Protokoll der Sitzung vom 22.06.2006

(Petra Fuhrmann (SPD): Das ist nicht dramatisch, das ist schön!)

Ältere Menschen haben ein größeres Verlangen nach Sicherheit und Sicherheitsgefühl als jüngere Menschen. Die Frage, die sich an uns stellt, an die Politik in Summe, ist doch: Wie reagieren wir darauf? Haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, wie Ihre Antwort aussehen würde? Ältere Menschen möchten gerne – da hat Frau Kollegin Zeimetz-Lorz völlig Recht –, wenn sie ins Theater gehen, dass sie sicher zu ihrem Bus wieder zurückkommen,und zwar in ihrem Empfinden und objektiv. Jüngere Menschen, z. B. Mütter mit Kleinkindern, möchten gerne, dass Spielplätze nicht von Rowdys verwüstet werden,sodass sie mit ihren Kindern nicht mehr hingehen können. Jetzt frage ich Sie: Wie sieht Ihre Antwort aus? Ihre Antwort sind die Reden von vor sechs Jahren, bar jeder Faktenlage.Oder haben wir darauf eine Antwort? Die Antwort kann doch nicht sein: der Oberkommissar, der Hauptkommissar, sondern unsere Antwort muss sein, es muss jemand da sein, der eine Grundausbildung hat, der persönlich geeignet ist, der als Ansprechpartner überhaupt da ist. Deshalb ist das, was der Kollege Gall, der Landrat des Main-Taunus-Kreises, gesagt hat, völlig richtig: Wandelnde Ansprechpartner, das sind diese Menschen.

Es geht nicht um Polizei, es geht darum, dass dort, wo in der Regel niemand ist und wo, egal wer regiert, auch in Zukunft kein Oberkommissar steht, z. B. in großen Parks, auf Friedhöfen, abends in der Fußgängerzone, Menschen sind, die ausgebildet sind, übrigens mehr als jeder Ordnungsamtsmitarbeiter, der bei der Stadt unterwegs ist und dort Ansprechpartner ist.

(Günter Rudolph (SPD): Die haben aber mehr Ausbildung als 50 Stunden!)

Die 50 Stunden sind sehr qualifiziert. Ich lade Sie herzlich ein, Herr Rudolph – Lautstärke ersetzt kein Argument –, gehen Sie doch einmal hier in Wiesbaden mit den Damen und Herren, lassen Sie sich einmal erklären, wie der Dienst läuft. Gehen Sie doch einmal hin.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, Sie haben die Fraktionsredezeit erreicht. Sie können aber reden, solange Sie wollen.

Ich bin gleich durch, aber das ist mir wichtig.

Warum waren Sie nicht da und haben sich einmal mit den Menschen unterhalten? Sie halten sich fest an Ihrer Ideologie, Sie verweigern Antworten auf die Fragen der Zeit, und für die Zukunft haben Sie gar keine Vorstellung.

Ich möchte hier noch eine Zukunftsvorstellung nennen, weil sie weit über den Tag hinaus von Bedeutung ist. Wir wissen gemeinsam, dass im Rhein-Main-Gebiet in wenigen Jahren die Mehrzahl der Bevölkerung einen Migrantenhintergrund hat, jedenfalls die aktive Bevölkerung bis zu 60 Jahren.Wir werden die Gewährleistung der inneren Sicherheit nicht hinbekommen, wenn es uns nicht gelingt, im Kreise der Zuwanderer Partner für Sicherheit zu gewinnen. Partner für Sicherheit bedeutet, dass wir uns auf allen Ebenen anstrengen, dass wir in die originäre Vollzugspolizei Menschen bekommen. Der Weg ist lang und braucht noch etliche Jahre.

Wenn ich aber die Chance habe, aus einer Bevölkerungsgruppe jemanden zu gewinnen, der im freiwilligen Polizeidienst Dienst tut, der die Sprache dieser Menschen kennt, der die Mentalität dieser Menschen kennt, der die persönlichen Beziehungen hat, der sowohl ihnen als Vertrauensmann oder Vertrauensfrau dienen kann als auch uns als Polizei Informationen vermittelt,die Sie auf keiner Polizeischule lernen, dann ist gerade der freiwillige Polizeidienst die beste und bisher herausragendste Möglichkeit, Menschen zu gewinnen, die aus aller Herren Länder zu uns gekommen sind, um sich für innere Sicherheit einzusetzen. Das ist nicht nur klug, sondern das ist aller Ehren wert.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Meine Damen und Herren, der freiwillige Polizeidienst war nie als Ergänzung der hauptberuflichen Polizei gedacht und darf es auch nicht sein. Es ist ein zusätzliches Angebot, und ich freue mich, dass die Kommunen landauf, landab es annehmen. Ich bin deshalb zuversichtlich, dass dieser Erfolg auch weiter fortgeschrieben wird. Es ist auch ein Punkt, den man hier in der Debatte einmal erwähnen darf: Bei den Bewerbungen um die freien Plätze haben wir in aller Regel ein Mehrfaches an Bewerbern als Plätze, die wir überhaupt zur Verfügung haben. Das stimmt mich außerordentlich positiv.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Dies beinhaltet zwei Elemente. Erstens können wir nach sehr sorgfältiger Auswahl durch die Polizeischule die geeigneten Menschen mit dieser Aufgabe versehen. Zweitens, entgegen all dem, was die linke Seite des Hauses eben erzählt hat, gibt es in unserer Bevölkerung eine ganze Menge Menschen, für die es offenkundig eine bürgerliche Selbstverständlichkeit ist, zu sagen: Ich habe ein bestimmtes Kontingent an freier Möglichkeit, ich bin bereit, mich für meine und meiner Mitbürger Sicherheit einzusetzen, in einem vernünftigen Modell.

(Zurufe von der SPD)

Das ist etwas, was einen außerordentlich erfreuen kann. Dafür bedanke ich mich. Nehmen Sie es heute so, damit Sie es in ein paar Jahren wieder zitierten können: Dieser freiwillige Polizeidienst ist ein Erfolgsmodell, er ist ein Fortschritt auch für die Sicherheit in Hessen, und die ihn tragen, verdienen allerhöchsten Dank und Anerkennung.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.Wir kommen damit zur Beschlussfassung über die beiden vorliegenden Entschließungsanträge.

Ich rufe zunächst unter Tagesordnungspunkt 28 den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU betreffend bürgernahe Form der präventiven Polizeiarbeit – sechs Jahre Erfolgsmodell „Freiwilliger Polizeidienst“, Drucks. 16/5608, auf. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Dann stelle ich fest, dass dem Antrag zugestimmt worden ist mit den Stimmen der Fraktionen der CDU und der FDP bei Ablehnung durch die beiden übrigen Fraktionen des Hauses.

Ich rufe den Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktion der FDP betreffend sechs Jahre Erfolgsmodell „Wachpolizei“, Drucks. 16/5727 auf. Wer wünscht zuzustimmen? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Somit ist diesem Antrag bei gleichem Stimmverhältnis des Hauses zugestimmt worden.

Meine Damen und Herren, wir kommen zu Tagesordnungspunkt 64:

Dritte Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der FDP für ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Mittelstufe der Verwaltung und den Landeswohlfahrtsverband Hessen – Drucks. 16/5697 zu Drucks. 16/5572 und zu Drucks. 16/5253 –

Änderungsantrag der Fraktion der SPD zu dem Gesetzentwurf der Fraktion der FDP für ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Mittelstufe der Verwaltung und den Landeswohlfahrtsverband Hessen – Drucks. 16/5723 –

Berichterstatterin ist Frau Kollegin Dörr. Sie haben das Wort, bitte.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Zu dem Gesetzentwurf der Fraktion der FDP für ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Mittelstufe der Verwaltung und den Landeswohlfahrtsverband Hessen. Dieser Gesetzentwurf wurde nach der zweiten Lesung dem Sozialpolitischen Ausschuss zur Vorbereitung der dritten Lesung überwiesen. Der Sozialpolitische Ausschuss hat diesen Gesetzentwurf in seiner Sitzung am 14. Juni 2006 behandelt. Der Ausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimme der FDP, den Gesetzentwurf in dritter Lesung abzulehnen.

Vielen Dank,Frau Kollegin Dörr.– Als Redezeit sind fünf Minuten vereinbart. Das Wort hat der Abg. Rentsch für die Fraktion der FDP.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FDP hat vor einigen Monaten einen Antrag einge

bracht, der sich mit der Frage beschäftigt, ob es sinnvoll ist, dass der Landeswohlfahrtsverband, vertreten durch seinen Landesdirektor, hier einmal im Jahr einen Bericht darüber abgibt,wie sich die Situation im LWV,wie sich die Situation von Menschen mit Behinderung in Hessen entwickelt hat.

Wir glauben, dass es richtig und wichtig ist, dass man auf dieses Thema, nämlich wie es den Menschen mit Behinderung in Hessen geht, wie es dem LWV als wichtigem Dienstleister in diesem Bereich geht, im Hessischen Landtag aufmerksam macht. Wir wollen mit diesem Antrag mehr Transparenz auf der einen Seite. Auf der anderen Seite wollen wir aber auch dafür sorgen, dass der Hessische Landtag und damit die Öffentlichkeit regelmäßig über diesen wichtigen Bereich informiert werden.

Ich glaube, es besteht Einigkeit zwischen den Fraktionen, wenn wir die Situation des LWV und seine Stellung in der hessischen Politik in dem Gefüge, dem hessischen Aufbau bewerten, dass nämlich der LWV ein sehr wichtiger Dienstleister in diesem Bereich ist, nicht nur in der Situation von Menschen mit Behinderung, sondern auch im Maßregelvollzug und in anderen Bereichen, wo er Aufgaben für das Land und die Kommunen übernommen hat.

Zutreffend ist auch, dass das Land an den Landeswohlfahrtsverband direkt Zuschüsse zahlt. Das gilt nicht nur für den Maßregelvollzug, sondern auch für die Behindertenhilfe. Es ist deshalb auch zutreffend, dass der Landtag dafür Verantwortung trägt.

(Beifall bei der FDP)

Ich bin der festen Überzeugung, dass die neue Koalition, die es im Landeswohlfahrtsverband gibt, die Jamaika-Koalition, eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe übernommen hat. Sie hat nämlich die Aufgabe übernommen, die Reform des Verbands in Gang zu setzen. Der Landeswohlfahrtsverband beschäftigt sich mit einer Personengruppe dieses Landes, nämlich mit denen, die zu den Schwachen gehören, den behinderten Menschen.

Natürlich sollten aber die Mitglieder des Hessischen Landtags und damit auch die Öffentlichkeit regelmäßig darüber informiert werden, was beim Landeswohlfahrtsverband geschieht. Das sollte nicht nur in Zeiten geschehen, in denen über Reformen gesprochen wird. Vielmehr sollte das auch in Zeiten erfolgen, in denen es beim Landeswohlfahrtsverband normal läuft.

Menschen mit Behinderungen sind keine normale Personengruppe. Sie können sich nicht ganz einfach in der Gesellschaft bewegen.Vielmehr sind sie auf die Hilfe und die Fürsorge anderer angewiesen. Wir halten es für richtig, dass man auf diese Personengruppe besonders aufmerksam macht.

(Beifall bei der FDP)

Immerhin konnten wir im Sozialpolitischen Ausschuss fast Einigkeit über eines erlangen. Die Mitglieder aller Fraktionen, außer der FDP-Fraktion, waren der Meinung, es wäre richtig, wenn der Direktor des Landeswohlfahrtsverbands einen Bericht abgeben würde.Dabei wurde aber die Auffassung vertreten, der Bericht müsse nicht im Plenum behandelt werden, eine Behandlung im Sozialpolitischen Ausschuss sei ausreichend.

Grundsätzlich bin auch ich der Auffassung, dass man Fachthemen in den Fachausschüssen behandeln sollte. Wir diskutieren im Plenum aber auch den Bericht des Datenschutzbeauftragten, weil er von allgemeiner Bedeu

tung ist.Aber auch der Bericht des Landesdirektors Uwe Brückmann – oder wer ihm auch immer in dieser Funktion folgen möge – ist ein Bericht von allgemeiner Bedeutung. Deswegen sollte er nicht nur im Fachausschuss, sondern auch im Plenum des Hessischen Landtags diskutiert werden.

Ein weiterer Kritikpunkt war, mit dem, was der Gesetzentwurf fordere, werde ein weiteres Stück Bürokratie manifestiert. Denn dann wird einmal im Jahr ein Bericht abgegeben werden müssen. Ich habe schon zweimal versucht, darzustellen, dass das so nicht richtig ist. Ich möchte es jetzt noch einmal plakativer darstellen.

(Reinhard Kahl (SPD): Oh!)

Das Nachfolgende nehme ich auch für den Vorgänger des Landesdirektors in Anspruch.Wenn man einen Landesdirektor wie Uwe Brückmann nachts weckt, wird er auch dann in der Lage sein, einen Bericht über die Situation seines Verbands abgegeben zu können. Es ist mir deswegen überhaupt nicht verständlich, was das mit Bürokratie zu tun haben soll.

(Beifall bei der FDP – Reinhard Kahl (SPD): Herr Kollege, der kann doch gar nichts sagen!)

Herr Kollege Kahl, wenn ein Landesdirektor nicht in der Lage ist,einen solchen Bericht abzugeben,dann sitzt er an der falschen Stelle. Ich glaube, dass Herr Brückmann, genauso, wie das vorher Herr Bauer gekonnt hätte, in der Lage ist, einen solchen Bericht zu geben. Insofern hat das also nichts mit Bürokratie zu tun.

Zuletzt hat uns dann noch ein Änderungsantrag der SPDFraktion ereilt, der zum Inhalt hat, dass einmal berichtet werden soll. Der Bericht soll allerdings nicht im Sozialpolitischen Ausschuss, sondern im Plenum behandelt werden.

(Reinhard Kahl (SPD): Ja!)

Es wurde behauptet, dieser Bericht würde über mögliche Reformvorhaben beim Landeswohlfahrtsverband Klarheit schaffen. Wir wollen nicht, dass mit unserem Gesetzentwurf Klamauk betrieben wird.

(Beifall bei der FDP)

Wir wollen, dass wir uns in diesem Haus ernsthaft und regelmäßig mit der Situation der Menschen mit Behinderungen befassen.

(Petra Fuhrmann (SPD): Das ist eine Frechheit! – Gegenruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Wie bitte? – Petra Fuhrmann (SPD), zu Jörg-Uwe Hahn (FDP) gewandt: Das ist eine Frechheit!)