Protokoll der Sitzung vom 22.06.2006

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Möller, in der Tat, der Kommunalwahlkampf ist vorbei. Jetzt können wir doch alle gemeinsam den Adre

nalinspiegel ein Stückchen herunterfahren und uns dann vielleicht einer Lösung zuwenden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind in der Problembeschreibung gar nicht auseinander. Ich finde, wir liefern hier jetzt ein ganz typisches Beispiel dafür, wie Politik eigentlich nicht funktionieren sollte. Wir bestätigen dann wieder einmal ein weit verbreitetes Vorurteil an diesem ganz kleinen Ausschnitt: Politik redet, beharrt erst einmal fest auf ihrem Standpunkt und belässt es dann ganz kraftvoll beim Alten. Ich finde, so sollten wir nicht verfahren.Wir haben das Problem, das wir gemeinsam erkannt haben – Sie haben es auch thematisiert –, dass die Verkehrsüberwachung an den Ampeln bei den Kommunen zunehmend eingestellt wird und dass das zur Verfügung gestellte Geld aus den Bußgeldeinnahmen nicht ausreicht, um die Überwachungsanlagen zu betreiben und auf einem technisch angemessenen Stand zu halten. Ich habe bisher von allen gehört, dass sie diesen Zustand für eigentlich nicht hinnehmbar halten. Dann ist es unsere Aufgabe, wenn wir solch einen Zustand erkennen, der nicht hinnehmbar ist, dass wir versuchen, diesem Zustand abzuhelfen.

(Michael Siebel (SPD): Selbst wenn dieser Zustand schon 30 Jahre andauert!)

Selbst dann kann man anfangen zu überlegen. – Die SPD hat überlegt und hat diesen Gesetzentwurf vorgelegt, der auch nach unserer Wahrnehmung – ich habe das im Februar-Plenum gesagt, habe es auch im Ausschuss gesagt – ein Stück über das Ziel hinausgeht. Ich habe von Ihnen heute gehört, Herr Siebel, wenn es denn nicht das Gesetz wäre, sollte man zumindest über eine andere Lösung nachdenken. Das ist auch unser Weg, zu versuchen, hier eine andere Lösung zu favorisieren und dazu zu kommen, dass wir lösungsorientiert arbeiten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich will jetzt die Abgrenzungsprobleme, warum aus unserer Sicht der Gesetzentwurf so nicht weiterhilft, nicht noch einmal vortragen. Ich habe das im Februar getan. Damals habe ich in der ersten Lesung von Herrn Möller, der damals für die CDU begründet hat, noch die Bereitschaft wahrgenommen, über das Problem zu reden, nämlich die Kostenfrage. Diese Bereitschaft, über das Problem zu reden, ist Ihnen über die Innenausschusssitzung bis heute leider abhanden gekommen. Das finde ich schade, dass wir hier uns sozusagen in unsere Gräben zurückziehen und gemeinsam bekennen: Die antragstellende Fraktion kann jetzt mehr oder weniger zufrieden nach Hause fahren und kann von einer siegreichen Niederlage berichten und sagen, die böse Regierung hat nicht mitgespielt. Die Damen und Herren von der CDU können sich mannhaft und wehrhaft auf die Fahnen schreiben: Wir haben wieder einmal der Opposition eine Abfuhr erteilt und haben ein Gesetz verhindert, das aus unserer Sicht unsinnig war.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das alles, obwohl die Lösung zum Greifen nah war. Um dieser Lösung noch einen Weg zu ermöglichen, beantrage ich für meine Fraktion die dritte Lesung und bitte, doch noch einmal im Ausschuss lösungsorientiert darüber nachzudenken, ob wir es nicht schaffen, von den Kommunen Kosten mitgeteilt zu bekommen, sodass wir dann tatsächlich über die Kostenfrage reden und versuchen können, das Problem zu lösen, nämlich das zu tun, was unsere

Aufgabe ist, ein erkanntes Problem möglichst einvernehmlich zu lösen.Ich hoffe,dass wir das in der dritten Lesung mit Erkenntniszuwachs schaffen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Freien Demokraten hat ihr Vorsitzender, Herr Hahn, das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein schlechter Gesetzentwurf, Herr Kollege Siebel, wird nicht dadurch besser, dass man meint, die anderen, die anderer Meinung sind, polemisch angreifen zu müssen. Das zeichnet Sie bei diesem Thema aus, gerade wenn Sie uns vorwerfen, der Union wie auch der FDP, es gehe nur ums Geld. Sie haben offensichtlich bisher immer noch nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dass es einen Abwägungsprozess zwischen dem Geld auf der einen Seite und der Verkehrssicherheit auf der anderen Seite gibt.

(Michael Siebel (SPD): Können Sie mal erklären, wieso die Kommunen Ihre Probleme nicht sehen?)

Sie haben auch nicht nur die Ampeln angesprochen, sondern im Gesetzentwurf wird z. B. auch das Blitzen von fahrendem Verkehr letztlich eine kommunale Aufgabe werden.Ich möchte nicht,dass die Kommunen in die Lage versetzt werden,dort Blitzgeräte hinzustellen,wo man abkassieren kann.

Ich möchte, dass die Blitzgeräte von der hessischen Polizei dort aufgestellt werden, wo es Probleme mit der Verkehrssicherheit gibt. Sie sind aber überhaupt nicht fähig, das aufzugreifen.

(Michael Siebel (SPD): Ihre Rede muss man an die Kommunen schicken! Machen Sie weiter! Das, was Sie sagen, müssen wir den Kommunen schicken!)

Hören Sie doch auf, herumzubrüllen. Sie können gleich in die Mittagspause gehen.

(Michael Siebel (SPD): Herr Hahn, haben Sie Hunger?)

Ich komme zu Punkt zwei. Frau Kollegin Erfurth, ich finde es gut, dass Sie meinen, dieser Gesetzentwurf sei verbesserungsfähig. Ich glaube aber, dass es zu einer ordentlichen Oppositionsarbeit gehört und auch relativ einfach ist, einen Änderungsvorschlag zu dem Gesetzentwurf vorzulegen. Das kann nicht nach dem Motto geschehen: Da soll jemand anderes noch irgendetwas tun. – Die GRÜNEN sind also dieser Auffassung. Wir sind es nicht. Denn wir möchten keine weitere Kommunalisierung der Aufgaben der Polizei.Wenn Sie aber der Auffassung sind, der Ansatz der SPD ist richtig, dann wäre es doch eigentlich sehr fair gewesen, wenn Sie nach der Auswertung der Anhörung des Innenausschusses des Hessischen Landtags Ihren Formulierungsvorschlag vorgelegt hätten. Dann hätten wir uns heute mit dem Thema abschließend, möglicherweise sogar einvernehmlich, beschäftigen können.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Es ist relativ einfach, jetzt zu sagen:Wir beantragen dritte Lesung.

(Michael Siebel (SPD): Sie haben nicht einmal die Durchführung einer mündlichen Anhörung ermöglicht! Sie waren nicht einmal in der Lage, der Durchführung einer mündlichen Anhörung zuzustimmen!)

Ich komme zu meiner letzten Bemerkung. Herr Kollege Siebel, ich glaube, Sie sollten sich einmal mit Ihrem Fraktionsvorsitzenden treffen und eine gemeinsame Sprachregelung vereinbaren. Entweder bin ich der stellvertretende Regierungssprecher oder, wie es Jürgen Walter sieht, ein möglicher Koalitionspartner. Beides gleichzeitig geht nicht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der zweiten Lesung angelangt.

(Zuruf)

Sehr verehrter Herr Innenminister Bouffier, selbstverständlich erhält die Landesregierung das Wort. Herr Minister, Sie haben es.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kollegen! Ich werde die Mittagspause achten.

Ich hatte mich bereits in erster Lesung geäußert. Deswegen kann ich es jetzt vergleichsweise kurz machen.

Erstens.Herr Kollege Siebel hat für die SPD-Fraktion den Gesetzentwurf eingebracht, den er aus Darmstädter kommunalpolitischer Sicht für richtig gehalten hat. Das ist seine Sache.

(Michael Siebel (SPD): Der Kasseler Oberbürgermeister findet das auch richtig!)

Fakt ist: Es geht gerade nicht um die Verkehrssicherheit, sondern es geht ausschließlich um Geld. Die Stadt Darmstadt hat geglaubt, sie könne das Land erpressen. Sie hat uns nämlich mitgeteilt, sie werde die Überwachungseinrichtungen abstellen. Das ist ein Verhalten, das in jeder Hinsicht nicht toleriert werden kann.

Das, was Herr Kollege Hahn gesagt hat, teile ich uneingeschränkt.Hier wurde mitgeteilt,wir sollten ergebnisorientiert handeln.Deswegen will ich zum Schluss meiner Rede noch zwei Aspekte hinzufügen.

Herr Kollege Siebel, ich habe Ihnen das schon einmal während einer Ausschusssitzung erklärt. Entweder haben Sie nicht zugehört, oder Sie haben es vergessen. Sie haben eben ausgeführt, ich würde dieses Thema seit sieben Jahren aussitzen. Ich sage es jetzt noch einmal vor dem Plenum: Ich habe das unerträgliche Verhalten der Stadt Darmstadt zum Anlass genommen, die Vertreter der Städte einzuladen. Auch Vertreter der Stadt Darmstadt waren anwesend. Es ging ausschließlich um die Frage der Angemessenheit der Abführung der Bußgelder.

Ich komme jetzt zu dem, was Frau Kollegin vorhin angesprochen hat.Ich habe gesagt:Wenn die Abführung so unangemessen ist, dann muss man zu einem fairen Ergebnis kommen. – Aber ich kann doch, bitte schön, verlangen, dass die Städte und insbesondere die Stadt Darmstadt irgendwann einmal irgendeinen Beleg dafür abliefern, welche Aufwendungen sie hatten.

Das Gespräch ist eineinhalb Jahre her. Bis jetzt ist nicht irgendeine Zeile, es ist nichts eingegangen. Übrigens ging von keiner einzigen Stadt irgendetwas ein. Das lässt meiner Auffassung nach meinen Verdacht nicht unbegründet sein, dass bei vertiefter Nachfrage diese „fröhliche“ Debatte etwas anders ausfallen wird. Das mag für Diskussionen während des Kommunalwahlkampfs ein bisschen geholfen haben. In der Sache ist es aber unbegründet.

Ich sage es noch einmal sehr ernst: Ihr Gesetzentwurf richtet sich gegen die Interessen der Kommunen. Wer allen Ernstes den Kommunen den Vorschlag macht, jede Kommune könne diese Aufgabe nach ihrem Gusto allein erledigen, der kann sich damit billigen Beifall holen, er schadet aber in der Sache allen.Vor allem schadet er aber dem kommunalen Gemeinschaftswerk, der KIV. Denn die elektronische Abrechnung, die mit den Kommunen stattfindet, ist doch das, was die Kommunen wollen.

Ihr Gesetzentwurf ist demnach unter jedem denkbaren Gesichtspunkt abzulehnen. Er ist sachlich falsch. Er schadet den Kommunen.

Frau Kollegin, im Übrigen will ich noch sagen: Das wird auch bis zur dritten Lesung nicht besser. Ich frage mich Folgendes: Seit eineinhalb Jahren haben die Kommunen Gelegenheit,irgendeine Rechnung vorzulegen,die belegt, was sie aufwenden. Nachdem die Kommunen das eineinhalb Jahre lang nicht für notwendig gehalten haben, habe ich keinerlei Hoffnung, dass in den nächsten vier Wochen etwas geschieht.

Die dritte Lesung ist beantragt. Ich kann Ihnen heute schon für die Landesregierung sagen: Wenn es nicht zu völlig neuen Sachverhalten kommt, gilt das Gleiche, was heute gilt.– Ich bitte das Haus,den Gesetzentwurf in zweiter Lesung abzulehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren! Die zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD ist beendet.Eine Fraktion hat beantragt, die dritte Lesung durchzuführen.

(Reinhard Kahl (SPD): Das ist ein wichtiger Gesetzentwurf!)

Damit ist nach unserer Geschäftsordnung klar, dass der Gesetzentwurf zur Vorbereitung der dritten Lesung dem Ausschuss überwiesen wird. Ist der Gesetzentwurf dem Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr zu überweisen?

(Zuruf: Nein!)

Welcher Ausschuss ist es dann?

(Zuruf: Der Innenausschuss!)

Richtig, es ist der Innenausschuss. – Es soll nur dem Innenausschuss überwiesen werden, keinem anderen Ausschuss?

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Wir können auch den Sozialpolitischen Ausschuss damit beschäftigen!)