Protokoll der Sitzung vom 08.05.2019

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt der Konsensliste zu.

(Einstimmig)

Verabredungen des Bremer Konsenses zur Schulentwicklung müssen schnellstmöglich Realität werden Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE vom 24. April 2019 (Drucksache 19/2151)

Wir verbinden hiermit:

Kein Minimalkonsens des „Weiter so“ – für einen Paradigmenwechsel in der Schulpolitik! Antrag (Entschließung) der Fraktion der FDP vom 7. Mai 2019 (Drucksache 19/2173)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Dr. Bogedan.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat der Abgeordnete Dr. vom Bruch das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Im vergangenen Herbst haben vier Parteien den sogenannten Bildungskonsens erneuert. Das heißt konkret, die bereits im Jahr 2008 geschlossene und 2009 in die Schulgesetzgebung überführte Vereinbarung wurde weiterentwickelt und ausdrücklich nicht nur, wie gelegentlich suggeriert, verlängert. Bislang handelt es sich allerdings lediglich um eine Übereinkunft der beteiligten Parteien. Die dem hier vorliegenden Antrag zugrunde liegende Beschlussfassung soll dafür sorgen, die Inhalte des Konsenses auch in eine Beschlusslage der Bürgerschaft zu überführen. Um

hier keine einseitige Rosinenpickerei zu betreiben, kann es für uns nur um eine Beschlussfassung zu allen Punkten der im vergangenen Herbst erzielten Übereinkunft gehen. Natürlich stehen wir zu allen inhaltlichen Teilen des Konsenses. Unser zentrales Signal darüber hinaus ist aber, dass wir einen bildungspolitischen Gestaltungsanspruch haben!

(Beifall CDU)

Lassen Sie mich hinzufügen: Wir werden sehr genau darauf achten, dass die Vereinbarung kein Papiertiger, sondern Grundlage einer endlich besseren Bildungsrealität in Bremen und Bremerhaven wird. Wir haben gezeigt, dass wir bereit sind, bildungspolitische Verantwortung in Bremen zu übernehmen, aber wir haben von Anfang an auch dazu gesagt, ein bloßes „Weiter so!“ kann und wird es mit uns nicht geben. Es kann nicht darum gehen, die desaströsen Ergebnisse der Bremer Schülerinnen und Schüler bei den Ländervergleichsuntersuchungen als quasi schicksalhaft weiter hinzunehmen. Es kann nicht darum gehen, Bildungschancen weiterhin so ungleich zu gestalten. Es kann nicht darum gehen, den Weg zur Inklusion trotz offenkundiger praktischer Probleme bei der Umsetzung einfach so oder im Zweifel par ordre du mufti fortzusetzen. Es kann auch nicht darum gehen, dass unsere Kinder auch zukünftig schlechtere Voraussetzungen für Studium und Ausbildung haben als Kinder in anderen Bundesländern. Dass das in der Vergangenheit so war und aktuell noch so ist, das ist Ihre politische Verantwortung. Ihnen das aber nicht auch noch für die Zukunft zu überlassen, ist unsere Verantwortung.

(Beifall CDU)

Der Konsens, meine Damen und Herren, ist ein Baustein auf dem Weg dahin. Eine an den Verhandlungen beteiligte Partei hat es übrigens ganz am Ende für richtig erachtet, abzuspringen und sich schlussendlich nicht zu beteiligen. Ich lasse politische Stilfragen und die Tatsache, dass ich bis heute keine einigermaßen plausible Begründung kenne, einmal außen vor. Auch Ihr ziemlich nachgeschoben wirkender Antrag hilft da nur mäßig weiter. Meine Damen und Herren von der FDP, Sie sind – und das ist für mich das Entscheidende – schlicht Ihrer politischen Verantwortung nicht gerecht geworden. Sie haben sich für einen kurzzeitigen politischen Effekt schlicht aus dem Staub gemacht. Sie haben wie schon beim letzten Mal Angst bekommen vor Ihrer eigenen Courage, obwohl Sie für das Mitmachen und nicht für das Weglaufen aus politischer Verantwortung gewählt worden sind.

Wenn wir so gehandelt hätten, hätte es bildungspolitisches Rot-Rot-Grün schon jetzt gegeben.

(Beifall CDU)

Deshalb ist es weit mehr als eine Selbstverständlichkeit, auch hier noch einmal zu betonen, dass wir mit dem Erhalt der Zweigliedrigkeit nicht nur die Existenz der Gymnasien vereinbart haben, sondern nun auch die Möglichkeit eröffnet ist, diese Schulart in der Zukunft endlich bedarfsgerecht zu entwickeln. Wir reden nicht nur von einer vielfältigen und einer leistungsorientierten Struktur, wir haben sie verlässlich und planbar vereinbart, denn Kontinuität und Transparenz sind ganz entscheidende Rahmenbedingungen für gute schulische Entwicklungen nach innen, und darum muss es zukünftig gehen!

(Beifall CDU)

Diese positive schulische Entwicklung brauchen die Schulen in Bremen und Bremerhaven ganz dringend. Darum war es wichtig, die Gründung des Instituts für Qualitätsentwicklung auch in diesem Zusammenhang noch einmal zu unterstreichen. Es geht nicht um Testeritis oder Gängeln, es geht um Unterstützung der Schulen und um die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Abschlüsse für unsere Kinder. Deshalb ist es im Interesse gerade der Schülerinnen und Schüler in Bremen und Bremerhaven, die durchschnittlichen Kompetenzwerte der anderen Stadtstaaten als Zielmarken zu erreichen und dies vereinbart zu haben. Daher ist es ein fatales, falsches Signal, Frau Senatorin Dr. Bogedan, das Sie aussenden, wenn Sie bei erster Gelegenheit wie bei den Vergleichsarbeiten VERA 3 gleich wieder einknicken. Glauben Sie ernsthaft, dass sich die Probleme der Bremer Schulen dadurch bewältigen lassen, dass Sie nicht mehr, sondern weniger hinschauen? Wohl kaum!

(Beifall CDU)

Denn während wir noch mühsam den bildungspolitischen Acker bestellen, haben Berlin und insbesondere Hamburg das längst hinter sich und können ernten. Genau das macht den Unterschied zwischen den Bundesländern, und dieser Unterschied ist kein Unterschied in den Fähigkeiten der Kinder, es ist ein politischer Unterschied.

(Beifall CDU)

Schulische Entwicklung ist nicht nur, aber sicher sehr wesentlich von der Ausstattung abhängig. Basierend auf Vergleichszahlen von 2015 haben wir rund 2 000 Euro pro Schüler und Schülerin und damit rund ein Viertel weniger für Bildung investiert und ausgegeben als die anderen Stadtstaaten. Nicht mehr aktuell, werden Sie wahrscheinlich gleich sagen, aber es zeigt, welche Rückstände zwischenzeitlich entstanden und bis heute nun einmal nicht aufgeholt sind, mit fatalen Folgen nicht zuletzt in der schulischen Infrastruktur, im faktischen Steckenbleiben oder zumindest in der viel zu schleppenden Umsetzung wichtiger Projekte wie dem Ganztag oder auch der Inklusion. Sie haben den Haushalt auf Kosten der Substanz, aber auch zulasten unserer Kinder saniert. Es wird darauf ankommen, die auch in diesem Punkt gegensteuernden Vereinbarungen des Konsenses nachdrücklich in praktische Politik umzusetzen, das heißt konkret die Angleichung der Pro-Kopf-Ausgaben so schnell wie möglich. Hierin liegt die Kernaufgabe unserer politischen Zukunft, und dafür werden wir sorgen.

(Beifall CDU)

Eine bildungspolitische Hauptaufgabe, deren Förderung mir und ganz besonders auch meiner Fraktion am Herzen liegt, ist die Verbesserung der frühkindlichen Bildung. Auch hier haben Sie es in der Vergangenheit geschafft, daraus ausschließlich oder zumindest vorwiegend eine Mangeldiskussion, insbesondere um Kapazitäten, zu machen. Den Anforderungen an eine moderne Ausstattung und Versorgung laufen Sie bis heute hinterher, statt wie eigentlich notwendig eine qualitative Diskussion zu führen. Eine Diskussion, wie wir es endlich schaffen, Defiziten, aus welchen Gründen auch immer entstanden, so früh und so wirkungsvoll wie möglich entgegenzutreten, wie wir Betreuung in Bildung und vorschulische Vorbereitung verändern können, damit Schulen ihre Arbeit machen können, damit dort nicht ständig Nachbesserung statt Kompetenzerwerb stattfindet, damit in Schulen und Kitas Chancen eröffnet werden und damit sie endlich zu einem aufbauenden und sich gegenseitig ergänzenden System zusammenwachsen.

Wir wollen auch den Rückenwind des Konsenses, endlich die quälenden Personal- und Platzdiskussionen überwinden, die die Vergangenheit und die Gegenwart bestimmen, obwohl wir eigentlich gerade bei der frühkindlichen Bildung weiter sein müssten.

(Beifall CDU, BIW)

Ich will den konstruktiven Beratungsprozess hin zu den Vereinbarungen hier gar nicht in Frage stellen. Der Konsens hat auch gezeigt, dass wir uns über die Ziele gar nicht so uneinig sind. Das Gegenteil gilt allerdings für die Bewertung der realen Ergebnisse Ihrer Politik. Dies gilt nun einmal auch für die Art und Weise, wie Sie Politik gestalten. Abstrakt hat sich leider in der ganzen Republik und auch in Bremen herumgesprochen, dass der Bereich Bildung die politische Baustelle unseres Stadtstaates ist. Ich lasse einmal außen vor, dass unsere bildungspolitische Situation zu einem imagebezogenen Negativfaktor für Bremen und in der überregionalen Daraufsicht geworden ist, nicht nur mit Folgen für den Wirtschaftsstandort, sondern auch mit Folgen für die Gewinnung und die Ausbildung von Fachkräften in einer sich republikweit verschärfenden Situation.

Es gibt aber leider immer wieder die sehr konkreten Beispiele, die dieses Image nach innen und außen nähren, und ich will Ihnen nur eines aus der letzten Woche geben. Das zeigt, dass der Bildungskonsens das eine, die immer wieder wenig erfolgreiche Umsetzung aber das andere ist, und hier kommen wir an den Punkt, der in Wahrheit den politischen Unterschied macht. Sie informieren die Öffentlichkeit darüber, dass neben den Lehrerinnen und Lehrern, die sowieso schon fehlen, durch zusätzliche Klassenverbände in Bremen und Bremerhaven landesweit ein zusätzlicher Bedarf von circa 150 Lehrkräften entstehen wird. Eigentlich ist eine besorgniserregende Botschaft schon genug. Entlarvend ist dabei aber insbesondere, dass nicht verausgabte Personalmittel der Vergangenheit – und die gibt es nur deshalb, weil Einstellungen in dem notwendigen Umfang nicht erfolgten – ausgerechnet personelle Mehrbedarfe der Zukunft mitfinanzieren sollen. Dass Sie dafür nicht sofort zusätzliche Mittel mobilisieren, zeigt doch, dass Sie selbst nicht mehr mit der vollen und bedarfsgerechten Zahl von Neueinstellungen rechnen.

(Glocke)

Deshalb ist die bildungspolitische Botschaft noch viel schlimmer. Sie haben längst aufgegeben und sich im Mangelmanagement eingerichtet, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU, BIW)

Wir – und das ist meine Schlussbemerkung – wollen schnellstmöglich unter anderem 105 Prozent Personal im Unterrichtsbereich. Da wird der Unterschied zwischen uns deutlich. Sie unterschreiben,

machen es aber nicht. Sie unterschreiben nicht, wollen es aber auch. Nur für uns ist klar, wir haben unterschrieben und wir werden es realisieren und das macht den politischen Unterschied. – Herzlichen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja interessant, dass der Kollege der CDU jetzt unseren Wahlkampfslogan verwendet hat.

(Abgeordneter Dr. vom Bruch [CDU]: Habe ich das? Welchen von den vielen denn?)

Ja, das haben Sie. Wir haben auf unseren Plakaten stehen: „Wir machen das“. Aber einmal vorweg: Die Antwort auf die Frage, wie wir bei dem bundesweiten Fachkräftemangel sofort dazu kommen, dass alle Stellen besetzt sind, ist auch Ihr Kollege Thomas Röwekamp in der bildungspolitischen Debatte am Sonntag schuldig geblieben. Das können Sie aber eventuell noch einmal erzählen, denn vielleicht haben Sie das Rad erfunden, das Ihre Kollegen in Sachsen nicht erfinden konnten. Ich bin gespannt.

Ich komme jetzt aber zu dem Antrag. Es ist gesagt worden: Wir haben im vergangenen Sommer ziemlich lange verhandelt und uns in diesen Verhandlungen auf einen neuen Schulkonsens geeinigt. Im Gegensatz zu dem ersten Schulkonsens aus dem Jahr 2008 beteiligen wir uns dieses Mal daran und das hat einen Grund, denn dieser Schulkonsens beinhaltet endlich auch Aussagen, wie das Bremer Schulsystem materiell und finanziell besser auszustatten ist. Das war in dem alten nicht zu finden. Wir haben uns deswegen auch sehr konstruktiv und mit Vorschlägen, die in den Schulkonsens aufgenommen sind, an den Verhandlungen beteiligt und letztendlich auf einem Parteitag dafür geworben, zuzustimmen, und das haben wir dann auch getan.

Für uns war es in diesen Verhandlungen sehr wichtig, dass das zusätzliche Geld für die Bremer Schulen nicht einfach mit der Gießkanne über beide Stadtgemeinden ausgeschüttet wird. Stattdessen sollen zusätzliches Geld, zusätzliche Stellen und zusätzliche Förderung gezielt eingesetzt werden,

um die Ungerechtigkeiten, die wir in unserem Bundesland im Schulsystem haben, ansteuern und dann gegensteuern zu können.

Die PISA- und die IQB-Studien haben immer wieder gezeigt, dass der Bildungserfolg in Bremen sehr stark vom sozialen Status des Elternhauses abhängt. Und diese soziale Spaltung muss natürlich, weil sie tief im Bildungssystem steckt, überwunden werden, wenn wir in der Vergleichbarkeit einmal zu anderen Ergebnissen kommen wollen.

Es ist ja kein allgemeines Problem, das alle betrifft, sondern es betrifft alle unterschiedlich und alle haben auch unterschiedliche Voraussetzungen, übrigens auch die Schulen. Das ist das Problem: Auch wenn wir über Lehrermangel reden, haben wir ja Schulen, an denen ganz viele Lehrer fehlen, und wir haben Schulen, an denen vergleichsweise wenige Lehrer fehlen. Interessanterweise gibt es da eine Korrelation, nämlich gerade an den Schulen, an denen die Probleme besonders groß sind, der Sprachförderbedarf hoch, die Armut hoch, da fehlen auch die meisten Lehrer.

Daher finde ich sehr gut, dass wir in dem Konsens vereinbart haben, dass wir Steuerungsmomente finden wollen, um passgenauer nachzusetzen. Es kann ja eigentlich von allen nur das Ziel sein, allen Kindern und Jugendlichen, und zwar unabhängig davon, wo sie wohnen, an welche Schule sie gehen und wie ihre Eltern finanziell dastehen, den gleichen Bildungserfolg möglich zu machen.

(Beifall DIE LINKE)

Das lässt sich natürlich dann erreichen, wenn wir Schulen in den armen Stadtteilen mit besonders hohen Sozialstufen besser ausstatten. Das haben wir im Schulkonsens vorgeschlagen ebenso wie die Doppelbesetzung im Unterricht an den Grundschulen, den sogenannten Brennpunktschulen. Das ist parteiübergreifend aufgenommen worden und dafür bin ich auch sehr dankbar. Außerdem wird der Sozialindex überarbeitet, um Armut besser abzubilden und dann die Personalstunden besser zuweisen zu können. Das sind wichtige Maßnahmen, die wir verabredet haben, um dem Ziel von Bildungsgerechtigkeit näher zu kommen.

(Beifall DIE LINKE)

Und für diese Erfolge – und für uns ist das wirklich etwas, das wir als Erfolg werten – war unsere Partei auch bereit, die Forderungen nach einer „Schule

für alle“ für die nächsten zehn Jahre hintanzustellen, auch wenn Ergebnisse immer wieder betonen, dass längeres gemeinsames Lernen zu besseren Ergebnissen führt, weil wir gesagt haben, wir führen diese Debatte nicht, wenn wir den Schulen in Bremen und Bremerhaven jetzt, konkret besser, genauer und damit tatsächlich auch jedem einzelnen Kind, helfen können.

(Beifall DIE LINKE)