Protokoll der Sitzung vom 25.11.2015

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Zum Abschluss noch einmal: Der genannte Asylkompromiss wird umgesetzt, wir brauchen keine weiteren Berichte, sondern Handeln. Das Handeln des Senats wird weiterhin von Integration bestimmt werden und nicht von Ausgrenzung. Ihren Antrag werden wir ablehnen. – Ich danke Ihnen!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn wir schauen, wie es den Menschen geht, die zu uns flüchten, müssen wir uns alle doch ernsthaft die Frage stellen: Würden wir unter religiöser Verfolgung da bleiben, wo wir sind? Würden wir, wenn wir Opfer sexueller Gewalt würden, da bleiben wollen? Würden wir, wenn wir sexuell diskriminiert würden, da bleiben wollen? Oder würden wir nicht versuchen, ein besseres Leben an anderem Ort zu finden? Wenn wir gerade in der Situation wären, dass Krieg um uns herum herrschte, würden wir nicht zu flüchten versuchen wollen?

Wir sind der Meinung, dass die Motive der Menschen, die zu uns kommen, allzu verständlich sind, und deswegen ist für uns Freie Demokraten das Asylrecht ein Menschenrecht. Das kann nicht einmal eben so kurz im Verfahren und in so einer Art – wir müssen es doch beherrschbar machen – abserviert werden, sondern es muss wirklich geschaut werden, dass wir rechtsstaatlich, vernünftig und menschengerecht Lösungen finden, auch angesichts großer Zahlen.

(Beifall FDP)

Rechtsstaatlichkeit ist gefordert, und ich habe bei der letzten Debatte zu dem Thema schon gesagt, es ist nicht akzeptabel, wie lang es in Deutschland dauert. Die Verfahren dauern zu lang. Es gibt Möglichkeiten, das schneller zu machen, das müssen wir doch sehen, und daran müssen wir auch arbeiten. Das führt zu zusätzlichem Personal, das wir auf Bundesebene brauchen, zu zusätzlichem Personal, das wir in Bremen haben werden und auch brauchen, aber das führt eben auch zur Überlegung, wie man Verfahren beschleunigen kann.

48 Stunden wie in der Schweiz halte ich bei all den Instanzen, die notwendig sind, für ein rechtsstaatliches Verfahren nicht für möglich, aber zwischen den Monaten, die wir in Deutschland haben, und den 48 Stunden in der Schweiz gibt es ja wohl ein deutsches rechtsstaatliches Verfahren, das dem Ganzen gerecht wird. Dahin müssen wir endlich kommen!

(Beifall FDP)

Da Asylrecht so ein wichtiges Recht ist, muss man dann auch bei so einem Kompromiss, wer auch immer ihn ausgehandelt hat, fragen: Ist das denn richtig, und muss ich dazu stehen? Wir als Freie Demokraten sind auf Bundesebene nicht daran beteiligt gewesen und in der Ministerpräsidentenkonferenz auch nicht. Insofern steht es uns frei – wir haben uns das letzte Mal das Recht genommen – zu sagen, was uns daran passt und was nicht, und werden das auch dieses Mal tun. Wir können dem Antrag wiederum nicht zustimmen, weil es einfach so nicht geht zu sagen: Da ist ein Kompromiss gefunden worden, alle finden ihn toll, deswegen müssen ihn alle anderen auch toll finden. So einfach ist die Welt und die Demokratie nun einmal nicht, Herr Röwekamp!

(Beifall FDP, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Es gibt viele richtige Dinge in dem, was vereinbart worden ist. Bei der Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten gehe ich mit. Ich habe nur Sorge, ob wir auch genügend tun, damit Roma und Sinti im Kosovo nicht weiter diskriminiert werden und dass wir diesen Staaten auch richtig die Leviten lesen, damit ihnen klar wird, dass das, was sie tun, nicht dazu führt, dass sie in die EU aufgenommen werden, sondern dass wir in der Europäischen Union andere Maßstäbe haben und diese Staaten gefordert sind, mit ihren Minderheiten ordentlich umzugehen, was sie heute nicht tun.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Und dann sind es si- chere Herkunftsländer?)

Wir haben auch eine höhere Beteiligung des Bundes an den Mitteln, die dort ausgegeben werden müssen, gefordert. Das, was aber im Kompromiss festgeschrieben worden ist, reicht uns nicht. Das reicht Bre

men auch nicht, weil Bremen immer noch eigenes Geld dazugeben muss für Dinge, bei denen Bremen am Ende nichts tun kann. Insofern müssen wir hier weiter aktiv bleiben und weiter mehr Mittel vom Bund fordern. Insofern sind wir beim Senat, wenn er mehr Mittel vom Bund fordert und sich nicht mit dem Kompromiss zufriedengibt.

(Beifall FDP)

Dass Abschiebungen vermehrt durchgesetzt werden müssen – ja, das gehört zum Rechtsstaat hinzu. Aber, wie gesagt, vor allem muss schneller entschieden werden.

Punkte, die uns nicht gefallen, auch das haben wir in der letzten Debatte gesagt: Wir haben Schwierigkeiten mit gesonderten Unterbringungen, denn wir haben nicht zwei Chancen, einen guten Eindruck bei Menschen, die wir hier empfangen, zu machen. Wie wir dort mit den Menschen umgehen – wir wissen zu Anfang nicht, wer hierbleibt –, hat entscheidende Auswirkung darauf, wie sie sich in unsere Gesellschaft integrieren werden.

(Beifall FDP, Bündnis 90/Die Grünen)

Insofern müssen wir vernünftig mit den Menschen umgehen. Wir können nicht davon ausgehen, dass wir vorher wissen, wer dableibt, auch wenn das zu großen Prozentsätzen zutreffen mag, wie uns vielleicht der eine oder andere erzählen wird. Deswegen wollen wir die getrennte Unterbringung nicht, außer es gibt dafür gute Gründe, über die wir beispielsweise gestern in der Stadtbürgerschaft debattiert haben, als es um die Opfer von sexueller Gewalt ging. Dort gibt es gute Gründe, und dann ist das auch richtig.

(Beifall FDP, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Wenn über Anreize gesprochen wird – ich sage einmal mit Frau Aulepp, „Taschengeld“ ist ein Euphemismus, da sind wir uns einig –, wenn über Sachleistungen statt Geldleistungen gesprochen wird, muss man doch wirklich sagen: Das ist nicht der Anreiz, sondern das ist das Existenzminimum, das die Menschen dort erhalten. Dann ist für uns als Freie Demokraten der einzige Maßstab: Wie kriegen wir das in der Verwaltung pragmatisch und unbürokratisch hin? Wir wollen keine Lösungen, die dazu führen, dass es – wo wir schon zu wenig Leute in der Verwaltung haben – noch Leute gibt, die über Fahrkarten, über Seife und die Qualität der Seife und die Hautverträglichkeit der Seife entscheiden müssen. Das geht doch nicht!

(Beifall FDP, SPD, DIE LINKE, ALFA)

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge! Auch dafür gibt es eine Lösung, und sie war schwierig, weil es Jugendrecht und Jugendschutz gibt, die einzuhalten

sind. Es gab Großstädte, in die mehr unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gekommen sind, und andere Orte in Deutschland, die nicht so frequentiert wurden. Dass dort eine Lösung gefunden ist, die sowohl dem Jugendschutz Rechnung trägt als auch der Notwendigkeit, Städte wie Bremen nicht zu überlasten, ist gut und richtig. Insofern hoffen wir, dass es dort sehr schnell dazu kommt, dass Bremen entlastet wird und die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge trotzdem zu ihrem Recht kommen.

Ansonsten ist zu dem Thema noch zu sagen: Wir brauchen natürlich auch weiter schnellere Registrierungen der Leute, die zu uns kommen. Wenn ich weiß – das hat mein Freund Dr. Joachim Stamp, der im nordrhein-westfälischen Landtag sitzt, herausgefunden, als er dort war –, dass alle, die durch Serbien reisen, in Serbien registriert werden, frage ich mich: Wieso muss hier noch einmal alles neu registriert und nicht nur überprüft werden, ob die Registrierung dort richtig gemacht worden ist? Wir können viel Bürokratie sparen, wenn wir die Datenschutzfragen lösen und uns auf das Überprüfen der Registrierung beschränken, statt alles neu zu machen.

(Beifall FDP)

Ansonsten könnten wir das ganze Verfahren noch weiter entlasten. Wie als Freie Demokraten haben einen Antrag dazu eingebracht, vorübergehender humanitärer Schutz! Warum haben wir das gemacht? Es geht uns darum, das Asylverfahren zu entlasten – das ist der wesentliche Antrieb, wenn wir diesen Antrag einbringen, wir werden ihn noch an anderer Stelle debattieren –, weil es darum geht, Leute, von denen wir wissen, dass sie nicht in ihre Herkunftsländer zurück können, weil dort im Moment Krieg herrscht, hier aufzunehmen, willkommen zu heißen und zu sagen: Jetzt ist bei euch Krieg, wir kümmern uns jetzt um euch, dass ihr hier sicher sein könnt, geschont seid von all den Leiden, die im Krieg sind, und kümmern uns dann um Weiteres, wenn wir diesen großen Berg von Asylverfahren nicht mehr vor uns haben. Das halten wir angesichts der Zahlen für einen pragmatischen Umgang mit dieser Situation. Das ist auch geboten, damit wir dieser Sache bürokratisch Herr werden und Rechtsstaatlichkeit wahren können. Deswegen werbe ich jetzt schon einmal für die Zustimmung zu dem Antrag, über den wir noch diskutieren werden. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Leonidakis.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Bis jetzt wurden schon viele richtige Sachen

gesagt. Ich werde leider ein paar Sachen wiederholen, aber natürlich auch widersprechen müssen.

Meiner Ansicht nach ist der Antrag von der CDUFraktion, über den wir heute diskutieren, ehrlich gesagt, überflüssig wie ein Kropf.

(Beifall DIE LINKE)

Zumindest rechtlich gibt es dafür überhaupt keinen Bedarf. Das Gesetz ist beschlossen – leider, wie ich sagen muss, aber dass Sie jetzt noch einen daraufsetzen, dass Bremen ein Gesetz, an das es sowieso gebunden ist, auch umsetzen soll, lässt doch erkennen, dass Sie weiter auf eine knallharte und umfassende Entrechtung Schutzsuchender setzen.

Sie wollen sich weit über den Durst hinaus im Giftschrank bedienen, und das sagen Sie mit Ihrem Antrag. Der Giftschrank besteht aus einem Gesetz, das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz heißt und Entrechtungsgesetz meint. Das Wesen dieses Gesetzes ist im Wesentlichen Schikane. Es setzt auf das Sachleistungsprinzip, auf die Residenzpflicht, auf monateoder jahrelange Lagerpflicht, und zwar im Besonderen für Menschen aus den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten. Das verkennt Rechtsprechung, die es in der Bundesrepublik gibt, die eben gerade für die besondere Gruppe der ethnischen Minderheiten in den Balkanländern kumulative Verfolgungsgründe anerkennt. Das verkennt dieses Gesetz.

Herr Buhlert – –. Wo ist er?

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Hier!)

Da! Würden wir nicht auch flüchten, wenn wir Angehörige ethnischer Minderheiten im Balkan wären und strukturell ausgegrenzt und verfolgt würden? Ich denke, doch! Deswegen ist gerade das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten ein verfehltes Konzept.

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Es ist ein Konzept, das ein hohes Maß an Willkür beinhaltet. Wir haben gesehen: Jetzt soll die Türkei auch noch auf die Liste kommen. Die Türkei ist das Land mit einer der höchsten Inhaftierungszahlen aus politischen Gründen, mit der höchsten Zahl politisch Inhaftierter. Es ist ein Land, das mit Sicherheit nicht sicher ist, wie die Anschläge und die Repressionen zeigen.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Vergehen gegen die Meinungsfreiheit!)

Ich denke, da gibt es genug Beispiele, warum solche Länder nicht sicher sind.

(Beifall DIE LINKE – Zurufe)

Wir haben schon in der letzten Sitzung der Bürgerschaft über zwei Anträge von der CDU und von uns diskutiert. Das Ergebnis der Beratungen im Senat und der Mitgliederversammlung der Grünen war, dass sich der Senat im Bundesrat enthalten hat. Ich begrüße das, wir begrüßen das, denn auch die Vorteile, die in dem sogenannten Kompromiss enthalten sind, haben sich mir nie wirklich erschlossen. Bremen soll jetzt fünf Millionen Euro für den sozialen Wohnungsbau bekommen. Das ist angesichts der Bedarfe nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Davon kann man ungefähr 50 Wohneinheiten finanzieren, wir brauchen mehrere Tausend, also, ich bitte Sie, das ist nicht wirklich ein ernsthafter Vorteil!

(Beifall DIE LINKE)

Bremen bekommt jetzt schon 670 Euro pro Asylsuchendem während des Verfahrens. Danach gibt es nichts mehr. Wenn das Verfahren aber, wie der Bund verspricht und es beabsichtigt ist, durch mehr Personal im BAMF nach drei Monaten abgeschlossen ist: Nach Abschluss des Verfahrens gibt es nichts mehr!

Insgesamt bekommt Bremen 10,8 Millionen Euro für die Unterbringung von Geflüchteten, das haben wir heute Morgen gehört. Das entspricht einem Zehntel der Kosten. Das ist der Ausverkauf von Asylrechten und von sozialen Grundrechten, und der ist mit keiner Summe der Welt aufzuwiegen, schon gar nicht mit einer Summe, die die Finanznot Bremens nicht löst und die katastrophale Unterbringungssituation auch nicht verbessern wird.

(Beifall DIE LINKE)

Besser wären aus unserer Sicht die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes und die Einführung universeller sozialer und kultureller Existenzminima gewesen statt des Sachleistungszwangs, der die Menschen erniedrigt und die Kommunen belastet. Durch das SGB II für alle würde der Bund die Grundsicherung tragen und sich zu 30 Prozent an den KdU beteiligen. Das wäre für die Leistungsberechtigten besser gewesen und für Bremen auch!