Bremen ist seit der Schulreform 2009 das Abitur nach 12 oder 13 Jahren möglich. Nur sieben der acht durchgängigen Gymnasien bieten ausschließlich G8 an und das zurecht. Erinnern wir uns an die Gespräche im Schulkonsens 2008. Herr Röwekamp wird sich erinnern. Wir haben dem von der CDU gewünschten Leistungskriterium zum Zugang zum Gymnasium zugestimmt, weil der Weg zum Abitur kürzer ist und nur für Leistungsstärkere eröffnet werden sollte, natürlich mit der Begründung, dass auch der langsamere Weg allen offensteht, für alle, die sich in der Sekundarstufe II leistungsmäßig so

entwickeln, dass sie den Hochschulzugang erwerben können.

(Abgeordneter Röwekamp [CDU]: Das soll ja auch so bleiben!)

„Wenn dieser Kompromiss aufgekündigt wird, wird ein konstitutives Element der Schulreform aufgegeben, das von den Experten bei der Evaluation ausdrücklich gelobt wurde. Der Zugang zur Oberschule und zum Gymnasium müsste freigegeben werden und das Leistungskriterium in Klasse vier entfallen. Das würde erhebliche Folgen für das bremische Schulsystem entfalten. Die CDU rückt damit von zwei gleichwertigen Schularten ab.“ Dafür stehen wir nicht zur Verfügung, meine Damen und Herren. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Bergmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Schüler, Unternehmen, Berufs- und Hochschulen bekommen die Folgen davon zu spüren, dass in Bremen Schulabgänger häufig nicht passgenau in berufliche Weiterbildung kommen. Wirtschaft und Handwerk suchen händeringend Fachkräfte. Junge Menschen bleiben orientierungslos im Dschungel der Ausbildungswege stecken. Wir kennen das schon.

Um im Bildungswesen punktgenau umzusteuern, braucht es eine aufrichtige und mutige Analyse der Schulsituation in Bremen. Weg vom „Weiter so!“ Es muss im Bremer Bildungssystem realistisch anerkannt werden, wo es klemmt. In Bremens Bildungssystem brauchen wir eine produktive Streitkultur. Wir Freien Demokraten bekennen uns im Vergleich zu allen anderen Fraktionen im Haus zum bestehenden Dissens. Wir sind nicht zufrieden mit dem Bildungserfolg, wir sind nicht zufrieden mit der Umsetzung der Inklusion, mit der Benachteiligung von Schulen in freier Trägerschaft, dem fehlenden Leistungsanspruch. Wir sind nicht zufrieden mit der permanenten Überforderung von Lehrkräften, der unzureichenden finanziellen und strukturellen Ausstattung des Bildungssystems, und wir sind auch nicht zufrieden mit der unzureichenden Vorbereitung auf Ausbildung und Studium.

(Beifall FDP – Abgeordneter Röwekamp [CDU]: Und Sie sind nicht zufrieden mit der Verhandlungs- führung von Dr. Buhlert und Prof. Dr. Hilz!)