Es ist ungezogen, wenn jemand, der in einem Parlament immerhin noch eine Funktion hat, meint, den Bundespräsidenten in die kleinkarierte parteipolitische Diskussion herabziehen zu können. Offenbar haben die Sozialdemokraten noch nicht begriffen, dass es nicht reicht, nichts zu tun und den Bundespräsidenten zu beschimpfen, sondern sie müssen endlich begreifen: In diesem Land müssen große Reformen angegangen werden, damit die Arbeitslosigkeit verringert wird und wir in diesem Lande wieder bessere Lebensbedingungen haben.
Wir haben deshalb heute sehr bewusst einen Entschließungsantrag im Hessischen Landtag eingebracht. Wir haben hier sehr bewusst einen Entschließungsantrag eingebracht, der sich mit vier Themen beschäftigt, die natürlich erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität, auf die Zahl der Arbeitslosen oder der Arbeitsplätze in unserem Lande haben.
Wir wollen heute, dass sich Sozialdemokraten, Unionschristen und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu den vier entscheidenden Punkten bekennen, die nicht nur bundespolitisch von besonderer Bedeutung sind, sondern auch exemplarische Auswirkungen auf die Arbeitsplätze, auf die Wirtschaftskraft und damit auf die Lebensqualität in unserem Bundesland haben.
Das zurzeit zentrale Thema ist natürlich die Mehrwertsteuererhöhung. Da bin ich gespannt, wie sich die Sozialdemokraten in diesem Hause verhalten, und ich schaue
Norbert Schmitt an. Liebe Kolleginnen und Kollegen, können Sie sich noch an die Debatte erinnern, die wir Anfang September 2005 in diesem Hause geführt haben? Können Sie sich noch daran erinnern, wie damals der Ministerpräsident als CDU-Landesvorsitzender erklärt hat, dass eine Mehrwertsteuererhöhung von 2 % dringend notwendig sei? – Ich komme gleich dazu, wozu er das Geld verwenden wollte.Aber er hat immerhin ehrlich gesagt, er sei für eine Mehrwertsteuererhöhung. Die CDU hat immerhin ehrlich gesagt, sie sei für eine Mehrwertsteuererhöhung. Dann kam der Kollege Norbert Schmitt und erzählte von diesem Pult aus, dass dies auf gar keinen Fall gemacht werden dürfe, dass es vollkommen falsch sei und dass die Sozialdemokraten dies natürlich auf gar keinen Fall machen würden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Kollege Schmitt, Sie haben Wahlbetrug begangen, weil Sie vor der Wahl etwas anderes gesagt haben, als Sie nach der Wahl tun.
Es ist nicht nur so, dass Sie Wahlbetrug dahin gehend begangen haben, dass Sie mit der Mehrwertsteuererhöhung um 2 %, die die CDU vorgeschlagen hatte, einverstanden waren, sondern Sie haben auf die zweiprozentige MerkelSteuer eine einprozentige Münte-Steuer gesetzt. So sehen Umfaller und Wahlbetrüger aus.
Herr Kollege Schmitt, Herr Fraktionsvorsitzendenkollege Walter, kommen Sie hier ans Pult und erklären Sie, dass Sie die Wähler betrogen haben.Entschuldigen Sie sich bei den Hessinnen und Hessen dafür, die Ihnen – wenn auch in geringerer Zahl – ihre Stimme gegeben haben.
Können Sie sich noch daran erinnern, was Franz Müntefering vor der Wahl gesagt hat? Er hat gesagt: Die Mehrwertsteuererhöhung kostet Arbeitsplätze. – Das ist ein Zitat.Heute sind Sie mit dafür verantwortlich,dass nicht mit einer zweiprozentigen, sondern jetzt sogar mit einer dreiprozentigen Mehrwertsteuererhöhung Arbeitsplätze in Deutschland vernichtet werden. Das ist die sozialdemokratische Umfallerpolitik der Jahre 2005 und 2006. Das muss in diesem Landtag ausdrücklich gesagt werden.
Dann kam noch die platte Unterstellung des Kollegen Schmitt und auch der Kollegin Landesvorsitzenden Ypsilanti: Wenn die FDP mit der CDU zusammengehe, dann werde sie schon noch umfallen.
Die Sozialdemokraten sind umgefallen, die Sozialdemokraten sind die Wahlbetrüger und Umfaller in diesem Lande. Das muss hier laut und deutlich gesagt werden.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von den Sozialdemokraten, Sie sind noch nicht einmal konsequent gewesen, als es darum ging, Ihren Koalitionspartner in Berlin daran zu erinnern, wozu die Mehrwertsteuererhöhung eigentlich eingeführt werden sollte. CDU und CSU haben vor der Bundestagswahl gesagt – von diesem Pult aus hat das der nicht anwesende Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende Roland Koch getan –, man brauche die Mehrwertsteuererhöhung, um die Lohnne
benkosten zu senken. Roland Koch hat von diesem Pult aus erklärt, dass mindestens 1,5 Prozentpunkte der versprochenen, angedrohten – wie auch immer – zweiprozentigen Mehrwertsteuererhöhung in die Senkung der Lohnnebenkosten fließen würden.Auch das ist falsch. Jeder hier Anwesende weiß doch – gerade diejenigen, die am letzten Freitag an der Bundesratssitzung teilgenommen haben,Herr Staatsminister –,dass die Mehrwertsteuererhöhung nicht zur Senkung der Lohnnebenkosten genutzt wird.
Die Steuererhöhung wird ausnahmslos dazu genutzt, die desolate Finanzlage in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt und auch im Lande Hessen zu senken. Der Hessische Ministerpräsident hat doch gerade in seinem Redebeitrag am vergangenen Freitag den Menschen, die an der Sitzung teilgenommen haben, und den Menschen, die über den Fernsehkanal Phoenix die Debatte verfolgt haben, laut und deutlich erklärt, man habe die Verantwortung, nicht tatenlos zuzusehen, dass die Verschuldungssituation immer schlimmer werde. Er hat gesagt, man dürfe nicht tatenlos zusehen, dass die Bundesrepublik die Maastricht-Kriterien immer wieder reiße. Er hat gesagt, man dürfe nicht tatenlos zusehen, dass die im Grundgesetz vorgegebenen Grenzen der Verschuldung regelmäßig gerissen würden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ist das dann für eine Tat, ganz einfach in das Portemonnaie der Bürger zu greifen? Das ist die falsche Tat.
Ich lasse es nicht zu, dass die Unionschristen meinen, landauf, landab erklären zu dürfen – der Ministerpräsident hat das am vergangenen Freitag in einer relativ unfreundlichen Art gegenüber dem stellvertretenden Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen wieder getan –, das,was die große Koalition mache,sei alternativlos.Nein, die Alternative heißt sparen, die Alternative heißt, die Ausgaben zu senken, die Alternative heißt, Verkäufe von Eigentum des Bundes oder der Länder zu tätigen.
(Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD):Wie Sie „sparen“, hat man in Ihrer Regierungszeit gesehen! – Weitere Zurufe von der SPD)
Die Alternative heißt nicht, weiterhin in die Portemonnaies der Bürger zu greifen. Das ist erstens unanständig und zweitens perspektivlos, weil das, was man damit erreichen will, letztlich nicht erreicht wird.
Die Lohnnebenkosten werden nur scheinbar gesenkt.Auf der anderen Seite gibt es eine Rechenexempel, nach dem aus den Rücklagen der gesetzlichen Krankenversicherungen und den Altersrücklagen hohe Beträge – ich kann Ihnen die genaue Zahl sagen: es sind über 23 Milliarden c – an den Staatshaushalt zurückfließen sollen. Dann kann man nämlich kaschieren, dass man das nicht hält, was man vor der Wahl versprochen hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,jede Hessin,jeder Hesse muss wissen: Die Einnahmen aus dieser dreiprozentigen Mehrwertsteuererhöhung werden schlicht und einfach gebraucht, weil die große Koalition in Berlin keine Lust hat, einen ordentlichen Haushalt aufzustellen. Einen ordentlichen Haushalt aufzustellen heißt, die Einnahmen nicht zu erhöhen, sondern die Ausgaben zu senken. Das ist der Schlüssel zum Erfolg.
Es ist schon beachtlich, dass bei dieser Debatte weder der Ministerpräsident noch der Finanzminister anwesend ist. Das ist auch deshalb beachtlich, weil es gerade in Hessen ein sehr großes Protestpotenzial gegen diese Mehrwertsteuererhöhung gibt. Herr Kollege Boddenberg, die Arbeitsgemeinschaft der hessischen Handwerkskammern hat sich gerade in den vergangenen Tagen in einem Schreiben an die Fraktionsvorsitzenden – jedenfalls an mich – noch einmal heftig gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ausgesprochen. Herr Brandes, von dem ich weiß, dass er den in diesem Lande Regierenden auch persönlich sehr nahe steht, und Herr Repp haben das gesagt. Der Bund der Steuerzahler hat eine Aktion durchgeführt, in der mehrere Zehntausend Unterschriften unter ein Protestschreiben mit der Überschrift „Es ist fünf vor 19“ gesammelt worden sind. Kommen wir zu in Ihren Augen vielleicht unwichtigeren Verbänden. Ich finde sie nicht unwichtig. In der Zeitung von „Haus & Grund Hessen“ steht ein Kommentar von Herrn Streim, in dem er sich ebenfalls sehr, sehr negativ über das Thema Mehrwertsteuererhöhung auslässt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was wollen Sie mit der Erhöhung eigentlich erreichen? Sie wollen damit erreichen, dass mehr Geld in den Staatshaushalt kommt. Noch nicht einmal das erreichen Sie mit dieser Aktion, sondern Sie erreichen damit, dass der Konjunkturaufschwung absterben wird.Sie erreichen damit,dass eine Inflationsdiskussion beginnen wird. Sie erreichen damit, dass im kommenden Jahr die Gewerkschaften wegen der Inflationsproblematik berechtigterweise für höhere Lohnabschlüsse streiken werden. Es gibt Berechnungen seriöser deutscher Institute, die meinen, dass der Bund in den Jahren 2007 bis 2009 Mindereinnahmen von knapp 26 Milliarden c haben wird. Dafür brechen Sie Ihr Wort gegenüber den Wählern. Eigentlich kann man die Welt überhaupt nicht mehr verstehen.
Zweite Bemerkung. Die amtierende Bundeskanzlerin hat im Bundestagswahlkampf die relativ intelligente Formulierung gefunden, das Antidiskriminierungsgesetz sei ein Jobkiller.Angela Merkel hat das in jeder Rede, die ich im Fernsehen gesehen habe, und in vielen Artikeln, die ich gelesen habe, so formuliert. Sie hat Recht. Das Antidiskriminierungsgesetz, das Gleichbehandlungsgesetz, wie auch immer man es nennt, ist ein Jobkiller. Damit es vollkommen klar ist, wiederhole ich es für die hessische FDP noch einmal: Diskriminierungen darf es in einer aufgeklärten und toleranten Gesellschaft nicht geben. Dafür ist kein Platz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht jedes unanständige, jedes verurteilenswerte Verhalten sollte juristische Konsequenzen haben. Das ist nicht nur die Auffassung der hessischen FDP,sondern auch die Auffassung des Ersten Bürgermeisters der Freien und Hansestadt Hamburg, Ole von Beust, am letzten Freitag im Bundesrat so geäußert. Ich glaube, wir alle – da spreche ich die Unionschristen an – sollten heute den Mut haben, mit einer positiven Abstimmung zu unserer Ziffer 2 deutlich zu machen, dass zumindest die große Mehrheit des Hessischen Landtags gegen diesen Jobkiller ist,
dass die große Mehrheit des Hessischen Landtags nicht akzeptiert, dass irgendjemand meint, dass er die Weisheit
und insbesondere das Gutmenschentum besonders internalisiert hat, besser als andere weiß, wie man mit der Problematik umgehen muss, sondern dass die Mehrheit der Auffassung ist, dass dieses Gesetz den Behinderten und den Älteren nicht hilft, sondern der Gesellschaft nur eine weitere Bürokratie und weitere Schwierigkeiten auferlegt.
Ich habe noch viele Zitate hessischer Landräte zum Thema Gleichbehandlung und zum Thema Mindestlöhne parat. Ich habe z. B. Äußerungen von Prof. Rürup, die ich in Richtung der Sozialdemokraten anführen könnte.
Ich kenne viele Zitate zum Thema Gesundheitsreform. Wir haben hier gestern die Frage „Allianz – Dresdner Bank“ diskutiert.Wenn jemand dem Versicherungsstandort Hessen tatsächlich schaden will, dann möge er die Gesundheitsreform so beschließen, wie sie in Berlin gerade angelegt wird. Dann gehen nämlich Zehntausende Arbeitsplätze in der PKV in Hessen zugrunde.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bekennen Sie sich dazu, dass wir als Landespolitiker für unser Land kämpfen. Bekennen Sie sich dazu, dass wir mit den Möglichkeiten der Einflussnahme durch die Landesregierung über den Bundesrat aktiv in die Politik in Berlin zugunsten unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger eingreifen. Bekennen Sie sich dazu, dass es schlecht ist, die Mehrwertsteuer zu erhöhen, und dass es schlecht ist, das vorgelegte Gleichbehandlungsgesetz zu verabschieden, weil es eine zusätzliche Bürokratie aufbaut. Bekennen Sie sich dazu, dass Mindestlöhne der Tod der Sozialsysteme sind
Sehr verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wundere mich ein wenig, dass weder ein Vertreter der CDU-Fraktion noch ein Vertreter der SPD-Fraktion auf die Angriffe des Kollegen Hahn auf die große Koalition antworten möchte. Da sich bisher kein Kollege zu Wort gemeldet hat, bin ich gerne bereit, jetzt zum Antrag der FDP-Fraktion aus der Sicht von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Stellung zu nehmen.