nicht mit den Worten: Wir haben in das System mehr Wettbewerb gebracht. – Das ist doch eine Irreführung der Wähler.
Meine Damen und Herren, was wir gebraucht hätten, wäre gerade die Lösung des Problems gewesen, die demographische Entwicklung dieses Landes in einem Krankenversicherungssystem abzubilden. Wir beschäftigen in diesem Hause – genauso wie fast alle anderen Landesparlamente – eine Enquetekommission zum demographischen Wandel. Es ist erstaunlich, dass die Erkenntnisse, die dort gewonnen werden, sich in diesem System in keiner Weise niederschlagen. Das finde ich wirklich erstaunlich. Herr Boddenberg, das könnte man Ignoranz, Unwissenheit oder Dreistigkeit nennen. Ich halte es eher für eine Dreistigkeit – wenn man die Erkenntnis hat, dass eine Gesellschaft älter wird –, dass man in einem System, das den Schutz vor einer Erkrankung gewährleisten soll, in keiner Weise Altersrückstellungen bildet und dieses System demographieunabhängig macht.All das haben Sie nicht erreicht. Das ist ein Skandal, und es ist ein Verbrechen an der jungen Generation unseres Landes.
Meine Damen und Herren, was wir gebraucht hätten, wäre ein System gewesen, das genau das beinhaltet: demographische Unabhängigkeit, die Bildung von Altersrückstellungen, eine Senkung der Arbeitskosten und eine Diskussion der Frage, ob all das, was in unserem Gesamtsystem angeboten wird,auch wirklich notwendig ist.Diese Diskussion,die bestimmt schmerzhaft ist und die uns auch nicht einfach gefallen wäre, haben Sie komplett ausgespart.
Herr Kollege Boddenberg, all das haben Sie nicht erreicht. Da ich weiß, dass Ihre Gesundheitsministerin in diesem Bundesland eigentlich etwas ganz anderes vorhatte, ein ganz anderes System wollte und viel weiter gehende Vorschläge hatte als das, was die Union auf Bundesebene verabschiedet hat,
kann man nur sagen, es ist schade, dass sich Frau Lautenschläger nicht durchgesetzt hat. Die Vernünftigen scheinen in der Union in der Minderheit zu sein. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, natürlich ist es als Oppositionspartei in Berlin Ihr gutes Recht, den Finger dahin zu legen, wo Sie glauben, dass es weh tut. Aber die Reform des Gesundheitswesens hat eine Geschichte, und es wird auch eine Zukunft geben.
Das ist nicht das letzte Wort. Ich will nur einmal daran erinnern: In der Geschichte hatten auch die GRÜNEN eine Gesundheitsministerin,die schon am Anfang der Reformbemühungen genau an diesen Stellen, die Sie heute beklagen, gescheitert ist.
Liebe Kollegen, es bleibt auch für die Zukunft Ihr Geheimnis, wie Sie dann mit Herrn Berninger in der Jamaika-Koalition die Bürgerversicherung umsetzen. Da bin ich gespannt.
Aber zur Sache. Wir haben uns doch überhaupt keine Illusionen gemacht. Da sind zwei Parteien mit zwei völlig unterschiedlichen Konzepten angetreten. Da ist auf der einen Seite die Union mit der Kopfpauschale angetreten, die – glaube ich – im Wahlkampf für die Union wirklich kein Hit war. Auf der anderen Seite ist die SPD mit der Bürgerversicherung angetreten. Ich glaube ganz fest, dass es für die Bürgerversicherung in diesem Lande eine gesellschaftliche Mehrheit gibt.
Was jetzt herausgekommen ist, da mache ich überhaupt keinen Hehl daraus, das enttäuscht uns auch. Wir hatten uns auch mehr erwartet, und ich glaube, dass auch der Wählerauftrag ein anderer war. Während der Bundestagswahl hat die Hanns-Seidel-Stiftung, die nicht im Verdacht steht, uns in irgendeiner Weise nahe zu stehen, bei den Wählern eine Umfrage gemacht. Bei dieser Umfrage zum Sozialstaat ist herausgekommen, dass es 95 % der Wählerinnen und Wähler als Aufgabe des Staates sehen, ein funktionierendes Gesundheitssystem zur Verfügung zu stellen.
Die hessische SPD hat dazu ein Konzept vorgelegt. Wir haben ein solides,durchgerechnetes Konzept einer solidarischen Bürgerversicherung vorgelegt. Wir haben das in unserer Partei auf Bundesebene mehrheitsfähig gemacht. Wir haben es auch so mehrheitsfähig gemacht, dass es im Bundestagswahlkampf ein großes Thema war.Wir wollten mit diesem System einerseits eine Effizienzsteigerung im Gesundheitssystem und haben andererseits klar dargelegt, wie wir uns eine langfristige und solide Finanzierung dieses Gesundheitssystems vorstellen. Das heißt: Wir wollten, dass alle Bürgerinnen und Bürger und alle Einkommensarten zur Finanzierung herangezogen würden.
Liebe Kollegin Schulz-Asche, man soll auch das, was erreicht wurde, nicht gering schätzen. Es ist wichtig, dass wir 200.000 Menschen, die bisher keiner Versicherung angehört haben, in die Versicherung bekommen haben.
Es ist nicht gering zu schätzen, dass wir im Gesundheitssystem eine Effizienzsteigerung erreicht haben, und es ist auch nicht gering zu schätzen, dass wir Leistungskürzungen vermieden haben.
Es ist auch nicht gering zu schätzen, dass wir den Arbeitgeberanteil – so, wie es geplant ist – nicht festgeschrieben haben.Ich gebe ganz ehrlich zu:Wesentliche Ziele wurden nicht erreicht.Aber offensichtlich muss man im Nachhinein, wenn man sich den Ablauf noch einmal vor Augen führt, auch sehen, dass mit der CDU einiges nicht verhandelbar war. Wir wollten die Beitragszahler entlasten, indem wir durch die Finanzierung über Steuern auch die Vermögens- und Unternehmenseinkommen heranziehen wollten. Meine Damen und Herren, das war dann nicht mehr möglich.
Natürlich gab es schon vorher Signale,dass wir dies über Steuern machen würden. Dann kamen die Ministerpräsidenten, allen voran Roland Koch, und haben gesagt: Das geht mit uns nicht.
Sie können sich noch einmal melden. – Meine Damen und Herren, was uns auch ganz wichtig war: Wir wollten, dass sich auch die privat Versicherten an der solidarischen Finanzierung beteiligen, doch da hat die CSU den Riegel vorgeschoben. Da waren sogar schon die Privatversicherungen weiter. Lesen Sie einmal das Interview mit Herrn Diekmann von der Allianz.Die CSU hat absolut blockiert und es nicht zugelassen. Jetzt haben wir die Beitragssteigerung von 0,5 %. Wir wollten, dass das Gesundheitswesen wieder stark im Gedanken des Sozialstaates verankert wird. Mit diesem Kompromiss sehe ich das in der Tat nicht gewährleistet.
Mein Fazit ist: Ich glaube, dass der Kompromiss die größten Engpässe, die wir bekommen werden, kurzzeitig erträglich machen wird. Ich stimme Ihnen zu, dass wir langfristig bereit sind, neu nachzudenken. Ich würde nie so weit wie die Kanzlerin gehen und von einem großen Durchbruch reden.
Ich halte das in der Tat für keinen großen Durchbruch, und ich glaube nicht, dass das Verhandlungsergebnis langfristig dafür geeignet ist, die Finanzierung des Gesundheitssystems solidarisch zu sichern.Für uns gibt es deshalb nur ein Fazit: Wir werden kurzfristig damit leben können und leben müssen. Es wird in den konkreten Verhandlungen, die jetzt anstehen, noch die eine oder andere Veränderung geben. Dann werden wir aber sagen müssen: Wir werden dafür sorgen, dass die Bürgerversicherung auch in den nächsten Jahren und spätestens im Jahre 2009 wieder auf der Tagesordnung steht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Ypsilanti, eines kann ich Ihnen zurückgeben: Mit der SPD war auch vieles nicht verhandelbar und erreichbar.
Zur Aktuellen Stunde „Sieg der großen Koalition der Lobbyisten – Reform vertagt – Versicherte geschröpft“,
Frau Kollegin Schulz-Asche, bei aller Wertschätzung:Wer solche plakativen Thesen aufstellt,hat null verstanden,geschweige denn, die Eckpunkte gelesen.