Rechte von Menschen mit psychischen Erkrankungen in öffentlich-rechtlicher Unterbringung stärken Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 16. Januar 2019 (Drucksache 19/1999)
Bericht der Besuchskommission für den Zeitraum Mai 2016 bis April 2018 nach dem Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG) Mitteilung des Senats vom 5. Februar 2019 (Drucksache 19/2030)
Ich gehe davon aus, dass der Senat die Antwort auf die Große Anfrage nicht mündlich wiederholen möchte, sodass wir direkt in die Aussprache eintreten können.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist im Prinzip unmöglich, diese drei Tagesordnungs
punkte mit sehr ausführlichen Berichten in fünf Minuten unterzubringen. Deshalb lassen Sie mich zu unserer Großen Anfrage im Wesentlichen nur sagen: Herzlichen Dank für die Beantwortung! Wir haben das neue Bundesteilhabegesetz und es wird mit diesem sehr viel aufwendigeren Gesamtplanverfahren natürlich auch bedeuten, dass wir in eine neue Ära eintreten, die sehr viel zusätzliche Arbeit und Aufwand bedeutet.
Der entsprechende Personalaufwuchs in der Sozialbehörde hat auch schon begonnen. Insofern müssen wir uns ansehen, was es bedeutet, und auswerten, wenn das Ganze in die Umsetzung gegangen ist. Ich möchte nur eine Anmerkung dazu machen: Der sozialpsychiatrische Dienst bekommt zusätzliche sieben Vollzeitäquivalente. Das klingt erst einmal ganz gut, aber in den letzten Jahren sind auch vier Stellen weggefallen, sodass man aktuell knapp über dem alten Bedarf ist. Dorthin sehen wir mit Sorge.
Ich möchte auf einen Punkt aufmerksam machen, der sich insbesondere auf unseren Antrag bezieht, und das sind die Fixierungen. Ich hatte damit sehr viel zu tun, als ich in der letzten Legislaturperiode mit dem Thema in der Besuchskommission gewesen bin, und wir hatten es hier auch schon einmal zum Gegenstand einer Aktuellen Stunde gemacht. Das Bundesverfassungsgericht hat im Juli 2018 ein vielbeachtetes Urteil dazu gefällt und demnach sind Fixierungen ein Eingriff in die Freiheit der Person und sie dürften ohne richterliche Genehmigung auf gar keinen Fall länger als 30 Minuten dauern.
Das Urteil hat eine Veränderung des bremischen PsychKGs erforderlich gemacht und das ist in der März-Sitzung auch passiert, allerdings ohne Debatte. Es gibt aktuell zwei Fälle in Hamburg, in denen zwei Menschen aufgrund von Fixierungen zu Tode gekommen sind. Wir haben auch hier im KBO einen Fall gehabt.
Ich möchte, dass wir auf diesen Zusammenhang noch einmal verschärft eingehen, denn es ist so weit richtig: Vielleicht gibt es Situationen, in denen das tatsächlich erforderlich ist. Aber im Großen und Ganzen weisen sie darauf hin, dass wir zu wenig Personal haben, um mit den Menschen entsprechend umzugehen. Die Bedürfnisse des ärztlichen Personals nach Rechtssicherheit sind verständlich, aber ich finde, das ist nur die eine Seite der Me
daille. Ob auch der Anspruch erfüllt wird, dass Fixierungen seltener zu Rückfällen führen und nur die äußerste Ausnahme sind, dafür müssen wir in die kommenden Berichte der Besuchskommission hineinsehen. Wir bräuchten eigentlich eine permanente Berichterstattung und klare Statistiken für die Zahl, die Dauer und die Einhaltung der Personalschlüssel.
Das gibt es bislang nicht. Beim KBO ist dieser Schlüssel auch nicht eingehalten worden. Für das Klinikum Nord gibt es eine zahlenmäßige Angabe, das finde ich löblich, für das KBO gibt es das nicht. Wir wissen – und das finde ich in dem Zusammenhang wichtig –, dass ein enger Zusammenhang zwischen der Personalausstattung und der Zahl der Fixierungen besteht. Alternativen sind personalintensiv.
Deswegen halte ich auch die Formulierung im jetzt geänderten bremischen PsychKG für einen Gummiparagrafen. Da heißt es jetzt: „Eine Fixierung ist zulässig, wenn eine andere, weniger eingreifende Maßnahme nicht in Betracht kommt.“ Das ist interpretationsfähig. Auch eine Nachbereitung mit dem Patienten ist weiterhin nicht verpflichtend vorgeschrieben. Ich finde, wenn wir uns das ansehen, dass der Senat und die Bürgerschaft dem Zusammenhang nicht gefolgt sind, wenn der Landesverband der Psychiatrie-Erfahrenen gefordert hat, dass eine Fixierung nach 30 Minuten aufzuheben ist, wenn keine richterliche Genehmigung vorliegt. Denn hier heißt es ganz schmallippig: Das entspricht nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Offenbar geht es hier um eine möglichst minimalistische Umsetzung der neuen Rechtslage.
Im richterlichen Bereich wird das Personal aufgestockt, weil richterliche Bereitschaftsdienste zur Verfügung stehen müssen, für das klinische Personal gibt es keine entsprechende Aufstockung. Ich halte das für unverantwortlich.
Es wird dazu führen, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in der Praxis nicht wirklich umgesetzt werden kann. Wir haben deshalb genau diesen Antrag geschrieben. Wir beantragen hiermit nämlich zweierlei: Zum einen soll außerhalb des PsychKGs
die landesgesetzliche Grundlage von Fixierungen überprüft werden. Ich spreche jetzt gar nicht über die Forensik, auch da gibt es Zusammenhänge, die mehr als kritikwürdig sind. Zum anderen soll der erforderliche personelle Mehrbedarf ermittelt werden, der in den Kliniken durch die neuen rechtlichen Vorgaben entsteht. Wir brauchen eine demokratische Psychiatrie und eine, die den Menschen gerecht wird, und wenn ich mir insbesondere die Fälle in Hamburg ansehe, dann möchte ich nicht, dass so etwas auch in Bremen nur annähernd Realität wird,
und deshalb werden wir auch diesen Zusammenhang in der nächsten Legislaturperiode weiter verfolgen und darauf unser Augenmerk richten, dass sich hier die Zustände verbessern. – Danke schön!
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier heute ein ganzes Paket an unterschiedlichen Themen, die sich alle mehr oder weniger mit der Psychiatrie befassen. Darum will ich auf die Große Anfrage auch nur ganz kurz eingehen.
Das Bundesteilhabegesetz hat dazu geführt, dass wir hier jetzt zu mehr Personal kommen, weil Menschen mit Behinderungen und eben auch psychisch kranke Menschen, die hier einbezogen sind, stärker teilhaben und selbstbestimmt leben sollen, und dazu gehört das Gesamtplanverfahren, da kann man aus der Antwort des Senats einiges ablesen. Das ist nicht ohne, da wird viel genauer und individueller mit den Betroffenen geschaut, was sie eigentlich an Unterstützung brauchen, und das erfordert natürlich mehr Personal. Das haben wir in der Deputation für Gesundheit- und Verbraucherschutz, in der Sozialdeputation, jetzt auch im Haushalts- und Finanzausschuss gehabt, von daher glaube ich, dass wir als Land Bremen in guten Schuhen stehen.
Nun kommen wir zum Antrag der Fraktion DIE LINKE! Natürlich, das Thema Fixierung, das hat Frau Bernhard hier angesprochen, das ist eines, das wir auch im Rahmen der Besuchskommission immer wieder haben, wenn wir in die psychiatrischen
Abteilungen gehen. Aus den dortigen Gesprächen und ebenso aus entsprechenden Vorlagen wissen wir allerdings auch, dass die Fixierungen in letzter Zeit weniger geworden sind, und dass sich eine große Anzahl der Fixierungen auf wenige Personen fokussiert, weil es natürlich Menschen gibt, die auch für das Personal in ihrem Verhalten so schwierig
und mit Aggressionen behaftet sind, dass zu ihrem eigenen Schutz und auch zum Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Fixierungen durchgeführt werden.
Gleichwohl ist dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts wichtig und auch richtig, auch aus Sicht der SPD-Fraktion, und genau deshalb haben wir das PsychKG, also das entsprechende Gesetz, reformiert. Dass man sich auch immer noch einmal ansehen muss, ob es ausreichend ist, das ist völlig unbenommen. Ich glaube aber, uns hier zu unterstellen, wir wären minimalistisch vorgegangen und hätten gar nicht den Anspruch gehabt, diese Dinge in Erwägung zu ziehen, das möchte ich, ehrlich gesagt, von mir weisen.
Auch jetzt müssen Fixierungen begründet werden, und auch das kann natürlich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter davon abhalten, das zu schnell zu tun, denn Dokumentationen und so weiter sind mit einem Aufwand verbunden, und da überlegt man sich vielleicht in dem Moment noch einmal, ob die Fixierung wirklich nötig ist und ob man es nicht auch anders machen kann?
Sie sprechen in Ihrem Antrag auch vom Personalmehrbedarf, der ermittelt werden soll, und dass dann die entsprechenden Mittel zur Verfügung gestellt werden sollen. Ich habe da noch einmal im Justizressort nachgefragt, und dort wurde mir gesagt, der richterliche Eildienst ist inzwischen eingerichtet, ein entsprechender Personalmehrbedarf wurde ermittelt, und – das muss man immer im Zusammenhang mit dem psychiatrischen Kliniken sehen – wir haben eine bundesweite gesetzliche Regelung, nämlich eine Psychiatriepersonalverordnung, die auch dafür sorgt, dass die Kliniken, zumindest das Personal, das sie auch in der Psychiatrie einsetzen und auch darunter deklarieren, dass sie auch tatsächlich das Personal dort einsetzen und nirgendwo anders. Das erwarte ich auch, sonst
müssen die Kliniken nämlich das Geld an die Krankenkassen zurückzahlen, und das ist auch nicht im Sinne der Häuser. Aus diesen genannten Gründen werden wir Ihren Antrag ablehnen.
Lassen Sie mich kurz etwas zu dem Bericht der Besuchskommission sagen. An der Besuchskommission nehmen auch immer rege Einzelne von unserem Haus teil. Wenn Sie sich das Fazit der Besuchskommission am Ende des sehr ausführlichen Berichts anschauen, dann sehen Sie ganz klare Kritik, die darin steht, auch klare Handlungsempfehlungen, und dazu haben wir uns in der Sondersitzung der Deputation im vergangenen August ausführlich geäußert. Wir haben mehrere Stunden lang mit Expertinnen und Experten diskutiert. Also, dass wir dieses Thema ernst nehmen, das haben wir, glaube ich, besonders in dieser Legislaturperiode unter Beweis gestellt.
Für mich ist wichtig, dass wir dazu kommen und diesen Weg auch weitergehen, die Psychiatrie wirklich zu reformieren. Wir haben mit der Umsetzung und mit dem entsprechenden Konzept, das wir uns Anfang dieses Jahres auch in der Deputation sehr ausführlich haben vorstellen lassen und sehr ausführlich erörtert haben, aus meiner Sicht einen echten Meilenstein erreicht. Psychisch kranke Menschen sollen eben nicht mehr in ein Krankenhaus kommen, wenn es auch eine andere Behandlungsmöglichkeit gibt, wenn sie nämlich in ihrem Lebens- und Wohn- und Arbeitsumfeld behandelt werden können: aufsuchend, ambulant und teilstationär. Es ist in jedem Fall besser, die Menschen in ihrem Umfeld zu belassen, es gibt mehr Chancen auf Genesung und weniger Verwerfungen, und darum ist es genau wichtig und richtig, diesen Weg der Ambulantisierung und Regionalisierung auch weiter zu gehen.
Wir haben auch angemahnt, dass wir mehr Tempo wollen, dass wir gerade auch von den Kliniken hier im Land Bremen mehr und schnellere Umsetzung wollen, und natürlich ist das für sie nicht einfach.
Ich komme zum Schluss! Wir wissen, dass Betten, die es in der Psychiatrie gibt, auch gefüllt werden. Von daher ist es für mich auch keine Lösung, wenn
man sagt: Wir haben einen hohen Bedarf, wir brauchen dann mehr Betten, dann wird sich das Problem schon lösen. Nein!