Protokoll der Sitzung vom 25.11.2015

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Eckhoff.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, sehr geehrte Frau Bürgermeisterin! Ich möchte mit dem ersten Punkt beginnen, der bei diesem Nachtragshaushalt natürlich eine dominierende Thematik ist, nämlich mit dem Thema Flüchtlinge.

Zum einen möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bei allen bedanken, die in den letzten Wochen und Monaten versuchen, diese gewaltige Aufgabe in den verschiedensten Ressorts zu meistern, die Herausforderungen im öffentlichen Dienst annehmen, die zahlreichen Helfer, die aus den Bereichen THW, Bundeswehr, Feuerwehr und Polizei kommen. Ich glaube, das ist eine schwierige Aufgabe, und die CDU hat in den letzten Wochen und Monaten immer wieder beteuert, dass wir in dieser Frage sehr nahe beieinander sind und es hier einfach eine Thematik gibt, die gelöst werden muss, bei der man nicht viele Fragen stellen darf, sondern handeln muss. Vor diesem Hintergrund werden wir auch jetzt nicht die 105 Millionen Euro thematisieren, einen Schwerpunkt dieses Nachtragshaushalts, die Sie gerade genannt haben, Frau Bürgermeisterin.

Man muss allerdings auch an dieser Stelle fragen, ob es tatsächlich richtig ist, auf der einen Seite nach dem Bund zu rufen und auf der anderen Seite bei wichtigen Abstimmungen im Bundesrat nicht in der Notwendigkeit der anderen Bundesländer oder auch der Bundesregierung abzustimmen. Wir hatten das beim letzten Mal hier andiskutiert. Die Abstimmungen gab es danach, wir haben dazu eine deutlich andere Meinung artikuliert, Sie haben sich im Senat dann anders entschieden. Trotzdem haben Sie auch völlig recht,

dass bei der Thematik der zusätzlichen Hilfen für Flüchtlinge auch die anderen Länder und der Bund gefordert sind, etwas zu machen, und vor diesem Hintergrund ziehen wir bei dieser Thematik, glaube ich, gemeinsam an einem Strang, sehr geehrte Frau Bürgermeisterin.

(Abg. Rupp [DIE LINKE]: Müssen wir uns jetzt kau- fen lassen, oder was?)

Ich möchte allerdings über die andere Hälfte der 215 Millionen Euro sprechen, nämlich über die zusätzlichen 110 Millionen Euro sonstige Haushaltsrisiken, und wenn Sie sich die Zahlen ansehen, die Frau Bürgermeisterin Linnert gerade vorgestellt hat – 110 Millionen sonstige Haushaltsrisiken, jetzt 30 Millionen Euro zusätzliche Kreditaufnahme –, können Sie daraus ja relativ leicht erkennen, dass wir trotz der Riesenthematik der Flüchtlinge heute keinen Nachtragshaushalt gebraucht hätten, wenn der Senat seine Hausaufgaben über dieses Jahr gemacht hätte.

(Beifall CDU, FDP)

Sie haben die Themen selbst genannt, Tarifabschlüsse, Kita-Gebühren und Tarife in den Kitas, ESF, EFRE, BLG, BLB oder auch die Spielbank und die Thematik, die damit im Zusammenhang steht, meines Erachtens war ein Großteil dieser Thematiken seit Monaten bekannt

(Abg. Röwekamp [CDU]: Vor der Wahl!)

und wurde teilweise schon im Parlament diskutiert – ich gehe gleich noch einmal auf einzelne Punkte ein –, und heute, 36 Tage vor Jahresende, haben wir Gelegenheit, über diesen Nachtragshaushalt zu debattieren. Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist unserer Meinung nach der falsche Weg. Hätten Sie in diesem Jahr eher gegengesteuert, hätte es die Notwendigkeit für diesen Nachtragshaushalt gar nicht gegeben.

(Beifall CDU)

Selbst 36 Tage vorher, Frau Bürgermeisterin, schreiben Sie – ich zitiere aus Ihrer Vorlage, über die wir heute debattieren –: „Die Deckung der sonstigen Ressortprobleme soll haushaltsstellengerecht im Vollzug der Haushalte 2015 erfolgen.“ Wenn wir uns dies anschauen, müssen wir doch feststellen, dass im Endeffekt die Finanzverwaltung noch nicht einmal einen Monat vor dem Ende des Haushaltsjahres weiß, wo die Haushaltsprobleme im Einzelnen liegen. Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist kein gutes Zeichen für das Haus der Finanzsenatorin.

(Beifall CDU)

Ich finde, es ist auch kein guter Ansatz – wenn ich das einmal fortspinne –, dass Sie sagen, im nächsten

Jahr wäre wahrscheinblich der einfachste Weg, Sie genehmigen uns einfach für das Haushaltsjahr 4,5 Milliarden Euro, und den Rest würden wir dann schon irgendwie in der Haushaltssteuerung sicherstellen. So, glaube ich, ist es für ein Parlament sehr schwer zu ertragen, diese Zusammenhänge miteinander zu diskutieren.

Eine weitere Bemerkung möchte ich zum Sicherheitsabstand machen! Sie haben gerade von 90 Millionen Euro gesprochen. Ich komme mit meiner Rechnung auf eine deutlich geringere Zahl und beziehe mich damit auf Ihr Papier, das Sie uns freundlicherweise zugeleitet haben –

(Bürgermeisterin Linnert: Vor Steuerschätzung!)

ja, vor Steuerschätzung, aber die Steuerschätzung können Sie ja für dieses Jahr nicht einrechnen! –, in dem Sie noch einen Sicherheitsabstand von 176 Milliarden Euro genannt haben. Wenn Sie die Steuerschätzung vom November mit 118 Milliarden Euro –

(Staatsrat Strehl: Millionen!)

Millionen, Entschuldigung! – und die zusätzliche Nettokreditaufnahme von 30 Millionen Euro berücksichtigen, dann komme ich nur noch auf einen Sicherheitsabstand von 28 Millionen Euro.

Wir können dies sicherlich gern noch einmal diskutieren, aber eines ist klar: Wenn wir in der Haushaltspolitik so weitermachen, dann wird es in den nächsten zwei Jahren nicht mehr gut gehen mit dem Sicherheitsabstand. Dann ist die Politik gescheitert, und dann ist natürlich auch schon jetzt die Frage, ob es 30 oder 90 Millionen Euro sind, ob beide Signale, die Sie jetzt in Richtung Berlin aussenden, eine wirklich gute Basis für die nächste Zusammenkunft der Ministerpräsidenten sind, Herr Dr. Sieling, in der Sie darum streiten, eine möglichst bessere Ausstattung für den bremischen Haushalt zu bekommen. Ich glaube das nicht, ich glaube, dies ist kein gutes Signal, aber wir werden sehen, mit welchem Ergebnis Sie nach Bremen zurückkommen werden.

Die vierte Bemerkung betrifft die Thematik ESF und EFRE, dazu möchte ich einmal Frau Bürgermeisterin Linnert zitieren. In der Sitzung vom 18. März, in der man sich schon einmal mit dem Thema Haushalt beschäftigt hat, sagen Sie, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: „Bei den EFRE-Mitteln, das hat Herr Dr. Kuhn auch schon gesagt, gibt es jetzt einen Stau. Wir werden die Quartalsergebnisse auswerten, aber ich habe bisher von niemandem gehört, dass der bremische Haushalt die Zahlungen ausgleichen soll, sondern wir gehen davon aus, dass sie wieder fließen. Auch das ist kein Grund, uns Verschleierung vorzuwerfen.“ So Ihre Aussage im März!

Heute legen Sie uns einen Nachtragshaushalt vor, in dem Sie genau das machen, nämlich die fehlenden

Zahlungen insbesondere aus dem EFRE-Bereich auszugleichen. Das ist keine redliche Haushaltspolitik, Frau Bürgermeisterin Linnert!

(Beifall CDU, ALFA)

Sie haben ja jetzt auch reagiert: In der nächsten Woche gibt es wohl eine Vorlage im Senat, nach der die Kontrolle über die jeweiligen Vergabebehörden vom Senator für Wirtschaft in das Haus der Senatorin für Finanzen gezogen werden soll. Ich weiß nicht, ob die Vorlage dann beschlossen wird, aber das zeigt ja, dass Sie es Ihrem Kollegen Günthner offensichtlich selbst nicht mehr zutrauen, die Probleme mit der Europäischen Union zu lösen, und das zeigt doch, in welchem Zustand sich der Senat tatsächlich befindet.

(Beifall CDU)

Wir könnten weiter darüber diskutieren. Im Rahmen dieses Nachtragshaushalts haben Sie uns Maßnahmen vorgelegt. Auch Investitionen werden verschoben. Es sind Investitionen in die Bäder, minus drei Millionen Euro, auf das kommende Jahr, es sind Investitionen in die Schulen, minus 1,7 Millionen Euro, verschoben auf das Jahr 2017, und es sind Investitionen im Bereich Sondervermögen, Infrastruktur und Technik, verschoben auf unbegrenzte Zeit.

Ich halte es für falsch. Ich habe nicht den Eindruck, dass Schulen und Bäder in solchen Zuständen in dieser Stadt und in unserem Bundesland sind, dass es da nicht noch Investitionen gegeben hätte, die man auch in diesem Jahr hätte tätigen können. Hier findet eine falsche Verschiebung von Politik statt, und dies wird ausgebadet auf dem Rücken von Schülerinnen und Schülern und Nutzern der jeweiligen Bäder. Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch dies ist ein falsches Zeichen von Politik, denn auch in Zeiten von Sparpolitik muss man die Menschen in unseren beiden Städten mitnehmen.

(Beifall CDU)

Ebenso könnte man über die Heranziehung der Planungsreserve diskutieren. Da ist es mittlerweile so, dass drei Bereiche mit mehr als 50 Prozent zur Kasse gebeten werden. Hier findet eine Umverteilung zulasten der Hochschulen, des Bildungsbereiches und insbesondere des Bau- und Umweltbereiches statt. Ob dies eine richtige Politik ist, lasse ich einmal dahingestellt.

Die letzte Bemerkung, die ich machen möchte, betrifft den Bereich der Busse und Bahnen. Erst einmal herzlichen Glückwunsch, dass Sie nach drei Jahren Prüfung überhaupt zu einem Ergebnis und zu einer Entscheidung gekommen sind! Viele hätten es diesem Senat gar nicht mehr zugetraut, lieber Herr Dr. Sieling und liebe Frau Linnert. Jetzt muss man sich allerdings fragen: Ist tatsächlich sinnvoll, was hier

beschlossen wird? Es wird eine Verpflichtungsermächtigung in einer Größenordnung von 401,5 Millionen Euro bis zum Jahr 2053 erteilt, also für die nächsten 38 Jahre.

Die letzten Bahnen liefen 30 Jahre und hatten nach 25 Jahren schon größere Probleme. Den OTB – darüber könnten Sie einmal mit Ihrem Kollegen Günthner diskutieren – finanzieren Sie in vier Jahren.

(Senator Günthner: Fünf!)

In fünf Jahren! Kann mir das einmal einer erklären? Das wäre genauso, als wenn die Familie aus Walle ihr Haus über vier Jahre finanzierte und ihr Auto über zwanzig Jahre. Das würde niemand machen!

(Beifall CDU)

Vor diesem Hintergrund ist es auch hier eine nicht nachzuvollziehende Haushaltspolitik. Ein Hafen, der eine Nutzungsdauer von mehr als 50 Jahren hat, wird über fünf Jahre finanziert, eine Straßenbahn, die eine Nutzungsdauer von maximal 30 Jahren hat, wird über 38 Jahre finanziert. Wer diese Haushaltspolitik nachvollziehen kann, soll sie weiter unterstützen!

(Beifall CDU, FDP, ALFA)

Wir werden dies nicht mitmachen und heute und sicherlich auch in den weiteren Beratungen deutlich machen, wo wir andere Schwerpunkte setzen würden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Liess.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will uns allen ersparen, noch einmal auf das Zahlenwerk einzugehen, will aber ein paar grundsätzliche Anmerkungen machen. Ich möchte auf die Debatten zurückkommen, die wir mehrfach hinsichtlich der Fragestellung der Haushaltsrisiken geführt haben.

Den Koalitionsfraktionen und dem Senat ist vorgeworfen worden, dass man hohe Haushaltsrisiken und die Situation verschleiert habe. Außerdem ist gesagt worden, dass das, was man tue, eh nichts bringe. Meine damalige Entgegnung lautete: Nun warten Sie erst einmal ab, ob sich die Risiken realisieren! Da müssen wir einfach einmal zur Kenntnis nehmen, dass die Risiken ursprünglich bei fast 250 Millionen Euro lagen und wir jetzt bei 215 Millionen Euro liegen. Von daher hat es Sinn gemacht, mit dem Nachtragshaushalt zu warten und das auszuschöpfen, was noch möglich war. Das heißt, das Risiko ist reduziert. Tatsächlich reden wir über eine geringere Summe.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Dann muss man, denke ich, insgesamt festhalten, dass wir den Haushaltsrahmen, so wie ihn der Haushaltsgesetzgeber, das Parlament, beschlossen hat, um 30 Millionen Euro insgesamt nicht einhalten. Alles andere ist im Rahmen des beschlossenen Haushalts gelöst worden, und das, obwohl wir Mehrausgaben von über 100 Millionen Euro für die Flüchtlinge, die gekommen sind, gehabt haben, die nicht beabsichtigt waren und die wir nicht absehen konnten.

Das bedeutet auch, dass der Senat insgesamt realistische Anschläge gemacht und das Risiko insgesamt richtig bewertet hat. Das Risiko, das er nicht richtig bewerten konnte – wie in allen anderen Bundesländern auch – ist die große Flüchtlingsbewegung, die wir mit den damit in Zusammenhang stehenden Kosten zu verzeichnen haben.

Weil Herr Kollege Eckhoff eben darüber geredet hat, will ich etwas zu der Frage der Mehrausgaben und wie man hätte gegensteuern können, sagen. Wir haben zum Beispiel Mindereinnahmen durch die Spielbank. Soll eine Gegensteuerung so aussehen, dass wir die Leute an der Schlachte in die Spielbank treiben und sie zum Spielen zwingen, Oder was sollen wir tun?

(Abg. Röwekamp [CDU]: Vielleicht war der Stand- ort falsch!)

Wir haben die Problematik mit ESF und EFRE. Wir haben dort das Problem, dass wir mit der Europäischen Kommission noch keine Verständigung haben. Was sollen wir denn jetzt tun? Mit ihnen nicht mehr reden oder mit vorgehaltenem Revolver bei ihnen vorsprechen und sagen, wir wollen zur Lösung kommen? Ich glaube, das funktioniert nicht.