Protokoll der Sitzung vom 13.07.2006

Herr Boddenberg, Sie müssen sich auch einmal Dinge anhören, die Ihnen vielleicht nicht passen.

Wenn es gar nicht hilft, brülle ich...

(Anhaltende Unruhe)

Meine Damen und Herren! In einem ordentlichen Unterricht greift der Lehrer auch ein. Frau Henzler hat das Wort.

Wenn es gar nicht hilft, brülle ich, dass ich auch ungemütlich werden kann.

Als ich endlich dazu komme, die vom Bio-Lehrer vorbereiteten Fragen an die Tafel zu schreiben, ist schon eine halbe Stunde rum.

Das heißt, die Unterrichtsstunde ist fast zu Ende.

Um 13 Uhr der erlösende Gong. Mein T-Shirt ist nass geschwitzt.

Das sind die Erfahrungen einer Aushilfslehrerin.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der CDU: Oh! – Ministerpräsident Roland Koch: Ein toller Be- richt!)

Darüber kann man geteilter Meinung sein, ob das ein toller Bericht ist.

(Ministerpräsident Roland Koch: Die meisten Re- ferendarinnen hätten die erste Unterrichtsstunde nicht so gut überstanden! Die Frau hat das klasse gemacht!)

Das Zweite ist der Umgang mit den Lehrern. Sie sagen, jeder Lehramtsstudent, jeder Referendar kann genauso qualifizierten Unterricht halten wie ein Lehrer.

(Zuruf von der CDU: Das sagt doch niemand!)

Wie in Hessen mit Lehrern umgegangen wird,habe ich Ihnen schon öfter einmal am Thema der BAT-Verträge deutlich gemacht. Ein ganz persönlicher Fall eines Lehrers an einer hessischen Schule:

Seit sechs Jahren arbeite ich (53 Jahre alt, verheira- tet, vier Kinder) als Gymnasiallehrer auf der Basis von Zeitverträgen, die jeweils am letzten Schultag eines Schuljahres enden. Für die Zeit der Sommerferien bin ich arbeitslos...

Danach erhält er einen neuen Vertrag für ein halbes Schuljahr.Am Schluss schreibt er:

In zwei Tagen endet das Schuljahr, und ich habe bis heute noch keine Zusage für eine Wiederbeschäftigung, geschweige denn einen Vertrag – im Unterrichtsplan meiner Schule bin ich allerdings für das nächste Schuljahr bereits eingeplant.

Herr Irmer, das hat etwas damit zu tun, wie in diesem Lande mit Lehrern umgegangen wird.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Sie wissen ganz genau, dass erklärt worden ist, in diesem Schuljahr wird alles besser. Die Vertretungsverträge, die BAT-Verträge sind rechtzeitig vor den Sommerferien ausgestellt. – Morgen ist der letzte Schultag. Es sind viele BAT-Verträge nicht ausgestellt, und viele Schulen wissen noch nicht, wer nach den Sommerferien bei ihnen unterrichtet.

Das geschieht gerade bei Lehrern, und das sind Personen, auf die es in Zukunft immer mehr ankommt. Sie prägen unsere Kinder. Sie bilden und erziehen sie.Wir qualifizieren sie gut. Wir haben extra ein Gesetz zur Lehrerausbildung gemacht. Aber jetzt behandeln wir sie mit unsozialen Verträgen und vermitteln ihnen,dass ihre Tätigkeit genauso gut von Ungelernten gemacht werden kann.

Ich spreche keinem Studenten, keiner Referendarin irgendwelche Qualitäten ab.Aber sie sind keine ausgebildeten Lehrer, und das ist ein großer Unterschied, wenn man Unterricht geben will und soll.

Außerdem geben sie fünf Wochen lang Unterricht. Das ist eine sehr lange Zeit. Dass in dieser Zeit keine Leistungsbewertung stattfinden kann, hat zwei Seiten. Liegen diese fünf Wochen vor einem Zeugnis, dann fehlen diese Wochen letztlich in der Notengebung. Die Schüler ziehen folgende Konsequenzen: Sie wissen, sie werden nicht benotet, also brauchen sie auch nichts zu lernen. Wenn sie gut sind, finden sie es ungerecht, wenn sie dafür nicht benotet werden.Wenn sie in dieser Zeit etwas Falsches gelernt haben, dann werden sie später in den Prüfungen dafür bestraft.

Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.

Ich komme zum Schluss. – Meine Damen und Herren, die FDP-Fraktion baut Ihnen mit ihrem Änderungsantrag eine Brücke. Lassen Sie uns den Begriff „Unterrichtsgarantie plus“ wegnehmen, lassen Sie uns den Begriff „garantierte Schulzeit“ wählen. Dann brauchen wir dieses Gesetz nicht. Dann gibt es keinen Protest an den Schulen. Im Gegenteil, mit diesem Konzept wären die Schulleitungen, die Lehrer, die Schüler und auch die Eltern sehr zufrieden.

(Beifall bei der FDP)

Frau Kultusministerin Wolff hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte ist gelegentlich an Skurrilität nicht zu überbieten.

(Beifall bei der CDU)

Wenn man sich anschaut,wie eine junge Frau,die erstmals in der Schule ist und gleich am ersten Tag drei Stunden unterrichtet, in einer neuen Klasse neuen Gesichtern begegnet, sich erst einmal durchsetzen muss und am Ende des Tages einen guten Eindruck in der Schule und auch bei den Schülerinnen und Schülern hinterlassen hat, dann muss man feststellen, dass dies eine glanzvolle Leistung ist, die mancher Praktikumsstudent oder mancher Referendar gerne als Erfahrung machen möchte und in den ersten Stunden mit Sicherheit macht. Es ist aber die Erfahrung vieler, dass dies zu einer guten Zusammenarbeit in den Schulen geführt hat. So sind die Erfahrungen, die uns die Schulen berichten. Natürlich sagen sie, am Anfang sind drei Stunden für einen Studierenden in der Vertretung anstrengend. Aber es ist ein prima Erfolg, und sie werden anschließend bei den Schülerinnen und Schülern akzeptiert. Sie sagen: Von dem haben wir wirklich etwas gelernt. – Das ist ein guter Start in eine gute Vertretungszusammenarbeit eines jungen Menschen in der Schule.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich gehe weiter zu der These der Kollegin Henzler, es funktioniere alles gut und erstaunlich gut, also könne man das Gesetz wieder zurücknehmen.– Nein,Frau Kollegin Henzler,ich glaube,gerade der heutige Vormittag zeigt sehr zuverlässig, dass die Beratungen im Hauptpersonalrat wiederum dazu geführt haben, dass jemand versucht, das letzte Eckchen an Hoffnung zu nehmen, netterweise heute Vormittag, um wiederum etwas verhindern zu können, um wiederum etwas zu torpedieren. Dies hat zum Änderungsantrag geführt, und das zeigt uns:Wir werden dieses Gesetz mit gutem Grund heute verabschieden. Dann kann in der Sache gearbeitet werden, so wie mit der Ankündigung des Gesetzentwurfs bereits zur Sacharbeit und zum Aufbau von Vertretungspools übergegangen worden ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,das ist der richtige Weg, dass wir dann zur Praxis von Vertretung übergehen und nicht zu Fantasien, wie man etwas am besten verhindern und Sand ins Getriebe bringen kann.

Frau Kollegin Henzler, wenn Sie sagen, wir würden Politik gegen die Menschen machen, dann muss ich feststellen, das ist in der Substanz des Gesetzes und im Konzept

völlig anders. Aber wenn das Ganze gegen die Menschen wäre, warum enthält der Antrag der FDP 90 % Übereinstimmung mit dem Vorhaben der Landesregierung? Es ist eine große Übereinstimmung des Konzepts der FDP mit dem zu erkennen,was wir in den Schulen vorbereiten,was wir an rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen und was am ersten Schultag in den Schulen Umsetzung finden wird.

Wenn Sie von einem polizeilichen Führungszeugnis sprechen,dann will ich noch einmal Bezug nehmen,dass 70 bis 80 % der Menschen, die jetzt in den Schulen in Vertretungsarbeit kommen und diese Arbeit übernehmen sollen, den Schulen schon längst bekannt sind. Sie können ein großes Vertrauen zu diesen Vertretungskräften haben und brauchen überhaupt kein polizeiliches Führungszeugnis.

Im Übrigen darf ich ergänzen: Auch BAT-Verträge – ich denke, das BAT-Recht ist nicht seit 1999 verändert worden, sondern bestand so schon vorher – sehen nicht zwingend ein polizeiliches Führungszeugnis vor. Dabei handelt es sich um langfristige, dauerhafte und vielstündige Vertretungsverträge. In beiden Fällen, sowohl beim BATVertrag als auch beim Vertretungsvertrag, kann ein solches Führungszeugnis bei Zweifeln angefordert werden. Was wollen wir eigentlich mehr?

Dann kommt der Kollege Wagner, der immer wieder und falsch zitiert, was da in Marburg passiert sein mag.

Frau Ministerin, entschuldigen Sie bitte. Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Henzler?

(Ministerin Karin Wolff: Bitte!)

Frau Ministerin, stimmen Sie mir zu, dass diejenigen, die jetzt mit BAT-Verträgen an den Schulen arbeiten, alle oder zum großen Teil ausgebildete Lehrer sind? Diese mussten beim Referendariat ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen.

(Nicola Beer (FDP): Eben!)

Frau Kollegin Henzler, das ist zutreffend.Aber wir haben mittlerweile auch eine nicht unerkleckliche Zahl von BAT-Kräften, die als Seiteneinsteiger in die Schule gekommen sind, die keine entsprechende Ausbildung haben und die wir z. B. mit einem Diplom von der Universität in einen solchen BAT-Vertrag übernommen haben – abgesehen von der Dauer dessen, was man aufgrund eines Führungszeugnisses im Referendariat auf Frist von zig Jahren sagen kann.

Der Kollege Wagner sitzt jetzt hinter mir. Ihm wird auch nicht zu helfen sein, wenn ich ihm zum zehnten Mal erkläre, was in Marburg passiert ist. Am Ende einer Veranstaltung, in der ich Diskussionen über Studiengebühren angeboten habe, wollten die Studierenden diese Diskussion nicht haben.Abschließend hat es im Rahmen der Nötigung dazu geführt, dass ich das Haus auf anderem Wege verlassen musste, weil die Diskussion nicht geführt wurde, sondern verweigert worden ist.

Meine Damen und Herren, das Gegenteil ist der Fall.Wir haben in allen Teilen des Landes Diskussionen einerseits über Studienbeiträge, andererseits über das Konzept der verlässlichen Schule angeboten, Diskussionen geführt und den Streit ausgehalten. Meine Damen und Herren, das ist der Unterschied.

(Beifall bei der CDU)

Wenn der Kollege Wagner sagt, für zwei Tage sei alles in Ordnung, aber dann möchten wir das Schulamt wieder im Boot haben, dann sage ich Ihnen:Wir haben eine Herausforderung, bei der es um Flexibilität geht. Da geht es auch am dritten Tag nicht darum, dass das Staatliche Schulamt einen BAT-Vertrag für die nächsten drei Tage schicken kann, in denen die Lehrkraft noch krank ist.Vielmehr haben wir eine Herausforderung mit dem Vertretungsunterricht, bei dem es notwendig ist, kurzfristig für wenige Tage jemanden zu finden. Das ist am besten in der Schule untergebracht. Es ist nicht umsonst so, dass Schulamtsleiter, die wahrlich nicht meiner Partei angehören, sagen: Man kann nicht einerseits mehr Selbstverantwortung für die Schulen fordern, sich andererseits bei der Zuständigkeit für die Behebung des Unterrichtsausfalls verweigern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Schulleiter weiß schon viel besser, was er braucht. Er kennt die Menschen in seinem Umfeld, die er braucht, sehr viel besser. Abgesehen davon geht es nicht darum, einen schwarzen Peter zu verschieben. Mit Verlaub, auch der Schulleiter ist der Staat, und er bekommt, um seine staatliche Aufgabe des Vertretungsunterrichts gewährleisten zu können, Mittel in einer Größenordnung von 1.000 c pro Stelle in die Hand. Das ist sehr viel mehr als das, was in der Vergangenheit war.

Frau Kollegin Habermann, man muss schon ein paar Millionen zugestehen. Man kann nicht von 500 c reden, sondern es sind jedes Jahr 500 Millionen c in der Differenz zwischen dem Bildungshaushalt des Einzelplans 04 im Jahr 2006 und dem Bildungshaushalt des Einzelplans 04 im Jahr 1998. Dabei sind die Versorgungslasten dezidiert herausgerechnet. Das ist der Unterschied zwischen der damaligen Regierung und der heutigen.