Protokoll der Sitzung vom 09.05.2019

Das medizinische Versorgungsangebot im Land Bremen wird von uns als angemessen und ausreichend angesehen, aber es ist nicht lückenlos. Ein Konzept für eine Neuausrüstung der humanitären Sprechstunde wurde erarbeitet und befindet sich im Abstimmungsverfahren zwischen den verschiedenen Beteiligten. Sollten nach einer Erprobungszeit der Neuausrichtung höhere finanzielle Mittel benötigt werden, dann werden wir uns als SPD in den dann anstehenden Haushaltsberatungen dafür einsetzen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ziel sollte sein, eine bundesweite einheitliche Lösung anbieten zu können. Ziel sollte sein, dass für alle Menschen gleichermaßen geltende Recht und den Anspruch auf eine reguläre Gesundheitsversorgung umzusetzen, ohne Rücksicht, da bin ich voll bei den Linken, auf ihren Aufenthaltsstatus.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Ich möchte noch einmal anfügen, das habe ich noch einmal ein bisschen recherchiert, lückenlos ist das nicht. In Bremen ist jetzt auch seit kurzem eine Zahnarztpraxis dabei, Obdachlose kostenlos, freiwillig und ehrenamtlich zu versorgen. Das ist eine große Sache, da arbeiten viele engagierte Menschen mit, die sich dann ehrenamtlich einbringen. Wenn wir das weiter verfolgen, dann sind wir, glaube ich, auf einem guten Weg. Herzlichen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat die Abgeordnete Grönert das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bereits seit 1948 ist die gesundheitliche Versorgung papierloser Menschen in der UN-Menschenrechtscharta verankert. Zu den Anspruchsberechtigten gehören mittlerweile aber auch die, die einfach keine Krankenversicherung haben. Die Umsetzung in den Ländern ist sehr unterschiedlich geregelt und in Deutschland unterscheidet sich die geübte Praxis auch in den Bundesländern, das hat Herr Welt auch ausgeführt. Im Wesentlichen basiert aber die Versorgung papierloser Menschen in Deutschland auf ehrenamtlichem Engagement von Ärzten und Ärztinnen in Praxen oder Kliniken und über humanitäre Sprechstunden im öffentlichen Gesundheitsdienst, so auch in Bremen und Bremerhaven.

Die Fraktion DIE LINKEN schreiben einleitend in ihrer Großen Anfrage, dass es seit der Einführung dieser Sprechstunde in Bremen bis 2016 zu einer stetigen Zunahme der Nutzerzahlen gekommen ist. Das ist richtig, doch richtig ist auch, dass sich die Zahl von 2016 auf 2017 wieder um rund 50 verringert hat und in 2018, abschließende Zahlen lagen noch nicht vor, auch nur wieder ungefähr die 508 Kontakte aus 2016 erreicht wurden. Somit zeigt sich, dass die Zahl der Patienten zurzeit eigentlich recht stabil ist, aber trotzdem wurde die Ausstattung der Sprechstunde in 2018 um ein vielfaches verbessert.

(Zuruf Abgeordnete Leonidakis [DIE LINKE])

Damit hat man auch den gestiegenen Zahlen der ersten Jahre die nötige Rechnung getragen, aber insgesamt stellt sich mir die Ausstattung heute doch als recht tragfähig dar. Es ist richtig, dieses Angebot stets im Blick zu behalten, aber seit der verbesserten Ausstattung in 2018 ist noch kein Jahr vergangen und mit Blick auf die zurzeit recht konstanten Nutzerzahlen verstehe ich die heutige Debatte, ehrlich gesagt, nicht.

Statt 20 000 Euro hat das Bremer Gesundheitsamt für die humanitäre Sprechstunde nun jährlich 113 000 Euro als Gesamtbudget zur Verfügung. Deshalb gibt es auch seit Juli 2018 in dieser Sprechstunde eine sichere halbe Arztstelle. Zu Bremerhaven sind die Angaben in dieser Großen Anfrage nur recht kurz und knapp. Ich hatte ohnehin den Eindruck, dass es der Fraktion DIE LINKEN hauptsächlich um die Situation hier in Bremen geht.

Ja, alle Menschen sollen ein Zugang zur medizinischen Versorgung haben, aber einige Menschen haben aus verschiedenen Gründen nur einen Zugang zu einer sogenannten Basisversorgung. Das anders zu organisieren, nämlich jedem Menschen den Zugang zur Komplettversorgung zu ermöglichen, wäre nicht nur denen gegenüber ungerecht, die sich oft genug mit einem für sie hohem, auch finanziellem, Aufwand bemühen, eine Krankenversicherung zu haben und die dafür, oft sogar unter großen Anstrengungen, auch in eine private Krankenversicherung einzahlen müssen. Es würde sich wohl so mancher mit der eigenen Anstrengung überlegen, wenn es auch so möglich wäre, über die Basisversorgung hinaus alle Angebote frei nutzen zu können. So wie es DIE LINKEN am liebsten hätten.

(Zuruf Abgeordnete Leonidakis [DIE LINKE])

Nicht immer, Frau Leonidakis, ist das was insgesamt am Ende vielleicht billiger ist, auch das Sinnvollste. Die humanitäre Sprechstunde ist aber für die Betroffenen ein überaus sinnvolles und hilfreiches Angebot, welches wir nicht nur vorhalten müssen, sondern es auch vorhalten wollen. Menschen in Not brauchen Hilfe, das hat auch etwas mit Verantwortung füreinander und Achtung der Menschenwürde zu tun. Niemand darf im Stich gelassen werden und trotzdem gibt es Unterschiede, die auch bleiben sollten.

Ein Weiteres sollten wir aber auch stets im Blick behalten. Es muss auch immer das konsequente Bemühen vorhanden sein, festzustellen, ob die Inanspruchnahme der humanitären Sprechstunde überhaupt zu rechtfertigen ist. Anscheinend passieren da die merkwürdigsten Dinge, denn wie der Senat schreibt, versuchen auch Touristen, Geduldete aus anderen Bundesländern oder sogar Menschen, die keine Lust haben, lange auf einen Termin zu warten, in der humanitären Sprechstunde behandelt zu werden. Auch Menschen, Deutsche wie Ausländer, die selbst nicht wissen, ob sie krankenversichert sind, finden sich in dieser Sprechstunde ein. Da muss natürlich in allen Fällen geklärt werden, welche anderen Finanzierungswege es noch alternativ zur Nutzung dieser Sprechstunde gibt.

(Beifall CDU)

Nur für solche, die wirklich nirgendwo anders Ansprüche geltend machen können, ist die humanitäre Sprechstunde da. Fragen der Fraktion DIE LINKEN nach einem anonymen Krankenschein, wie er in Niedersachsen modellhaft erprobt wird, hat der Senat auch beantwortet, aber für Bremen nicht als sinnvoll erachtet, so habe ich das jedenfalls gelesen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Ja, das vom Senat angekündigte Konzept für eine Neuausrichtung der humanitären Sprechstunde befindet sich aktuell in der Abstimmung mit den Beteiligten und wird wohl demnächst auch vorgelegt. Die Finanzen mit der deutlichen Erhöhung von 20 000 auf 113 000 Euro scheinen derzeit auch auszureichen. Somit macht für mich diese Debatte zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich auch gar keinen größeren Sinn. Man kann dadurch heute allenfalls noch einmal für dieses wichtige Thema sensibilisieren. Am Ende bin ich gespannt auf das Konzept, dass jetzt demnächst vorgelegt werden soll und hoffe, dass das nicht mehr allzu lange auf sich warten lässt. – Vielen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat der Abgeordnete Pirooznia das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorweg: Die Gesundheitsversorgung der gesamten Bevölkerung ist eine menschenrechtlich begründete Herausforderung für Staat und Gesellschaft. Neben der humanitären

Verpflichtung gilt es auch, die Aufgabe des Gesundheitsschutzes zu erfüllen. Fehlende oder mangelnde Informationen und Zugangshindernisse können dazu führen, dass eine erforderliche medizinische Versorgung nicht erfolgt. Dann unterbleiben etwa bei Kindern wichtige Vorsorgeuntersuchungen, bei akut Erkrankten oder nach Unfällen wird der Arzt unter Umständen nicht oder nicht rechtzeitig aufgesucht. Patientinnen und Patienten mit infektiösen Erkrankungen begeben sich möglicherweise nicht in ärztliche Behandlung. Das kann nicht nur vermehrtes individuelles Leiden nach sich ziehen, sondern auch Belastungen oder gar gesundheitliche Gefährdung für die Menschen im Umfeld der Betroffenen.

Aus der Antwort des Senats geht hervor, dass wir in Bremen mit dem Bremer Modell, mit der humanitären Sprechstunde und der Gesundheitskarte gut aufgestellt sind. Das Bremer Modell wurde vor 25 Jahren implementiert und immer weiterentwickelt und gilt bis heute als ein bundesweites Vorbild. Es verfolgt einen differenzierten und ganzheitlichen Ansatz für Menschen mit Migrationshintergrund, in Würdigung der besonderen Herausforderung im akutmedizinischen Bereich. Es schließt dabei nicht nur Geflüchtete ein, sondern wurde zwischenzeitlich Teil des Gesamtangebots in der medizinischen Versorgung. Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis und Bürgerinnen und Bürger aus den EU-Staaten ohne Krankenversicherungen profitieren ebenfalls von diesem Angebot.

Die humanitäre Sprechstunde wird in Bremen angeboten, um Menschen ohne Papiere Zugang zur Gesundheitsversorgung zu ermöglichen. Die anonyme und unentgeltliche allgemeinärztliche Basisversorgung wird hier im örtlichen Gesundheitsamt angeboten. Auch mit der Gesundheitskarte haben wir in Bremen einen weitaus fortschrittlicheren Weg eingeschlagen als mit dem Instrument des anonymen Krankenscheins, wodurch unter anderem auch Kosten und Verwaltungsaufwand eingespart werden.

(Abgeordnete Leonidakis [DIE LINKE]: Das gibt es doch noch gar nicht!)

Grundsätzlich sind das Personal der humanitären Sprechstunde ebenso wie das gesamte medizinische Personal der Gesundheitsämter der ärztlichen Schweigepflicht unterworfen. Das gilt auch für das Angebot einschließlich der Personaldaten und in über zehn Jahren des bestehenden Angebots der humanitären Sprechstunde hat es diesbezüglich

keine Probleme gegeben, sodass das Thema der Anonymität sichergestellt ist.

Ab 2018 wurde, das haben wir hier auch mehrmals besprochen, die humanitäre Sprechstunde mit 113 000 Euro gestärkt, daher freue ich mich über die gute Versorgungsstruktur, die auch im bundesweiten Vergleich führend ist.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Auch an dieser Stelle, denke ich, wird deutlich, wie wichtig ein gut ausgestatteter öffentlicher Gesundheitsdienst sein kann. Daher lassen Sie uns gemeinsam die Strukturen des öffentlichen Gesundheitsdienstes im Rahmen der nächsten Haushaltsaufstellung stärken, um den Gesundheitsschutz der Bevölkerung im Land Bremen auf einem guten Niveau sicherzustellen.

Der anonyme Krankenschein, der von der Kollegin Leonidakis angesprochen worden ist, wird meiner Lesart nach von dem Senat nicht als positives Beispiel oder als Modell für Bremen gesehen, sondern es wird vielmehr darauf aufmerksam gemacht, dass die Ergebnisse nach der Evaluation in Niedersachsen, die drei Jahre anhält, natürlich Berücksichtigung finden und eventuell hier einfließen sollen, aber der Bedarf eines anonymen Krankenscheins ist hier nicht gegeben. Von daher bin ich stolz auf die Strukturen, die wir in den vergangenen Jahren hier aufgebaut haben, und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. — Vielen Dank!

(Glocke)

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen – Abgeordnete Le- onidakis [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwi- schenfrage.)

Als nächster Redner hat der Abgeordnete Dr. Buhlert das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eine Gesundheitsbasisversorgung ist ein Menschenrecht und diesem Menschenrecht kommen wir in Bremen nach. Insofern stellt sich die Frage, wo ist das Problem? Natürlich kann man beklagen, dass das Asylbewerberleistungsgesetz gewisse Grenzen setzt, aber das betrifft Menschen, die nur einen bestimmten Aufenthaltsstatus haben, der noch zu klären ist und entsprechend gibt es hier Einschränkungen. Die Versorgung von Menschen, die Gesundheitsbasisversorgung, da sind Bremen und

Bremerhaven im bundesweiten Vergleich hervorragend und das muss jede Opposition auch hier in Bremen anerkennen.

(Beifall FDP, CDU, Bündnis 90/Die Grünen)

Es sind viele Ehrenamtliche dort unterwegs, denen kann man nur dankbar sein, dass sie das unterstützen. Ein wesentliches Rückgrat dieser Versorgung ist aber die humanitäre Sprechstunde und die Gesundheitskarte, die in Bremen ausgegeben wird. Insofern gibt es Möglichkeiten, Gesundheitsdienstleistungen in Anspruch zu nehmen, Ärzte zu besuchen und ausreichend versorgt zu sein. Es gab Probleme in der humanitären Sprechstunde, dass wissen wir alle. Es gab DIE LINKEN, es gab aber auch andere, die darauf aufmerksam gemacht haben und das Problem wurde abgestellt, wie auch die Personalsituation im Gesundheitsamt verbessert worden ist, nachdem sie in der Tat sehr prekär war und fast zehn Prozent der Stellen nicht besetzt waren und das öffentliche Gesundheitswesen wirklich krank war. Die Gesundung ist eingeleitet, die Personalsituation ist verbessert. Das sind alles Dinge, die eigentlich nicht hätten eintreten dürfen, aber die Kritik ist da auch zurecht in der Vergangenheit angesiedelt und man muss anerkennen, dass hier die Gesundheitsadministration tätig war. Es ist dann vorgeschlagen worden, diesen anonymen Krankenschein hier in Bremen zu nutzen, aber nach meiner Kenntnis ist das Modellprojekt in Niedersachsen sogar eingestellt worden. Das heißt doch, es hat sich nicht bewährt und ich glaube, wir sollten nicht auf Dinge setzen, die sich nicht bewährt haben, sondern wir sollten das weiter verfolgen, was sich bewährt hat

(Beifall FDP, CDU)

und das ist eine humanitäre Sprechstunde, die ausreichend ausgestattet ist, nicht so attraktiv ist, dass sie normale Ärzte ersetzt, weil sie das nicht kann. Das darf sie nicht und vor allem soll sie das auch nicht, denn dafür gibt es das normale Gesundheitssystem und es gibt die Ausgabe der Gesundheitskarte, um die wir von vielen beneidet werden.

Ich werde von vielen Gesundheits- und Sozialpolitikern angesprochen, erkläre mir einmal, wie macht man das in Bremen. Da kann ich nur sagen, es gibt Dinge, das muss man neidlos anerkennen, die in Bremen gut gelöst sind. Das ist hier gut gelöst, inzwischen auch wieder personell erträglich ausgestattet und insofern kein Grund, an dem wir als Opposition uns abarbeiten müssten, um zu sagen, dass hier Verbesserungen notwendig sind. Es

ist befriedigend gelöst, und das haben wir zur Kenntnis zu nehmen, und so lese ich auch die Antwort des Senats auf die Anfrage. – Vielen Dank!

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Kück.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das kommt nicht oft vor, dass man von der Opposition gelobt wird, dass man sagt, dass wir in einem bestimmten Feld federführend seien.

(Zuruf CDU)

Ja, aber nicht so oft, deswegen würde ich diese Momente auch gern genießen, wenn das einmal passiert.

(Beifall SPD)

Ich glaube, ich muss Ihnen jetzt alles nicht noch einmal erklären, das ist in allen Reden herausgekommen, in welchem Ablauf die humanitäre Sprechstunde funktioniert, und warum und weshalb wir sie eingerichtet haben.