Dieser Antrag ist mit „Existenzminimum endlich fair und realistisch berechnen“ überschrieben. Mit gerecht, anständig oder auch angemessen lässt sich der Begriff fair wohl am besten beschreiben. Ungerecht, unanständig und auch unangemessen wäre dann wohl das Gegenteil, genauso wie das Gegenteil von realistisch unrealistisch ist. Eine dermaßen mit Unterstellungen und Emotionen spielende Wortwahl, hat uns Ihren Antrag nicht sympathisch gemacht.
Abgesehen von dem Inhalt, genau. Wir meinen, wir alle sollten im positiven Sinne nicht ignorieren, dass wir ein funktionierendes und weltweit anerkanntes Grundsicherungssystem haben. Doch darüber verliert die Koalition kein Wort, gerade so, als wäre es überall auf der Welt besser als hier bei uns.
Es spricht natürlich nicht grundsätzlich etwas dagegen, dass Bremen sich beim Bund für eine Überprüfung von Hartz-IV-Regularien einsetzt. Das aber direkt mit dem Hinweis auf unfair und unrealistisch zu machen, dafür können Sie uns nicht gewinnen. Ja, es gibt mit Blick auf die Höhe von Hartz IV zwei entgegengesetzte Meinungen. Die eine hält die Sätze von Hartz IV für angemessen, die andere tut das nicht. Deshalb setzen wir uns ja alle – und nicht nur in Bremen, sondern deutschlandweit – auch immer wieder mit dem Thema auseinander. Ich kann, ehrlich gesagt, auch beide Seiten verstehen, weil vollkommen klar ist, dass das Ergebnis immer auch eine Frage der Brille ist, durch die man schaut. Sieht man sich nur die Empfängerinnen und Empfänger der Sozialleistungen an, die wirklich unter bescheidenen Bedingungen leben und sich stark einschränken müssen und will vorrangig ihre Situation verbessern, dann mag man wohl einen solchen Antrag schreiben, wie die Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen das hier gemacht haben. Obwohl ich durchaus auch Menschen kenne, die sagen, dass sie mit dem im Moment gültigen Satz durchaus wunderbar auskommen.
Wunderbar ist vielleicht nicht das ganz richtige Wort, aber sie kommen damit gut klar. Blickt man aber auf das Gesamtsystem und stellt zum Beispiel
fest, dass Menschen die arbeiten gerechterweise mehr im Portemonnaie haben sollten, als die, die nicht arbeiten, dann wird es komplizierter. Nach meiner Meinung sollte sich die Politik dem auch stellen und nie allein nur die Höhe von Hartz IV diskutieren, auch wenn das so schön einfach ist.
(Abgeordneter Gottschalk [SPD]: Sollen wir mit Ihnen über den Mindestlohn diskutieren? – Zuruf Abgeordnete Vogt [DIE LINKE])
Das zu tun ist schlicht nicht ausreichend, denn eine isolierte deutliche Erhöhung von Hartz IV hätte sogar zahlreiche unerwünschte Nebenwirkungen. Die Zahl der Hartz-IV-Empfänger würde paradoxer Weise sofort deutlich steigen, anstatt zu sinken, weil auch viel mehr Menschen mit niedrigen Löhnen als sogenannte Aufstocker Anspruch auf ergänzende Hilfen aus Hartz IV hätten. Auch das Lohnabstandsgebot zwischen denen, die arbeiten und denen, die nicht arbeiten, wäre nicht zu halten. Das wäre fahrlässig, meine Damen und Herren!
Den verhandeln wir jetzt aber hier nicht. Und doch gibt es inzwischen von allen politischen Seiten Veränderungsvorschläge. Von denen finde ich etliche auch erfolgsversprechender, als die heute hier vorgelegten. Man könnte zum Beispiel zumindest für Übergangszeiträume andere Hinzuverdienst- und Anrechnungsregeln für arbeitende Leistungsbezieher definieren, die nicht über den Hartz-IV-Satz hinauskommen. Die Lebensarbeitszeit könnte vielleicht besser berücksichtigt werden, sodass es einen größeren Unterschied macht, ob jemand bereits viele Jahre oder noch nie gearbeitet hat. Man könnte auch verstärkt finanzielle Anreize zum Durchhalten für Hartz-IV-Empfänger schaffen, die eine Umschulung oder Ausbildung machen. Insgesamt muss aber alles doch vorrangig darum gehen, Menschen wirklich in Arbeit zu vermitteln, weil das immer noch die beste Form von Armutsvermeidung ist.
Ich kann hier auch nicht alle Ideen, die im Raum stehen, aufzählen, denn die Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben noch eine weitere Forderung in ihrem Antrag aufgenommen, die durch die Änderungsanträge der Fraktion DIE LINKE und auch von Frau Wendland noch verstärkt werden. Sie wollen, dass die Jobcenter ihre Sanktionen entschärfen oder weniger oder auch
nicht mehr sanktionieren. Wie das gehen soll, beschreibt zumindest die Koalition nicht mehr. Für Sanktionen gibt es doch aber ziemlich klare Regeln, und die Sanktionsquote liegt deutschlandweit bei gerade einmal drei Prozent. Eine Sanktion in Form einer Leistungskürzung kann zum Beispiel immer dann eine berechtigte Folge sein, wenn jemand unentschuldigt Termine oder andere Absprachen nicht einhält. Ich sage ganz deutlich, dass ich mich von ganzem Herzen gegen willkürliche und ungerechtfertigte Sanktionen ausspreche, aber gegen berechtigte Sanktionen habe ich wirklich nichts.
Ich erwarte von Menschen, die nicht arbeiten und nicht krank sind, dass sie Verabredungen mit dem Jobcenter einhalten.
Zwei Punkte sollte man aber hier auch im Blick behalten: Erreichen schärfere Sanktionen für unter 25-Jährige wirklich mehrheitlich ihr Ziel und sind und bleiben sie somit sinnvoll? Es gab einmal Statistiken, dass sie sich sinnvoll gezeigt haben, aber man muss das im Blick behalten. Zweitens muss endlich nachvollziehbar geklärt werden, ob es wirklich klug ist, auch die Kosten für die Wohnung zu sanktionieren und somit womöglich Obdachlosigkeit zu fördern, anstatt sie zu verhindern. Eine pauschale Forderung nach Entschärfung oder solche nach Reduzierung oder gar Einstellung von Sanktionen werden wir aber auf jeden Fall nicht unterstützen. – Danke!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! In diesen Tagen in der Bürgerschaft dreht sich vieles um die Frage: Wie bekämpfen wir Armut? Die wesentliche Antwort hat eigentlich Frau Grönert gegeben und wir als Freie Demokraten geben sie auch: Dadurch, dass wir es schaffen, dass Menschen Arbeit haben, mit der sie ihre eigene Existenz sichern können.
mangel, die Wettbewerbssituation auf dem Arbeitsmarkt sorgen dafür. Existenzsicherung bedeutet dann zu arbeiten. Natürlich gibt es Menschen, die das nicht können, weil sie keinen Arbeitsplatz haben.
(Abgeordnete Vogt [DIE LINKE]: 33,3 Prozent der Erwerbstätigen müssen heute Hartz IV beziehen, weil sie von ihrer Arbeit nicht existieren können! Haben Sie nicht zugehört?)
Doch, ich habe zugehört, aber vielleicht tun Sie das auch einmal. Das wäre eine Tugend, die Sie vielleicht einmal lernen.
Dann gibt es natürlich die Möglichkeit, zu schauen, wie es möglich ist, die Menschen in Transferleistungssystemen zu unterstützen, die nicht genügend Geld verdienen. Darüber muss man reden. Dann muss man auch über die Höhe dessen reden. Die Zahlen aber immer so darzustellen, dass Menschen, die nur in Teilzeit arbeiten und aufstocken müssen, dort gleich mit eingerechnet werden – –. Das muss man so nicht tun, wie DIE LINKE das immer gern für ihre Propaganda macht, sondern dort muss man auch ordentlich schauen, dass es Aufstocker gibt, die Vollzeit arbeiten. Darüber muss man reden, weil an der Stelle die Frage des Lohnabstandsgebots und sittenwidriger Löhne und all so etwas zu stellen ist. Man muss die Menschen sehen, wenn sie keine Betreuungsmöglichkeiten haben oder andere Möglichkeiten nicht vorhanden sind und sie nur in Teilzeit arbeiten können. Das muss alles ein bisschen differenzierter betrachtet werden.
Jetzt haben Sie mich auf einen Punkt gebracht, auf den ich gar nicht so stark eingehen wollte. Mehr wollte ich darauf eingehen, dass es uns nicht weit genug geht und daher entspringt auch die Idee, mit unbestimmten Rechtsbegriffen zu arbeiten.
Wir müssen eigentlich dahin kommen, dass wir unser ganzes Transferleistungssystem auf die Probe stellen oder hinterfragen. Wir müssen nicht die Frage stellen, ob es richtig berechnet oder so etwas ist, sondern ob wir ein System haben, das Anreize schafft, das genügend Zuverdienstmöglichkeiten schafft, dass die Leute auch wirklich gewillt sind, Arbeit aufzunehmen und das dafür sorgt, dass nicht, wenn dann eine Leistung eingestellt wird, die Menschen sagen: Für das wenige Geld mehr gehe ich jetzt doch nicht arbeiten.
Alle diese Reaktionen kennen wir und sie sind im System angelegt. Wer sich die ganzen Studien dazu anschaut, kann sehen, dass manche Dinge sogar richtig kontraproduktiv sind und nicht zur Arbeitsaufnahme anregen. Ich rede nicht über die Menschen, die aus vielerlei Gründen nicht arbeiten können, die verdienen unsere Unterstützung. Sondern ich rede für diejenigen, die sich das überlegen, ob sie es denn nun wollen oder nicht.
Da bin ich dann bei unserer Landesverfassung. Deswegen bin ich auch, anders als andere, nicht für ein bedingungsloses Grundeinkommen, sondern für einen anderen Ansatz. Wir als Freie Demokraten unterstützen den und haben auch an diesem Teil der Landesverfassung mitgewirkt: Jeder hat die sittliche Pflicht zu arbeiten und ein Recht auf Arbeit. Das steht in unserer Landesverfassung.
dass jeder so solidarisch mit der Gesellschaft sein muss, dass er sich selbst und das, was er für diese Gesellschaft leisten kann, einbringt. Es gibt Menschen, die das nicht können. Aber derjenige, der es kann und das was er leisten kann, auch beiträgt und für seinen eigenen Unterhalt soweit arbeitet.
Über Zuverdienstmöglichkeiten, Anrechnung und dass wir ein Transfersystem brauchen, das mehr Lust auf Arbeit macht, darüber habe ich gesprochen. Eines möchte ich aber auch sagen, und da bin ich bei der Fraktion der CDU und dem, was Frau Grönert gesagt hat, will aber auch noch einen anderen Aspekt darlegen. Wir brauchen am Ende auch etwas, bei dem wir sagen: Ja, das wollen wir als Gesellschaft nicht hinnehmen, dieses Verhalten von Menschen, die arbeiten können, aber nicht arbeiten wollen. Dann kommen wir um die Frage Anreize, und auf der anderen Seite sollte die Chance einen Arbeitsplatz zu bekommen auch ein Anreiz sein, aber auch um Sanktionen nicht herum. Dann müssen wir einfach ganz offen sagen: Wie gehen wir als Gesellschaft damit um, wenn wir erwarten, dass Menschen auch ihren Beitrag zur Gesellschaft, zu ihrem eigenen Lebensunterhalt leisten. Wenn sie Termine nicht einhalten, dann müssen wir doch eine Antwort darauf geben. Dann können
wir denjenigen, die von ihrem wenigen Verdienst Steuern zahlen, nicht sagen, dass sie das mitbezahlen müssen.
Ein Gutteil der Steuerzahler sind auch die Menschen am unteren Ende unserer Steuertabellen, die hier ihren Beitrag leisten. Warum soll die Krankenschwester jemanden über ihre Steuern bezahlen, der nicht arbeiten will? Die Frage muss man doch stellen. Oder der einen Termin nicht wahrnehmen will. Insofern können wir sagen, dort muss es dann auch Möglichkeiten für die Mitarbeiter und Mitarbeitenden im Jobcenter geben, hier ein Instrumentarium zu haben. Sonst mag das ja völlig entspannt sein. Das mag auch für die Vermittlung und für die Situation vielleicht besser sein. Dass sie aber an der Stelle machtlos sind, das ist doch auch eine Situation, die wir nicht hinnehmen können.
Ehrlich gesagt, ich nehme die Mitarbeitenden im Jobcenter nicht so wahr, wie es hier immer dargestellt wird, als die bösen Menschen, die Menschen gern gängeln und Spaß daran haben, Menschen zu malträtieren. Dieses Bild wird allzu gern gezeichnet. Nein, ich sehe dort viele hochmotivierte Mitarbeitende, die es als ihre Aufgabe sehen und hoch engagiert dafür arbeiten, dass Menschen in Arbeit kommen und sehr enttäuscht sind, wenn ihnen das nicht gelingt.
Diese Menschen haben es nicht verdient, hier auch immer nur so dargestellt zu werden. Kurzum, mir geht das Ganze hier nicht weit genug. Wir Freie Demokraten diskutieren gern über vernünftige Transferleistungssysteme mit mehr Zuverdienstmöglichkeiten, die Anreize bieten, Arbeit aufzunehmen. Wir nennen das Bürgergeld, finden das gut und setzen uns dafür ein, aber wollen hier weitergehen als die Koalition oder Sie, mit Ihren Änderungsanträgen. – Danke!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wiederhole noch einmal eine Zahl von gestern: Die Sozialleistungsquote in Deutschland liegt, bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt, bei 30 Prozent. Das tut
sie seit den Siebzigerjahren mit kleinen Schwankungen. Hier sind wir ziemliche Weltspitze. Jetzt könnten wir sagen: Sehr gut, wir geben ganz viel Geld für Sozialleistungen aus. Man könnte aber auch sagen, wo ist eigentlich der Erfolg dieser hohen Sozialleistungsquote, wenn weiterhin so viele Menschen als Transferleistungsempfänger von Sozialleistungen abhängig sind und wenn so viele Geringverdiener von ihrer Arbeit nicht auskömmlich leben können. Deswegen haben wir ja diese Diskussion über den Mindestlohn und so weiter, und so weiter, und so weiter.
Es gibt im Internet zwei Rechner, die Sie sich anschauen können. Das eine ist „Brutto-Netto-Rechner.info“. Dort können Sie einfach einmal ein fiktives Gehalt eingeben und schauen, was in Deutschland netto übrigbleibt. Zudem gibt es einen zweiten Rechner. Der heißt „Bruttonetto.Arbeiterkammer.at“. Dort haben Sie das Gleiche für Österreich. Hier können Sie feststellen, dass, wenn wir über geringe Einkommen reden – wir hatten das hier gestern besprochen – zum Beispiel in dem Bereich des Mindestlohns, Sie bei einem Bruttoeinkommen von 2 000 Euro im Monat in Österreich 150 Euro im Monat weniger zahlen als in Deutschland. Wenn Sie sehr viel verdienen, also ich rede von jemandem wie Ihrem Kollegen Herrn Merz, der zahlt in Österreich erheblich mehr als bei uns, weil dort ein Spitzensteuersatz von 50 Prozent existiert.
Ich glaube, wenn wir den Erfolg unseres Sozialsystems bemessen wollen, dann kann man es nur daran bemessen, ob wir die Leute aus dem Transferleistungsbezug herausbekommen, in den Arbeitsmarkt integriert bekommen und ob wir der Tatsache Rechnung tragen, dass manche Leute eben weniger verdienen und auch nicht so viel abgeben können. Dies tun wir nicht richtig. Ich möchte jetzt nicht über Arbeitsmaßnahmen reden, sondern über die fiskalischen Probleme. Die Transferleistungsentzugsquote bei Geringverdienern ist abstrus. Jemand, der mit Frau und zwei Kindern von Hartz IV lebt, erhält das Gleiche wie ein Facharbeiter. Das kann so nicht sein.