Protokoll der Sitzung vom 13.07.2006

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Fuhrmann. – Das Wort hat Herr Kollege Rentsch, der hier schon bereitsteht.

Da wir in diesem Haus nur vier Fraktionen sind, ist es logisch, dass ich jetzt an die Reihe komme. Wenn Sie noch eine fünfte Fraktion entdecken, werde ich mich für dieses Vorgehen entschuldigen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Erstens möchte ich die Gelegenheit nutzen,um den Kommunen in

Hessen herzlich zu gratulieren. Sie scheinen Geburtstag zu haben.Sie haben sich selbst ein riesengroßes Geschenk gemacht.

(Beifall bei der FDP)

Sie haben sich nämlich das Geld, das ihnen für einen anderen Bereich zustand, für die Kinderbetreuung zugeteilt. Frau Ministerin,ich muss ehrlich sagen,es ist toll,dass sich die Kommunen selbst ein Geschenk gemacht haben.

(Beifall bei der FDP)

Zweitens. Ich stimme mit dem überein, was meine Vorrednerinnen gesagt haben: Die meiste Energie haben Sie in die Erfindung des Namens gesteckt. Das war großartig. Der Name BAMBINI und dann das ausgefeilte Zuweisen einzelner programmatischer Eckpunkte zu den Buchstaben – das hat mich beeindruckt. In der Presse ist das gut vermarktet worden. Auch dazu herzlichen Glückwunsch, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Wenn man versucht, dieses Thema ganz sachlich anzugehen, muss man erstens feststellen, dass die Landesregierung auf dem Gebiet der Kinderbetreuung etwas gemacht hat – so, wie sie es vor der Landtagswahl angekündigt hat. Das ist ein richtiger Schritt.

(Axel Wintermeyer (CDU):Wir halten Wort!)

Sie sagen, dass Sie Wort halten. Wir werden gleich analysieren, ob das wirklich so ist.

(Axel Wintermeyer (CDU): Immer!)

Zweitens finde ich es gut, dass Sie – wahrscheinlich ist das so – für die Eltern eine Entlastung erreichen.Auch das ist ein richtiger Schritt.

Aber worüber haben wir von diesem Pult aus diskutiert? Was wollten wir insgesamt erreichen? Wir wollten erreichen, dass es in Hessen einen Ausbau der Kinderbetreuungsplätze gibt. Dieses Ziel verfehlen Sie.Wir wollten erreichen, dass es in Hessen mehr Flexibilität vor Ort gibt und dass die Bedürfnisse der Eltern stärker im Mittelpunkt stehen.Herr Kollege Reißer,auch das verfehlen Sie komplett.

Am meisten erstaunt mich Folgendes – Frau Fuhrmann hat es schon gesagt, wenn auch mit einer anderen Intention; ich finde es fast unfassbar –: Was das TAG, das Tagesbetreuungsausbaugesetz, betrifft, so haben wir gegen den von Rot-Grün durchgesetzten Gesetzentwurf argumentiert, es könne nicht sein, dass wir in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen, den Kommunen vorschreiben, wie sie ihr Geld in diesem Bereich ausgeben, und sie letztendlich auf einem Teil der Kosten sitzen lassen. Diese Investitionsanschubförderung zieht nämlich Kosten nach sich.

Frau Ministerin, im Ergebnis stellen wir fest, dass Sie genau das Gleiche machen. Herr Kollege Reißer, warum die Argumente, über die wir hier vor einem Dreivierteljahr diskutiert haben, heute nicht mehr gelten sollen, ist mir völlig unverständlich.

(Beifall bei der FDP)

In Hessen sollen 56.000 Kinder von einem beitragsfreien letzten Kindergartenjahr profitieren. Die Kommunen erhalten pro Monat und Kind 100 c. Ich will Ihnen sagen, was das für die Stadt Wiesbaden bedeutet. Wir haben in Wiesbaden im Kommunalwahlkampf parteiübergreifend gesagt, dass wir für einen Teil des Tages eine kostenlose

Betreuung sicherstellen wollen. Das haben alle Parteien gesagt. Die Jamaika-Koalition hat jetzt vereinbart, dass vier Betreuungsstunden vormittags – eigentlich in der Zeit von 8 bis 12 Uhr – kostenlos sind.

Frau Ministerin, jetzt geht es schon los.Wie soll damit die Vorgabe des Landes – bis 13 Uhr – realisiert werden? Trifft es auf uns zu – das würde ich heute gern erfahren, denn dann würde ich den kommunalen Kollegen gleich grünes Licht geben –, oder trifft es nicht auf uns zu? Das heißt, die Vorgaben, die das Land im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung in diesem Bereich macht, sind so starr, dass es den Kommunen an dieser Stelle überhaupt nicht möglich ist, flexibel zu reagieren.

Frau Fuhrmann, genau das wollten wir. Wir wollten auf die Bedürfnisse der Eltern eingehen. Wir wollten uns anschauen, was die Eltern vor Ort möchten.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Petra Fuhr- mann (SPD))

Im Gegensatz zur SPD stimmen wir uns mit den Eltern vor Ort ab, weil wir glauben, dass der Wille der Eltern in dieser Frage berücksichtigt werden muss.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Petra Fuhr- mann (SPD))

Nächstes Thema. Neben der Nichtbeachtung der kommunalen Selbstverwaltung und der Elternwünsche ist es unserer Ansicht nach auch der falsche Weg, wenn Sie sagen, dass Sie mit der Objektförderung weitermachen. Sie wissen, dass wir Liberale vorgeschlagen haben, stärker in die Subjektförderung zu investieren. Über die Einführung von Betreuungsgutscheinen wollen wir auf dem Kinderbetreuungsmarkt endlich Wettbewerb erreichen.

Frau Ministerin, mit der Manifestierung der Objektförderung erreichen Sie genau das Gegenteil. Wir bekommen keinen Wettbewerb, sondern wir haben weiterhin ein starres System.Wir zementieren dieses System damit.

(Beifall bei der FDP)

Ein weiteres Thema. Mit diesem Programm erreichen wir vor allem nicht – das finde ich sehr ärgerlich –, dass in die Qualität der Betreuungseinrichtungen investiert wird.

(Beifall bei der FDP)

Wir sind uns darin einig, dass der Bildungs- und Erziehungsplan des Landes, den wir wirklich für sehr gut halten, eine wunderbare Grundlage für diese Diskussion ist. Ich glaube, Hessen ist, im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern, hier einen großen Schritt nach vorne gegangen.Wir haben aber noch keine Lösung dafür, wie wir den Übergang vom Kindergarten in die Grundschule sicherstellen können.

(Nicola Beer (FDP): Richtig!)

Die FDP-Fraktion hat das Modell Kinderschule vorgestellt. Dabei handelt es sich um ein pädagogisches Konzept. Wir sind nämlich der Meinung, dass der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule von einem pädagogischen Konzept begleitet werden muss. Das fehlt in Ihrem Modell völlig.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Reißer, Sie haben gesagt, dass Sie sich darum kümmern wollen. Ich hoffe es. Aber in dem Modell BAMBINI ist so etwas nicht erwähnt. Das finde ich traurig, weil Sie, nachdem Sie zusammen mit uns gefordert ha

ben, diesen Übergang besser zu organisieren, hier nichts dazu vorlegen, wie das Ganze vonstatten gehen soll.

Des Weiteren war zu vernehmen, dass der CDU-Generalsekretär, Herr Boddenberg, der medial häufig sehr aktiv ist,Herrn Röther vom Hessischen Landkreistag sehr stark in die Schusslinie genommen hat. Es bleibt der CDU überlassen, ob sie das macht oder nicht. Aber ich will zitieren, was der Kollege Dieter Schlempp, Direktor des Hessischen Städtetages und Mitglied der CDU, zu diesem Programm gesagt hat. Er sagt: Das ist eine politische Zielsetzung. Zu der kann man Ja oder Nein sagen. – Gönnerhaft sei es aber nicht. Das Geld, das den Kommunen angeboten wird, ist eigentlich ihr eigenes Geld. Diese Finanzierung kritisiert auch die Opposition im Landtag. Das waren alle drei Parteien.

Weiterhin sagt Herr Schlempp: „Es werden nicht alle vor Ort gegen dieses Programm sein. Aber ob alle dafür sein werden, daran habe ich meine Zweifel.“

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Herr Kollege Boddenberg, jetzt kommen wir zu einem Hauptproblem. Sie haben gesagt, die Kommunen haben auf der einen Seite eine Einsparung, und diese Einsparung will das Land jetzt anders verwenden.

Theoretisch kann man das so tun. Lassen wir einmal den Aspekt der kommunalen Selbstverantwortung unbeachtet. Frau Ministerin, Sie wissen aber genauso gut wie ich, dass zwar eine Einsparung über das gesamte Land vorhanden ist, viele Kommunen aber aufgrund der Hartz-IVGesetze keine Einsparung haben.Was ist denn mit diesen Kommunen?

(Beifall bei der FDP)

Diese Kommunen werden im Stich gelassen. Sie bleiben im Regen stehen. Das kann doch nicht sein, gerade nicht bei der Problematik Hartz IV. Frau Fuhrmann war wieder sehr forsch, als es um Hartz IV ging. Ich will nur einmal an die gekappten Eingliederungsmittel erinnern, die Sie beschlossen haben. Das wird den Kommunen noch schwer zu schaffen machen. Das hat die schwarz-rote Regierung auf Berliner Ebene beschlossen.

Diese Reform Hartz IV beutelt viele Kommunen in Hessen noch sehr stark, weil sie in vielen Bereichen ganz andere Folgen hatte – auch wegen der Gesetzesfehler. Sie können doch nicht sagen, dass diese Reform 1 : 1 ausgetauscht und gesagt wird, jetzt wird abgerechnet, und das Geld, das theoretisch übrig bleiben muss, wird den Kommunen zur Kinderbetreuung zur Verfügung gestellt. Wer diese Conclusio aus dieser Reform zieht,der hat diese Reform nicht verstanden.

(Beifall bei der FDP)

In Hessen gibt es viele Kommunen, die hier nichts einsparen, und man kann nicht einfach sagen, das Geld, das sie nicht eingespart haben, nehmen sie jetzt für die Kinderbetreuung. Das ergibt hinten und vorne keinen Sinn. Man kann letztendlich sagen, es ist ein bisschen wie Unterrichtsgarantie plus: Kinderbetreuung plus – nichts Halbes und nichts Ganzes.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Es ist noch schlimmer! – Petra Fuhrmann (SPD): Das ist ein Placebo!)

In diesem Sinne ist es eine Pleite. Ich glaube, Ihr Wille war gut, aber die Umsetzung ist schlecht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Jürgen Walter (SPD))

Das Wort hat Frau Sozialministerin Lautenschläger.